Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 2283/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1522/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 07.03.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente ohne Absenkung der Entgeltpunkte auf 60% für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte s. Versicherungszeiten.
Der 1934 geborene Kläger ist 1977 aus der damaligen U. in das Bundesgebiet übergesiedelt. In der U. hatte er eine Lehre als Schlosser gemacht und war danach als Schlosser, Lokheizer und Dreher von 1953 bis 1976 beschäftigt. Diese Beschäftigungszeiten wurden von der Beklagten als Beitragszeiten im Herkunftsgebiet nach dem FRG anerkannt.
Auf seinen Rentenantrag hin bezog der Kläger ab dem 01.11.1997 (Rentenbescheid vom 21.08.1997) Altersrente für langjährige Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Beklagte hatte bei der Berechnung der Rente die Entgeltpunkte für ausländische Beitragszeiten nach § 22 Abs.4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) auf 60% abgesenkt.
Am 13.11.2002 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den er damit begründete, dass die Einstufung in Qualifikationsgruppen unzutreffend erfolgt sei. Dieser Antrag wurde von der Beklagten auch als Überprüfungsantrag zu § 22 FRG gewertet und bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgestellt (Bl. 84 der Verwaltungsakte).
Am 06.06.2006 beantragte der Kläger nach § 44 SGB X erneut die Überprüfung und Rücknahme des Rentenbescheides, da er mit der Absenkung der Entgeltpunkte nicht einverstanden war.
Mit Bescheid vom 18.12.2007 änderte die Beklagte ihre Rechtsauffassung und gewährte dem Kläger entsprechend der nun vorliegenden Übergangsregelung im Rahmen des Art. 6 § 4 Abs. 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) für die Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG für eine Übergangszeit bis zum 30.06.2000 einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Insgesamt wurde für die Zeit vom 01.11.1997 bis zum 30.06.2000 eine Nachzahlung in Höhe von 3.195,39 EUR geleistet.
Der Kläger erhob am 14.01.2008 Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.12.2007. Nachdem der Widerspruch zunächst ruhte, wurde er nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.2010 (Az. l BvR 1201/10) über die Vereinbarkeit der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG mit dem Grundgesetz von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2011 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und führte aus, dass dem Kläger danach keine höhere Rente zustehe.
Am 15.04.2011 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart mit der Begründung, er genieße Vertrauensschutz. Nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.06.1991 sei grundsätzlich ein pauschaler Abschlag für Rentenzeiten aus den Herkunftsgebieten von 30% eingeführt worden, jedoch seien Aussiedler, die wie der Kläger vor 1991 ins Bundesgebiet übergesiedelt seien, aus Vertrauensschutzgründen ausgenommen gewesen. Dieser Vertrauensschutz dürfe ihm nicht durch eine Kürzung durch das Wachstums- und Förderungsgesetz vom 25.09.1996 wieder entzogen werden. Die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er die Kürzung vermeiden könne, wenn er eine vorzeitige Rente mit Abschlag beantragt hätte. Für ihn als rentennahen Jahrgang habe sich ein konkreter Beratungsbedarf ergeben. Der Kläger beanstandete auch die Höhe der Nachzahlung aufgrund der Übergangsregelung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, die Absenkung der auf Grundlage des Fremdrentenrechts ermittelten Entgeltpunkte auf 60% sei zu Recht erfolgt. Die Beklagte habe umfassende Aufklärung durch Broschüren und individuelle Beratung an Sprechtagen betrieben. Sie legte die Berechnung des Zuschlages aufgrund der Übergangsregelung im Einzelnen dar.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht die auf dem FRG beruhenden Entgeltpunkte des Klägers nach § 22 Abs.4 FRG nur zu 60% berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 (BVerfG, Urteil vom 13.06.2006, Az.: 1 BvL 9/00, Juris) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt, sofern eine Übergangsregelung durch den Gesetzgeber geschaffen werde. Soweit der Kläger argumentiere, die Regelung sei nicht auf ihn anwendbar, weil ihm mit dem RÜG von 1991 eine Vertrauensschutzposition gewährt worden sei, die ihm nun nicht rückwirkend durch die Änderung des FRG entzogen werden könne, sei dem nicht zu folgen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich entschieden, dass § 22 FRG den verfassungsrechtlichen Anforderungen des rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzips grundsätzlich gerecht werde, da es sich um eine grundsätzlich zulässige sog. unechte Rückwirkung handele (BVerfG, a.a.O.). Bei der Abwägung der Erwartung des Klägers nach der ersten Kürzung im Zuge des RÜG von 1991, er werde auf Dauer von den rentenrechtlichen Kürzungen ausgenommen, und dem finanzwirtschaftlichen Interesse der Versicherungsträger habe der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen, die seiner Gestaltungsfreiheit durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogen seien, nicht überschritten. Im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit habe der Gesetzgeber auch den Kreis der betroffenen Gruppen von Rentenberechtigten ausweiten dürfen. Der Kläger könne kein schutzwürdiges Vertrauen in die Annahme geltend machen, dass er über die gesamte Zeit seines Versicherungsverhältnisses bis zum Beginn der Rente nicht mehr von Kürzungen betroffen sein werde. Die für die finanzielle Situation in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblichen Umstände hätten sich seit dem Inkrafttreten des RÜG 1991 erheblich geändert - es sei zu einem massiven Anstieg der Ausgaben ohne ausreichendes Beitragsaufkommen gekommen - sodass der Kläger damit habe rechnen müssen, dass dies nicht ohne Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherungsträger bleiben könne (BVerfG, a.a.O.). Dem Vertrauensschutz rentennaher Jahrgänge sei durch die Schaffung der Übergangsregelung Genüge getan worden. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG, der rückwirkend ab dem 01.10.1996 in Kraft getreten sei, gelte für Personen, über deren Rentenantrag oder über deren bis zum 31.12.2004 gestellten Überprüfungsantrag am 30.06.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei (Art. 6 § 4 c Abs.2 Nr. 3 FANG). Diese Personen erhielten einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Nach dieser Regelung habe der Kläger einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten erhalten. Soweit der Kläger weiter eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Personen, die vor dem 01.10.1996 einen Rentenantrag gestellt hätten, geltend mache, sei dies jedenfalls durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt (BVerfG, a.a.O.). Die Berechnung des Zuschlages durch die Beklagte sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe diese auch nicht substantiiert angegriffen. Der Kläger sei auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Überprüfungsantrag bereits vor dem Stichtag gestellt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des jeweiligen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Verletze der Leistungsträger eine Nebenpflicht (Beratungspflicht, Auskunftspflicht, Informationspflicht), begründe dies nur dann ein Herstellungsrecht, wenn die Pflichtverletzung wesentliche, d. h. gleichwertige Bedingungen für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts gewesen sei. Dies sei nicht der Fall, wenn der Anspruchsteller das Ausbleiben der Leistung wissentlich oder fahrlässig gegen sich selbst (mit)verursacht habe (BSG, Urteil vom 06.03.2003, - Az. B 4 RA 38/02, Juris). Die Verletzung einer Beratungspflicht liege nicht vor. Ihrer generellen Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I) habe die Beklagte durch Broschüren und Angebote von Sprechtagen genügt. Eine konkrete Beratung des Klägers dergestalt, er solle bereits vor Inkrafttreten der Änderung des FRG 1996 einen Rentenantrag stellen und mit Abschlägen in Rente gehen, habe dafür aber die Kürzung seiner persönlichen Entgeltpunkte auf 60% vermieden, habe die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers nicht durchführen müssen. Die Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 14 SGB I werde grundsätzlich durch ein konkretes Beratungsbegehren begründet. Der Kläger habe im Zeitraum vor Inkrafttreten der Änderung des FRG keinen konkreten Beratungsbedarf geäußert und keinen Rentenantrag gestellt. Für die Beklagte habe kein Anlass bestanden, ihn unaufgefordert über mögliche Vorteile eines vorzeitigen Rentenbeginns zu beraten.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 15.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2013 Berufung einlegen lassen. Es seien zumindest die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gegeben. Die Beklagte sei ihrer generellen Beratungspflicht nach § 14 SGB I nicht ausreichend nachgekommen. Sie hätte in einem Informationsschreiben an Betroffene auf die Unsicherheit der gegenwärtigen Rechtsposition des Klägers hinweisen müssen. Die Rechtslage sei viel zu komplex, als dass diese durch eine Naturpartei, die sich aufgrund einer bereits zu ihren Gunsten ergangenen Übergangsregelung im Vertrauen wähne, hinterfragt werden würde. Deshalb könne der Kläger nicht auf das Fehlen eines konkreten Beratungsersuchens verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart und die Bescheide der Beklagten vom 19.10.2007 und 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den ergangenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 29.04.2015 und vom 07.05.2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten des Klägers ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für den Kläger. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt (Beschl. v. 13.06.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Dem Kläger wurde entsprechend dieser Übergangsregelung eine Nachzahlung gewährt.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) die Reduzierung der Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 als solche einer Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen und lediglich im Hinblick auf den Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge eine Übergangsregelung gefordert, die der Gesetzgeber mit Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG geschaffen hat und die ebenfalls verfassungsmäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 15.07.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -). Das BVerfG hat die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als verhältnismäßig angesehen und dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit gerade für Eingriffe in Positionen zugestanden, die - wie die Rentenanwartschaften nach dem FRG - nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind. Die unterschiedliche Behandlung der nach dem FRG Berechtigten im Vergleich zu anderen Gruppen hat das BVerfG mit den unterschiedlichen Versicherungsbiografien begründet. Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit der Rechtsprechung des BVerfG in Frage zu stellen (zuletzt: Urteil des erkennenden Senats vom 19.02.2014 - L 5 R 2431/13 -).
Der Kläger kann für sich auch kein Recht aus dem - von der Rechtsprechung entwickelten - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Dieser erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (st. Rspr des BSG, vgl. Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 90/09 R -, Juris Rn. 29 m.w.N.). Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann zudem keine Leistung beansprucht werden, die nicht mit den gesetzlichen Grundlagen im Einklang steht. Selbst wenn die Beklagte es rechtswidrig versäumt hätte, den Kläger seinerzeit umfassend aufzuklären, wofür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind, könnte der Kläger einen Anspruch auf höhere Rentenzahlung also nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen durchsetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente ohne Absenkung der Entgeltpunkte auf 60% für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte s. Versicherungszeiten.
Der 1934 geborene Kläger ist 1977 aus der damaligen U. in das Bundesgebiet übergesiedelt. In der U. hatte er eine Lehre als Schlosser gemacht und war danach als Schlosser, Lokheizer und Dreher von 1953 bis 1976 beschäftigt. Diese Beschäftigungszeiten wurden von der Beklagten als Beitragszeiten im Herkunftsgebiet nach dem FRG anerkannt.
Auf seinen Rentenantrag hin bezog der Kläger ab dem 01.11.1997 (Rentenbescheid vom 21.08.1997) Altersrente für langjährige Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Beklagte hatte bei der Berechnung der Rente die Entgeltpunkte für ausländische Beitragszeiten nach § 22 Abs.4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) auf 60% abgesenkt.
Am 13.11.2002 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den er damit begründete, dass die Einstufung in Qualifikationsgruppen unzutreffend erfolgt sei. Dieser Antrag wurde von der Beklagten auch als Überprüfungsantrag zu § 22 FRG gewertet und bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgestellt (Bl. 84 der Verwaltungsakte).
Am 06.06.2006 beantragte der Kläger nach § 44 SGB X erneut die Überprüfung und Rücknahme des Rentenbescheides, da er mit der Absenkung der Entgeltpunkte nicht einverstanden war.
Mit Bescheid vom 18.12.2007 änderte die Beklagte ihre Rechtsauffassung und gewährte dem Kläger entsprechend der nun vorliegenden Übergangsregelung im Rahmen des Art. 6 § 4 Abs. 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) für die Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG für eine Übergangszeit bis zum 30.06.2000 einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Insgesamt wurde für die Zeit vom 01.11.1997 bis zum 30.06.2000 eine Nachzahlung in Höhe von 3.195,39 EUR geleistet.
Der Kläger erhob am 14.01.2008 Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.12.2007. Nachdem der Widerspruch zunächst ruhte, wurde er nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.2010 (Az. l BvR 1201/10) über die Vereinbarkeit der Übergangsregelung des Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG mit dem Grundgesetz von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2011 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und führte aus, dass dem Kläger danach keine höhere Rente zustehe.
Am 15.04.2011 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart mit der Begründung, er genieße Vertrauensschutz. Nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.06.1991 sei grundsätzlich ein pauschaler Abschlag für Rentenzeiten aus den Herkunftsgebieten von 30% eingeführt worden, jedoch seien Aussiedler, die wie der Kläger vor 1991 ins Bundesgebiet übergesiedelt seien, aus Vertrauensschutzgründen ausgenommen gewesen. Dieser Vertrauensschutz dürfe ihm nicht durch eine Kürzung durch das Wachstums- und Förderungsgesetz vom 25.09.1996 wieder entzogen werden. Die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er die Kürzung vermeiden könne, wenn er eine vorzeitige Rente mit Abschlag beantragt hätte. Für ihn als rentennahen Jahrgang habe sich ein konkreter Beratungsbedarf ergeben. Der Kläger beanstandete auch die Höhe der Nachzahlung aufgrund der Übergangsregelung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, die Absenkung der auf Grundlage des Fremdrentenrechts ermittelten Entgeltpunkte auf 60% sei zu Recht erfolgt. Die Beklagte habe umfassende Aufklärung durch Broschüren und individuelle Beratung an Sprechtagen betrieben. Sie legte die Berechnung des Zuschlages aufgrund der Übergangsregelung im Einzelnen dar.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2013 ab. Die Beklagte habe zu Recht die auf dem FRG beruhenden Entgeltpunkte des Klägers nach § 22 Abs.4 FRG nur zu 60% berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 13.06.2006 (BVerfG, Urteil vom 13.06.2006, Az.: 1 BvL 9/00, Juris) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt, sofern eine Übergangsregelung durch den Gesetzgeber geschaffen werde. Soweit der Kläger argumentiere, die Regelung sei nicht auf ihn anwendbar, weil ihm mit dem RÜG von 1991 eine Vertrauensschutzposition gewährt worden sei, die ihm nun nicht rückwirkend durch die Änderung des FRG entzogen werden könne, sei dem nicht zu folgen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich entschieden, dass § 22 FRG den verfassungsrechtlichen Anforderungen des rechtstaatlichen Vertrauensschutzprinzips grundsätzlich gerecht werde, da es sich um eine grundsätzlich zulässige sog. unechte Rückwirkung handele (BVerfG, a.a.O.). Bei der Abwägung der Erwartung des Klägers nach der ersten Kürzung im Zuge des RÜG von 1991, er werde auf Dauer von den rentenrechtlichen Kürzungen ausgenommen, und dem finanzwirtschaftlichen Interesse der Versicherungsträger habe der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen, die seiner Gestaltungsfreiheit durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gezogen seien, nicht überschritten. Im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit habe der Gesetzgeber auch den Kreis der betroffenen Gruppen von Rentenberechtigten ausweiten dürfen. Der Kläger könne kein schutzwürdiges Vertrauen in die Annahme geltend machen, dass er über die gesamte Zeit seines Versicherungsverhältnisses bis zum Beginn der Rente nicht mehr von Kürzungen betroffen sein werde. Die für die finanzielle Situation in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblichen Umstände hätten sich seit dem Inkrafttreten des RÜG 1991 erheblich geändert - es sei zu einem massiven Anstieg der Ausgaben ohne ausreichendes Beitragsaufkommen gekommen - sodass der Kläger damit habe rechnen müssen, dass dies nicht ohne Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherungsträger bleiben könne (BVerfG, a.a.O.). Dem Vertrauensschutz rentennaher Jahrgänge sei durch die Schaffung der Übergangsregelung Genüge getan worden. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG, der rückwirkend ab dem 01.10.1996 in Kraft getreten sei, gelte für Personen, über deren Rentenantrag oder über deren bis zum 31.12.2004 gestellten Überprüfungsantrag am 30.06.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei (Art. 6 § 4 c Abs.2 Nr. 3 FANG). Diese Personen erhielten einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten. Nach dieser Regelung habe der Kläger einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten erhalten. Soweit der Kläger weiter eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Personen, die vor dem 01.10.1996 einen Rentenantrag gestellt hätten, geltend mache, sei dies jedenfalls durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt (BVerfG, a.a.O.). Die Berechnung des Zuschlages durch die Beklagte sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe diese auch nicht substantiiert angegriffen. Der Kläger sei auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Überprüfungsantrag bereits vor dem Stichtag gestellt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des jeweiligen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger eine ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsene, aber unterlassene Nebenpflicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Verletze der Leistungsträger eine Nebenpflicht (Beratungspflicht, Auskunftspflicht, Informationspflicht), begründe dies nur dann ein Herstellungsrecht, wenn die Pflichtverletzung wesentliche, d. h. gleichwertige Bedingungen für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts gewesen sei. Dies sei nicht der Fall, wenn der Anspruchsteller das Ausbleiben der Leistung wissentlich oder fahrlässig gegen sich selbst (mit)verursacht habe (BSG, Urteil vom 06.03.2003, - Az. B 4 RA 38/02, Juris). Die Verletzung einer Beratungspflicht liege nicht vor. Ihrer generellen Beratungspflicht nach § 14 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I) habe die Beklagte durch Broschüren und Angebote von Sprechtagen genügt. Eine konkrete Beratung des Klägers dergestalt, er solle bereits vor Inkrafttreten der Änderung des FRG 1996 einen Rentenantrag stellen und mit Abschlägen in Rente gehen, habe dafür aber die Kürzung seiner persönlichen Entgeltpunkte auf 60% vermieden, habe die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers nicht durchführen müssen. Die Beratungspflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 14 SGB I werde grundsätzlich durch ein konkretes Beratungsbegehren begründet. Der Kläger habe im Zeitraum vor Inkrafttreten der Änderung des FRG keinen konkreten Beratungsbedarf geäußert und keinen Rentenantrag gestellt. Für die Beklagte habe kein Anlass bestanden, ihn unaufgefordert über mögliche Vorteile eines vorzeitigen Rentenbeginns zu beraten.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 15.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.04.2013 Berufung einlegen lassen. Es seien zumindest die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gegeben. Die Beklagte sei ihrer generellen Beratungspflicht nach § 14 SGB I nicht ausreichend nachgekommen. Sie hätte in einem Informationsschreiben an Betroffene auf die Unsicherheit der gegenwärtigen Rechtsposition des Klägers hinweisen müssen. Die Rechtslage sei viel zu komplex, als dass diese durch eine Naturpartei, die sich aufgrund einer bereits zu ihren Gunsten ergangenen Übergangsregelung im Vertrauen wähne, hinterfragt werden würde. Deshalb könne der Kläger nicht auf das Fehlen eines konkreten Beratungsersuchens verwiesen werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart und die Bescheide der Beklagten vom 19.10.2007 und 18.12.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den ergangenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 29.04.2015 und vom 07.05.2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten des Klägers ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für den Kläger. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt (Beschl. v. 13.06.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Dem Kläger wurde entsprechend dieser Übergangsregelung eine Nachzahlung gewährt.
Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) die Reduzierung der Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 als solche einer Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen und lediglich im Hinblick auf den Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge eine Übergangsregelung gefordert, die der Gesetzgeber mit Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG geschaffen hat und die ebenfalls verfassungsmäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 15.07.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -). Das BVerfG hat die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als verhältnismäßig angesehen und dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit gerade für Eingriffe in Positionen zugestanden, die - wie die Rentenanwartschaften nach dem FRG - nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind. Die unterschiedliche Behandlung der nach dem FRG Berechtigten im Vergleich zu anderen Gruppen hat das BVerfG mit den unterschiedlichen Versicherungsbiografien begründet. Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit der Rechtsprechung des BVerfG in Frage zu stellen (zuletzt: Urteil des erkennenden Senats vom 19.02.2014 - L 5 R 2431/13 -).
Der Kläger kann für sich auch kein Recht aus dem - von der Rechtsprechung entwickelten - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Dieser erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (st. Rspr des BSG, vgl. Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 90/09 R -, Juris Rn. 29 m.w.N.). Im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches kann zudem keine Leistung beansprucht werden, die nicht mit den gesetzlichen Grundlagen im Einklang steht. Selbst wenn die Beklagte es rechtswidrig versäumt hätte, den Kläger seinerzeit umfassend aufzuklären, wofür im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte gegeben sind, könnte der Kläger einen Anspruch auf höhere Rentenzahlung also nicht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen durchsetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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