Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 3948/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1257/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verweigert die Krankenkasse einer Versicherten, die Krankengeld erhält, die Zustimmung zu einem Auslandsaufenthalt (hier: 4-wöchige
USA-Reise), liegt kein Ermessenfehler vor, wenn sich die Krankenkasse darauf stützt, dass durch die Urlaubsreise eine vom Rentenversicherungsträger bereits bewilligte stationäre Reha-Maßnahme nicht sofort, sondern erst nach dem Urlaub angetreten werden konnte.
USA-Reise), liegt kein Ermessenfehler vor, wenn sich die Krankenkasse darauf stützt, dass durch die Urlaubsreise eine vom Rentenversicherungsträger bereits bewilligte stationäre Reha-Maßnahme nicht sofort, sondern erst nach dem Urlaub angetreten werden konnte.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.02.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen eines Krankengeldanspruchs während eines Auslandsaufenthaltes.
Die am 13.03.1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflichtversichert. Bei ihr wurde ab 30.01.2013 bis 23.03.2015 Arbeitsunfähigkeit zunächst wegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F32.2G) festgestellt. Die Beklagte gewährte ihr ab 13.03.2013 (Bescheid vom 20.03.2013) Krankengeld iHv 55,01 EUR je Kalendertag.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte der Beklagten mit Schreiben vom 02.05.2013 mit, dass der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen in der Fachklinik A. bewilligt worden sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klinik am 16.05.2013 mit, dass die Aufnahme der Klägerin im Juli 2013 vorgesehen und eine frühere Anreise wegen eines gebuchten Urlaubs nicht möglich sei.
Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, ein ärztliches Attest einzureichen, aus dem hervorgehe, in welchem Zeitraum sie verreise, an welchem Ort sie sich während des Urlaubs aufhalte und dass gegen die Reise keine ärztlichen Einwände bestünden.
Die Klägerin teilte am 23.05.2013 mit, dass Sie vom 07.06.2013 bis zum 06.07.2013 in die U. reise und diese Reise bereits ein Dreivierteljahr geplant/gebucht gewesen sei. Gleichzeitig übersandte sie ein ärztliches Attest vom Allgemeinmediziner Dr. G ... Er führte aus, dass die Reise bereits lange vor Ausbruch der derzeitigen Krankheit gebucht worden sei und ärztlicherseits keine Einwände bestünden, da die Reise dem seelischen Gleichgewicht eher gut tue.
Der Lebensgefährte der Klägerin hatte die Reise im Januar 2013 gebucht. Die Flugtickets wurden am 08.02.2013 bezahlt, die Buchungsbestätigungen am 18.02.2013 und 20.02.2013 erstellt. Eine Reiserücktrittsversicherung bestand nicht.
Die Klägerin wurde am 16.07.2013 in der Klinik A. aufgenommen und am 20.08.2013 arbeitsunfähig entlassen. Für die Zeit der Maßnahme zahlte die Deutsche Rentenversicherung Bund Übergangsgeld. Die Reha-Ärzte teilten im Entlassbrief mit, dass die Klägerin derzeit noch die kurzfristige Krankschreibung benötige, um eine bereits mehrfach dringend empfohlene ambulante Psychotherapie einzuleiten sowie die Maßnahmennachsorge IRENA zu beginnen. Des Weiteren bestünde die Notwendigkeit einer Abklärung einer demenziellen Entwicklung. Nach der Einschätzung der Reha-Ärzte konnte entgegen der Ansicht der Klägerin nach einem Ablauf von höchstens vier Wochen mit dem Erreichen der Arbeitsfähigkeit gerechnet werden.
Für die Zeit vom 07.06.2013 bis 06.07.2013 zahlte die Beklagte kein Krankengeld an die Klägerin.
Mit Schreiben vom 06.08.2013 erhob die Klägerin "Widerspruch wegen der fehlenden Krankengeldzahlung von Juni bis Juli 2013". Sie teilte mit, dass die Urlaubspläne in ihrer Firma bis spätestens Anfang der zweiten Januarwoche 2013 durch alle Mitarbeiter der Arbeitsgruppe zu erfolgen hatten. Deshalb habe sie bereits im November 2012 mit den Urlaubsplanungen begonnen, die dann bereits Anfang Januar 2013 gebucht und abgeschlossen gewesen seien. Zudem habe der Hausarzt die Reise in ein warmes solides Land als sehr positiv für den Heilungsprozess bewertet und dies auch attestiert.
Mit Schreiben vom 09.08.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Zeit des U.-Aufenthalts der Krankengeldanspruch nach den Regelungen des § 16 SGB V ruhe.
Mit Schreiben vom 05.09.2013 wiederholte die Klägerin den Widerspruch und wies ergänzend darauf hin, dass bei Stornierung der Reise hohe Kosten angefallen wären und sie bei Vertragsabschluss im Januar nicht habe wissen können, dass sich ihre Krankheit so lange hinziehen würde. Die Beklagte wertete das Schreiben als Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.08.2013 und forderte ein Gutachten des MDK an.
Dr. P. vom MDK erstattete am 13.09.2013 ein Gutachten und stellte fest, aus den Unterlagen sei ersichtlich, dass die notwendige Therapie durch die durchgeführte Reise wesentlich verzögert worden sei. Dies gelte für die geplante Aufnahme in der psychosomatischen Rehaklinik (Verzögerung um vier Wochen). Bei einer psychischen Erkrankung könne eine Reise mit damit verbundenen Umstellungen sowie einer Vielzahl neuer Reize und Eindrücke das Krankheitsbild durchaus deutlich verschlechtern. Die von der Klägerin angenommene positive Auswirkung auf die Rekonvaleszenz sei im Vorfeld keinesfalls gesichert gewesen, sei auch fachärztlicherseits nicht empfohlen worden und sei auch nicht eingetreten. Es sei nicht dokumentiert, dass eine Behandlung im Ausland gewährleistet gewesen sei. Eine deutliche Verlängerung der AU-Dauer durch die vierwöchige Auslandsreise sei insgesamt anzunehmen. Eine Facharztbehandlung sowie Einleitung einer Psychotherapie sei weiterhin dringend erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Anspruch auf Krankengeld während eines Auslandsaufenthaltes ruhe, es sei denn ein Versicherter halte sich nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland auf. Die Entscheidung über die Erteilung einer Zustimmung sei eine gerichtlich überprüfbare Ermessensentscheidung. Eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Krankengeld sei auszuschließen, da die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit im Ausland nicht in Zweifel zu ziehen gewesen sei und damit eine missbräuchliche Inanspruchnahme ausgeschlossen werden habe können. Im Vordergrund stehe die Frage, ob durch den Auslandsaufenthalt die Gefahr einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bestehe, etwa weil eine notwendige medizinische Behandlung dadurch unterbrochen werde oder weil die Reise dem Genesungsprozess abträglich sein. Aufgrund der Verzögerung der geplanten Aufnahme in der psychosomatischen Klinik von vier Wochen durch die U.-Reise sei eine wesentliche Verzögerung der notwendigen Behandlung eingetreten. Es sei nicht auszuschließen, dass durch eine sofortige Behandlung die noch bis heute andauernde Arbeitsunfähigkeit hätte verkürzt werden können. Eine Zustimmung für die U.-Reise habe deshalb von der Beklagten nicht erteilt werden können.
Am 13.11.2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Sie ist der Auffassung, dass ihr ein Krankengeldanspruch auch für die Zeit des Urlaubs in den U. zustehe. Sie habe die Reise rechtzeitig angezeigt. Die Beklagte hätte bereits vor Bescheiderteilung eine Ermessensentscheidung treffen und den MDK einschalten müssen. Zum Zeitpunkt der Buchung der Reise im Januar 2013 habe sie nicht erahnen können, dass sie danach an einer Depression so schwer erkranken würde, dass ihr die Arbeitsleistung unmöglich werde. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass eine Facharzttherapie nicht dokumentiert sei. Es sei auch nicht bedacht worden, dass die Stornierung der Reise die Depression der Klägerin aufgrund der finanziellen Belastungen, der Enttäuschung des mitreisenden Partners und wegen entgangener Urlaubsfreude verschlimmert hätte. Eine Verschiebung des Urlaubs auf die Zeit nach der Kurmaßnahme sei nicht möglich gewesen, da der Lebensgefährte als Reisepartner keinen Urlaub gehabt hätte. Die Kurmaßnahme habe keine Besserung gebracht, sie sei immer noch arbeitsunfähig. Eine ex-post-Betrachtung sei unzulässig.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. G., den Neurologen und Psychiater Dr. E. sowie die Ärzte der Klinik A. befragt.
Dr. G. hat die Auffassung vertreten, dass die Absage der Reise und der Beginn der stationären Behandlung bereits ab Anfang Juni 2013 keine vorzeitige und wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin zur Folge gehabt hätte. Die Reise sei im Hinblick auf die Gesundheitsstörung der Patienten eher positiv zu werten gewesen.
Die Reha-Ärzte sind der Ansicht gewesen, dass die nahe liegende Annahme bestünde, dass eine konsequente und zeitlich dichte ambulante oder stationäre Psychotherapie zu einem früheren Zeitpunkt zu einer Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin hätte beitragen können. Die Absage der Reise und der sofortige Beginn der stationären Behandlung Anfang Juni 2013 hätte keine vorzeitige oder wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes zur Folge gehabt. Eine Aufnahme sei im Mai 2013 möglich gewesen.
Auch Dr. E. hat keinen wesentlichen Nachteilen der gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin durch den Aufschub des Antritts des Heilverfahrens gesehen.
Mit Urteil vom 13.02.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Zustimmung zu einem Auslandsaufenthalt um einen Verwaltungsakt handle, der im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten stehe. Deshalb sei die richterliche Überprüfung beschränkt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die Beklagte habe die Ermessensentscheidung im Widerspruchsbescheid nachgeholt. Sie habe auch alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Gesichtspunkte in Form der Gefahr eines Leistungsmissbrauches, der Dauer der Unterbrechung der ärztlichen Behandlung sowie der Gefahr einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit als Folge des Auslandsaufenthaltes bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen. Die Beklagte habe sich zulässig auf das schlüssige MDK-Gutachten gestützt. Auf den Umstand, dass sich die Einschätzung der Beklagten in der Folgezeit nicht bewahrheitet habe, komme es im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Ermessensentscheidung nicht an. Ebenso sei es nicht von Bedeutung, dass die befragten Ärzte unter rückschauender Beurteilung des bei der Klägerin bestehenden Krankheitsverlaufes zu der Einschätzung gelangt seien, dass ein früherer Beginn der Rehabilitation und eine Absage der Reise keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes zur Folge gehabt hätte.
Gegen das am 02.03.2015 den Klägerbevollmächtigten zugestellte Urteil haben diese am 02.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass nicht absehbar gewesen sei, dass sie über den Reiseantrittszeitpunkt hinaus arbeitsunfähig erkrankt bleiben würde. Der Umstand, dass sie vom 19.02.2013 bis 23.05.2013 bei Dr. E. in Behandlung gewesen sei, sei der Beklagten offensichtlich nicht bekannt gewesen, da diese noch im Oktober 2013 eine solche fachärztliche Diagnostik und Behandlung empfohlen habe. Auch nach Stornierung der Reise und dem Antritt der Rehabilitationsmaßnahme zu einem früheren Zeitpunkt hätte sie weitere ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Sie wäre nicht früher arbeitsfähig geworden. Vielmehr hätte die Stornierung der Reise einen wesentlichen Nachteil im Heilungsverlauf gebracht. Die Prognose der Rehabilitationseinrichtung habe sich nicht bestätigt. Der Bescheid vom 09.08.2013 sei rechtswidrig, weil keinerlei Ermessensgesichtspunkte erkennbar seien. Selbst wenn eine solche Ermessensausübung nachträglich begründet werde, sei bezüglich der zugrunde zu legenden Tatsachen auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes abzustellen. Deshalb könne sich die Beklagte nicht auf das erst im Widerspruchsverfahren eingeholte MDK-Gutachten und den Entlassungsbericht stützen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.02.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Zustimmung zum Auslandsaufenthalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2013, mit dem sinngemäß der Antrag auf Zustimmung zum Auslandsaufenthalt während des Bezugs von Krankengeld abgelehnt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Soweit mit der Berufung entgegen der Klage nunmehr nicht mehr die Zahlung von Krankengeld, sondern die Erteilung der Zustimmung gem. § 16 Abs 4 SGB V begehrt wird, liegt gem § 99 SGG keine Klageänderung vor, da der Klagegrund nicht geändert wird und ausschließlich die rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden bzw allenfalls der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird. Denn die Zustimmung der Beklagten zum Auslandsaufenthalt ist eine Bedingung für den Zahlungsanspruch.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Ruhensanordnung findet sich in § 16 Abs. 4 SGB V. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld nicht, solange sich Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalten. Der Wortlaut der Vorschrift ("im Ausland aufhalten.") legt die Annahme nahe, dass die Zustimmung der Krankenkasse vor Beginn des Auslandsaufenthalts vorliegen muss (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 16 SGB V Rn 32, Beck OK/Harich SGB V, § 16 Rn 30-35; aA SG Mainz 12.11.2010, S 7 KR 231/08, juris; LSG Berlin 22.03.2000, L 9 KR 69/98). Die Frage kann jedoch offen bleiben. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld bzw Erteilung einer Zustimmung besteht auch dann nicht, wenn die Zustimmung auch nachträglich erteilt werden kann.
Die erforderliche Zustimmung der Krankenkasse steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten gem § 39 SGB I. Nach dem Zweck der Ermächtigung sind insbesondere von Bedeutung, welche Zwecke mit dem Auslandsaufenthalt verfolgt werden, ob eine Rückkehr ins Inland möglich und zumutbar ist (Interessen der Versicherten), mit welchen Mitteln und welchem Grad von Sicherheit die AU festgestellt werden kann und mit welchen Aussichten die AU im Inland besser bzw schneller beseitigt werden könnte (Belange der Solidargemeinschaft; Noftz in Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 16 SGB V, Rn 69; Blöcher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 16 SGB V, Rn. 60)
Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus ihr ergeben; sie muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54 SGG, Rn 28).
Zu den Ermessenfehlern zählen Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG 9.11.10, B 2 U 10/10 R).
Es kann offen bleiben, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der hier einschlägigen Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist, weil das Bescheidungsbegehren eines Klägers auf die Verurteilung der Verwaltung zu einer zukünftigen Entscheidung gerichtet ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54 SGG, Rn 34a mwN), oder ob es als Prognoseentscheidung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. Jedenfalls ist maßgeblicher Zeitpunkt entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht die Ausgangsentscheidung, da Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gem. § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ist.
Zur Überzeugung des Senats liegt zu keinem Zeitpunkt ein Ermessensfehler vor. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte Ermessen ausgeübt und die zu Grunde gelegten Gesichtspunkte für und wider eine Zustimmung ausführlich dargelegt. Entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten stützte sich die Beklagte bei der Begründung der Ermessensentscheidung auch nicht auf die Prognose der Reha-Ärzte im Entlassungsbericht. Vielmehr führte sie sogar aus, dass aufgrund der medizinischen Unterlagen kein Zweifel daran bestand, dass die Arbeitsunfähigkeit auch über den 06.07.2013 hinaus Bestand haben wird. Deshalb ist auch unbeachtlich, dass der MDK und wohl auch die Beklagte nicht beachtet haben, dass die Klägerin ab 19.02.2013 bei Dr. E. fachärztlich in Behandlung gewesen ist.
Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführte, dass eine Verzögerung der geplanten Aufnahme in die psychosomatische Klinik von vier Wochen durch die U.-Reise auch eine wesentliche Verzögerung der notwendigen Behandlung darstelle und nicht auszuschließen sei, dass durch eine sofortige Behandlung die noch bis heute andauernde Arbeitsunfähigkeit hätte verkürzt werden können, ist ein Ermessensfehlgebrauch nicht erkennbar. Ins Ermessen ist als Belang der Solidargemeinschaft einzustellen, mit welchen Aussichten die Arbeitsunfähigkeit im Inland besser bzw schneller beseitigt werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass grundsätzlich prognostisch eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit mehr dient, als ein Urlaub, vor allem bei der die Klägerin betreffenden Gesundheitsstörung einer schweren depressiven Episode. Wenn eine zeitnahe Aufnahme in die Klinik möglich ist, dann besteht grundsätzlich die Aussicht auf Beseitigung der Arbeitsunfähigkeit bei Durchführung dieser Maßnahme. Dann darf aber auch die Versagung der Zustimmung zum Auslandsaufenthalt maßgeblich darauf gestützt werden, wenn der Auslandsaufenthalt die Aufnahme in die Klinik verzögern würde. Stornierungskosten für den Fall des Reiserücktritts gehören zum privaten Risikobereich und können durch eine Reiserücktrittsversicherung für bestimmte Fälle begrenzt werden. Darauf kommt es für die Entscheidung der Beklagten nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ruhen eines Krankengeldanspruchs während eines Auslandsaufenthaltes.
Die am 13.03.1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflichtversichert. Bei ihr wurde ab 30.01.2013 bis 23.03.2015 Arbeitsunfähigkeit zunächst wegen einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F32.2G) festgestellt. Die Beklagte gewährte ihr ab 13.03.2013 (Bescheid vom 20.03.2013) Krankengeld iHv 55,01 EUR je Kalendertag.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte der Beklagten mit Schreiben vom 02.05.2013 mit, dass der Klägerin eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen in der Fachklinik A. bewilligt worden sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klinik am 16.05.2013 mit, dass die Aufnahme der Klägerin im Juli 2013 vorgesehen und eine frühere Anreise wegen eines gebuchten Urlaubs nicht möglich sei.
Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, ein ärztliches Attest einzureichen, aus dem hervorgehe, in welchem Zeitraum sie verreise, an welchem Ort sie sich während des Urlaubs aufhalte und dass gegen die Reise keine ärztlichen Einwände bestünden.
Die Klägerin teilte am 23.05.2013 mit, dass Sie vom 07.06.2013 bis zum 06.07.2013 in die U. reise und diese Reise bereits ein Dreivierteljahr geplant/gebucht gewesen sei. Gleichzeitig übersandte sie ein ärztliches Attest vom Allgemeinmediziner Dr. G ... Er führte aus, dass die Reise bereits lange vor Ausbruch der derzeitigen Krankheit gebucht worden sei und ärztlicherseits keine Einwände bestünden, da die Reise dem seelischen Gleichgewicht eher gut tue.
Der Lebensgefährte der Klägerin hatte die Reise im Januar 2013 gebucht. Die Flugtickets wurden am 08.02.2013 bezahlt, die Buchungsbestätigungen am 18.02.2013 und 20.02.2013 erstellt. Eine Reiserücktrittsversicherung bestand nicht.
Die Klägerin wurde am 16.07.2013 in der Klinik A. aufgenommen und am 20.08.2013 arbeitsunfähig entlassen. Für die Zeit der Maßnahme zahlte die Deutsche Rentenversicherung Bund Übergangsgeld. Die Reha-Ärzte teilten im Entlassbrief mit, dass die Klägerin derzeit noch die kurzfristige Krankschreibung benötige, um eine bereits mehrfach dringend empfohlene ambulante Psychotherapie einzuleiten sowie die Maßnahmennachsorge IRENA zu beginnen. Des Weiteren bestünde die Notwendigkeit einer Abklärung einer demenziellen Entwicklung. Nach der Einschätzung der Reha-Ärzte konnte entgegen der Ansicht der Klägerin nach einem Ablauf von höchstens vier Wochen mit dem Erreichen der Arbeitsfähigkeit gerechnet werden.
Für die Zeit vom 07.06.2013 bis 06.07.2013 zahlte die Beklagte kein Krankengeld an die Klägerin.
Mit Schreiben vom 06.08.2013 erhob die Klägerin "Widerspruch wegen der fehlenden Krankengeldzahlung von Juni bis Juli 2013". Sie teilte mit, dass die Urlaubspläne in ihrer Firma bis spätestens Anfang der zweiten Januarwoche 2013 durch alle Mitarbeiter der Arbeitsgruppe zu erfolgen hatten. Deshalb habe sie bereits im November 2012 mit den Urlaubsplanungen begonnen, die dann bereits Anfang Januar 2013 gebucht und abgeschlossen gewesen seien. Zudem habe der Hausarzt die Reise in ein warmes solides Land als sehr positiv für den Heilungsprozess bewertet und dies auch attestiert.
Mit Schreiben vom 09.08.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Zeit des U.-Aufenthalts der Krankengeldanspruch nach den Regelungen des § 16 SGB V ruhe.
Mit Schreiben vom 05.09.2013 wiederholte die Klägerin den Widerspruch und wies ergänzend darauf hin, dass bei Stornierung der Reise hohe Kosten angefallen wären und sie bei Vertragsabschluss im Januar nicht habe wissen können, dass sich ihre Krankheit so lange hinziehen würde. Die Beklagte wertete das Schreiben als Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.08.2013 und forderte ein Gutachten des MDK an.
Dr. P. vom MDK erstattete am 13.09.2013 ein Gutachten und stellte fest, aus den Unterlagen sei ersichtlich, dass die notwendige Therapie durch die durchgeführte Reise wesentlich verzögert worden sei. Dies gelte für die geplante Aufnahme in der psychosomatischen Rehaklinik (Verzögerung um vier Wochen). Bei einer psychischen Erkrankung könne eine Reise mit damit verbundenen Umstellungen sowie einer Vielzahl neuer Reize und Eindrücke das Krankheitsbild durchaus deutlich verschlechtern. Die von der Klägerin angenommene positive Auswirkung auf die Rekonvaleszenz sei im Vorfeld keinesfalls gesichert gewesen, sei auch fachärztlicherseits nicht empfohlen worden und sei auch nicht eingetreten. Es sei nicht dokumentiert, dass eine Behandlung im Ausland gewährleistet gewesen sei. Eine deutliche Verlängerung der AU-Dauer durch die vierwöchige Auslandsreise sei insgesamt anzunehmen. Eine Facharztbehandlung sowie Einleitung einer Psychotherapie sei weiterhin dringend erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Anspruch auf Krankengeld während eines Auslandsaufenthaltes ruhe, es sei denn ein Versicherter halte sich nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland auf. Die Entscheidung über die Erteilung einer Zustimmung sei eine gerichtlich überprüfbare Ermessensentscheidung. Eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Krankengeld sei auszuschließen, da die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit im Ausland nicht in Zweifel zu ziehen gewesen sei und damit eine missbräuchliche Inanspruchnahme ausgeschlossen werden habe können. Im Vordergrund stehe die Frage, ob durch den Auslandsaufenthalt die Gefahr einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bestehe, etwa weil eine notwendige medizinische Behandlung dadurch unterbrochen werde oder weil die Reise dem Genesungsprozess abträglich sein. Aufgrund der Verzögerung der geplanten Aufnahme in der psychosomatischen Klinik von vier Wochen durch die U.-Reise sei eine wesentliche Verzögerung der notwendigen Behandlung eingetreten. Es sei nicht auszuschließen, dass durch eine sofortige Behandlung die noch bis heute andauernde Arbeitsunfähigkeit hätte verkürzt werden können. Eine Zustimmung für die U.-Reise habe deshalb von der Beklagten nicht erteilt werden können.
Am 13.11.2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Sie ist der Auffassung, dass ihr ein Krankengeldanspruch auch für die Zeit des Urlaubs in den U. zustehe. Sie habe die Reise rechtzeitig angezeigt. Die Beklagte hätte bereits vor Bescheiderteilung eine Ermessensentscheidung treffen und den MDK einschalten müssen. Zum Zeitpunkt der Buchung der Reise im Januar 2013 habe sie nicht erahnen können, dass sie danach an einer Depression so schwer erkranken würde, dass ihr die Arbeitsleistung unmöglich werde. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass eine Facharzttherapie nicht dokumentiert sei. Es sei auch nicht bedacht worden, dass die Stornierung der Reise die Depression der Klägerin aufgrund der finanziellen Belastungen, der Enttäuschung des mitreisenden Partners und wegen entgangener Urlaubsfreude verschlimmert hätte. Eine Verschiebung des Urlaubs auf die Zeit nach der Kurmaßnahme sei nicht möglich gewesen, da der Lebensgefährte als Reisepartner keinen Urlaub gehabt hätte. Die Kurmaßnahme habe keine Besserung gebracht, sie sei immer noch arbeitsunfähig. Eine ex-post-Betrachtung sei unzulässig.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. G., den Neurologen und Psychiater Dr. E. sowie die Ärzte der Klinik A. befragt.
Dr. G. hat die Auffassung vertreten, dass die Absage der Reise und der Beginn der stationären Behandlung bereits ab Anfang Juni 2013 keine vorzeitige und wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin zur Folge gehabt hätte. Die Reise sei im Hinblick auf die Gesundheitsstörung der Patienten eher positiv zu werten gewesen.
Die Reha-Ärzte sind der Ansicht gewesen, dass die nahe liegende Annahme bestünde, dass eine konsequente und zeitlich dichte ambulante oder stationäre Psychotherapie zu einem früheren Zeitpunkt zu einer Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin hätte beitragen können. Die Absage der Reise und der sofortige Beginn der stationären Behandlung Anfang Juni 2013 hätte keine vorzeitige oder wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes zur Folge gehabt. Eine Aufnahme sei im Mai 2013 möglich gewesen.
Auch Dr. E. hat keinen wesentlichen Nachteilen der gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin durch den Aufschub des Antritts des Heilverfahrens gesehen.
Mit Urteil vom 13.02.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Zustimmung zu einem Auslandsaufenthalt um einen Verwaltungsakt handle, der im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten stehe. Deshalb sei die richterliche Überprüfung beschränkt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Die Beklagte habe die Ermessensentscheidung im Widerspruchsbescheid nachgeholt. Sie habe auch alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Gesichtspunkte in Form der Gefahr eines Leistungsmissbrauches, der Dauer der Unterbrechung der ärztlichen Behandlung sowie der Gefahr einer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit als Folge des Auslandsaufenthaltes bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen. Die Beklagte habe sich zulässig auf das schlüssige MDK-Gutachten gestützt. Auf den Umstand, dass sich die Einschätzung der Beklagten in der Folgezeit nicht bewahrheitet habe, komme es im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Ermessensentscheidung nicht an. Ebenso sei es nicht von Bedeutung, dass die befragten Ärzte unter rückschauender Beurteilung des bei der Klägerin bestehenden Krankheitsverlaufes zu der Einschätzung gelangt seien, dass ein früherer Beginn der Rehabilitation und eine Absage der Reise keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes zur Folge gehabt hätte.
Gegen das am 02.03.2015 den Klägerbevollmächtigten zugestellte Urteil haben diese am 02.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass nicht absehbar gewesen sei, dass sie über den Reiseantrittszeitpunkt hinaus arbeitsunfähig erkrankt bleiben würde. Der Umstand, dass sie vom 19.02.2013 bis 23.05.2013 bei Dr. E. in Behandlung gewesen sei, sei der Beklagten offensichtlich nicht bekannt gewesen, da diese noch im Oktober 2013 eine solche fachärztliche Diagnostik und Behandlung empfohlen habe. Auch nach Stornierung der Reise und dem Antritt der Rehabilitationsmaßnahme zu einem früheren Zeitpunkt hätte sie weitere ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Sie wäre nicht früher arbeitsfähig geworden. Vielmehr hätte die Stornierung der Reise einen wesentlichen Nachteil im Heilungsverlauf gebracht. Die Prognose der Rehabilitationseinrichtung habe sich nicht bestätigt. Der Bescheid vom 09.08.2013 sei rechtswidrig, weil keinerlei Ermessensgesichtspunkte erkennbar seien. Selbst wenn eine solche Ermessensausübung nachträglich begründet werde, sei bezüglich der zugrunde zu legenden Tatsachen auf den Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes abzustellen. Deshalb könne sich die Beklagte nicht auf das erst im Widerspruchsverfahren eingeholte MDK-Gutachten und den Entlassungsbericht stützen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.02.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Zustimmung zum Auslandsaufenthalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2013, mit dem sinngemäß der Antrag auf Zustimmung zum Auslandsaufenthalt während des Bezugs von Krankengeld abgelehnt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Soweit mit der Berufung entgegen der Klage nunmehr nicht mehr die Zahlung von Krankengeld, sondern die Erteilung der Zustimmung gem. § 16 Abs 4 SGB V begehrt wird, liegt gem § 99 SGG keine Klageänderung vor, da der Klagegrund nicht geändert wird und ausschließlich die rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden bzw allenfalls der Klageantrag in der Hauptsache beschränkt wird. Denn die Zustimmung der Beklagten zum Auslandsaufenthalt ist eine Bedingung für den Zahlungsanspruch.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Ruhensanordnung findet sich in § 16 Abs. 4 SGB V. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld nicht, solange sich Versicherte nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit Zustimmung der Krankenkasse im Ausland aufhalten. Der Wortlaut der Vorschrift ("im Ausland aufhalten.") legt die Annahme nahe, dass die Zustimmung der Krankenkasse vor Beginn des Auslandsaufenthalts vorliegen muss (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 16 SGB V Rn 32, Beck OK/Harich SGB V, § 16 Rn 30-35; aA SG Mainz 12.11.2010, S 7 KR 231/08, juris; LSG Berlin 22.03.2000, L 9 KR 69/98). Die Frage kann jedoch offen bleiben. Ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld bzw Erteilung einer Zustimmung besteht auch dann nicht, wenn die Zustimmung auch nachträglich erteilt werden kann.
Die erforderliche Zustimmung der Krankenkasse steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten gem § 39 SGB I. Nach dem Zweck der Ermächtigung sind insbesondere von Bedeutung, welche Zwecke mit dem Auslandsaufenthalt verfolgt werden, ob eine Rückkehr ins Inland möglich und zumutbar ist (Interessen der Versicherten), mit welchen Mitteln und welchem Grad von Sicherheit die AU festgestellt werden kann und mit welchen Aussichten die AU im Inland besser bzw schneller beseitigt werden könnte (Belange der Solidargemeinschaft; Noftz in Hauck/Noftz, SGB, 08/13, § 16 SGB V, Rn 69; Blöcher in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 16 SGB V, Rn. 60)
Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht darf bei der Ermessensüberprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessensentscheidung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt. Das Gericht überprüft lediglich, ob Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist. Für die Rechtskontrolle durch das Gericht ist die Begründung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides wesentlich. Dass von dem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht worden ist, muss sich aus ihr ergeben; sie muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist. Die Berücksichtigung und Angabe der Besonderheiten des Einzelfalls kennzeichnet eine ordnungsgemäße Ermessensausübung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54 SGG, Rn 28).
Zu den Ermessenfehlern zählen Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung und Ermessensfehlgebrauch. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt, ferner wenn sie nicht alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbezogen oder wenn sie die abzuwägenden Gesichtspunkte fehlerhaft gewichtet oder einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BSG 9.11.10, B 2 U 10/10 R).
Es kann offen bleiben, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der hier einschlägigen Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist, weil das Bescheidungsbegehren eines Klägers auf die Verurteilung der Verwaltung zu einer zukünftigen Entscheidung gerichtet ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 54 SGG, Rn 34a mwN), oder ob es als Prognoseentscheidung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. Jedenfalls ist maßgeblicher Zeitpunkt entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht die Ausgangsentscheidung, da Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gem. § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ist.
Zur Überzeugung des Senats liegt zu keinem Zeitpunkt ein Ermessensfehler vor. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte Ermessen ausgeübt und die zu Grunde gelegten Gesichtspunkte für und wider eine Zustimmung ausführlich dargelegt. Entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten stützte sich die Beklagte bei der Begründung der Ermessensentscheidung auch nicht auf die Prognose der Reha-Ärzte im Entlassungsbericht. Vielmehr führte sie sogar aus, dass aufgrund der medizinischen Unterlagen kein Zweifel daran bestand, dass die Arbeitsunfähigkeit auch über den 06.07.2013 hinaus Bestand haben wird. Deshalb ist auch unbeachtlich, dass der MDK und wohl auch die Beklagte nicht beachtet haben, dass die Klägerin ab 19.02.2013 bei Dr. E. fachärztlich in Behandlung gewesen ist.
Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführte, dass eine Verzögerung der geplanten Aufnahme in die psychosomatische Klinik von vier Wochen durch die U.-Reise auch eine wesentliche Verzögerung der notwendigen Behandlung darstelle und nicht auszuschließen sei, dass durch eine sofortige Behandlung die noch bis heute andauernde Arbeitsunfähigkeit hätte verkürzt werden können, ist ein Ermessensfehlgebrauch nicht erkennbar. Ins Ermessen ist als Belang der Solidargemeinschaft einzustellen, mit welchen Aussichten die Arbeitsunfähigkeit im Inland besser bzw schneller beseitigt werden könnte. Es liegt auf der Hand, dass grundsätzlich prognostisch eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit mehr dient, als ein Urlaub, vor allem bei der die Klägerin betreffenden Gesundheitsstörung einer schweren depressiven Episode. Wenn eine zeitnahe Aufnahme in die Klinik möglich ist, dann besteht grundsätzlich die Aussicht auf Beseitigung der Arbeitsunfähigkeit bei Durchführung dieser Maßnahme. Dann darf aber auch die Versagung der Zustimmung zum Auslandsaufenthalt maßgeblich darauf gestützt werden, wenn der Auslandsaufenthalt die Aufnahme in die Klinik verzögern würde. Stornierungskosten für den Fall des Reiserücktritts gehören zum privaten Risikobereich und können durch eine Reiserücktrittsversicherung für bestimmte Fälle begrenzt werden. Darauf kommt es für die Entscheidung der Beklagten nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
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