L 3 AL 30/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 1 AL 172/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 30/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine erweiternde Auslegung von § 26 Abs. 2a SGB III dergestalt, dass Erziehungszeiten über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus Berücksichtigung finden können, kommt nicht in Betracht.
2. In den unterschiedlichen Altersgrenzen im Arbeitsförderungsrecht und im Elternzeitrecht liegt keine planwidrige Gesetzeslücke, die es im Wege der ergänzenden Auslegung zu korrigieren gilt:
3. Die Regelung in § 26 Abs. 2a SGB III ist nicht verfassungswidrig.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in gesetzlicher Höhe für die Zeit ab dem 1. April 2011.

Die am 1964 geborene Klägerin stand während der Zeit vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. März 2011 als Redakteurin einer Tageszeitung in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, zeitweise unterbrochen von Elternzeiten. Nach der Geburt ihrer Tochter am 2003 nahm die Klägerin nach Ablauf des Mutterschutzes in der Zeit vom 18. Oktober 2003 bis zum 18. Oktober 2004 Elternzeit. Im Anschluss daran ging sie bis zum 10. August 2006 erneut ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Nach der Geburt ihres Sohnes am 2006 und dem Ablauf des Mutterschutzes nahm die Klägerin zunächst in Bezug auf ihren Sohn vom 11. August 2006 bis zum 11. August 2009 und in der Folge in Bezug auf ihre Tochter vom 13. August 2009 bis zum 13. August 2010 Elternzeit. Im Anschluss daran nahm sie wieder ihre versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31. März 2011 beendet.

Am 10. Februar 2011 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2011 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 24. März 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin in den letzten zwei Jahren vor dem 1. April 2011 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Eine Berücksichtigung von Erziehungszeiten als gleichgestellte Zeiten gemäß § 26 Abs. 2a SGB III sei nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes möglich. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2011 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 15. Juni 2011 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass sie die notwendigen Anwartschaftszeiten erfülle. Die Erziehungszeiten seien auch in Bezug auf ihre Tochter als gleichgestellte Zeiten gemäß § 26 Abs. 2 a SGB III anzuerkennen. Die Vorschrift müsse im Zusammenhang mit den Vorschriften zum Elterngeld verfassungs- und europarechtskonform ausgelegt werden. § 26 Abs. 2a SGB III lasse außer Acht, dass nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) die Möglichkeit der Aufsplitterung von Elternzeit bestehe. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung von § 26 Abs. 2a SGB III diese Möglichkeit übersehen. Das offensichtliche Redaktionsversehen sei im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung zu korrigieren.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Januar 2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. April 2011. Sie habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren lediglich an 264 Kalendertagen und nicht mindestens 360 Kalendertage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Damit erfülle sie die notwendige Anwartschaftszeit nicht. Weitere Erziehungszeiten seien nicht zu berücksichtigen. § 26 Abs. 2a Nr. 1 SGB III beziehe sich nur auf Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Es bestehe weder eine Gesetzeslücke, noch sei die Vorschrift verfassungswidrig.

Gegen das ihr am 30. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2013 Berufung eingelegt. Sie verbleibt bei ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung, wonach die Erziehungszeiten über den Gesetzeswortlaut von § 26 Abs. 2 a SGB III hinaus anzurechnen seien. Dass ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliege; ergebe sich aus der Bundestagsdrucksache 14/6944. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (Az. 1 BvL 10/01) eine Verletzung von Artikel 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) angenommen habe, weil Zeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote nicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung berücksichtigt worden seien. Da typischerweise Mütter betroffenen seien, liege zudem eine geschlechterspezifische Diskriminierung vor.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2011 aufgehoben wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. April 2011 Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die nach ihrer Auffassung zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts. Der Wortlaut der Vorschrift von § 26 Abs. 2a SGB III sei eindeutig und bedürfe keiner Auslegung, weder im Zusammenhang mit den Vorschriften zum Elterngeld noch mit Verfassungs- und Europarecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Klägerin hat für die Zeit ab dem 1. April 2011 keinen Anspruch auf Arbeitslosgengeld. Maßgebend sind §§ 118, 119 und 124 SGB III in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 62 und 66 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) sowie § 123 SGB III in der vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2b Nr. 2 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 [BGBl. I S. 1939]).

Dem Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 118 Abs. 1 SGB III a. F. steht entgegen, dass die Klägerin nicht die notwendige Anwartschaftszeit nach § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. erfüllt hat, da Erziehungszeiten der Kinder gemäß § 26 Abs. 2a SGB III nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Berücksichtigung finden können. Daher ist der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2011, mit dem der Antrag auf Arbeitslosengeld abgelehnt wurde, rechtmäßig.

Es wird deshalb gemäß § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

1. Die Klägerin hat nicht den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie nicht die nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a. F. notwendige Anwartschaftszeit erfüllte. Die Anwartschaftszeit hatte gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. erfüllt, wer in der Rahmenfrist, die nach § 124 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB III a. F. zwei Jahre betrug, mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hatte. Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Zu letzteren zählen auch Personen mit Erziehungszeiten nach § 26a Abs. 2a SGB III.

Nach § 26 Abs. 2a SGB III sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie 1. unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III unterbrochen hat, und 2. sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes haben würden.

Innerhalb der Rahmenfrist, die ach § 124 Abs. 1 SGB III a. F. die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. März 2013 umfasste, waren die Zeiten der versicherungspflichtige Beschäftigung vom 14. August 2008 bis zum 31. März 2011 sowie die Erziehungszeiten für den am 2006 geborenen Sohn vom 1. April 2009 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, dem 4. Mai 2009, zu berücksichtigen.

Eine weitergehende Anrechnung von Erziehungszeiten kann nicht erfolgen, da diese die Erziehungszeiten nach der Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder genommen wurden.

2. Eine erweiternde Auslegung von § 26 Abs. 2a SGB III dergestalt, dass Erziehungszeiten über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus Berücksichtigung finden können, kommt nicht in Betracht.

Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11BVerfGE 133, 168 ff. = NJW 2013, 1058 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 66; vgl. z. B. auch BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 RSozR 4-4200 § 7 Nr. 9 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 18).

Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013, a. a. O.). Der Gesetzgeber konstituiert in § 26 Abs. 2a SGB III die Versicherungspflicht für Erziehende und bezieht diese nur auf Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Gesetzeswortlaut ist in Bezug auf die Altersgrenze klar und unzweideutig formuliert.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Gesetzessystematik. Denn der Gesetzgeber bestimmt in Vorschrift von § 26 SGB III die Versicherungspflicht von Personen, die nicht als Beschäftigte gemäß § 25 SGB II versicherungspflichtig sind (vgl. Brand, in: Brand, SGB III [6. Aufl, 2012], § 26 Rdnr. 1). Durch § 26 Abs. 2a SGB III soll durch die Einbeziehung von Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren in die Versicherungspflicht der Arbeitslosenschutz der betroffenen Personengruppen verbessert und Nachteile im Versicherungsschutz ausgeschlossen werden, die den Betroffenen durch eine Unterbrechung ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung entstehen konnten (vgl. BT-Drucks. 14/6944, S. 30; Brand, a. a. O, § 26 Rdnr. 25). Allein aus der ergänzenden Funktion von § 26 SGB III zu § 25 SGB III lässt sich somit nicht ableiten, in welchem Umfang Erziehungszeiten arbeitsförderungsrechtlich relevant sein sollen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch keine planwidrige Gesetzeslücke zwischen dem Arbeitsförderungsrecht und dem Elternzeitrecht vor, die es im Wege der ergänzenden Auslegung zu korrigieren gilt (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2012 – L 2 AL 71/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 31). Zwar sah die Regelung von § 15 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 BEEG in der hier maßgebenden, bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vor, dass ein Anteil von bis zu zwölf Monaten des Anspruchs auf Elternzeit mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres übertragbar war. Im Wortlaut identisch waren die vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2006 geltende Vorgängerregelung (vgl. Bekanntmachung vom 9. Februar 2004 [BGBl. I S. 206]) in § 15 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz – BErzGG) sowie deren vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2003 geltende Vorgängerregelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BErzGG (vgl. Artikel 1 Nr. 14 des Gesetzes vom 12. Oktober 2000 [BGBl. I S. 1426]). Nach der davor vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 BErzGG (vgl. Artikel 1 Nr. 11 des Gesetzes vom 6. Dezember 1992 [BGBl. I S. 1962]) konnte bei einem angenommenen Kind und bei einem Kind in Adoptionspflege Erziehungsurlaub von insgesamt drei Jahren ab der Inobhutnahme, längstens bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes genommen werden.

Bezogen auf die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 BErzGG in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung sah das Bundessozialgericht in der damals geltenden Regelung in § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III in der ab 1. August 2001 geltenden Fassung (vgl. Artikel 3 § 49 Nr. 9 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 [BGBl. I S. 266]), wonach sich die Rahmenfrist nur um Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes verlängerte, in denen das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, keine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung § 15 Abs. 1 Satz 2 BErzGG zu schließen gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2003 – B 11 AL 9/03 RSozR 4-4300 § 124 Nr. 1 = SozR 4-4300 § 26 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 16 ff.). Einer entsprechenden Anwendung stehe entgegen, dass die Regelung über die Rahmenfrist beim Arbeitslosengeld keine planwidrige Lücke im Gesetz aufweise, zu deren Schließung die Rechtsprechung berufen wäre. Eine solche Gesetzeslücke könne nur angenommen werden, wenn das Gesetz mit Absicht schweige, weil es der Rechtsprechung insoweit die Rechtsfindung überlassen wollte, wenn es den betreffenden Sachverhalt auf Grund eines Versehens nicht erfasst oder wenn sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben habe (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2003, a. a. O., Rdnr. 16). Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Regelung über die Verlängerung der Rahmenfrist in § 124 SGB III (a. F.) übersehen habe, dass bei der Betreuung und Erziehung von Adoptivkindern, Erziehungsurlaub auch über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus in Anspruch genommen werden könne (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2003, a. a. O., Rdnr. 17). Ausgehend von dieser Entscheidung besteht nach Auffassung des erkennenden Senates auch trotz der verschiedenen zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetzesänderungen keine schließungsfähige Gesetzeslücke.

Anlass für eine erweiternde Auslegung ergibt sich schließlich auch nicht aus den Motiven des Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 14/6944 S. 30). Mit der Versicherungspflicht für Erziehende beabsichtigte er, Nachteile im Arbeitslosenversicherungsschutz in Bezug auf die Versicherungspflicht für Erziehende zu vermeiden. Die Versicherungspflicht soll, wie sich aus dem Gesetzestext und der Gesetzesbegründung ergibt, die Zeiten der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren erfassen. Dass er darüber hinaus einen weitergehenden Nachteilsausgleich beabsichtigte, ergibt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien. Vielmehr lässt der Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3443) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 anstelle der bis dahin geltenden Regelung über die Verlängerung der Rahmenfrist in § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung) mit § 26 Abs. 2a SGB III einen neuen Tatbestand der Versicherungspflicht eingeführt hat, in der Neuregelung aber weiterhin an einer starren Altersregelung festgehalten hat, nur den Schluss zu, dass bewusst an der unvollständigen Einbeziehung der im Bundeserziehungsgeldgesetz geregelten Tatbestände festgehalten werden sollte (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2003, a. a. O., Rdnr. 18).

b) Die Regelung in § 26 Abs. 2a SGB III ist auch nicht verfassungswidrig.

(1) In Bezug auf die bis zum 31. Dezember 2002 geltende Regelung in § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III hat das Bundessozialgericht im bereits mehrfach zitierten Urteil vom 4. September 2003 entschieden, dass die Regelung, wonach sich die Rahmenfrist nur um die Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes verlängerte, in denen das Kind das dritte Lebensjahr nicht vollendet hatte, nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG, verstieß (vgl. BSG, a. a. O., JURIS-Dokument Rdnr. 19 ff.). Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 25. November 2004 (Az. 1 BvR 2303/03 [Arbeitslosengeldanspruch] – NZA-RR 2005, 154 [156] = JURIS-Dokument Rdnr. 23) bestätigt.

Etwas anderes gilt auch nicht in Bezug auf die hier entscheidungserhebliche Regelung in § 26 Abs. 2a SGB III.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips aus Artikel 20 Abs. 1 GG und der Ausgestaltung von Sozialleistungen ein Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Sächs. LSG, Urteil vom 24. Mai 2012 – L 3 AS 208/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 40).

Dadurch, dass der Gesetzgeber in § 26 Abs. 2a SGB III im Gegensatz zu § 15 Abs. 2 BEEG keine Ausnahme von der Altersgrenze von drei Jahren vorsieht, verletzt er nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG. Danach sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Regelung aber nur dann mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05BVerfGE 116, 229 [238] = JURIS-Dokument Rdnr. 41, m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/96, 2 BvR 288/07BVerfGE 133, 377 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 76, m. w. N.)

Solche, eine Ungleichbehandlung rechtfertigende Unterschiede bestehen aber zwischen den Regelungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und im SGB III. § 15 BEEG regelt das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber. Der Rechtsnatur nach handelt es sich bei der Elternzeit, wie beim früheren Anspruch auf Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz, um einen arbeitsrechtlichen Anspruch, gerichtet auf Freistellung von der Arbeit (vgl. Othmer, in: Roos/Biresborn, MuSchG/BEEG [2014], § 15 BEEG Rdnr. 7). Demgegenüber bezweckt § 26 Abs. 2a BEEG die Vermeidung von Nachteilen im sozialrechtlichen Versicherungsschutz (vgl. Brand, a. a. O., § 26 Rdnr. 25). Ein Vergleich verbietet sich daher bereits aufgrund der unterschiedlichen Regelungsinhalte. Für den Gesetzgeber bestand von Verfassungs wegen keine Verpflichtung, die Vorschriften über die Elternzeit im Arbeitsrecht und im Sozialversicherungsrecht des SGB III gleichzuschalten (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O., JURIS-Dokument Rdnr. 32; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. September 2003 – B 11 AL 9/03 RSozR 4-4300 § 124 Nr. 1 = SozR 4-4300 § 26 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 21). Er ist berechtigt, an einen Lebenssachverhalt unterschiedliche Regelungen für die unterschiedliche Rechtsgebiete zu schaffen.

In diesem Sinne hat bereits das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 25. November 2004 keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin gesehen, dass der Gesetzgeber die im Recht des Erziehungsurlaubs vorgenommene Gleichstellung von Adoptiveltern älterer Kinder (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BErzGG a. F.) mit Eltern von Kindern unter drei Jahren nicht in § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III a. F. übernommen hat. Artikel 3 Abs. 1 GG, so das Bundesverfassungsgericht, verpflichtet den Gesetzgeber, der sich im Rahmen seines Ermessens bei der Ausgestaltung von staatlichen Leistungen für eine familienpolitische Förderung durch Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub entschieden hat, nicht, diese Förderung auch im Zusammenhang mit anderen sozialrechtlichen Regelungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 2004 – 1 BvR 2303/03 [Arbeitslosengeldanspruch] – NZA-RR 2005, 154 [156] = JURIS-Dokument Rdnr. 23).

(2) Schließlich bleibt auch der Einwand der Klägerin, dass § 26 Abs. 2a SGB III Frauen oder Mütter diskriminiere, ohne Erfolg. § 26 Abs. 2a SGB III verstößt weder gegen Artikel 6 Abs. 4 GG noch gegen das europarechtliche Gebot zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Bereich Beschäftigung und Beruf (vgl. z. B. Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen [ABl. L 269/15 vom 5. Oktober 2002] und Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen [ABl. L 373/37 vom 21. Dezemer 2004]).

Nach Artikel 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes enthält dieses Grundrecht den bindenden Auftrag an den Gesetzgeber, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen. Er verpflichtet den Gesetzgeber grundsätzlich auch, wirtschaftliche Belastungen der Mutter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen. Insoweit schützt Artikel 6 Abs. 4 GG die Mutter in vergleichbarer Weise wie Artikel 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie. Dies gilt auch für das Gebiet der sozialen Sicherheit und insbesondere für die Sozialversicherung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 BvL 10/01 [Mutterschutz und Anwartschaftszeit] – BVerfGE 115, 259 [271] = SozR 4-4300 § 123 Nr. 3 Rdnr. 53 = JURIS-Dokument Rdnr. 53, jeweils m. w. N.). Allerdings ist der Gesetzgeber aufgrund von Artikel 6 Abs. 4 GG nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2011 – 1 BvL 13/07NZS 2011, 812 [Rdnr. 69] = JURIS-Dokument Rdnr. 64, m. w. N.).

In Bezug auf § 26 Abs. 2a SGB III fehlt es bereits an Benachteiligung von Müttern im Konkreten oder von Frauen im Allgemeinen. Denn es sind die Erziehungszeiten von "Personen" geregelt, das heißt ohne dass auf die Stellung der Mutter oder auf ein Geschlecht abgestellt würde. Damit unterfällt unterschiedslos jede Person, die Zeiten der Kindererziehung in Anspruch nimmt, nach Maßgabe von § 26 Abs. 2a SGB III der Versicherungspflicht. Der Umstand, dass Erziehungszeiten in der gesellschaftlichen Realität derzeit in weitaus größerem Umfang von Müttern als von Vätern in Anspruch genommen werden (Nach Angaben des Statistischen Bundesamt befanden sich im Jahr 2013 27,7 % aller Mütter mit dem jüngsten Kind unter 3 Jahren in Elternzeit. Nur 2,4 % der Väter nahmen die unbezahlte Freistellung von der Arbeit nach der Geburt des Kindes wahr; vgl. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimension3/3 9 Elternzeit.html) und erstere daher von der Regelung in stärkerem Maße betroffen sind, begründet keine im Sinne von Artikel 6 Abs. 4 GG oder Artikel 3 Abs. 1 GG relevante Benachteiligung durch den Gesetzgeber.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
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