L 29 AS 1028/15 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 4 AS 819/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 1028/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. März 2015 wird als unzulässig verworfen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat der Beklagten deren Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Rechtsanwalt begehrt im Namen der Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. März 2015. In der Hauptsache macht er höhere Kosten eines Widerspruchsverfahrens geltend. Mit Urteil vom 19. März 2015, dem Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis am 13. April 2015 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

"Namens und in Vollmacht der Klägerin" hat der Rechtsanwalt der Klägerin, Herr T L, dagegen am 18. April 2015 Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Mit Schreiben vom 24. April 2015 hat der Vorsitzende Richter des erkennenden Senats den Rechtsanwalt der Klägerin aufgefordert, eine Prozessvollmacht für das zugrunde liegende Verfahren beizubringen. Daraufhin hat der Rechtsanwalt mit Schreiben vom 8. Mai 2015 mit Computerfax eine Vollmacht vom 29. Mai 2012 mit folgendem Wortlaut übersandt:

"eidelngelika"

Mit richterlichem Schreiben vom 21. Mai 2015 hat der Berichterstatter des Senats den Rechtsanwalt darauf hingewiesen, dass diese Vollmacht schon deshalb nicht ausreichen dürfte, weil sie Jahre vor dem Verfahren ausgestellt wurde und das Verfahren nicht einmal erwähnt. Es wurde eine Nachfrist bis zum 1. Juni 2015 gesetzt (Eingang beim Gericht). Daraufhin ging erneut per Computerfax am 29. Mai 2015 eine weitere inhaltsgleiche Vollmacht, nunmehr mit Ausstellungsdatum 2. August 2013, bei dem Gericht ein. II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerde ist bereits nicht wirksam eingelegt.

Die Klägerin, die die Beschwerde nicht selbst eingelegt hat, konnte sich zwar durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 73 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Eine wirksame Bevollmächtigung des hier auftretenden Rechtsanwalts ist hier jedoch mangels Vorlage einer entsprechenden Vollmacht für das Verfahren nicht ersichtlich, so dass die Beschwerde unzulässig ist. Sie ist als durch einen vollmachtlosen Vertreter eingelegt anzusehen; die Klägerin hat die durch den vollmachtlosen Vertreter erfolgte Beschwerdeeinlegung nachträglich auch nicht genehmigt, so dass die fehlerhafte Prozesshandlung nicht rückwirkend geheilt worden ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Juni 2001, B 13 RJ 5/01 R, zitiert nach juris).

Eine Vollmacht ist nach § 73 Absatz 6 Satz 1 SGG grundsätzlich schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Das Vorhandensein der Vollmacht ist zwar bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nach § 73 Absatz 6 Satz 5 SGG nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Bei Vorliegen begründeter Zweifel darf das Gericht aber dennoch eine Überprüfung vornehmen und eine schriftliche Vollmacht anfordern (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Auflage 2014, § 73 Rn. 68). Eine Vollmacht muss erkennen lassen, wer bevollmächtigt ist und für welche Handlungen eine Bevollmächtigung erteilt worden ist (Leitherer, a.a.O., § 73 Rn. 61).

Die von dem Rechtsanwalt vorgelegten Vollmachten genügen diesen Ansprüchen nicht.

Das Gericht hat insbesondere aus mehreren eigenen Verfahren Erkenntnisse, die am Vorliegen einer wirksamen Bevollmächtigung des Rechtsanwalts bei Vorlage lediglich allgemeiner Vollmachten erhebliche Zweifel aufkommen lassen. So gaben beispielsweise allein bei einer Sitzung des Senats am 5. Mai 2015 beide zu dem Termin geladene vermeintliche Berufungsklägerinnen in den von Rechtsanwalt L eingeleiteten Verfahren L 29 AS 144/14 und L 29 AS 3044/14 übereinstimmend an, denselben Rechtsanwalt T L nicht zur Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt zu haben und auch keine entsprechende Vollmacht für dieses Verfahren erteilt zu haben. Sie hätten ihm nur vor Jahren aus anderem Anlass eine Vollmacht ausgestellt, die keinen Bezug zum hiesigen Rechtsstreit habe. Bis zu ihrer Ladung zum Termin hätten sie nicht einmal Kenntnis von dem anhängigen Berufungsverfahren gehabt. Von diversen weiteren, in ihrem Namen bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg von Herrn Rechtsanwalt L eingeleiteten Verfahren, hätten sie ebenfalls keine Kenntnis und keine entsprechenden Aufträge und Vollmachten erteilt.

Auch die von dem Rechtsanwalt L im hiesigen Verfahren vorgelegten Vollmachten kann der Senat danach nicht als ausreichend zum Nachweis einer Bevollmächtigung für das hiesige Verfahren ansehen. Sie lassen zwar den Aussteller und den Bevollmächtigten erkennen, nicht aber für welches konkrete Verfahren eine Bevollmächtigung erfolgen sollte. Zudem erfolgte die Vorlage nicht im Original, sondern nur als Computerfax. Nur eine Vollmacht jedoch, die nach ihrem Inhalt zweifelsfrei das gerichtliche Verfahren (mit-)umfasst, genügt den Anforderungen des § 73 Abs. 2 SGG (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000, B 6 KA 29/00 R, zitiert nach juris).

Zu den Anforderungen an eine wirksam erteilte Vollmacht hat bereits der 20. Senat des Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 27. Januar 2015 (Aktenzeichen L 20 AS 2202/14 B, mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris) eingehend zutreffend folgendes ausgeführt:

"Eine in diesem Sinne nicht spezifizierte Vollmacht (vgl. Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, § 73, Rn. 128) kann zwar durch schriftsätzliche Bezugnahme in einem Rechtsstreit konkretisiert werden (BFH, v. 14.06.2000 – XI R 2/99 – juris, Rn. 8; BSG, a.a.O.). Auf diese Weise kann auch eine allgemeine, nicht auf ein konkretes Streitverfahren ausgestellte Prozessvollmacht, ausreichend zur Vertretung im einzelnen Rechtsstreit legitimieren. Da jedoch der Vertretene gegen einen erkennbaren Missbrauch der (allgemeinen) Vertretungsmacht geschützt ist, wenn der Vertreter von der allgemein erteilten Vollmacht im Einzelfall treuwidrig, missbräuchlich Gebrauch macht (BGH v. 10.12.1980 – VIII ZR 186/79 – juris, Rn. 26), gilt dies auch für Prozessvertretungen dann, wenn nicht der Vertretene selbst, sondern der Bevollmächtigte bei einer allgemeinen Vollmacht die Konkretisierung durch bloße Vorlage der Vollmacht in einem bestimmten Rechtsstreit vornehmen will (BFH v. 13.6.1996 – III B 23/95 – juris, Rn.12). In einem solchen Fall, in dem der Verdacht besteht, dass das Betreiben des Verfahrens nicht dem Interesse des Vertretenen dient, gebietet es die prozessuale Fürsorgepflicht, die Vorlage einer vom angeführten Kläger selbst auf das konkrete gerichtliche Verfahren bezogenen Vollmacht anzufordern.

Nach diesen Grundsätzen war vorliegend eine neue, auf das vorliegende Gerichtsverfahren ausgestellte Vollmacht zu verlangen, die trotz Hinweis und Aufforderung des Senats nicht vorgelegt worden ist.

Die im Klageverfahren eingereichte Vollmacht vom 12. Juli 2011 hat kein konkretes gerichtliches Streitverfahren gegen die im Betreff genannte Behörde (Jobcenter OSL) benannt. Zwar wird im von der Klägerin unterzeichneten Vollmachtsformular dem Rechtsanwalt wegen sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche gegen die Behörde Vollmacht erteilt, auch sollte diese sich auf Verwaltungs-, Widerspruchs- und gerichtliche Verfahren beziehen und zwar auf alle Verfahren und alle Instanzen. Diese "Generalvollmacht" ist nicht in einem zeitlichen Zusammenhang zu der am 19. November 2012 erhobenen Untätigkeitsklage ausgestellt worden und enthält schon keinen Hinweis darauf, dass der Auftrag "wegen sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche " auch die Erhebung einer Untätigkeitsklage, die nicht auf die Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs gerichtet ist, überhaupt miterfasst. ".

Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an und stellt abschließend fest, dass die von dem Rechtsanwalt vorgelegte Vollmacht mangels konkreten Bezugs zum hiesigen Rechtsstreit den oben genannten Anforderungen nicht ansatzweise genügt und daher nicht zum Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung geeignet ist.

Damit sind die Prozesshandlungen des Rechtsanwalts unwirksam. Die am 18. April 2015 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, nachdem auch eine Genehmigung durch die Klägerin nicht erfolgt ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Obwohl der Beschluss des Senats gegen den ergeht, der vertreten werden sollte - hier die Klägerin -, waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens Rechtsanwalt T L aufzuerlegen, weil er als vollmachtloser Vertreter das erfolglose Beschwerdeverfahren und damit den nutzlosen Verfahrens-aufwand der Beklagten veranlasst hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Auflage 2014, § 73 SGG Rz. 76 m.w.N. sowie § 193 Rz. 11).

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. März 2015 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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