L 13 AS 3696/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 3830/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3696/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Gerichtskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung noch die Auszahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 29. Mai 2013, gerichtet an E. L. (E.L.), Ehefrau des Klägers, als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft (bestehend aus E.L., dem Kläger und S. B.), bewilligte der Beklagte u.a. auch dem bereits länger im Leistungsbezug stehenden Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2013.

Mit Bescheid vom 12. September 2013 entzog der Beklagte die dem Kläger bewilligten Leistungen ab 1. Oktober 2013 teilweise in Höhe von 231,07 EUR, weil Unterlagen, die mit Schreiben vom 31. Juli 2013 angefordert worden waren und für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend benötigt würden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden seien.

Dagegen erhob der Kläger am 23. November 2013 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2013 zurückwies.

Deswegen hat der Kläger am 6. November 2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit welcher er die Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 sowie die Verurteilung des Beklagten, ihm Leistungen ab 1. Oktober 2013 sowie Rechtsberatungskosten in Höhe von 480,00 EUR zu gewähren.

Am 6. Dezember 2013 hat der Beklagte seinen Bescheid vom 12. September 2013 zurückgenommen. Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 hat der Beklagte den ursprünglichen Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2013 teilweise in Höhe von insgesamt 835,00 EUR aufgehoben und - unter Verrechnung mit dem sich aus der Rücknahme des Bescheids vom 12. September 2013 ergebenden Nachzahlungsanspruch (404,77 EUR) - noch die Erstattung des Betrags von 430,23 EUR gefordert. Auf Hinweis des SG hat der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Januar 2014 aufgehoben (Schreiben vom 15. April 2014 an das SG) und die Leistungen nach seinen Angaben nachgezahlt bzw. ausbezahlt.

Der Kläger hat die Klage insgesamt aufrecht erhalten. Das "hinterzogene Geld" sei "nicht angewiesen" worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 begehre, fehle ein Rechtsschutzbedürfnis bereits deswegen, weil der Bescheid vom 12. September 2013 nach Rücknahme mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 nicht mehr existiere. Soweit der Kläger die Zahlung von Leistungen begehre, die auf Grund des Bescheids vom 12. September 2013 unterblieben seien, bestehe ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagte habe mitgeteilt, die Zahlungen an den Kläger seien inzwischen erfolgt, ohne dass der Kläger dem widersprochen habe. Im Übrigen sei die Klage unzulässig, soweit der Kläger die Erstattung von Rechtsberatungskosten in Höhe von 480,00 EUR geltend mache. Er habe nicht vorgetragen, in welchem Verfahren diese Kosten entstanden seien. Soweit es sich um die Erstattung von Kosten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) handeln sollte, fehle es bereits an einem entsprechenden Verwaltungsakt mit der Kostengrundentscheidung oder einer Kostenhöheentscheidung, der Prozessvoraussetzung wäre. Soweit Kosten eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden sollten, wäre die Klage hierfür nicht statthaft. Der Kläger müsste insofern einen Antrag auf Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stellen bzw. einen Antrag auf Kostenfestsetzung nach § 197 Abs. 1 SGG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 21. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. August 2014 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, die Auszahlung des nicht geleisteten Betrages sei nicht erfolgt. Auf die Aufforderung des Senats, Kontoauszüge des Kontos, das er beim Beklagten für Zahlungen angegeben hat, aus der Zeit vom 17. April bis 5. Mai 2014 vorzulegen, hat der Kläger die entsprechenden Unterlagen nicht vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, ihm die Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 30. November 2013 in Höhe von 404,77 EUR auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Leistungen in Höhe von 404,77 EUR für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 2013 seien mit Zahllauf vom 22. April 2014 auf das vom Kläger angegebene Konto Nr. DE xxxxxxxx, Kontoinhaberin S. B. (Stieftochter des Klägers) ausgezahlt worden.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ist der gerichtliche Hinweis ergangen, dass die Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme unzulässig sowie wegen Auszahlung des Nachzahlungsbetrages durch die schlüssige Darlegung der Beklagte und Nichtvorlage angeforderter Kontoauszüge, die dies widerlegen könnten, durch den Kläger unbegründet sein dürfte, ihre Weiterverfolgung, weil aussichtslos, rechtsmissbräuchlich erscheine und eine Auferlegung von Kosten gemäß § 192 SGG möglich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist mit dem im Berufungsverfahren in der Hauptsache noch verfolgten Begehren auf Verurteilung der Beklagten, "die Leistungen auszuzahlen" bereits unzulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG war eine am 6. November 2013 wegen des Bescheid vom 12. September 2013 und Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 erhobene Anfechtungsklage, die u.a. die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen im Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2013 (Bescheid vom 29. Mai 2013) ab 1. Oktober bis 30. November 2013 in Höhe von 231,07 EUR betraf, wobei der Beklagte den Bescheid vom 12. September 3013 mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 und auch den die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2013 teilweise in Höhe von 835,00 EUR aufhebenden und die Verrechnung des sich aus der Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 ergebenden Nachzahlung verfügenden Bescheid vom 27. Januar 2014 gemäß seinem Schreiben vom 15. April 2014 wieder aufgehoben hat. Zuletzt hat der Kläger insoweit weiterhin die Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 und Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 (dieses ursprünglich Begehren hat er nicht zurückgenommen und nicht für erledigt erklärt), die Auszahlung der sonach bewilligten Leistungen in Höhe von 404,77 EUR sowie die Zahlung von 480,00 EUR "Rechtsberatungskosten" begehrt. Nachdem das SG die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 und Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 (mangels Rechtsschutzbedürfnis, weil die angefochtenen Bescheide bereits aufgehoben seien), auf Auszahlung des sich aus der Aufhebung der aufgehobenen Bescheide ergebenden Nachzahlungsbetrages ab 1. Oktober 2013 in Höhe von 404,77 EUR (mangels Rechtsschutzbedürfnis, weil die Nachzahlung nach Angaben des Beklagten, denen der Kläger nicht widersprochen habe, erfolgt sei) und auf Zahlung von Rechtsberatungskosten in Höhe von 480,00 EUR (mangels Nachweis und mangels anfechtbarer ablehnender Verwaltungsentscheidung sowie Kostengrundentscheidung) abgewiesen hat und der Kläger mit seiner Berufung in der Hauptsache nur noch die Auszahlung der Nachzahlung in Höhe von 404,77 EUR beansprucht, beträgt die Beschwer, die sich danach bestimmt, dem Rechtsmittelkläger mit der angefochtenen Entscheidung versagt wurde und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen noch weiter verfolgt wird (vgl. u.a. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11.Auflage, § 144 Rdnr. 14 m.w.N.), lediglich 404,77 EUR, womit die Berufungssumme nicht erreicht ist. Die Abweisung der abtrennbaren Klageteile (Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2013 und Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 sowie Zahlungsklage wegen Rechtsberatungskosten) hat der Kläger nicht mit der Berufung angefochten. Damit ist die Berufung wegen Auszahlung der Nachzahlung in Höhe von 404,77 EUR mangels Zulassung durch das SG nicht statthaft und als unzulässig zu verwerfen (Leitherer, a.a.O.).

Im Übrigen wäre die Berufung auch nicht begründet.

Soweit der Kläger noch die Auszahlung der zunächst nicht erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 30. November 2013 in Höhe von 404,77 EUR geltend macht, hat der Beklagte schlüssig und plausibel dargelegt, dass eine Überweisung mit Zahllauf vom 22. April 2014 auf das vom Kläger bzw. von der Bedarfsgemeinschaft für Zahlungen angegebene Konto Nr. DE xxxxxxxxx, Kontoinhaberin S. B. (Stieftochter des Klägers), erfolgt ist. Dass dieser Betrag auf dem für Leistungen angegebenen nicht eingegangen ist, ist nicht feststellbar. Insbesondere hat der Kläger eine weitere Überprüfung vereitelt, indem er die entsprechenden Kontoauszüge, über die zu verfügen er in der Lage ist, nicht vorgelegt hat. Damit hat er eine Beweisführung durch Nichtvorlage in seinem Machtbereich befindlicher Unterlagen vereitelt. Der Senat hat im Übrigen auch keinen Zweifel, dass die Überweisung des Nachzahlungsbetrages an den Kläger erfolgt ist.

Der Senat verwirft die Berufung aus den vorstehenden Gründen als unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist mit Schreiben des Gerichts vom 9. Juli 2015 erfolgt und der Kläger wurde dabei auch auf die Mindesthöhe der Verschuldenskosten hingewiesen. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18. September 2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris). Maßgeblich für die Auferlegung von Verschuldenskosten war für den Senat zum Einen, dass der Kläger trotz der Aufforderung, die Auszüge des Kontos vorzulegen, das für Zahlungen angegeben war und auf das der Beklagte die geltend gemachte Nachzahlung nach seinen Angaben überwiesen hat, diese Auszüge nicht vorgelegt hat, obwohl er hierzu in der Lage sein müsste, und damit eine weitere Überprüfung bewusst vereitelt hat. Dies spricht im Übrigen auch für den Versuch einer Täuschung des Gerichts zur Erlangung eines Vermögensvorteils. Ferner hat der Kläger an seinem Begehren auch trotz Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung, weil schon die Berufungssumme nicht erreicht ist, festgehalten. Das trotz der Hinweise des Gerichts demonstrierte Beharren des Klägers auf einer Fortführung der Berufung zeigt deshalb aus Sicht des Senats ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Der Senat hält daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Für die Höhe der dem Senat verursachten Kosten erscheint die gesetzliche Mindestgebühr, obwohl tatsächlich diese überschreitend, als zunächst angemessen (§ 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).

Im Übrigen war für den Senat bezüglich der Kostenentscheidung im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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