L 13 AS 881/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 2922/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 881/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Januar 2014 abgeändert und der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2013 insoweit aufgehoben, als Mahngebühren in Höhe von mehr als 7,46 EUR festgesetzt wurden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Forderungseinzugs gegen eine Mahnung vom 8. Oktober 2012. Mit dieser setzte die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: die Beklagte) der Klägerin eine einwöchige Frist zur Begleichung einer fälligen Forderung in Höhe von 1.866,90 EUR und erhob für diese Mahnung Mahngebühren in Höhe von 9,60 EUR.

Die Mahnung bezog sich auf ein Schreiben des Jobcenters Mannheim vom 9. Mai 2011, wonach eine aus zwei Teilen bestehende Forderung von zusammen 427,36 EUR am 26. Mai 2011 fällig gewesen sei und auf einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Jobcenters Mannheim vom 12. September 2011, wonach ein Gesamtbetrag von 1.432,09 EUR (entspricht 2.800,92 DM) zu erstatten sei. Mit der Mahnung wurden Mahngebühren in Höhe von 7,45 EUR bestätigt (Mahnung vom 13. Dezember 2011) und in Höhe von 9,60 EUR neu festgesetzt. Die Klägerin wurde aufgefordert, den gesamten Betrag von nunmehr 1.876,50 EUR innerhalb von einer Woche zu überweisen.

Zur Begründung des hiergegen mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin u.a. vor, diese Beträge seien im genannten Zeitraum nicht auf ihrem Konto eingegangen. Sie müsse daher für diese Beträge nicht haften. Von den Leistungen an ihren Ehemann seien monatlich 50,- EUR einbehalten worden.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte das Jobcenter Mannheim mit Schreiben vom 25. Juni 2013 mit, die Rechtskraft der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide und die Leistungsgewährung an die Klägerin innerhalb der Bedarfsgemeinschaft seien unstrittig.

Am 22. August 2013 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Untätigkeitsklage wegen der Nichtbearbeitung ihres Widerspruchs vom 15. Oktober 2012.

Während des Klageverfahrens wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 zurück. Soweit der Widerspruch sich gegen die Anmahnung der Forderung richte, sei er unzulässig. Mit der Mahnung würden Rechte der Klägerin weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt, so dass kein Verwaltungsakt vorliege. Hinsichtlich der Erhebung der Mahngebühr sei der Widerspruch zwar zulässig, aber nicht begründet. Da auch nach einer ersten Mahnung im Dezember 2011 keine Zahlungseingänge hätten festgestellt werden können, sei die erneute Erhebung von Mahngebühren nach § 19 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) geboten.

Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2013 hat die Klägerin hiergegen am 7. November 2013 Klage erhoben (S 17 AS 3750/13) und ihre Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt. Die Klageverfahren S 17 AS 2922/13 und S 17 AS 3750/13 hat das SG durch Beschluss vom 3. Dezember 2013 zur gemeinsamen Verhandlung unter dem gemeinsamen Aktenzeichen S 17 AS 2922/13 verbunden. Nach Anfrage des SG hat das Jobcenter Mannheim mit Schreiben vom 12. November 2013 mitgeteilt, ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. Mai 2011 existiere nicht. Den Bescheid vom 12. September 2011 hat er vorgelegt.

Das SG hat die Klage nach entsprechender Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2014 abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf ein Vorverfahren als Sachurteilsvoraussetzung ausgeführt, soweit mit dem Klageantrag geltend gemacht werde, "von einer Erstattungspflicht abzusehen", sei die Klage bereits unzulässig. Zu der Frage, ob die hier streitige Forderung des Jobcenters Mannheim der Klägerin zu erlassen wäre oder ob sie niederzuschlagen wäre, sei kein Verwaltungsakt ergangen und auch kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Die im vorliegenden Verfahren streitige Mahnung vom 8. Oktober 2012 habe keine Entscheidung über einen Erlass oder eine Niederschlagung der Forderung getroffen. Insoweit sei die Klage bereits unzulässig.

Im Übrigen hat das SG die Klage als unbegründet angesehen. Das Mahnschreiben vom 22. Dezember 2011 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 3 Abs. 4 VwVG werde die Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen dürfe. Gemäß § 44b Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sei die Aufgabe des Forderungseinzugs auf die Beklagte und innerhalb der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit auf den Fachbereich Inkasso übertragen worden. Unter Darlegung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Einzelnen hat das SG ausgeführt, dass entsprechend den vorliegenden Vollstreckungsankündigungen aufgrund von Bescheiden des Jobcenters Mannheim vom 9. Mai 2011 und vom 12. September 2011 Zahlungsansprüche gegen die Klägerin in Höhe von insgesamt 1.866,90 EUR bestünden. Diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Dies sei im hiesigen Klageverfahren auch nicht bestritten worden. Nach den Vollstreckungsankündigungen vom 21. Mai 2012 sei die Forderung spätestens am 31. Oktober 2011 fällig gewesen. Der außerdem gemäß § 3 Abs. 2 VwVG erforderliche Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides sei ebenfalls gegeben.

Mit der streitigen Mahnung vom 8. Oktober 2012 habe die Beklagte die Regelung des § 3 Abs. 3 VwVG umgesetzt und die Klägerin mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche gemahnt. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG habe sie hierfür auch eine Mahngebühr erheben dürfen. Das angefochtene Mahnschreiben vom 8. Oktober 2012 entspreche somit den gesetzlichen Vorgaben und sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der Mahngebühr sei im Klageverfahren nicht angegriffen worden.

Soweit die Klägerin vortrage, sie habe die streitigen Beträge nie erhalten, führe dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Entscheidung, da Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Jobcenters Mannheim nicht Gegenstand des Verfahrens S 17 AS 2922/13 seien. Es stehe der Klägerin frei, die bestandskräftigen Erstattungsbescheide, die dem Mahnschreiben vom 8. Oktober 2012 zugrunde lagen, gemäß § 44 SGB X noch einmal überprüfen zu lassen. Andernfalls stehe es ihr frei, bei der Beklagten die Gewährung einer Ratenzahlung zu beantragen.

Gegen den am 22. Januar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. Februar 2013 Berufung eingelegt. Sie hat im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie den fehlenden Erhalt der Beträge sowie u.a. vorgetragen von den Leistungen des Jobcenters Mannheim seien monatlich 50,- EUR abgezogen worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Januar 2014 und die Mahnung und die Festsetzung der Mahngebühr vom 8. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren ergäben sich keine Gesichtspunkte, die eine Änderung des bisherigen Standpunktes zuließen. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass ein der Forderung vom 9. Mai 2011 (427,36 EUR) zugrunde liegender Bescheid nicht vorgelegt werden könne (Aktenvermerk vom 15. Juli 2015). Das Jobcenter Mannheim hat am 16. Juli 2014 mitgeteilt, ein Schreiben oder ein Bescheid vom 9. Mai 2011 habe nicht gefunden werden können.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nur zu einem Teil begründet.

Soweit sich die Klägerin gegen die Mahnung an sich wendet, ist die Klage bereits unzulässig. Die in § 54 Abs. 1 SGG geregelte Klageart der Anfechtungsklage richtet sich gegen Verwaltungsakte. Die Mahnung enthält - außer der Festsetzung der Mahngebühren - keine über den Leistungsbescheid hinausgehende Regelung i.S.d. § 131 Satz 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 54/10 R m.w.N.). Die Mahnung ist keine Vollstreckungsmaßnahme, sie ist vielmehr eine Vollstreckungsvoraussetzung für den Ablauf des weiteren Verfahrens (Sadler, VwVG/VwZG, 9. Auflage 2014, Rdnr. 68 m.w.N.). Auch einer Feststellungsklage (§ 55 SGG) fehlt daher ein berechtigtes Interesse. Soweit sich die Klägerin gegen die der Mahnung zugrunde liegende Forderung wendet, ist dies nicht streitgegenständlich.

Der Senat legt das Begehren der Klägerin nicht als Vollstreckungsabwehrklage aus. Eine solche wäre nicht zulässig. Eine Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO i.V.m. § 202 SGG setzt bereits begrifflich voraus, dass die Zwangsvollstreckung begonnen hat. Diese beginnt jedoch erst mit der Vollstreckungsanordnung. Denn selbst wenn man das Vorbringen der Klägerin als Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage auslegen könnte, würde es hier an einer notwendigen Vollstreckungshandlung fehlen. Die Mahnung selbst ist dies noch nicht, §§ 3 Absatz 3 VwVG, 66 SGB X. Erst mit dem Erlass einer Vollstreckungsankündigung ist eine Vollstreckungsabwehrklage zulässig, denn erst damit ist gegenüber einer Klägerin dokumentiert, dass die Vollstreckung durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet worden ist. Die Vollstreckungsanordnung ist der behördliche Auftrag der Anordnungsbehörde an die Vollstreckungsbehörde, die Beitreibung durchzuführen. Sie tritt an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung, wobei die Leistungspflicht des Vollstreckungsschuldners grundsätzlich bereits durch den Leistungsbescheid bestimmt ist (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. September 2011 – L 7 B 411/09 AS –, Rn. 15, juris). Vorliegend liegt eine aktuelle Vollstreckungsanordnung als Grundlage der weiteren Vollstreckung nicht vor. Zwar ist eine solche Anordnung bereits als Grundlage für das Vorgehen des Hauptzollamts Lörrach ausgesprochen worden (Schreiben vom 21. Mai 2012 und 4. März 2013). Allerdings wurde der Vollstreckungsvorgang am 6. Juli 2012 wieder an die Beklagte als Auftraggeberin zurückgegeben, so wie auch zuletzt mit Schreiben vom 23. Mai 2013. Eine dann zu fordernde erneute Vollstreckungsanordnung liegt nicht vor. Mangels laufender Vollstreckung könnte eine Vollstreckungsabwehrklage daher keinen Erfolg haben.

Zulässiger und statthafter Streitgegenstand ist daher allein die Mahngebühr. Diese erweist sich als teilweise rechtswidrig. Für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG wird eine Mahngebühr erhoben. Sie beträgt eins vom Hundert des Mahnbetrages bis 100 Deutsche Mark einschließlich ein halbes vom Hundert von dem Mehrbetrag, mindestens 1,50 DM und höchstens 100 DM. Die Mahngebühr wird auf volle 10 Deutsche Pfennig aufgerundet (§ 19 Abs. 2 VwVG in der bis zum 27. November 2014 geltenden Fassung). Da lediglich der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom September 2011 in Höhe von 1.432,09 EUR nachgewiesen ist, kann die Mahngebühr lediglich in Höhe von 7,46 EUR erhoben werden.

Nachdem die Klägerin mehrfach vorgetragen hat, die der Mahnung zugrundeliegenden Forderungen bestünden nicht, sollte das Jobcenter Mannheim - vor weiteren Mahnungen oder Vollstreckungsversuchen - prüfen, ob darin ein Überprüfungsverfahren gem. § 44 SGB X beantragt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht daher auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung zwar in weiten Teilen ohne Erfolg geblieben ist, die Beklagte jedoch Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Berufung der Klägerin insofern erfolgreich, weil ein Bescheid über 427,36 EUR nicht vorgelegt werden konnte und die Mahngebühren teilweise rechtswidrig festgesetzt worden waren. Die Klägerin konnte daher diesbezüglich einen Teilerfolg erringen, der eine anteilige Kostenquotelung rechtfertigt.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved