S 13 KR 246/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 246/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 555/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2014 verurteilt, der Klägerin 6.732,04 EUR zu zahlen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten in Höhe von 6.732,04 EUR, die ihr durch die Selbstbeschaffung einer Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) entstanden sind.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin hatte nach einer Gewichtsabnahme von ca. 30 kg in acht Monaten im Mai 2014 bei einer Körpergröße von 162 cm noch ein Körpergewicht von ca. 100 kg (BMI: 38,1). Das Gewicht ihrer Brüste betrug damals 1800 Gramm; sie trug BHs der Größe F.

Am 13.05.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik). Sie legte dazu eine ärztliche Bescheinigung ihres behandelnden Frauenarztes Dr. E. vom selben Tag vor; in dieser wurde von einer ausgeprägten Makromastie beidseits und dadurch bedingten orthopädischen Beschwerden berichtet und dringend eine Reduktionsplastik empfohlen.

In einem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 21.05.2014 nach Aktenlage verneinte Dr. N. eine zwingende medizinische Indikation für die beantragte Brustverkleinerungsoperation. Auf der vorliegenden Fotodokumentation sei zu erkennen, dass eine mittelgradige Mammahypertrophie bestehe, ohne das diesem Befund Krankheitswert beigemessen werden könne, da keine Normweite der weiblichen Brust existierten. Aus sozialmedizinischer Sicht werde zunächst eine Gewichtsreduktion als vorrangige Maßnahme empfohlen; je nach Fettgewebsanteil sei auch eine Gewichtsminderung der Brüste zu erwarten; diese betrage im Mittel pro 1 kg reduziertem Gesamtkörpergewicht 20 g je Brustseite.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 26.05.2014 ab.

Dagegen erhob die Klägerin am 27.05.2014 Widerspruch. Sie legte eine Bescheinigung ihrer Frauenärztin vom selben Tag vor, in der auf die "ausgeprägte Mammahypertrophie im Sinne einer Gigantomastie beidseits" hingewiesen wurde; die großen, schweren Brüste verursachten starke Brust- und Rückenschmerzen. Desweiteren legte die Klägerin ein Attest ihrer Hausärztin vor. Beide Ärzte bestätigten, dass die Klägerin bereits 30 kg abgenommen habe. Die Klägerin teilte mit, aufgrund einer Biopsie der Brust seien Tumorzellen festgestellt worden, was zur Folge habe, dass auch eine Chemotherapie durchgeführt werden solle.

Am 10.06.2014 ließ die Klägerin die beidseitige Brustverkleinerungsoperation durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt in einem zugelassenen Krankenhaus auf eigene Kosten durchführen. Ausweislich des Operationsberichtes wurden dabei von der rechten Brust 991 Gramm, von linken Brust 944 Gramm Gewebe, insgesamt 1935 Gramm entfernt.

In einem weiteren Gutachten des MDK vom 23.06.2014 – wiederum nach Aktenlage – erklärte Dr. G., sie sei gerne zur Terminvergabe für eine körperliche Untersuchung bereit, wenn das Gewicht der Klägerin einem BMI von soeben unterhalb von 30 entspreche und auch mindestens ein halbes Jahr gehalten werden könne; vorher sei eine körperliche Untersuchung verzichtbar, da "die vorliegende Mammahypertrophie im Wesentlichen auch als Symptom des Übergewichtes" anzusehen sei. Derzeit werde die Mammareduktionsplastik noch nicht empfohlen.

Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.08.2014 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 29.09.2014 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe die beantragte Mammareduktionsplastik zu Unrecht abgelehnt. Sie sei bereits von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Bei ihr habe vor der Operation nicht nur eine mittelgradige Mammahypertrophie, sondern eine ausgeprägte Makromastie bestanden. Auch habe die Beklagte bzw. deren MDK nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ihr Gesamtkörpergewicht bereits um 30 kg reduziert hatte, ohne dass sich die Größe ihrer Brüste durch Abnahme des Körpergewichts tatsächlich verändert hätte. Wären die Angaben der Beklagten richtig, so hätte sich die Größe der Brüste auf beiden Seiten um jeweils 600 g verringern müssen. Tatsächlich seien im Rahmen der Operation rechts 991 g und links 944 g an Haut- und Brustdrüsengewebe entfernt worden. Bei einem Reduktionsgewicht von mehr als 600 g pro Seite handele es sich um eine krankhaft ausgeprägte Gigantomastie. Sie habe unter hartnäckigen Schmerzen, insbesondere in der mittleren Brustwirbelsäule gelitten; zusätzlich hätten Beschwerden in den benachbarten Wirbelsäulenabschnitten bestanden. Diese Beschwerden habe der behandelnde Orthopäde Dr. N. ursächlich auf die übergroßen Brüste zurückgeführt. Die Klägerin hat mehrere Rechnungen vorgelegt; aus diesen ergibt sich, dass ihr im Zusammenhang mit der Mammareduktionsplastik Aufwendungen in Höhe von 6.732,04 EUR entstanden sind.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2014 zu verurteilen, ihr 6.732,04 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsaufassung. Sie hat zuletzt eine MDK-Stellungnahme vom 12.06.2015 vorgelegt, in der Dr. G. im Wesentlichen ihre im Vorgutachten vertretene Auffassung wiederholt und ergänzt.

Der MDK hat eine Fotodokumentation (vier Lichtbilder) vorgelegt, die den Zustand der Brüste der Klägerin vor der Verkleinerungsoperation zeigen.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Orthopäden Dr. O. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 02.04.2015 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie rechtswidrig sind. Die Beklagte hat durch den Bescheid vom 26.05.2014 die von der Klägerin beantragte Mammareduktionsplastik zu Unrecht abgelehnt. Sie ist deshalb der Klägerin zur Erstattung der Kosten, die dieser durch die nach der Ablehnungsentscheidung selbstbeschafften Leistung in Höhe von 6.732,04 EUR entstanden sind, verpflichtet.

Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Leistung ist allein § 15 Abs. 1 SGB IX. Diese Vorschrift normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen (BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R). Dies bestätigt insbesondere der mit Wirkung vom 01.07.2011 in § 13 Abs. 3 SGB V eingefügte Satz 2; danach werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX gem. § 15 SGB IX erstattet. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem SGB IX richtet. Ausweislich dieser gesetzgeberischen Absicht sollte mit § 15 SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R – unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/5074, S. 117 zu Nr. 7 Buchstabe b). Die Kostenerstattungsregelung des § 15 Abs. 1 SGB IX gilt auch für die gesetzlichen Krankenkassen, da der Anwendungsbereich dieser Regelung nur für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).

§ 15 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 4 SGB V bestimmt, dass, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wird und Leistungsberechtigte sich eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet ist. Zuständiger Reha-Träger im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verantwortliche Reha-Träger (BSG, Urteil vom 30.10.2014 – B 5 R 8/14 R). Dies ist die beklagte Krankenkasse, bei der der Kläger erstmals Leistungen zur Teilhabe, konkret: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form der Krankenbehandlung (vgl. §§ 5 Nr. 1, 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX), beantragt hat und die den Antrag nicht weitergeleitet hat (§ 14 Abs. 1 und 2 SGB IX). Die Zuständigkeit der Beklagten ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Reha-Trägers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeit aller anderer Träger aus (BSG, Urteil vom 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R; Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R; Urteil vom 21.08.2008 – B 13 R 33/07 R; Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R; Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 5/12 R).

Der Kostenerstattungsanspruch finde seine materiell-rechtliche Grundlage im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V).

Der Anspruch scheitert nicht an einer fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Auch wenn § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX – anders als die entsprechende Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V – nicht ausdrücklich darauf abstellt, dass die entstandenen Aufwendungen/Kosten durch die Selbstbeschaffung ("dadurch") entstanden sind, können die zur Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung sowie zur Einhaltung des Beschaffungsweges im Rahmen von § 13 Abs. 3 SGB V von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den Anspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB V übertragen werden. Die Kostenbelastung des Versicherten muss, um den Erstattungsanspruch zu begründen, wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre, der Versicherte sich die Leistung also selbst beschafft hat, ohne sich zuvor an die Beklagte zu wenden und deren Entscheidung abzuwarten (BSG, Urteil vom 06.02.1997 – 3 RK 9/96; Beschluss vom 15.04.1997 – 1 BK 31/96; Urteil vom 25.09.2000 – B 1 KR 5/99 R; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 66/01; Urteil vom 22.03.2005 – B 1 KR 3/04 R; Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 8/06 R; Urteil vom 28.02.2008 – B 1 KR 15/07 R; Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R). Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat die beidseitige Mammareduktionsplastik am 13.05.2014 bei der Beklagten beantragt; diese hat – nach Befassung durch den MDK – den Antrag durch Bescheid vom 26.05.2014 abgelehnt; erst danach – am 10.06.2014 – hat sich die Klägerin operativ ihre Brüste verkleinern lassen.

Die Beklagte hat die Mammareduktionsplastik zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit ist definiert als ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung zur Folge hat. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der die Klägerin behandelnden und untersuchenden Ärzte und auch der Ärzte des MDK bestand vor der Operation bei der Klägerin eine beidseitige Mammahypertrophie. Bei einer Mammahypertrophie (auch: Hypermastie, Makromastie, Mammahyperplasie oder Gigantomastie) handelt es sich um "abnorm groß entwickelte Brüste" (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 1169). Nach dieser medizinischen Definition ist also die Mammahypertrophie ein außerhalb des Normbereichs liegender regelwidriger Körperzustand. Soweit auch die MDK-Ärzte diese Diagnose gestellt haben, ist ihre Schlussfolgerung, dass der Vergrößerung der Brust der Klägerin kein Krankheitswert beigemessen werden könne, "da keine Normwerte der weiblichen Brust existieren", nicht nachvollziehbar; denn mit dem – präoperativen – Befund einer "mittelgradigen Mammahypertrophie" hat der MDK ja gerade die Abnormität der Brustgröße festgestellt. Bereits aus diesem Grund sieht sich die Kammer außerstande, der MDK-Beurteilung zur (fehlenden) Notwendigkeit einer Mammareduktionsplastik zu folgen.

Soweit die MDK-Ärzte in der Größe der Brust keinen Befund von Krankheitswert erkannt haben, sprechen sie offenbar die Tatsache an, dass es speziell für die Größe der weiblichen Brust keine Norm gibt, anhand deren sich Abnormität genau feststellen ließe. Nach wissenschaftlicher Auffassung (vgl. Carstens/Schröter, Die Mammareduktionsplastik – orthopädische Aspekte, in: MED SACH (111) 2/2015, S. 76; Gutachten des Sachverständigen Dr. O. vom 02.04.2015, S. 23) entspricht ein einseitiges Brustgewicht bei der mitteleuropäischen Frau ab 30 Gramm bis ca. 400 Gramm der Normvarianz; ein Mehrgewicht bis 600 Gramm wird als "moderate Hypertrophie" interpretiert; darüberhinausgehende Brustvergrößerungen bis zu 1500 Gramm je Brust werden als "Makromastie" bezeichnet. Bei noch höherem Brustgewicht spricht man von der "Gigantomastie". Bei welchem Gewicht oder Volumen ein Behandlungsbedürftiger regelwidriger Körperzustand vorliegt, hängt auch von dem Verhältnis von Größe und Gewicht der Betroffenen und ihrer Brustgröße ab. Die Klägerin wog nach der Operation bei einer Körpergröße von 162 cm noch ca. 100 kg. Die vor der Operation gefertigten Lichtbilder zeigen große schwere herabhängende Brüste. Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, dass die in der Zeit vor der Brustverkleinerungsoperation erfolgte Gewichtsabnahme nicht wesentlich zu einer Gewichtsabnahme bzw. Verkleinerung der Brüste geführt hat; das Gewicht ihrer Brüste lag immer noch bei ca. 1800 Gramm. Der Sachverständige Dr. O. hat in seinem Gutachten vom 02.04.2015 für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend unter Auswertung der neueren medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse dargelegt, dass sich die auf fachorthopädischem Gebiet präoperativ feststellbaren Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich auf die extreme Größe und das Gewicht der Brüste zurückführen lassen (vgl. hierzu auch: Carstens/Schröter, a.a.). Durch die Brustverkleinerungsoperation haben sich die auf fachorthopädischem Gebiet vor der Operation vorhandenen Beschwerden vollständig beseitigen lassen. Das vom Sachverständigen Dr. O. postoperativ gemessene Gewicht beider Brüst beträgt ca. 850 Gramm; trug die Klägerin vor der Operation noch einen BH der Körbchengröße F, so kann sie mittlerweile einen BH der Körbchengröße B bis C tragen. Aus dem Sachverständigengutachten von Dr. erschließt sich für die Kammer auch nachvollziehbar und überzeugend, dass eine (weitere) Gewichtsreduktion bis zu einem BMI von knapp unterhalb 30, wie ihn der MDK gefordert hat, nicht den beabsichtigten Erfolg im Hinblick auf eine Verkleinerung der abnorm großen Brüste gebracht hätte. Einen BMI von knapp unter 30 hätte die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Körpergröße bei einem Körpergewicht von 78,7 kg erreicht. Bei einer Gewichtsabnahme von einem Kilo je Körpergewicht, dem eine Abnahme des Brustgewichts von 20 g je Seite entspricht (so genannte Strömbeck-Formel) bedeutet dies im Fall der Klägerin, dass sich ihr Brustgewicht um weniger als 500 g reduziert hätte. Tatsächlich haben die Ärzte bei der Operation aber das doppelte Gewicht aus Brustgewebe entfernt. Dies belegt, wie theoretisch und wirklichkeitsfremd die Forderung des MDK nach einer Gewichtsreduktion als erste konservative Maßnahme ist. Auch der Sachverständige Dr. O. hat darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit einer Gewichtsreduktion aus der aktuellen Studienlage nicht hervorgeht. Dies gilt im Fall der Klägerin umso mehr, als sie ja bereits in dem Jahr vor der Operation ca. 30 kg abgenommen hatte, ohne dass ein signifikanter Erfolg in Bezug auf die Brustgröße eingetreten wäre.

Die beantragte und – nach Ablehnung durch die Beklagte – von der Klägerin selbstbeschaffte Mammareduktionsplastik genügte auch dem in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V geforderten Wirtschaftlichkeitsgebots. Denn diese Leistung war ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich und hat das Maß des Notwendigen nicht überschritten. Der Sachverständige Dr.O. hat überzeugend dargelegt, dass im vorliegenden Fall die Brustverkleinerungsoperation die einzig denkbare Behandlungsalternative war, um so zu einer Verbesserung – im Fall der Klägerin sogar zu einem Verschwinden – der Wirbelsäulenbeschwerden beizutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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