L 13 AS 3793/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 2105/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3793/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. August 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe (SG), mit dem dieses Klagen von ihm und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden S. B. (S.B.) auf Zahlung von 8.000,00 EUR abgewiesen hat.

Der 1956 geborene und mit E. L. (E.L.), geboren 1967 und S.B., geboren am 16. Januar 1996, in Bedarfsgemeinschaft lebende Kläger, der vom Beklagten zuvor schon Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen hatte, beantragte nach seinen Angaben am 4. Juni 2014 (formlos) die Weiterbewilligung von Leistungen.

Am 23. Juni 2014 haben S.B. und der Kläger beim SG Klage mit dem Begehren, den Beklagten auf Zahlung von "1. 8.000,00 EUR Leistung aus 04. Juni 2014 bis Gerichtsentscheidung, 2. sofortige Weiterbewilligung Alg II, 3. 800,00 EUR Kosten des Verfahrens, 4. Zinsen aus den obigen Ansprüchen seit Gerichtseingang" zu verurteilen, da dem Weiterbewilligungsantrag vom 4. Juni 2014 trotz zahlreicher Telefonanrufe nicht stattgegeben worden sei, wodurch sie in eine schwere wirtschaftliche und soziale Notlage gestürzt worden seien.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Diese sei unzulässig. Es sei weder ein Bewilligungsbescheid für den Zeitraum ab 1. Juni 2014, noch ein Widerspruchsbescheid ergangen. Die Kläger hätten erst am 4. Juli 2014 Teile der mit Schreiben vom 23. Juni 2014 (mit Hinweisen auf die gesetzlichen Mitwirkungspflichten) angeforderten Unterlagen vorgelegt, weswegen das Verwaltungsverfahren immer noch andauere. Hierzu hat er sein Schreiben vom 23. Juni 2014 vorgelegt, mit welchem er E.L. aufgefordert hatte, einen vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Weiterbewilligungsantrag, Lohnabrechnungen für die Monate April und Mai 2014 sowie einen Nachweis, dass sich die Steuerklasse auf III geändert habe, bis spätestens 14. Juli 2014 vorzulegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2014 hat das SG "die Klagen" der S.B. und des Klägers abgewiesen. Die Klagen seien unzulässig. Soweit die Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 8.000,00 EUR begehrten, sei die Klage unzulässig, weil das notwendige Verwaltungs- und Vorverfahren nicht durchgeführt sei. Sofern die Klage als Untätigkeitsklage auszulegen wäre, sei sie ebenfalls unzulässig, da die Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorlägen, wonach eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zulässig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 21. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. August 2014 ausdrücklich allein (S.B. "steigt aus Angst vor Repressalien aus dem Verfahren aus") Berufung eingelegt. Völlig willkürlich und unbegründet hätten Erfüllungsgehilfen des Beklagten die Weiterbewilligung bis zur Berufungseinlegung versagt. An den Verhältnissen der Bedarfsgemeinschaft habe sich nichts verändert gehabt. Die "angeblich fehlende Mitwirkung" sei "rein willkürlicher Natur", wenn wie behauptet, die Lohnsteuerklasse geändert werden müsse, hätte man dies gleich am Anfang der Arbeitsaufnahme von E.L. "erkennen können und auch müssen, aus der abgegebenen Lohnbescheinigung für den 6.14" gingen "eindeutig auch die Daten für die gewünschte Bescheinigung 5.14 hervor". Im Übrigen hätte der Beklagte die Leistungen zumindest vorläufig weiterbewilligen müssen. Das Auszahlungsbegehren auf 8.000,00 EUR begründe sich - so der Kläger nun im Berufungsverfahren - aus einem Anspruch auf "Schmerzensgeld und Schadenersatz für körperliche Schädigung" infolge Leistungsverweigerung und dadurch bedingte Verstoß gegen "Art 1 (1) GG, Art 3 EMRK". Zu keinem Zeitpunkt hätten sich die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft pflicht- oder regelwidrig verhalten.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Hierzu hat er eine Zweitschrift des inzwischen - nach Eingang des förmlichen Weiterbewilligungsantrags der E.L. am 25. August 2014 und Vorlage u.a. einer Bescheinigung des Finanzamts K.-D. vom 12. August 2014 zu ihrer Steuerklasse für die Zeit bis 31. August 2014 und für die Zeit danach sowie diverser weiterer Äußerungen - ergangenen Bewilligungsbescheids vom 11. September 2014 vorgelegt und der zuvor ergangenen Aufforderung, die Kontoauszüge und der zuvor ergangenen Aufforderung, die Kontoauszüge (gerichtet an E.L. als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft [vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2014 in Höhe von monatlich 663,67 EUR (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts inklusive Mehrbedarfe für E.L. 194,49 EUR, für den Kläger 194,48 EUR und für S.B. 73,70 EUR sowie Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung für E.L., den Kläger und S. B. jeweils 67,00 EUR, errechnet unter Berücksichtigung von Einkünften der E.L. in Höhe von netto 643,58 EUR, abzüglich einer Werbungskostenpauschale von 15,33 EUR, einer weiteren Pauschale von 90,00 EUR und eines Freibetrags von 141,25 EUR sowie des Kindergelds für S.B. in Höhe von 184,00 EUR abzüglich einer Pauschale von 30,00 EUR)]). Betreffend diesen Bewilligungszeitraum sind, u.a. wegen einer Zeit der Inhaftierung des Klägers und weiterer Veränderungen, Änderungsbescheide bzw. Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 23. Oktober, 7. November, 28. November und 4. Dezember 2014 ergangen.

Der Kläger, der sich im Weiteren nicht geäußert hat, beantragt nun zum Teil sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. August 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 8.000,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu hat der Beklagte die Akten vorgelegt. Der Bewilligungsbescheid vom 11. September 2014 "dürfte" Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden sein.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG grundsätzlich statthafte und zulässig eingelegte Berufung allein des Klägers ist nicht begründet.

Soweit der Kläger - allein für sich - das vom SG mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid abgewiesene Begehren auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 8.000,00 EUR auf Grundlage des SGB II weiter verfolgt, hat die Berufung keinen Erfolg, denn die Klage war und ist insoweit unzulässig. Sie war bereits mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens und eines Widerspruchsverfahrens unzulässig, ebenso als Untätigkeitsklage. Der Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid uneingeschränkt an und weist die Berufung zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Beklagte, nachdem der Gerichtsbescheid ergangen ist, den Bescheid vom 11. September 2014 erlassen hat, mit welchem auch Leistungen für den Kläger für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2014 bewilligt worden sind, sind dieser Bescheid des Beklagten und auch die nachfolgenden Änderungsbescheide betreffend diesen Bewilligungszeitraum nicht nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein nach Klageerhebung bzw. hier nach Berufungseinlegung ergangener Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens wenn er nach Erlass des (ursprünglich mit der Klage angefochtenen) Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Die Rechtshängigkeit muss sich zwingend auf einen Verwaltungsakt beziehen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage, § 96 Rdnr.2a), der hier aber nicht ergangen war und dieser ursprüngliche Verwaltungsakt muss mit dem Bescheid, der Verfahrensgegenstand geworden sein soll, abgeändert worden sein (vgl. Leitherer aaO, § 96 Rdnr.2a), was hier ebenfalls nicht vorliegt.

Im Übrigen sind der Bescheid vom 11. September 2014 und die diesen Bescheid abändernden Folgebescheide auch nicht im Wege einer Klageänderung zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Beides ist nicht der Fall. Der Beklagte hat in eine Klageänderung nicht eingewilligt, insbesondere ist die von ihm nur geäußerte Vermutung, der Bescheid vom 11. September 2014 sei kraft Gesetzes (§ 96 SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, nicht als Einwilligung in eine Änderung der Klage nach § 99 Abs. 1 SGG zu sehen. Im Übrigen ist eine Klageänderung hier in der Berufungsinstanz auch nicht sachdienlich, da das vorgeschriebene Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden ist (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) und das Landessozialgericht nur bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die hier nicht vorliegt, erstinstanzlich zuständig ist.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 8.000,00 EUR geltend macht, worüber das SG nicht entschieden hat, ist die Klage unzulässig. Für Schadensersatzansprüche in Form der Amtshaftung ist der Rechtsweg zu der Ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet (Art. 34 S. 3 GG i.V.m. § 17 Abs. 2 S 2 GVG). Nach Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, dürfen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit insoweit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 437/11 B –, juris, m.w.N.). Denn einerseits kennt das GVG keine Teilverweisung, andererseits steht der Verweisung des gesamten Rechtsstreits (Streitgegenstands) der Grundsatz entgegen, dass eine solche nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist (wie hier für die im Kern streitigen Ansprüche nach dem SGB II). Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17a Abs 2 GVG abzusehen (vgl BVerwG vom 19.11.1997 - 2 B 178/96 - Juris; vom 15.12.1992 - 5 B 144/91 - NVwZ 1993, 353; vom 31.3.1993 - 7 B 5/93 - Buchholz 300 § 17 GVG Nr 1; BGH vom 5.7.1990 - III ZR 166/89 - NVwZ 1990, 1103).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klage im Ergebnis erfolglos geblieben ist und der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved