Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 510/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 49/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn einer Regelaltersrente.
Der am 13.07.1946 geborene Kläger vollendete am 12.07.2011 das 65. Lebensjahr. Er war auch über den 31.07.2011 hinaus als Geschäftsführer gegen Entgelt beschäftigt. Der Arbeitgeber übermittelte der Einzugsstelle am 25.08.2011 Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung. Danach wurde der Kläger vom 01.01.2011 bis 31.07.2011 als Sozialversicherungspflichtiger mit vollen Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und ab 01.08.2011 als Altersvollrentner mit halben Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gemeldet.
Mit Schreiben vom 02.07.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser das 65. Lebensjahr vollendet und voraussichtlich Anspruch auf Altersrente habe. Leistungen würden nur auf Antrag gewährt. Der Kläger könne Altersrente rechtzeitig erhalten, wenn er sie bis zum 31.10.2011 beantrage. Bei späterer Antragstellung werde die Rente erst von dem Kalendermonat an geleistet, in dem sie beantragt werde.
Mit Schreiben vom 16.07.2010 erhielt der Kläger eine Rentenauskunft der Beklagten. Darin wurde ausgeführt, dass die Regelaltersgrenze am 12.07.2011 erreicht würde. Die Rentenauskunft enthielt Hinweise zum Hinzuverdienst, die auszugsweise wie folgt lauten: "Für Altersrenten nach Erreichen der Regelaltersgrenze ist ein Hinzuverdienst grundsätzlich unbegrenzt möglich. Vor Erreichen der Regelaltersgrenze kann eine Altersrente nur geleistet werden, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird."
Mit Schreiben vom 12.07.2011 übersandte die Beklagte dem Kläger gemäß den Angaben im Versicherungskonto eine erneute Rentenauskunft.
Am 30.03.2012 beantragte der Kläger in der Auskunft- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Karlsruhe Regelaltersrente ab 01.08.2012.
Aufgrund der Meldungen zur Sozialversicherung leitete die Beklagte Ermittlungen beim Arbeitgeber des Klägers ein. Daraufhin teilte der Kläger telefonisch am 06.08.2012 der Beklagten mit, dass er gerne rückwirkend ab dem 01.08.2011 in Rente gehen würde. Er habe 2011 schon einmal angerufen. In diesem Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass er erst 2012 einen Antrag stellen könne. Der Klägerbevollmächtigte führte nachfolgend aus, dass der Kläger in dem Telefonat 2011 die Auskunft erhalten habe, eine Rente erst nach Ende seines Beschäftigungsverhältnisses beziehen zu können. Angaben zu Hinzuverdienstmöglichkeiten neben einer Regelaltersrente seien nicht gemacht worden. Er beantragte eine Rente ab 01.08.2011 unter Beachtung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Mit Bescheid vom 19.08.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Regelaltersrente ab dem 01.08.2011 im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei ihren Pflichten mit dem Aufklärungsschreiben nach § 115 Abs. 6 SGB VI vom 02.07.2011 und der Rentenauskunft vom 12.07.2011 nachgekommen. Daraus habe der Kläger entnehmen können, dass ein Anspruch auf Regelaltersrente ab dem 01.08.2011 bestehe. Er habe trotz dieser Auskünfte keinen Antrag auf Altersrente gestellt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 zurück.
Zwischenzeitlich gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 06.09.2012 Regelaltersrente ab 01.03.2012 unter Zugrundelegung des Antrags vom 30.03.2012.
Gegen die Entscheidungen hat der Kläger am 11.02.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Das Sozialgericht hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert und eine ausführliche Auskunft der Beklagten zum Meldeverfahren und zu den Mitteilungen an Versicherte eingeholt. Mit Urteil vom 08.10.2014 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Beklagten fehle und deshalb eine rechtzeitige Antragstellung für einen Rentenbeginn am 01.08.2011 auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden könne. Der Kläger sei über seine Rechte mit dem Aufklärungsschreiben vom 02.07.2011 und der Rentenauskunft vom 12.07.2011 ausreichend informiert worden. Eine anders lautende Falschberatung des Klägers sei nicht nachgewiesen. Auch nach dem 01.08.2011 habe zu keinem Zeitpunkt eine Pflicht zur Spontanberatung des Klägers hinsichtlich des möglichen Rentenbezugs bei entsprechender Antragstellung bestanden. Dies gelte auch im Hinblick auf die maschinelle Datenübermittlung des Arbeitgebers des Klägers, der diesen als versicherungsfreien Altersrentner gemeldet habe.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 08.12.2014 zugestellte Urteil hat dieser am 05.01.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund der Meldung als Altersvollrentner durch den Arbeitgeber, eine Pflicht der Beklagten zur Beratung entstanden sei. Diese Pflicht ergebe sich aus § 115 Abs. 6 SGB VI und § 14 SGB I. Die Beklagte sei verpflichtet, den Datenbestand zu analysieren und zu handeln, wenn feststellbar bzw. erkennbar sei, dass eine Handlung des Versicherten Vorteile bringe. Die Verschlüsselung eines Versicherten als Altersvollrentner mit Zahlung des halben Beitrags zur Rentenversicherung bei gleichzeitiger Nichtbeantragung der Regelaltersrente seien nicht miteinander vereinbar. Dieser Umstand hätte zu einer Plausibilitätsprüfung des Rentenkontos führen müssen. Wäre die Beklagte ihrer Hinweispflicht aufgrund des neuen Sachverhalts nachgekommen, hätte er rechtzeitig den Antrag auf Regelaltersrente stellen können und die Regelaltersrente früher erhalten. Zudem müssten keine bisher nicht entrichteten Rentenbeiträge nachentrichtet werden.
Die Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.10.2014 sowie die Bescheide vom 29.08.2012 und 06.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2013 aufzuheben und ihm Altersrente in gesetzlicher Höhe bereits ab dem 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 18.05.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Der Kläger hat sich hierzu mit Schreiben vom 09.06.2015 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. In seinem Schreiben vom 09.06.2015 hat der Kläger Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht. Daraus ergibt sich nicht, dass und ggfs weshalb eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden muss.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Bescheide vom 29.08.2012 und 06.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2013 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente vor dem 01.03.2012.
Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, haben gem § 235 SGB VI mit Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente erfüllt der Kläger unstreitig ab 12.07.2011.
Gemäß § 99 Abs 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
Unstreitig hat der Kläger erstmals am 30.03.2012 Regelaltersrente bei der Beklagten beantragt, so das frühestens ab 01.03.2012 die Gewährung der Rente möglich ist. Die Annahme eines früheren Rentenbeginns ist auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht möglich. Der von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist (ua BSG 15.12.1994, 4 RA 64/93, SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG 24.04.2015, B 4 AS 22/14 R). Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei gesetzlich vorgesehenem Beratungsanlass und bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten. Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (ua BSG 24.04.2015, B 4 AS 22/14 R).
Die Voraussetzungen für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil keine Pflichtverletzung der Beklagten ersichtlich ist. Ein konkretes Auskunftsbegehren des Klägers hinsichtlich der Rentenantragsmöglichkeiten ist vor dem 30.03.2012 nicht nachgewiesen. Dies gilt insbesondere für die geltend gemachte Falschberatung im Sommer 2011. Der Kläger hat lediglich angegeben, nach Erhalt der Mitteilung am 02.07.2011 bei der Servicenummer der Beklagten angerufen zu haben. Der Name des Gesprächsteilnehmers ist dem Kläger nicht bekannt. Der Senat sieht deshalb auch keine Möglichkeit weiterer Ermittlungen bezüglich des Inhalts des Gesprächs. Es verbleibt bei der reinen Behauptung des Klägers, dort bezüglich der hinzu Verdienstmöglichkeiten neben dem Bezug einer Rente falsch beraten worden zu sein. Die objektive Feststellungslast bezüglich einer tatsächlich stattgefundenen Falschberatung liegt beim Kläger (vgl Senatsurteil vom 26.06.2012, L 11 KR 572/11 mwN).
Der gesetzlich vorgeschriebenen Informations- und Beratungspflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI ist die Beklagte vollumfänglich und fehlerfrei nachgekommen. Sie hat den Kläger bereits mit Schreiben vom 02.07.2011 unmittelbar vor Vollendung des 65. Lebensjahres individuell auf die Möglichkeit einer Rentenantragstellung hingewiesen. In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass bei einer Antragstellung nach dem 31.10.2011 eine Rentengewährung nur noch ab Antragsmonat in Betracht kommt. Einen Rentenantrag hat der Kläger dann nicht gestellt.
Er kann sich auch nicht auf fehlende Hinweise zu möglichem Hinzuverdienst zu einer Regelaltersrente berufen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger die Rentenauskunft vom 12.07.2011 erhalten hat. Denn schon in der Rentenauskunft vom 16.07.2010 wurde er unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er die Regelaltersgrenze am 12.07.2011 erreicht, ab 01.08.2011 Regelaltersrente beziehen kann und nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein Hinzuverdienst grundsätzlich unbegrenzt möglich ist. Die vorgebrachte telefonisch anderslautende Auskunft im Sommer 2011 ist deshalb auch wenig nachvollziehbar. Die Hinweise der Beklagten in den Schreiben sind klar.
Aber auch aufgrund der fehlerhaften Meldungen des Arbeitgebers, die im maschinellen Verfahren auch der Beklagten von der Einzugsstelle übermittelt worden sind, lässt sich keine erneute Beratungspflicht ableiten. Zum einen führt die maschinelle Übermittlung von Arbeitgeberdaten in das Versicherungskonto nicht automatisch zur Aktenbearbeitung durch einen Sachbearbeiter, so dass keine konkrete Sachbearbeitung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vorliegt. Zum anderen durfte die Beklagte, auch wenn eine Plausibilitätsprüfung sinnvoll und gegebenenfalls auffällig gewesen wäre, angesichts der klaren und eindeutigen Aussagen im Hinweisschreiben vom 02.07.2011 und der ergangenen Rentenauskünfte davon ausgehen, dass der Kläger vollumfänglich über die ihm möglichen Gestaltungen hinsichtlich seiner Rente aufgeklärt ist. Im Übrigen kann der Fehler des Arbeitgebers nicht der Beklagten zugerechnet werden.
Da es folglich schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt, bedarf es keiner Prüfung der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und fehlender Rentenantragstellung mehr. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet demnach aus.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe verwiesen. Deshalb konnte auch die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn einer Regelaltersrente.
Der am 13.07.1946 geborene Kläger vollendete am 12.07.2011 das 65. Lebensjahr. Er war auch über den 31.07.2011 hinaus als Geschäftsführer gegen Entgelt beschäftigt. Der Arbeitgeber übermittelte der Einzugsstelle am 25.08.2011 Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung. Danach wurde der Kläger vom 01.01.2011 bis 31.07.2011 als Sozialversicherungspflichtiger mit vollen Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und ab 01.08.2011 als Altersvollrentner mit halben Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gemeldet.
Mit Schreiben vom 02.07.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser das 65. Lebensjahr vollendet und voraussichtlich Anspruch auf Altersrente habe. Leistungen würden nur auf Antrag gewährt. Der Kläger könne Altersrente rechtzeitig erhalten, wenn er sie bis zum 31.10.2011 beantrage. Bei späterer Antragstellung werde die Rente erst von dem Kalendermonat an geleistet, in dem sie beantragt werde.
Mit Schreiben vom 16.07.2010 erhielt der Kläger eine Rentenauskunft der Beklagten. Darin wurde ausgeführt, dass die Regelaltersgrenze am 12.07.2011 erreicht würde. Die Rentenauskunft enthielt Hinweise zum Hinzuverdienst, die auszugsweise wie folgt lauten: "Für Altersrenten nach Erreichen der Regelaltersgrenze ist ein Hinzuverdienst grundsätzlich unbegrenzt möglich. Vor Erreichen der Regelaltersgrenze kann eine Altersrente nur geleistet werden, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird."
Mit Schreiben vom 12.07.2011 übersandte die Beklagte dem Kläger gemäß den Angaben im Versicherungskonto eine erneute Rentenauskunft.
Am 30.03.2012 beantragte der Kläger in der Auskunft- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Karlsruhe Regelaltersrente ab 01.08.2012.
Aufgrund der Meldungen zur Sozialversicherung leitete die Beklagte Ermittlungen beim Arbeitgeber des Klägers ein. Daraufhin teilte der Kläger telefonisch am 06.08.2012 der Beklagten mit, dass er gerne rückwirkend ab dem 01.08.2011 in Rente gehen würde. Er habe 2011 schon einmal angerufen. In diesem Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, dass er erst 2012 einen Antrag stellen könne. Der Klägerbevollmächtigte führte nachfolgend aus, dass der Kläger in dem Telefonat 2011 die Auskunft erhalten habe, eine Rente erst nach Ende seines Beschäftigungsverhältnisses beziehen zu können. Angaben zu Hinzuverdienstmöglichkeiten neben einer Regelaltersrente seien nicht gemacht worden. Er beantragte eine Rente ab 01.08.2011 unter Beachtung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Mit Bescheid vom 19.08.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Regelaltersrente ab dem 01.08.2011 im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei ihren Pflichten mit dem Aufklärungsschreiben nach § 115 Abs. 6 SGB VI vom 02.07.2011 und der Rentenauskunft vom 12.07.2011 nachgekommen. Daraus habe der Kläger entnehmen können, dass ein Anspruch auf Regelaltersrente ab dem 01.08.2011 bestehe. Er habe trotz dieser Auskünfte keinen Antrag auf Altersrente gestellt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 zurück.
Zwischenzeitlich gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 06.09.2012 Regelaltersrente ab 01.03.2012 unter Zugrundelegung des Antrags vom 30.03.2012.
Gegen die Entscheidungen hat der Kläger am 11.02.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Das Sozialgericht hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten erörtert und eine ausführliche Auskunft der Beklagten zum Meldeverfahren und zu den Mitteilungen an Versicherte eingeholt. Mit Urteil vom 08.10.2014 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Beklagten fehle und deshalb eine rechtzeitige Antragstellung für einen Rentenbeginn am 01.08.2011 auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden könne. Der Kläger sei über seine Rechte mit dem Aufklärungsschreiben vom 02.07.2011 und der Rentenauskunft vom 12.07.2011 ausreichend informiert worden. Eine anders lautende Falschberatung des Klägers sei nicht nachgewiesen. Auch nach dem 01.08.2011 habe zu keinem Zeitpunkt eine Pflicht zur Spontanberatung des Klägers hinsichtlich des möglichen Rentenbezugs bei entsprechender Antragstellung bestanden. Dies gelte auch im Hinblick auf die maschinelle Datenübermittlung des Arbeitgebers des Klägers, der diesen als versicherungsfreien Altersrentner gemeldet habe.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 08.12.2014 zugestellte Urteil hat dieser am 05.01.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund der Meldung als Altersvollrentner durch den Arbeitgeber, eine Pflicht der Beklagten zur Beratung entstanden sei. Diese Pflicht ergebe sich aus § 115 Abs. 6 SGB VI und § 14 SGB I. Die Beklagte sei verpflichtet, den Datenbestand zu analysieren und zu handeln, wenn feststellbar bzw. erkennbar sei, dass eine Handlung des Versicherten Vorteile bringe. Die Verschlüsselung eines Versicherten als Altersvollrentner mit Zahlung des halben Beitrags zur Rentenversicherung bei gleichzeitiger Nichtbeantragung der Regelaltersrente seien nicht miteinander vereinbar. Dieser Umstand hätte zu einer Plausibilitätsprüfung des Rentenkontos führen müssen. Wäre die Beklagte ihrer Hinweispflicht aufgrund des neuen Sachverhalts nachgekommen, hätte er rechtzeitig den Antrag auf Regelaltersrente stellen können und die Regelaltersrente früher erhalten. Zudem müssten keine bisher nicht entrichteten Rentenbeiträge nachentrichtet werden.
Die Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.10.2014 sowie die Bescheide vom 29.08.2012 und 06.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2013 aufzuheben und ihm Altersrente in gesetzlicher Höhe bereits ab dem 01.08.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 18.05.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Der Kläger hat sich hierzu mit Schreiben vom 09.06.2015 geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. In seinem Schreiben vom 09.06.2015 hat der Kläger Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht. Daraus ergibt sich nicht, dass und ggfs weshalb eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden muss.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Bescheide vom 29.08.2012 und 06.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2013 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente vor dem 01.03.2012.
Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, haben gem § 235 SGB VI mit Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente erfüllt der Kläger unstreitig ab 12.07.2011.
Gemäß § 99 Abs 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
Unstreitig hat der Kläger erstmals am 30.03.2012 Regelaltersrente bei der Beklagten beantragt, so das frühestens ab 01.03.2012 die Gewährung der Rente möglich ist. Die Annahme eines früheren Rentenbeginns ist auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht möglich. Der von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist (ua BSG 15.12.1994, 4 RA 64/93, SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG 24.04.2015, B 4 AS 22/14 R). Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei gesetzlich vorgesehenem Beratungsanlass und bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten. Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (ua BSG 24.04.2015, B 4 AS 22/14 R).
Die Voraussetzungen für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil keine Pflichtverletzung der Beklagten ersichtlich ist. Ein konkretes Auskunftsbegehren des Klägers hinsichtlich der Rentenantragsmöglichkeiten ist vor dem 30.03.2012 nicht nachgewiesen. Dies gilt insbesondere für die geltend gemachte Falschberatung im Sommer 2011. Der Kläger hat lediglich angegeben, nach Erhalt der Mitteilung am 02.07.2011 bei der Servicenummer der Beklagten angerufen zu haben. Der Name des Gesprächsteilnehmers ist dem Kläger nicht bekannt. Der Senat sieht deshalb auch keine Möglichkeit weiterer Ermittlungen bezüglich des Inhalts des Gesprächs. Es verbleibt bei der reinen Behauptung des Klägers, dort bezüglich der hinzu Verdienstmöglichkeiten neben dem Bezug einer Rente falsch beraten worden zu sein. Die objektive Feststellungslast bezüglich einer tatsächlich stattgefundenen Falschberatung liegt beim Kläger (vgl Senatsurteil vom 26.06.2012, L 11 KR 572/11 mwN).
Der gesetzlich vorgeschriebenen Informations- und Beratungspflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI ist die Beklagte vollumfänglich und fehlerfrei nachgekommen. Sie hat den Kläger bereits mit Schreiben vom 02.07.2011 unmittelbar vor Vollendung des 65. Lebensjahres individuell auf die Möglichkeit einer Rentenantragstellung hingewiesen. In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass bei einer Antragstellung nach dem 31.10.2011 eine Rentengewährung nur noch ab Antragsmonat in Betracht kommt. Einen Rentenantrag hat der Kläger dann nicht gestellt.
Er kann sich auch nicht auf fehlende Hinweise zu möglichem Hinzuverdienst zu einer Regelaltersrente berufen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger die Rentenauskunft vom 12.07.2011 erhalten hat. Denn schon in der Rentenauskunft vom 16.07.2010 wurde er unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er die Regelaltersgrenze am 12.07.2011 erreicht, ab 01.08.2011 Regelaltersrente beziehen kann und nach Erreichen der Regelaltersgrenze ein Hinzuverdienst grundsätzlich unbegrenzt möglich ist. Die vorgebrachte telefonisch anderslautende Auskunft im Sommer 2011 ist deshalb auch wenig nachvollziehbar. Die Hinweise der Beklagten in den Schreiben sind klar.
Aber auch aufgrund der fehlerhaften Meldungen des Arbeitgebers, die im maschinellen Verfahren auch der Beklagten von der Einzugsstelle übermittelt worden sind, lässt sich keine erneute Beratungspflicht ableiten. Zum einen führt die maschinelle Übermittlung von Arbeitgeberdaten in das Versicherungskonto nicht automatisch zur Aktenbearbeitung durch einen Sachbearbeiter, so dass keine konkrete Sachbearbeitung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vorliegt. Zum anderen durfte die Beklagte, auch wenn eine Plausibilitätsprüfung sinnvoll und gegebenenfalls auffällig gewesen wäre, angesichts der klaren und eindeutigen Aussagen im Hinweisschreiben vom 02.07.2011 und der ergangenen Rentenauskünfte davon ausgehen, dass der Kläger vollumfänglich über die ihm möglichen Gestaltungen hinsichtlich seiner Rente aufgeklärt ist. Im Übrigen kann der Fehler des Arbeitgebers nicht der Beklagten zugerechnet werden.
Da es folglich schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt, bedarf es keiner Prüfung der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und fehlender Rentenantragstellung mehr. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet demnach aus.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe verwiesen. Deshalb konnte auch die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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