L 11 R 5429/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2958/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5429/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.11.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung gezahlter Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit ab dem 01.02.1992.

Der am 09.04.1965 geborene Kläger absolvierte von August 1984 bis Juni 1986 eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war anschließend als kaufmännischer Angestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Am 01.08.1991 übernahm er den elterlichen Betrieb und war er als Bestattungsunternehmer selbständig tätig.

Er war aufgrund seines Antrages vom 10.09.1991 (Bl 13 Verwaltungsakte) bei der Beklagten zunächst freiwillig versichert.

Mit Bescheid vom 08.10.1991 (Bl 17 Verwaltungsakte) wurde festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten.

In einem weiteren Antrag des Klägers vom 27.01.1992 (Bl 22 Verwaltungsakte) auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung ist das Feld für eine "Pflichtversicherung von selbständig Tätigen" angekreuzt. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, wer dieses Feld angekreuzt hat. Das Feld "Freiwillige Versicherung" ist durchgestrichen. Unter dem Abschnitt "Pflichtversicherung für selbständig Tätige" ist angekreuzt "Pflichtversicherung auf Antrag für selbständig Tätige" und es sind unter diesem Abschnitt Angaben zur Tätigkeit und zur Höhe der Pflichtbeiträge gemacht.

Der daraufhin von der Beklagten erlassene Bescheid vom 03.06.1992 (Bl 32 Verwaltungsakte) bestimmte ua: "Aufgrund Ihres Antrages sind Sie ab 01.02.1992 nach § 4 Abs 2 SGB VI versicherungspflichtig. Versicherungspflichtige Selbständige zahlen grundsätzlich den Regelbeitrag ... Der Zahlbetrag für die Zeit von Februar 1992 bis Juni 1992 (Pflichtversicherung) in Höhe von 3097,50 DM wird im Juli 1992 abgebucht ... Die Versicherungspflicht endet mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht wegfallen."

Hiergegen legte der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 22.06.1992 Widerspruch ein (Bl 34 f Verwaltungsakte). Er bat darum, dass "ab Beginn der Pflichtversicherung nur der halbe Regelbeitrag" abgebucht werde.

Diesem Begehren wurde mit Bescheid vom 21.07.1992 (Bl 40 Verwaltungsakte) entsprochen. Der Bescheid vom 21.07.1992 (Bl 40 VerwA) bestimmte ua: "Sie haben eine Änderung der bargeldlosen Beitragszahlung beantragt. Wir werden diese Änderung künftig beachten. Versicherungspflichtige Selbständige zahlen grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspricht ... Sie sind berechtigt bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit den halben Regelbeitrag zu zahlen. Der Zahlbetrag für die Zeit von Februar 1992 bis Juni 1992 (Pflichtversicherung) in Höhe von 1858,50 DM wird im Aug. 1992 abgebucht. Eventuell bereits vorhandene Beträge werden wir erstatten."

Mit Schreiben vom 12.12.2005 (Bl 61 Verwaltungsakte) bat der Kläger um Überprüfung der Rentenunterlagen. Er habe sich 1991 freiwillig rentenversichert. Es sei eine freiwillige Versicherung mit dem geringstmöglichen Betrag vereinbart worden. Sein Anlageberater habe ihm jetzt mitgeteilt, dass er freiwillig pflichtversichert sei. Dies könne er sich nicht erklären.

Durch seinen Bevollmächtigten ließ der Kläger unter dem 23.01.2008 vortragen, es sei wohl so, dass nachträglich durch einen Mitarbeiter der Beklagten im Antrag vom 27.01.1992 ein Kreuzchen unter der Rubrik "Pflichtversicherung von Selbständigen" gesetzt worden sei. Im Übrigen sei das Formular durch den Kläger zuhause mit Schreibmaschine ausgefüllt worden. Eine Pflichtversicherung sei für ihn völlig sinnlos. Daher könne allenfalls eine freiwillige Versicherung bestehen, die gekündigt werde. Darüber hinaus stünde ihm ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Die bisher eingezahlten Beiträge in Höhe von 75.033,36 EUR seien von der Beklagten zurückzuerstatten.

Mit Bescheid vom 06.02.2008 (Bl 73 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Erstattung von Pflichtbeiträgen in Höhe von 75.033,36 Euro aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ab. Der vom Kläger geschilderte Sachverhalt sei nicht geeignet, von einer Pflichtverletzung der Beklagten auszugehen. Der vom Kläger angeführte Beratungsmangel bezüglich des Sinns einer Pflichtversicherung müsse zurückgewiesen werden. Im Falle einer Erwerbsminderung würde dem Kläger aufgrund der geleisteten Beiträge zur Zeit eine monatliche Bruttorente in Höhe von 792,74 EUR zustehen. Bei gleicher Beitragsleistung im Rahmen einer freiwilligen Versicherung könne er mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine Rente erhalten.

Hiergegen legte der Kläger am 14.02.2008 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass ein Beratungsmangel vorläge. Die entsprechenden Ankreuzungen bzgl einer "Pflichtversicherung" würden von ihm nicht stammen. Dies habe ein Sachbearbeiter der Beklagten gemacht. Eine Pflichtversicherung sei für ihn sinnlos gewesen, eine solche hätte er bei ordnungsgemäßer Beratung nicht abgeschlossen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2008 als unbegründet zurück (Bl 84 Verwaltungsakte).

Die hiergegen zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage wurde vom SG mit Urteil vom 26.08.2010, S 3 R 2037/08, abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe weder der gesetzliche normierte Erstattungsanspruch gem § 26 Abs 2 SGB IV noch ein Erstattungsanspruch aus dem ungeschriebenem Recht des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zu. Die Beiträge seien nicht zu Unrecht entrichtet worden. Den gezahlten Beiträgen liege der bestandskräftige Bescheid vom 03.06.1992 zu Grunde. Beiträge seien nicht zu Unrecht entrichtet, solange ihnen ein wirksamer Verwaltungsakt zugrunde liege. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, da Rechtsfolge eines Herstellungsanspruches nicht die Erstattung von rechtmäßig entrichteten Beiträgen sein könne.

Hierauf beantragte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 03.06.1992. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.03.2011 ab (Bl 186 Verwaltungsakte).

Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2011 zurückgewiesen (Bl 196 Verwaltungsakte). Der Bescheid vom 03.06.1992 könne nicht zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. In dem anschließend erhobenen Widerspruch sei lediglich beantragt worden, die Beitragshöhe zu ändern. Gegen die festgestellte Versicherungspflicht seien keine Einwände erhoben worden. Der am 21.07.1992 erteilte Abhilfebescheid sei bindend geworden.

Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2011 zum SG Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er habe den Antrag vom 27.01.1992 selbst mit der Schreibmaschine ausgefüllt, die handschriftlichen Ergänzungen seien nicht von ihm vorgenommen worden. Die Beklagte habe anschließend eigene Eintragungen gemacht und das Versicherungsverhältnis sei auf eine Pflichtversicherung für Selbständige umgestellt worden. Er hat auf die im Verfahren S 3 R 2037/08 vorgelegte eidesstattliche Versicherung seiner Mutter, der Zeugin I. B., Bezug genommen. Hieraus gehe hervor, dass er das Formular vom 27.01.1992 so nicht ausgefüllt habe und die handschriftlichen Eintragungen und Streichungen nicht von ihm stammten. Dem Bescheid vom 03.06.1992 sei keine besondere Bedeutung beigemessen worden, da es in diesem lediglich um eine bargeldlose Beitragszahlung gegangen sei. Von einer Veränderung des Versicherungsstatus sei dort nie die Rede gewesen. Insofern habe er keine Veranlassung gehabt, tätig zu werden. Er sei als sozialversicherungsrechtlicher Laie erst durch seinen Anlageberater auf die Problematik hingewiesen worden. Im Übrigen stelle sich die Beratung der Beklagten, demzufolge sich der Kläger bei ihr freiwillig versichern sollte, als falsch dar. Objektiv betrachtet sei dies für den Kläger nachteilig. Schließlich gehe es nicht zu seinen Lasten, dass die Beklagte den/die betreffenden Mitarbeiter nicht mehr benennen könne, der seinerzeit das Kreuz an der falschen Stelle gemacht und ihn falsch beraten habe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Der Kläger habe zunächst am 10.09.1991 einen Antrag auf freiwillige Versicherung gestellt und ab 01.08.1991 freiwillige Beiträge gezahlt. Es stelle sich daher die Frage, welche andere Versicherungsart als "Pflichtbeiträge" der Kläger mit seinem unbestritten von ihm eingesandten Antrag hätte beantragen wollen. Einen Antrag auf Höherversicherung habe er nicht gehabt. Mit Pflichtbeiträgen habe er seine Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, was mit einer freiwilligen Versicherung nicht möglich gewesen wäre.

Mit Urteil vom 13.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 28.11.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 18.12.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen nochmals vertieft. Das Urteil des SG könne bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben, da dies weder durch die Richterin als Vorsitzende noch durch die ehrenamtlichen Richter unterzeichnet worden sei. Auch in der Sache habe das SG den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Es sei kein vernünftiger Grund erkennbar, weshalb der Kläger am 10.09.1991 einen Antrag auf eine freiwillige Versicherung habe stellen sollen um dann vier Monate später auf eine völlig andere Versicherung umzusteigen. Allein der Umstand, dass im Antragsformular vom 27.01.1992 das Feld "freiwillige Versicherung" keine Einträge aufweise, könne nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass der Kläger wissentlich seinen Versicherungsstatus habe ändern wollen. Im Schriftverkehr sei es erkennbar darum gegangen, wie Beiträge bezahlt werden; die bargeldlose Beitragsentrichtung durch Überweisung sei Gegenstand der Korrespondenz gewesen, später sei es um Fragen der Einzugsermächtigung bzw Abbuchung der Beklagten vom Konto des Klägers gegangen. Die Beklagte habe auch nicht entgegen der Interessenlage des Klägers das Formular vom 27.01.1992 dahingehend auslegen können, dass der Kläger eine Veränderung seines Versicherungsstatus erreichen wolle und beantragt habe. Eine derart gravierende Umstellung im Vertrags- bzw Versicherungsverhältnis von freiwilliger Versicherung auf Pflichtversicherung könne nicht lediglich dadurch erfolgen, dass in einem Formular, in welchem es um Fragen der Beitragszahlung gehe, durch die Beklagte selbst das Formular entsprechend ergänzt werde. Die Beklagte hätte bei einem für sie widersprüchlichen Vorgang den Kläger darauf hinweisen müssen, dass das Formular vom 27.01.1992 mit demjenigen vom 10.09.1991 inhaltlich nicht in Übereinstimmung zu bringen sei. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger zu informieren und zu beraten, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag zu gestalten bzw auszuwählen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte unstrittig nicht nachgekommen. Die Zeugin B. habe den Vorgang nachvollziehbar bestätigt. Sie habe aus der Sicht ihrer Generation geschildert, dass es ihr ausschließlich um eine Grundabsicherung für ihren Sohn gegangen sei. Von einer Rentenleistung oder von einem Versicherungsschutz für den Fall der Erwerbsunfähigkeit sei keine Rede gewesen. Den Unterschied zwischen einer freiwilligen Versicherung und einer Pflichtversicherung habe weder die Zeugin noch der Kläger gekannt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.11.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2011 zu verpflichten, den Beitragsbescheid vom 03.06.1992 zurückzunehmen und die auf Grund des Beitragsbescheides vom 03.06.1992 geleisteten Beiträge an den Kläger zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf den Widerspruchsbescheid sowie die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

In einem Erörterungstermin am 22.05.2014 hat der Kläger Angaben zur Sache gemacht. In einem Erörterungstermin am 18.06.2015 ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung der Mutter des Klägers, der Frau I. B., als Zeugin. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet.

Das Urteil des SG ist aus formellen Gründen nicht zu beanstanden. Erforderlich ist die eigenhändige Unterschrift des oder der Kammervorsitzenden (§ 134 Abs 1 SGG) mit dem vollen Nachnamen (vgl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 315 Rn 4 mwN), wie vorliegend geschehen (vgl Bl 61 SG-Akte). Die Unterschrift der ehrenamtlichen Richter ist nicht erforderlich, weil diese nur in der mündlichen Verhandlung anwesend sind (BT-Drucks 1/4357 S 30).

Der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 03.06.1992 und kann auch die Erstattung der geleisteten Beiträge nicht beanspruchen.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Ziel des § 44 SGB X ist es, wie das SG zutreffend dargelegt hat, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl etwa BSG 04.02.1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG 28.01.1981, 9 RV 29/80, BSGE 51, 139, SozR 3900 § 40 Nr 15).

Vorliegend ist bei Erlass des Verwaltungsakts vom 03.06.1992 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.

Ausreichend ist die einfache Rechtswidrigkeit, dh ein objektiver Rechtsverstoß (Merten in: Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rn 15). Ein unrichtiger Sachverhalt beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist und wie sie sich bei Erlass des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt (vgl Schütze in v. Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn 6). Festzustellen ist, von welchem Sachverhalt die Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist und welcher Sachverhalt tatsächlich bei Erlass bestanden hat.

Die Antragspflichtversicherung für Selbständige bezieht auf Antrag Personen, die nach den §§ 1 - 3 SGB VI nicht kraft Gesetzes von der Versicherungspflicht erfasst werden, in die Versicherungspflicht ein. Sie wurde mWv 19.10.1972 eingeführt (§ 1227 Abs 1 S 1 Nr 9 Reichsversicherungsordnung, § 2 Abs 1 Nr 11 Angestelltenversicherungsgesetz). Der mWv 01.01.1992 eingeführte § 4 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lautet: Auf Antrag versicherungspflichtig sind Personen, die nicht nur vorübergehend selbständig tätig sind, wenn sie die Versicherungspflicht innerhalb von fünf Jahren nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder dem Ende einer Versicherungspflicht aufgrund dieser Tätigkeit beantragen.

Im vorliegend streitigen Zeitraum der ersten Jahreshälfte 1992 war der Kläger selbständig seit Spätsommer 1991 und nicht nur vorübergehend tätig. Damit steht und fällt die Antragspflichtversicherung mit dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines entsprechenden Antrags.

Nach Abschluss der Beweiserhebung ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 27.01.1992 einen Antrag auf Pflichtversicherung gestellt hat, der kraft Gesetzes zu einer Antragspflichtversicherung geführt hat.

Ein Antrag ist eine empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt wird.

Zutreffend hat das SG festgestellt, dass nach objektiver Anschauung zwei Anträge gestellt worden sind, der erste Antrag vom 10.09.1991, der mit "Antrag auf bargeldlose Beitragsentrichtung in der Angestelltenversicherung" überschrieben war, und der im Streit stehende Antrag vom 27.01.1992, der mit "Antrag auf Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung" überschrieben war. Unabhängig davon, wer das Kreuz auf dem Antragsformular vom 27.01.1992 gesetzt hat, sind bei der Beklagten zwei vom Kläger unterschriebene Anträge eingegangen. Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt, dass mit dem zweiten Antrag eine Änderung des Versicherungsverhältnisses angestrebt worden ist. Dies hat die Beklagte dem Kläger gewährt und dessen Begehren antragsgemäß umgesetzt, ohne dass dem widersprochen worden ist, insbesondere auch nicht, nachdem sich die monatlich fälligen Beiträge massiv von ca 100 DM auf ca 600 DM erhöht hatten.

Soweit der Kläger vorträgt, der Antrag vom 27.01.1992 sei ihm im Rahmen der Übermittlung von Kontodaten von der Beklagten übersandt worden und er sei davon ausgegangen, dass es hierbei lediglich um die Übermittlung seiner Kontodaten bzw um Zahlungsmodalitäten gegangen sei, teilt der Senat die Auffassung des SG, dass dies nicht nachvollziehbar ist. Im Antragsformular vom 27.01.1992 hatte die Mutter des Klägers in Absprache mit dem Kläger mit Schreibmaschine Angaben in den Feldern "1. zur Person", "2. bisheriges Versicherungsverhältnis", "4. Pflichtversicherung für selbständig Tätige" und "6. Angaben zum Zahlungsweg" getätigt. In Feld "3. Freiwillige Versicherung" befanden sich hingegen keine Einträge. Im ersten Antrag vom 10.09.1991 wurden - passend zu der vom Kläger zunächst begehrten freiwilligen Versicherung - keine Angaben im Feld "3. Pflichtversicherung für Selbständige", sondern Angeben im Feld "4. Freiwillige Versicherung" getätigt.

Selbst wenn der Kläger - wie auch von der Mutter des Klägers in dem Verfahren S 3 R 2037/08 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 24.04.2009 bestätigt - die nicht mit der Schreibmaschine getätigten Eintragungen im Antrag vom 27.01.1992 nicht gemacht hat und sämtliche nicht mit Schreibmaschine vorgenommenen Eintragungen nicht vom Kläger stammen sollten, so hat der Kläger in einem "Antragsformular" im Feld "4. Pflichtversicherung für selbständig Tätige" Eintragungen vorgenommen, in Feld "3. Freiwillige Versicherung" hingegen nicht. Objektiv gesehen passen daher die vom Kläger getätigten Eintragungen im Rahmen des ersten Antrages vom 10.09.1991 zu einer begehrten freiwilligen Versicherung, im Rahmen des Antrages vom 27.01.1992 die mit Schreibmaschine getätigten Eintragungen zu einer Pflichtversicherung für selbständig Tätige.

Gegen den Bescheid vom 03.06.1992, in dem explizit auf eine bestehende "Pflichtversicherung" hingewiesen wird, hat der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in W. am 17.06.1992 Widerspruch eingelegt. In der Erklärung heißt es: "Hiermit lege ich vorsorglich Widersprach gegen den Bescheid vom 03.06.1992 ein. Ich bitte Sie darum, ab Beginn der Pflichtversicherung mir den halben Regelbeitrag in Höhe von 3057,50 DM abzubuchen." Die Erklärung enthält den Vermerk "Gelesen und unterschrieben" sowie die Unterschrift des Klägers. Auch hier wird wiederum eine Pflichtversicherung vom Kläger explizit erwähnt. Wenn sich der Kläger über die Bedeutung einer Pflichtversicherung im Unklaren war, so hätte er dies im Rahmen dieser persönlichen Vorsprache klären und ggf nachfragen müssen und auch hiergegen Widerspruch erheben können. Schließlich wird auch im aufgrund des Widerspruchs erlassenen Bescheids vom 21.07.1992 ausdrücklich auf die Beiträge zu einer "Pflichtversicherung" Bezug genommen.

Aus der Zeugenaussage der Mutter des Klägers ergibt sich nichts Gegenteiliges. Sie hat zwar erklärt, es sei 1991/1992 zwar eine Absicherung, aber keine Pflichtversicherung gewollt gewesen, aber sie hat auch deutlich gemacht, dass ihr der Unterschied zwischen freiwilliger und Pflichtversicherung nicht klar sei, insofern ist es für den Senat nicht nachvollziehbar, dass sie wiederum sicher sei, es sei keine Pflichtversicherung gewollt gewesen.

Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger die massive Beitragserhöhung im Zuge der Umstellung von der freiwilligen in die Pflichtversicherung widerspruchslos hingenommen und diese Beiträge mehr als ein Jahrzehnt bezahlt hat, lässt nicht den Schluss zu, er habe keine Pflichtversicherung gewollt.

Die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung ist als Realakt nicht anfechtbar (BSG 23.10.2003, B 4 RA 27/03 R, SozR 4-2600 § 7 Nr 1). Im Übrigen ist ein etwaiger Inhalts- oder Erklärungsirrtum beim Kläger und damit eine Anfechtungsmöglichkeit des Antrags vom 27.01.1992 nach dem vorstehend dargelegten Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen; ohnehin hätte eine solche Anfechtung unverzüglich nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund erfolgen müssen und wäre längstens 10 Jahre – bis zum 27.01.2002 – möglich gewesen (§ 121 BGB). Nachdem sich die monatlichen Beiträge von ca 100 DM auf ca 600 DM infolge der Umstellung der freiwilligen auf die Pflichtversicherung erhöht und die Beklagte in ihren Bescheiden vom 03.06.1992 und 21.07.1992 auf die nunmehr bestehende Pflichtversicherung hingewiesen hatte, lag eine ausreichende Kenntnis von der Änderung beim Kläger vor. Die einmal begründete Antragspflichtversicherung kann vom Versicherten nicht gekündigt, widerrufen oder sonst durch Willenserklärung beendet werden (BSG 26.01.2005, B 12 RA 3/03 R, SozR 4-2600 § 58 Nr 6).

Der Kläger kann daher eine Rücknahme des Bescheides vom 03.06.1992 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2011 nicht beanspruchen. Da die Beiträge demnach nicht zu Unrecht entrichtet worden sind, besteht auch kein Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte.

Der Kläger kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch nicht so behandelt werden als hätte er einen Antrag auf Pflichtversicherung nicht gestellt.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (Senatsurteil vom 26.06.2012, L 11 KR 572/11 unter Hinweis auf BSG 12.10.1979, 12 RK 47/77, BSGE 49, 76, SozR 2200 § 1418 Nr 6).

Erforderlich ist deshalb ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln in Form des Unterlassens einer notwendigen Beratung oder eine fehlerhafte, nicht notwendig schuldhafte Beratung der Beklagten (BSG 09.02.1993, 12 RK 28/92, juris). Dies kann nicht nachgewiesen werden. Der Kläger ist hierfür beweispflichtig (vgl Senatsurteil vom 26.06.2012, L 11 KR 572/11, juris Rn 24).

Allgemein gilt danach, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zulasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (BSGE 6, 70; 43, 110, 112 = SozR 2200 § 548 Nr 27). Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt danach im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründende Tatsache, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 27/13 R, juris Rn 18 mwN).

Welcher Mitarbeiter der Beklagten die Beratung des Klägers im Jahre 1991 vorgenommen hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Einzelheiten der Beratung lassen sich demnach schon aus diesem Grunde nicht mehr rekonstruieren. Da der Kläger nicht beweisen kann, dass die Beklagte ihn überhaupt nicht, unrichtig oder missverständlich über die Folgen einer Pflichtversicherung informiert hat, scheidet ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch schon deshalb aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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