L 3 AL 150/13 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 31 AS 325/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 150/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei dem Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X zum schriftlichen Nachweis einer Vollmacht handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt.
2. Die Entscheidung der Behörde, ob sie ein Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X stellen will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen.
3. Zur Frage, ob die Ermessensentscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X zu begründen ist.
4. Zur Frage, ob der Mangel des schriftlichen Nachweises einer Vollmacht im Verwaltungsfehren im Gerichtsverfahren nachgeholt werden kann.
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juni 2013 abgeändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren Az. S 31 AS 325/12 ab 24. April 2012 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt als Bevollmächtigter beigeordnet. Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren.

Der Beklagte erließ unter dem 23 Oktober 2011 wegen einer noch offenen Forderung in Höhe von 2.274,77 EUR einen Mahnungsbescheid. Die Mahngebühr betrug 11,65 EUR.

Der Klägerbevollmächtigte zeigte mit Schriftsatz seine Vertretung an, versicherte die Ordnungsmäßigkeit der Bevollmächtigung und legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 bat der Beklagte den Klägerbevollmächtigten unter anderem unter Fristsetzung, eine Vertretungsvollmacht vorzulegen. Andernfalls müsse er damit rechnen, als vollmachtloser Vertreter behandelt zu werden. Eine Reaktion des Klägerbevollmächtigten hierauf erfolgte nicht.

Mit dem an die Klägerin adressierten Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2012 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Sie selbst habe keinen Widerspruch eingelegt. Der handelnde Rechtsanwalt habe keine Bevollmächtigung nachgewiesen.

Hiergegen hat der Klägerbevollmächtigte am 16. März 2012 Klage zum Sozialgericht Chemnitz (Az. S. 26 AS 197/12) erhoben und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27. April 2012 den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Sodann hat es sich mit Beschluss vom 7. Juni 2012 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Dresden verwiesen.

Auf die Beschwerde der Klägerin hin hat der Senat mit Beschluss vom 19. November 2012 (Az. L 3 AL 63/12 B PKH) den Beschluss vom 27. April 2012 wegen der fehlenden Zuständigkeit des Sozialgerichtes Chemnitz aufgehoben.

Das Sozialgericht Dresden hat mit Beschluss vom 14. Juni 2013 (Az. S 31 AL 325/12) den Prozesskostenhilfeantrag ebenfalls wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Klägerbevollmächtigte habe nicht innerhalb der gesetzten Frist eine schriftliche Vollmacht vorgelegt. Wenn die Vollmacht nicht innerhalb einer gesetzten Frist vorgelegt werde, seien die bisherigen Rechtshandlungen unwirksam. Der Mangel der Vollmacht könne nicht durch die Vorlage der Vollmacht im gerichtlichen Verfahren geheilt werden.

Der Klägerbevollmächtigte hat am 19. Juli 2013 Beschwerde eingelegt. Eine anwaltliche Versicherung gegenüber einem Gericht oder einer Behörde reiche zum Nachweis der Vollmacht aus. Die anwaltliche Versicherung sei als Mittel der Glaubhaftmachung anerkannt. Es gebe keinen nachvollziehbaren, sachlichen oder rechtlichen Grund für ein geradezu reflexartiges Vorlageverlangen.

De Staatskasse und der Beklagte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.

Gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Etwas anderes war zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung zum einen in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (in der vom 1. April 2008 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung von Artikel 1 Nr. 29 Buchst. c des Gesetzes vom 26. März 2008 [BGBl. I S. 444]) geregelt, wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen war, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneinte. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der Prozesskostenhilfeantrag wegen der fehlenden Erfolgsaussicht abgelehnt wurde. Zum anderen war gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG (in der vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung von Artikel 6 des Gesetzes vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]) die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre. Dies galt gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates konnte die zuletzt genannte Regelung aber nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, ausgedehnt werden (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Juni 2012 – L 3 AS 158/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11, m. w. N.).

Seit 25. Oktober 2013 ist die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG (in der Fassung von Artikel 7 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Diese Voraussetzungen wären vorliegend erfüllt, weil sich die Klage auf eine Betrag in Höhe von 11,65 EUR bezieht. Der streitige Gesamtbetrag liegt damit unterhalb des Grenzwertes in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Jedoch gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts gewährleistete Rechtsmittelsicherheit, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90BVerfGE 87, 48 = NJW 1993, 1123; vgl. auch Sächs. LSG, Beschluss vom 20. November 2009 – L 3 B 261/108 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], Vor § 143 Rdnr. 10e, m. w. N.). Die neue Regelung in § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG lässt mithin die Statthaftigkeit der Beschwerde der Klägerin unberührt.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

a) Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin hat bei der gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Denn es liegt bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Fragen vor, ob die Ermessensentscheidung zur Aufforderung zum schriftlichen Nachweis einer Vollmacht im Verwaltungsverfahren zu begründen ist (3), und ob der Mangel des im Verwaltungsverfahren nicht erfolgten Nachweises im Gerichtsverfahren geheilt werden kann (4). Die Beantwortung der Fragen erscheint auch im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung und die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08– NJW 2013, 3714 = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2015 – 1 BvR 2096/13 – JURIS-Dokument Rdnr. 14). Die Rechtsauffassungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum zu den im Hauptsacheverfahren entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind uneinheitlich.

(1) Zuförderst ist die Rechtsfrage zu klären, ob Rechtsgrundlage für die Anforderung einer Vollmacht im Widerspruchsverfahren § 13 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) oder § 62 SGB X i. V. m. § 73 Abs. 6 SGG ist (zum Meinungsstand: Vopel, NZS 2014, 253 [254]).

(2) Die Beklagte und das Sozialgericht Dresden haben sich auf § 13 SGB X gestützt. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X hat der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Wenn die Vollmacht nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgewiesen wird, kann der Widerspruch als unzulässig verworfen werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Januar 2013 – L 25 AS 1146/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 3; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Oktober 2013 – L 2 AS 1342/13 B – JURIS-Dokument Rdnr. 13; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 9; vgl. zur zwingenden Verwerfung: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – JURIS-Dokument Rdnr. 16; Rixen/Waschull, in: Diering/Timme/Waschull [Hrsg.], Sozialgesetzbuch X [3. Aufl., 2011], § 13 Rdnr. 8).

Bei dem Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt erfordert nach der Legaldefinition in § 31 Satz 1 SGB X unter anderem eine Regelung. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, das heißt durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt hat oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte abgelehnt hat (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 4. Oktober 1994 – KlAr 1/93 – BSGE 75, 97 [107] = JURIS-Dokument Rdnr. 78, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 21. November 2013 – L 3 AS 320/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 22; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 31 Rdnr. 24, m. w. N.; Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2013], § 13 Rdnr. 40, m. w. N.). Einen solchen Regelungscharakter besitzt das Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht. Es ist vielmehr nur die Vorstufe dazu, dass die Behörde einen Antrag oder einen Widerspruch als unzulässig verwerfen kann, weil er durch einen vollmachtslosen Vertreten gestellt oder eingelegt worden ist

(3) Es ist in der Rechtsprechung und in Schrifttum unstreitig, dass die Entscheidung der Behörde, ob sie ein Verlangen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X stellen will, in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht (vgl. Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 4. November 2008 – L 4 KA 3/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 23; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 7; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13 – JURIS-Dokument Rdnr. 17; SG Chemnitz, Gerichtsbescheid vom 7. November 2012 – S 14 AS 2285/12 – JURIIS-Dokument Rdnr. 23, 25; SG Köln, Beschluss vom 22. Mai 2014 – S 20 AS 4534/13NZS 2014, 760 = info als 2014, 174 = JURIS-Dokument Rdnr. 7; Vopel, NZS 2014, 253 [256]; Mutschler, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht – [Stand: 85. Erg.-Lfg., April 2015], § 13 SGB X Rdnr. 10; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 13 Rdnr. 6; Vogelsang, in: Hauck/Noftz, SGB X [Stand: Erg.-Lfg. 1/2015, Mai 2015], § 13 Rdnr. 18).

Hingegen wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob die Ermessensentscheidung zu begründen ist. Während diejenigen, die Erwägungen zur Betätigung des Ermessens anstellen (vgl. z. B. SG Chemnitz, Gerichtsbescheid vom 7. November 2012, a. a. O., Rdnr. 26; SG Köln, Beschluss vom 22. Mai 2014, a. a. O.; Vogelsang, a. a. O.; vgl. auch Vopel, NZS 2014, 253 [256]), wohl unausgesprochen von einer Begründungspflicht ausgehen, verneint das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eine solche Pflicht (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O.).

Es spricht allerdings Erhebliches dafür, dass in der Hauptsachentscheidung der Rechtsauffassung des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz nicht zu folgen sein wird.

Eine Pflicht zur Darstellung der Ermessenserwägungen ergibt sich nicht aus § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X, weil diese Regelung nur für Verwaltungsakte gilt (vgl. SG Chemnitz, Gerichtsbescheid vom 7. November 2012, a. a. O., Rdnr. 25). Eine Begründungspflicht folgt jedoch mittelbar aus § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach ist, soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts oder der Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Regelung in § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ist nach ihrer systematischen Stellung nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen anwendbar. Da die die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen betreffenden Regelungen über die Klagebefugnis (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG i. V. m. § 54 Abs. 2 SGG) analog auch für andere Klagearten gelten (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 54 Rdnr. 41 [zur echten Leistungsklage], 42a [zur Unterlassungsklage]), folgt daraus, dass behördliche Ermessensentscheidungen grundsätzlich einer Begründung bedürfen, weil andernfalls eine gerichtliche Prüfung der Ermessenserwägungen nicht möglich ist.

Soweit das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz die Auffassung vertritt, es sei ("hier") unschädlich, dass die Behörde ihre dazu angestellten Erwägungen nicht mitgeteilt habe, begründet es dies damit, dass gegenüber dem Bevollmächtigten regelmäßig Sozialdaten des Vertretenen offenbart würden, weshalb bei Beachtung der Vorschriften des § 67b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3 SGB X in der Regel nicht auf den schriftlichen Nachweis der Vollmacht verzichtet werden könne (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O., Rdnr. 17; ebenso Schlesw.-Holst. LSG, Urteil vom 4. November 2008, a. a. O., Rdnr. 23 und 25; SG Köln, Beschluss vom 22. Mai 2014, a. a. O.; Mutschler, a. a. O.). Etwas anderes könne etwa dann gelten, wenn der Behörde das Bestehen einer Vollmacht positiv bekannt sei (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O.). § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG, wonach das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen hat, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt, könne nicht auf das Verwaltungsverfahren übertragen werden, weil die genannten datenschutzrechtlichen Regelungen für das gerichtliche Verfahren nicht gelten würden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O., Rdnr. 18). Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X der Regelung in § 4 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), § 67b Abs. 2 SGB X im Wesentlichen der Regelung in § 4a Abs. 1 BDSG, § 67b Abs. 3 SGB X der Regelung in § 4a Abs. 2 BDSG und § 67b Abs. 4 SGB X der Regelung in § 6a Abs. 1 Satz 1 BDSG entspricht (vgl. Fromm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2013], § 67b Rdnr. 6; vgl. auch BT-Drs. 12/5187, S. 37 [Zu § 67b], BT-Drs. 14/4329, S. 50 [Zu Nummer 3 Zu Buchstabe b]; Bieresbohm, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 67b Rdnr. 2). Das Bundesdatenschutzgesetz gilt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie a) Bundesrecht ausführen oder b) als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. Landesrechtliche Regelungen, die denen in den §§ 4 ff. BDSG entsprechen, finden sich beispielsweise in Sachsen in den §§ 4 ff. des Gesetzes zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Datenschutzgesetz – SächsDSG). Dieses Landesdatenschutzgesetz gilt für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch unter anderem Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Freistaates Sachsen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsDSG), mithin auch durch Gerichte des Landes (a. A. [Geltung des BDSG auch für Gerichte des Landes: Sächs. OVG, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 3 B 259/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 9, das allerdings den Ländervorbehalt im Einleitungssatz von § 1 Abs. 2 BDSG nicht thematisiert). Der (Sozial-)Datenschutz ist mithin auch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit bei ihrer rechtsprechenden Tätigkeit zu beachten, sei es nach dem Bundesdatenschutzgesetz oder dem jeweiligen Landesdatenschutzgesetz.

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz stützt sich für seine Rechtsauffassung weiter auf das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 15. Oktober 1981. Dort ist ausgeführt, dass das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit von anderen Grundgedanken (Prinzip der Mündlichkeit, Verpflichtung des Gerichts, auf die Abstellung von Verfahrensmängel hinzuwirken) bestimmt und deshalb anders geregelt sei als das Verwaltungsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1981 – 5b/5 RJ 90/80BSGE 52, 245 = SozR 2200 § 1303 Nr. 22 = JURIS-Dokument Rdnr. 20). Es sei deshalb, so das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, davon auszugehen, dass eine entsprechende Regelung bewusst nicht in das SGB X aufgenommen worden sei (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O., Rdnr. 18; ähnlich Schlesw.-Holst. LSG, Urteil vom 4. November 2008, a. a. O.). Es erscheint jedoch bereits fraglich, ob die zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichtes im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden kann, weil im dortigen Verfahren die vermutete Bevollmächtigung durch Ehegatten im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren von Bedeutung war, nicht aber Fragen im Zusammenhang mit der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes im sozialverwaltungs- oder sozialgerichtlichen Verfahren. Zudem dürfte das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 15. Oktober 1981, soweit es auf die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes übertragen werden soll, wegen der Regelung in § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG, die durch Artikel 12 Nr. 3 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) mit Wirkung zum 1. Juli 2008 eingeführt worden ist (damals § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG), einer neuen Bewertung.

Es wird deshalb – mit zum Teil unterschiedlicher Begründung – auch die Auffassung vertreten, dass die Behörde bei einer Vertretungsanzeige eines Rechtsanwaltes von einem schriftlichen Nachweis der Vollmacht absehen kann (z. B. § 76 Abs. 5 SGG anwendbar über die Verweisungsregelung in § 62 SGG: Pitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2013], § 13 Rdnr. 8.1 [Aktualisierung vom 02.09.2013]; Verweis aus § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG und § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO: Roller, a. a. O.; Vermutung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung: Vogelsang, a. a. O.).

(4) Sofern das Sozialgericht im Klageverfahren zum Ergebnis gelangen sollte, dass die Aufforderung der Beklagten zum schriftlichen Nachweis der Vollmacht und die nachfolgende Verwerfung des Widerspruches als unzulässig rechtmäßig waren, ist die weitere Frage zu prüfen, ob der Nachweismangel im Gerichtsverfahren geheilt werden kann.

Die Frage einer Heilungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfahren wird unterschiedlich beantwortet (bejahend z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 1993 – L 3 Ar 1918/89 – JURIS-Dokument Rdnr. 24 [Vollmacht eines Gebrechlichkeitspfleger]; Fichte, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht [3. Aufl,, 2013], SGB X §§ 13-15 Rdnr. 12; Kopp/Ramsauer, VwVfG [15. Aufl., 2014], § 14 Rdnr. 17a [noch im Rechtsmittelverfahren]; verneinend z. B. Schlesw.-Holst. LSG, Urteil vom 4. November 2008, a. a. O., Rdnr. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Januar 2013 – L 25 AS 1146/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 3; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013, a. a. O., Rdnr. 21 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Oktober 2013 – L 2 AS 1342/13 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12; Rixen/Waschull, a. a. O.; von Wulffen, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 13 Rdnr. 4). Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt noch nicht vor.

Wenn die Möglichkeit der Heilung eines etwaigen Nachweismangels im gerichtlichen Verfahren als grundsätzlich möglich angesehen werden sollte, käme vorliegend eine Heilung in Betracht. Denn der Klägerbevollmächtigte legte mit der Klageschrift eine auf den 28. Oktober 2011 datierte Vollmacht der Klägerin vor. Dieses Ausstellungsdatum liegt zwischen dem Zeitpunkt des Erlassens des Mahnungsbescheides am 23 Oktober 2011 und dem des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2012.

(5) Bei dieser Sachlage ist die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegeben (vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. September 2013 – L 6 AS 1085/13 B – JURIS-Dokument Rdnr. 3).

b) Die Klägerin ist ausweislich der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der im Beschwerdeverfahren vorgelegten neueren Belege, nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

c) Die Vertretung der Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten erscheint erforderlich (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO).

3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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