Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 49/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 29/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um einen Anspruch auf Leistungen der Klägerin zur Hilfe zur Pflege im Bereich der Ernährung für den Leistungskomplex (LK) 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit) für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011.
Die 1938 geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige. Sie lebt gemeinsam mit ihrem 1936 geborenen Ehemann, dem Beigeladenen zu 2., in einer Mietwohnung in H. Beide erhalten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe), im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 in Höhe von monatlich insgesamt 1.142,94 EUR und im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von monatlich insgesamt 1.144,84 EUR. Über weiteres Einkommen oder über Vermögen verfügen die Eheleute nicht.
Die Klägerin beantragte am 13. Dezember 2009 die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen. Sie erklärte, erheblich pflegebedürftig zu sein und die entstehenden Pflegekosten aus eigenen Mitteln nicht bestreiten zu können sowie den Beigeladenen zu 1. mit der weiteren Versorgung beauftragt zu haben. Am 17. Dezember 2009 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1. einen Vertrag über ihre ambulante pflegerische Versorgung. Nach einer ergänzenden Vereinbarung vom 28. Dezember 2009 sollten ab dem 28. Dezember 2009 folgende Leistungen erbracht werden: LK 2 5mal wöchentlich, LK 4 5mal wöchentlich, LK 11 bis zu 3mal monatlich, LK 13 5mal wöchentlich, LK 14 1-mal wöchentlich, LK 16 1-mal wöchentlich, LK 17 1mal wöchentlich sowie LK 19 2mal täglich.
Am 12. Januar 2010 wurde die Klägerin in der Häuslichkeit durch Frau B. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt untersucht. Nach dem am selben Tag durch Frau B. erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird die pflegerische Versorgung der Klägerin von montags bis freitags täglich 2mal ambulant durch eine Pflegeeinrichtung sowie an den Wochenenden durch die Tochter übernommen. Pflegebegründende Diagnosen seien eine Fraktur im Bereich des linken Oberarms mit Abriss des Tuberculum Majus am 12. Dezember 2009 und eine Polyarthrose. Weiter leide die Klägerin an Rheuma und Schwindel. Für die Körperpflege bestehe ein Zeitbedarf von 15 Minuten, für die Ernährung von drei Minuten, für die Mobilität von elf Minuten und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich. Es liege kein Pflegebedarf nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI - Soziale Pflegversicherung) vor. Am 13. August 2010 fand eine weitere Untersuchung der Klägerin in der Häuslichkeit durch Frau S. statt, die feststellte, für die Körperpflege bestehe nunmehr ein Zeitbedarf von 21 Minuten, für die Ernährung von einer Minute und für die Mobilität von neun Minuten täglich. Ein Bedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung sei nicht zu berücksichtigen, weil diese im Gutachten für den Beigeladenen zu 2. vollständig angerechnet worden sei. Es liege kein Pflegebedarf nach dem SGB XI vor.
Mit Bescheid vom 31. August 2010 bewilligte die Stadt H. der Klägerin im Namen des Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege als Pflegesachleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 für folgende Leistungen:
( nachfolgender Absatz im Original als Tabelle dargestellt )
Leistung
Umfang
Anmerkung
Körperpflege
Teilwäsche Unterkörper
1mal täglich
Baden
1mal täglich
Zahnpflege
2mal täglich
Wechseln kleiner Vorlagen (1 Minute)
1mal täglich
in LK 2 bzw. 4 enthalten
Ernährung
Mundgerechte Zubereitung der Nahrung (1 Minute)
1mal täglich
erfolgt über den Ehemann, der sich selbst die Mahlzeiten zubereitet
Mobilität
Ankleiden
1mal täglich
Entkleiden
1mal täglich
Begleitung zu Aktivitäten
3mal monatlich maximal
wenn persönliches Erscheinen notwendig ist - entsprechende Vordrucke als Nachweise verwenden
Laut MDK-Gutachten sei die Hauswirtschaftspflege beim Beigeladenen zu 2. bereits vollständig berücksichtigt. Daher erfolge bei der Klägerin keine Anrechnung. Bei stationären Aufenthalten oder begründeter Abwesenheit des Beigeladenen zu 2. könne folgender Bedarf abgerechnet werden:
( nachfolgender Absatz im Original als Tabelle dargestellt )
Mundgerechte Zubereitung der Nahrung
1mal täglich
Spülen
1mal täglich
Großer Einkauf
1 x wöchentlich
Kleiner Einkauf
1mal wöchentlich
Kochen
"Essen auf Rädern"
Reinigung der Wohnung
2mal wöchentlich
Wechseln/Waschen der Bekleidung
2mal wöchentlich
nur 1 x wöchentlich abrechenbar
Gegen den Bescheid vom 31. August 2010 erhob die Klägerin am 30. September 2010 Widerspruch. Dieser richte sich gegen die Gewährung der Hilfe zur Pflege im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtung für beide Eheleute. Laut MDK-Gutachten sei die Hauswirtschaftspflege bereits bei ihrem Ehemann vollständig zeitlich berücksichtigt. Gegen das Gutachten des MDK sei Widerspruch eingelegt worden. Es werde verkannt, dass der zeitliche Aufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung für zwei Personen größer sei als für eine Person. Es könnten nicht alle Arbeiten bezahlt werden, die der Pflegedienst verrichtet habe. So sei der LK 14 je 1mal wöchentlich erbracht, einmal für ihren Mann, einmal für sie, aber nur einmal bezahlt worden. Gleichzeitig sei der LK 19 durchgeführt, aber bei ihrem Mann nicht vergütet worden.
Mit Schreiben vom 3. März 2011 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer Abänderung des Bescheides vom 31. August 2010 an. Es sei beabsichtigt, der Klägerin ab dem 1. April 2011 Geldleistungen in Höhe von monatlich 153,87 EUR zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die mit Bescheid vom 31. August 2010 bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen, da keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI gegeben sei und zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1. keine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII bestehe. Der insoweit rechtswidrig begünstigende Bescheid vom 31. August 2010 werde gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Ab dem 1. April 2011 würden Geldleistungen in Höhe von 153,87 EUR monatlich zur Deckung des festgestellten Bedarfs auf Hilfen zur Pflege gemäß §§ 61 und 63 SGB XII gewährt. Es bestehe nur ein Anspruch auf angemessene Leistungen der Hilfe zur Pflege. Denn nach dem Gutachten des MDK vom 13. August 2010 bestünden ein Grundpflegebedarf von 31 Minuten und kein Bedarf im Bereich der Hauswirtschaft. Daher liege nur die sogenannte Pflegestufe 0 vor. Diese Leistungen seien nicht vom Versorgungsvertrag mit dem Beigeladenen zu 1. erfasst. Dieser habe es auch abgelehnt, eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit ihm abzuschließen. Es laufe ein Schiedsstellenverfahren. Bis zur Entscheidung der Schiedsstelle gewähre er Leistungen nach dem Mindestentgelt für pflegerische Leistungen in Sachsen-Anhalt von 7,50 EUR/Stunde zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und Beiträge zur Berufsgenossenschaft, also insgesamt 9,79 EUR. Das entspreche 16,30 Cent/Minute, weshalb sich bei einem Pflegebedarf von täglich 31 Minuten und durchschnittlich 30,42 Tagen/Monat ein Betrag von 153,87 EUR ergebe. Da die Neuregelung erst zum 1. April 2011 erfolgen solle, sei noch genügend Zeit, die erforderlichen Leistungen an die neue Regelung anzupassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 entschied der Beklagte, der Klägerin ab dem 1. April 2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege als Geldleistung in Höhe von monatlich 153,87 EUR zu gewähren. Im Übrigen wies er den Widerspruch unter Übernahme der Ausführungen in der Anhörung zurück.
Gegen den ihr am 22. März 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 25. April 2011 (Ostermontag) Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben und neben der Änderung des Bescheides vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 die Verpflichtung des Beklagten beantragt, ihr Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des ambulanten Pflegedienstes in Bezug auf den LK 13 2mal wöchentlich, LK 14 1mal wöchentlich, LK 16 1mal wöchentlich, LK 17 1mal wöchentlich und LK 19 5mal wöchentlich zu gewähren. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, zwar habe sie keinen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Leistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könnten aber auch Personen bei einfacher Pflegebedürftigkeit erhalten. Der Anspruch sei lediglich dadurch begrenzt, dass die Heranziehung einer besonderen Pflegefachkraft erforderlich sei und nur angemessene Kosten übernommen werden könnten. Der Beklagte sei in analoger Anwendung von § 62 SGB XII an das Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt gebunden. Soweit er auf die Übernahme der Pflege durch nahestehende Personen oder im Rahmen der Nachbarschaftshilfe verweise, müsse dieser und nicht sie darauf hinwirken, dass solche Hilfe geleistet werde. Diesbezüglich habe der Beklagte nichts unternommen. Bei der Bemessung ihres individuellen Bedarfs im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung verkenne der Beklagte, dass der Aufwand hierfür bei zwei Personen größer sei als für eine Person. Die durch die Leistungserbringung durch den Beigeladenen zu 1. verursachten Kosten seien auch angemessen. Würden bei zugelassenen Pflegediensten beschäftigte Fachkräfte herangezogen, seien die für die Pflegeversicherungsleistungen vereinbarten Vergütungen auch für die Leistungen des Sozialhilfeträges hinsichtlich aller Pflegstufen - einschließlich der Pflegestufe 0 - zugrunde zu legen. Eine darüber hinausgehende Abstufung sei unangemessen. Wegen noch schwebender Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1. sei darauf hinzuweisen, dass sich solche Unklarheiten auf keinen Fall zu Lasten der Pflegebedürftigen auswirken dürften.
Die im Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung nahm der Beklagte im Verfahren S 13 SO 46/11 ER zurück und gewährte ab dem 1. April 2011 wieder Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen. Insoweit sollten die für die Monate April bis August 2011 gezahlten Geldleistungen voll zur Deckung der anfallenden Kosten eingesetzt und der Differenzbetrag übernommen werden. Nach dem Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Halle zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Sache S 13 SO 46/11 ER vom 30. Juni 2011 hat die Tochter der Klägerin erklärt, selbst als Krankenpflegerin in Vollzeit und im Schichtdienst zu arbeiten. Darüber hinaus habe sie zwei 14 und 22 Jahre alte Kinder; um das minderjährige Kind müsse sie sich auch kümmern. Daher könne sie die Klägerin zumindest von montags bis freitags nicht pflegen und lediglich an Wochenenden teilweise Hilfeleistungen durchführen.
Mit Urteil vom 18. Juli 2012 hat das Sozialgericht Halle den Bescheid des Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich), LK 16 (1mal wöchentlich) und LK 19 (5mal wöchentlich) zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 hinsichtlich der Bedarfe "Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung" (LK 14), "Kleiner Einkauf" (LK 16) und "Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit in der Häuslichkeit" (LK 19) einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes im beantragten Umfang. Der LK 19 umfasse insbesondere die Zubereitung von Speisen und das Spülen und Reinigen des Arbeitsbereichs nur in Verbindung mit dem Pflegeeinsatz. Auch dieser Bedarf bestehe bei der Klägerin gesondert. Insoweit sei der zeitliche Aufwand für die Hauswirtschaftliche Versorgung bei zwei Personen zwar geringer als bei zwei Einzelpersonen, aber auch größer als für eine Person. Es bestehe aber keine Möglichkeit, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Gewährung von Sachleistungen nach der Leistungskomplexsystemvergütung Einsparungen beim zeitlichen Aufwand zu berücksichtigen.
Gegen das ihm am 5. September 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4. Oktober 2013 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, es bestehe kein offener Bedarf. Nach der Durchführung eines Verhandlungstermins am 6. Februar 2014 - zu dem die Klägerbevollmächtigte wegen einer kurzfristigen Verhinderung nicht erschienen war - und der Unterbreitung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags hat der Beklagte die Berufung in Bezug auf die Verurteilung zur Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich) sowie LK 16 (1mal wöchentlich) zurückgenommen und sie nur in Bezug auf die Verurteilung der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich des Bedarfes des LK 19 (5mal wöchentlich) aufrecht erhalten. Für den LK 19 bestehe nach dem Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 13. August 2010 ein Hilfebedarf von einer Minute am Tag bei der Unterstützung der mundgerechten Zubereitung der Nahrung. Dieser äußerst geringe Hilfebedarf könne vom Beigeladenen zu 2. erbracht werden, da sich dieser die Mahlzeiten selbst zubereiten könne. Dann sei es ihm auch möglich und zudem selbstverständlich, die Klägerin dabei zu unterstützen. Die Berücksichtigung eines Bedarfs bei der Hilfe zur Pflege widerspreche dem Nachranggrundsatz.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Juli 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Übernahme der Kosten der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich des Bedarfes des LK 19 (5mal wöchentlich) verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. eingeholt und die Vereinbarung zwischen den Beigeladenen zu 1. und 2. sowie die Leistungsnachweise des Beigeladenen zu 1. für dessen Tätigkeit für den Beigeladenen zu 2. in der Zeit von Juli 2010 bis Juni 2011 angefordert. Nach der am 26. März 2010 für die Zeit ab dem 1. April 2010 abgeschlossenen Vereinbarung werden durch den Beigeladenen zu 1. für den Beigeladenen zu 2. folgende Leistungen erbracht: LK 4 3mal wöchentlich, LK 11 bis zu 2mal monatlich, LK 13 2mal wöchentlich, LK 14 1mal wöchentlich, LK 16 1mal wöchentlich sowie LK 17 1mal wöchentlich. Nach dem ebenfalls übersandten Gutachten der Frau B. für den MDK Sachsen-Anhalt vom 12. Januar 2010 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Beigeladenen zu 2. leidet dieser an einer chronisch ischämischen Herzkrankheit mit Dyspnoe bei geringster Belastung, Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens nach Sturz und mehrfacher Wirbelkörperfraktur sowie einem Zervikalsyndrom. Es ist ein kraftloser Händedruck bei erhaltener Greiffunktion und Feinmotorik sowie Tremor feststellbar gewesen. Nach Auffassung der Gutachterin besteh ein Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten (je 2mal Einkaufen, Reinigen der Wohnung und Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche sowie je 7mal Kochen und Spülen) täglich/5,3 Stunden wöchentlich.
Außerdem ist der Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung vorgelegt worden. Der Beklagte ist nicht Vertragspartner. In der Anlage zur Vergütungsvereinbarung findet sich eine detaillierte Beschreibung der Leistungskomplexe. Danach beinhaltet der LK 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen) "1. Zubereitung 2. Spülen nur in Verbindung mit dem Pflegeeinsatz 3. Reinigen des Arbeitsbereichs nur in Verbindung mit dem Pflegeinsatz". Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 142 ff. der Gerichtstakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt und insbesondere im Sinne der §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Denn im maßgebenden Zeitpunkt der Berufungseinlegung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, § 144 Rn. 19 m.w.N.) hat sie sich auf eine Geldleistung bezogen, die den in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannten Wert von 750,00 EUR überschritten hat. Das Sozialgericht Halle hat den Beklagten zur Gewährung von Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich), LK 16 (1mal wöchentlich) und LK 19 (5mal wöchentlich) verurteilt. Für diesen Zeitraum und die vorgenannten Leistungskomplexe stehen nach den Abrechnungen des Beigeladenen zu 1. noch Zahlungen in Höhe von 1.371,30 EUR aus.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 auch Anspruch auf Übernahme der Kosten hat, die ihr durch die erbrachten Leistungen des Beigeladenen zu 1. hinsichtlich der LK 19 (5mal wöchentlich) entstanden sind.
Sachlich und örtlich zuständig für die Gewährung der begehrten Leistungen der Hilfe zur Pflege ist der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, S. 8) und § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die in
§ 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 2013 - L 8 SO 4/12 - juris, Rn. 20).
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Absatz 5 bedürfen. Hilfe zur Pflege erfasst dabei nach § 61 Abs. 2 SGB XII unter anderem die häusliche Pflege. Der Inhalt der Leistungen der Hilfe zur Pflege auch für den Bereich der häuslichen Pflege bestimmt sich dabei nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 SGB XI aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 SGB XI gilt entsprechend. Der Bedarf des Absatzes 1 besteht gemäß § 61 Abs. 4 SGB XII in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Gewöhnliche oder wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des § 61 Abs. 1 sind nach der Aufzählung in § 61 Abs. 5 Nr. 1 SGB XII im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen. Unter anderem hinsichtlich des Umfangs der Pflegeleistung finden nach § 61 Abs. 5 SGB XII die Rahmenverträge über die Pflegerische Versorgung nach § 75 SGB XI entsprechende Anwendung. Gemäß § 62 SGB XII ist die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege zu Grunde zu legen, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind.
Für den Bereich der häuslichen Pflege bestimmen § 63 Satz 1 und 2 SGB XII, dass, reicht diese im Fall des § 61 Abs. 1 SGB XII aus, der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken soll, dass die Pflege einschließlich der Hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. Das Nähere regeln die §§ 64 bis 66 SGB XII. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten. Ist neben oder anstelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin sind §§ 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Da die Klägerin nicht dem Personenkreis des § 61 Abs. 1 SGB XII angehört, weil sie nicht die Voraussetzungen des Pflegebedürftigkeitsbegriffs des § 14 Abs. 1 i.V.m. § 15 SGB XI erfüllt, kann ihr Anspruch allein auf dem sogenannten sozialhilferechtlichen Pflegebedürftigkeitsbegriff beruhen (vgl. Krahmer/Sommer, LPK SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 61 Rn. 4). Auch für die nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Hilfebedürftigen greifen §§ 63 Satz 1 und 2 sowie 65 SGB XII, weil diese Vorschriften ohne Einschränkung auf § 61 Abs. 1 SGB XII Bezug nehmen.
Die Klägerin hat (auch) einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Bereich der Ernährung für den LK 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit). Darauf, dass hierfür nach dem Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 13. August 2010 ein Hilfebedarf von einer Minute am Tag besteht, kommt es bei der Hilfegewährung nach Leistungskomplexen nicht an. Entscheidend ist nur, dass ein Hilfebedarf für den Leistungskomplex besteht. Hier sind bei dem LK 19 mit der Zubereitung der Mahlzeit auch das Spülen und Reinigen des Arbeitsbereichs mit dem Pflegeinsatz mit umfasst. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass von dem Beigeladenen zu 2. als Ehemann der Klägerin grundsätzlich deren Unterstützung bei der Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit im Rahmen des ehelichen Zusammenlebens erwartet und verlangt werden kann. Zunächst ist jedoch zu prüfen, inwieweit diese Hilfestellung dem Beigeladenen zu 2. möglich und zumutbar ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 2. selbst hochbetagt und pflegebedürftig ist und unter Gesundheitsstörungen leidet, die fraglich erscheinen lassen, ob ihm eine regelmäßige Unterstützung der Klägerin anstelle der Hilfegewährung durch den Beigeladenen zu 1. möglich und zumutbar ist. Eine solche Überprüfung durch den Beklagten hat ebenso wie eine Kontaktaufnahme nicht stattgefunden. Auf eine Intervention des Sozialhilfeträgers in das Lebensgeschehen durch ein "Hinwirken" kann jedoch keinesfalls verzichtet werden. Dies gilt hier in Bezug auf die eigene Pflegebedürftigkeit des Beigeladenen zu 2. und, wenn - wie vorliegend - für den Beklagten erkennbar ist, dass der Hilfebedürftige anderweitige Hilfen bereits organisiert hat und er deshalb davon ausgehen muss, dass ein Selbsthilfepotential erst wieder aktiviert werden muss. Die im Rahmen des "Hinwirkens" zu fordernde entsprechende Beratung und Aufklärung (vgl. Meßling in juris-PK SGB XII, § 63 Rn. 14; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 63 Rn. 6) wird dabei nicht durch die Ausführungen im Bescheid vom 31. August 2010 ersetzt, die Leistungen würden durch den Ehemann der Klägerin erbracht. Denn Beratung setzt Interaktion voraus.
Nach alledem besteht ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Form der Übernahme der Kosten für eine entlohnte Fachkraft auch für den LK 19. Dieser Anspruch richtet sich auf die Freistellung von Kosten, die durch die Inanspruchnahme des Beigeladenen zu 1. entstanden sind. Diese Kosten sind schließlich auch nicht bereits über den Beigeladenen zu 2. abgerechnet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Der Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um einen Anspruch auf Leistungen der Klägerin zur Hilfe zur Pflege im Bereich der Ernährung für den Leistungskomplex (LK) 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit) für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011.
Die 1938 geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige. Sie lebt gemeinsam mit ihrem 1936 geborenen Ehemann, dem Beigeladenen zu 2., in einer Mietwohnung in H. Beide erhalten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe), im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 in Höhe von monatlich insgesamt 1.142,94 EUR und im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von monatlich insgesamt 1.144,84 EUR. Über weiteres Einkommen oder über Vermögen verfügen die Eheleute nicht.
Die Klägerin beantragte am 13. Dezember 2009 die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen. Sie erklärte, erheblich pflegebedürftig zu sein und die entstehenden Pflegekosten aus eigenen Mitteln nicht bestreiten zu können sowie den Beigeladenen zu 1. mit der weiteren Versorgung beauftragt zu haben. Am 17. Dezember 2009 schloss die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1. einen Vertrag über ihre ambulante pflegerische Versorgung. Nach einer ergänzenden Vereinbarung vom 28. Dezember 2009 sollten ab dem 28. Dezember 2009 folgende Leistungen erbracht werden: LK 2 5mal wöchentlich, LK 4 5mal wöchentlich, LK 11 bis zu 3mal monatlich, LK 13 5mal wöchentlich, LK 14 1-mal wöchentlich, LK 16 1-mal wöchentlich, LK 17 1mal wöchentlich sowie LK 19 2mal täglich.
Am 12. Januar 2010 wurde die Klägerin in der Häuslichkeit durch Frau B. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt untersucht. Nach dem am selben Tag durch Frau B. erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird die pflegerische Versorgung der Klägerin von montags bis freitags täglich 2mal ambulant durch eine Pflegeeinrichtung sowie an den Wochenenden durch die Tochter übernommen. Pflegebegründende Diagnosen seien eine Fraktur im Bereich des linken Oberarms mit Abriss des Tuberculum Majus am 12. Dezember 2009 und eine Polyarthrose. Weiter leide die Klägerin an Rheuma und Schwindel. Für die Körperpflege bestehe ein Zeitbedarf von 15 Minuten, für die Ernährung von drei Minuten, für die Mobilität von elf Minuten und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten täglich. Es liege kein Pflegebedarf nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI - Soziale Pflegversicherung) vor. Am 13. August 2010 fand eine weitere Untersuchung der Klägerin in der Häuslichkeit durch Frau S. statt, die feststellte, für die Körperpflege bestehe nunmehr ein Zeitbedarf von 21 Minuten, für die Ernährung von einer Minute und für die Mobilität von neun Minuten täglich. Ein Bedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung sei nicht zu berücksichtigen, weil diese im Gutachten für den Beigeladenen zu 2. vollständig angerechnet worden sei. Es liege kein Pflegebedarf nach dem SGB XI vor.
Mit Bescheid vom 31. August 2010 bewilligte die Stadt H. der Klägerin im Namen des Beklagten Leistungen der Hilfe zur Pflege als Pflegesachleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 für folgende Leistungen:
( nachfolgender Absatz im Original als Tabelle dargestellt )
Leistung
Umfang
Anmerkung
Körperpflege
Teilwäsche Unterkörper
1mal täglich
Baden
1mal täglich
Zahnpflege
2mal täglich
Wechseln kleiner Vorlagen (1 Minute)
1mal täglich
in LK 2 bzw. 4 enthalten
Ernährung
Mundgerechte Zubereitung der Nahrung (1 Minute)
1mal täglich
erfolgt über den Ehemann, der sich selbst die Mahlzeiten zubereitet
Mobilität
Ankleiden
1mal täglich
Entkleiden
1mal täglich
Begleitung zu Aktivitäten
3mal monatlich maximal
wenn persönliches Erscheinen notwendig ist - entsprechende Vordrucke als Nachweise verwenden
Laut MDK-Gutachten sei die Hauswirtschaftspflege beim Beigeladenen zu 2. bereits vollständig berücksichtigt. Daher erfolge bei der Klägerin keine Anrechnung. Bei stationären Aufenthalten oder begründeter Abwesenheit des Beigeladenen zu 2. könne folgender Bedarf abgerechnet werden:
( nachfolgender Absatz im Original als Tabelle dargestellt )
Mundgerechte Zubereitung der Nahrung
1mal täglich
Spülen
1mal täglich
Großer Einkauf
1 x wöchentlich
Kleiner Einkauf
1mal wöchentlich
Kochen
"Essen auf Rädern"
Reinigung der Wohnung
2mal wöchentlich
Wechseln/Waschen der Bekleidung
2mal wöchentlich
nur 1 x wöchentlich abrechenbar
Gegen den Bescheid vom 31. August 2010 erhob die Klägerin am 30. September 2010 Widerspruch. Dieser richte sich gegen die Gewährung der Hilfe zur Pflege im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtung für beide Eheleute. Laut MDK-Gutachten sei die Hauswirtschaftspflege bereits bei ihrem Ehemann vollständig zeitlich berücksichtigt. Gegen das Gutachten des MDK sei Widerspruch eingelegt worden. Es werde verkannt, dass der zeitliche Aufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung für zwei Personen größer sei als für eine Person. Es könnten nicht alle Arbeiten bezahlt werden, die der Pflegedienst verrichtet habe. So sei der LK 14 je 1mal wöchentlich erbracht, einmal für ihren Mann, einmal für sie, aber nur einmal bezahlt worden. Gleichzeitig sei der LK 19 durchgeführt, aber bei ihrem Mann nicht vergütet worden.
Mit Schreiben vom 3. März 2011 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer Abänderung des Bescheides vom 31. August 2010 an. Es sei beabsichtigt, der Klägerin ab dem 1. April 2011 Geldleistungen in Höhe von monatlich 153,87 EUR zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die mit Bescheid vom 31. August 2010 bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen, da keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI gegeben sei und zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1. keine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII bestehe. Der insoweit rechtswidrig begünstigende Bescheid vom 31. August 2010 werde gemäß § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Ab dem 1. April 2011 würden Geldleistungen in Höhe von 153,87 EUR monatlich zur Deckung des festgestellten Bedarfs auf Hilfen zur Pflege gemäß §§ 61 und 63 SGB XII gewährt. Es bestehe nur ein Anspruch auf angemessene Leistungen der Hilfe zur Pflege. Denn nach dem Gutachten des MDK vom 13. August 2010 bestünden ein Grundpflegebedarf von 31 Minuten und kein Bedarf im Bereich der Hauswirtschaft. Daher liege nur die sogenannte Pflegestufe 0 vor. Diese Leistungen seien nicht vom Versorgungsvertrag mit dem Beigeladenen zu 1. erfasst. Dieser habe es auch abgelehnt, eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit ihm abzuschließen. Es laufe ein Schiedsstellenverfahren. Bis zur Entscheidung der Schiedsstelle gewähre er Leistungen nach dem Mindestentgelt für pflegerische Leistungen in Sachsen-Anhalt von 7,50 EUR/Stunde zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und Beiträge zur Berufsgenossenschaft, also insgesamt 9,79 EUR. Das entspreche 16,30 Cent/Minute, weshalb sich bei einem Pflegebedarf von täglich 31 Minuten und durchschnittlich 30,42 Tagen/Monat ein Betrag von 153,87 EUR ergebe. Da die Neuregelung erst zum 1. April 2011 erfolgen solle, sei noch genügend Zeit, die erforderlichen Leistungen an die neue Regelung anzupassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 entschied der Beklagte, der Klägerin ab dem 1. April 2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege als Geldleistung in Höhe von monatlich 153,87 EUR zu gewähren. Im Übrigen wies er den Widerspruch unter Übernahme der Ausführungen in der Anhörung zurück.
Gegen den ihr am 22. März 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 25. April 2011 (Ostermontag) Klage vor dem Sozialgericht Halle erhoben und neben der Änderung des Bescheides vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 die Verpflichtung des Beklagten beantragt, ihr Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des ambulanten Pflegedienstes in Bezug auf den LK 13 2mal wöchentlich, LK 14 1mal wöchentlich, LK 16 1mal wöchentlich, LK 17 1mal wöchentlich und LK 19 5mal wöchentlich zu gewähren. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, zwar habe sie keinen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Leistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII könnten aber auch Personen bei einfacher Pflegebedürftigkeit erhalten. Der Anspruch sei lediglich dadurch begrenzt, dass die Heranziehung einer besonderen Pflegefachkraft erforderlich sei und nur angemessene Kosten übernommen werden könnten. Der Beklagte sei in analoger Anwendung von § 62 SGB XII an das Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt gebunden. Soweit er auf die Übernahme der Pflege durch nahestehende Personen oder im Rahmen der Nachbarschaftshilfe verweise, müsse dieser und nicht sie darauf hinwirken, dass solche Hilfe geleistet werde. Diesbezüglich habe der Beklagte nichts unternommen. Bei der Bemessung ihres individuellen Bedarfs im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung verkenne der Beklagte, dass der Aufwand hierfür bei zwei Personen größer sei als für eine Person. Die durch die Leistungserbringung durch den Beigeladenen zu 1. verursachten Kosten seien auch angemessen. Würden bei zugelassenen Pflegediensten beschäftigte Fachkräfte herangezogen, seien die für die Pflegeversicherungsleistungen vereinbarten Vergütungen auch für die Leistungen des Sozialhilfeträges hinsichtlich aller Pflegstufen - einschließlich der Pflegestufe 0 - zugrunde zu legen. Eine darüber hinausgehende Abstufung sei unangemessen. Wegen noch schwebender Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1. sei darauf hinzuweisen, dass sich solche Unklarheiten auf keinen Fall zu Lasten der Pflegebedürftigen auswirken dürften.
Die im Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung nahm der Beklagte im Verfahren S 13 SO 46/11 ER zurück und gewährte ab dem 1. April 2011 wieder Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen. Insoweit sollten die für die Monate April bis August 2011 gezahlten Geldleistungen voll zur Deckung der anfallenden Kosten eingesetzt und der Differenzbetrag übernommen werden. Nach dem Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Halle zur Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Sache S 13 SO 46/11 ER vom 30. Juni 2011 hat die Tochter der Klägerin erklärt, selbst als Krankenpflegerin in Vollzeit und im Schichtdienst zu arbeiten. Darüber hinaus habe sie zwei 14 und 22 Jahre alte Kinder; um das minderjährige Kind müsse sie sich auch kümmern. Daher könne sie die Klägerin zumindest von montags bis freitags nicht pflegen und lediglich an Wochenenden teilweise Hilfeleistungen durchführen.
Mit Urteil vom 18. Juli 2012 hat das Sozialgericht Halle den Bescheid des Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich), LK 16 (1mal wöchentlich) und LK 19 (5mal wöchentlich) zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 hinsichtlich der Bedarfe "Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung" (LK 14), "Kleiner Einkauf" (LK 16) und "Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit in der Häuslichkeit" (LK 19) einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes im beantragten Umfang. Der LK 19 umfasse insbesondere die Zubereitung von Speisen und das Spülen und Reinigen des Arbeitsbereichs nur in Verbindung mit dem Pflegeeinsatz. Auch dieser Bedarf bestehe bei der Klägerin gesondert. Insoweit sei der zeitliche Aufwand für die Hauswirtschaftliche Versorgung bei zwei Personen zwar geringer als bei zwei Einzelpersonen, aber auch größer als für eine Person. Es bestehe aber keine Möglichkeit, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Gewährung von Sachleistungen nach der Leistungskomplexsystemvergütung Einsparungen beim zeitlichen Aufwand zu berücksichtigen.
Gegen das ihm am 5. September 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4. Oktober 2013 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, es bestehe kein offener Bedarf. Nach der Durchführung eines Verhandlungstermins am 6. Februar 2014 - zu dem die Klägerbevollmächtigte wegen einer kurzfristigen Verhinderung nicht erschienen war - und der Unterbreitung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags hat der Beklagte die Berufung in Bezug auf die Verurteilung zur Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich) sowie LK 16 (1mal wöchentlich) zurückgenommen und sie nur in Bezug auf die Verurteilung der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich des Bedarfes des LK 19 (5mal wöchentlich) aufrecht erhalten. Für den LK 19 bestehe nach dem Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 13. August 2010 ein Hilfebedarf von einer Minute am Tag bei der Unterstützung der mundgerechten Zubereitung der Nahrung. Dieser äußerst geringe Hilfebedarf könne vom Beigeladenen zu 2. erbracht werden, da sich dieser die Mahlzeiten selbst zubereiten könne. Dann sei es ihm auch möglich und zudem selbstverständlich, die Klägerin dabei zu unterstützen. Die Berücksichtigung eines Bedarfs bei der Hilfe zur Pflege widerspreche dem Nachranggrundsatz.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Juli 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er zur Übernahme der Kosten der Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes hinsichtlich des Bedarfes des LK 19 (5mal wöchentlich) verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin und des Beigeladenen zu 2. eingeholt und die Vereinbarung zwischen den Beigeladenen zu 1. und 2. sowie die Leistungsnachweise des Beigeladenen zu 1. für dessen Tätigkeit für den Beigeladenen zu 2. in der Zeit von Juli 2010 bis Juni 2011 angefordert. Nach der am 26. März 2010 für die Zeit ab dem 1. April 2010 abgeschlossenen Vereinbarung werden durch den Beigeladenen zu 1. für den Beigeladenen zu 2. folgende Leistungen erbracht: LK 4 3mal wöchentlich, LK 11 bis zu 2mal monatlich, LK 13 2mal wöchentlich, LK 14 1mal wöchentlich, LK 16 1mal wöchentlich sowie LK 17 1mal wöchentlich. Nach dem ebenfalls übersandten Gutachten der Frau B. für den MDK Sachsen-Anhalt vom 12. Januar 2010 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Beigeladenen zu 2. leidet dieser an einer chronisch ischämischen Herzkrankheit mit Dyspnoe bei geringster Belastung, Deformitäten der Wirbelsäule und des Rückens nach Sturz und mehrfacher Wirbelkörperfraktur sowie einem Zervikalsyndrom. Es ist ein kraftloser Händedruck bei erhaltener Greiffunktion und Feinmotorik sowie Tremor feststellbar gewesen. Nach Auffassung der Gutachterin besteh ein Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten (je 2mal Einkaufen, Reinigen der Wohnung und Wechseln/Waschen der Kleidung und Wäsche sowie je 7mal Kochen und Spülen) täglich/5,3 Stunden wöchentlich.
Außerdem ist der Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung vorgelegt worden. Der Beklagte ist nicht Vertragspartner. In der Anlage zur Vergütungsvereinbarung findet sich eine detaillierte Beschreibung der Leistungskomplexe. Danach beinhaltet der LK 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit in der Häuslichkeit des Pflegebedürftigen) "1. Zubereitung 2. Spülen nur in Verbindung mit dem Pflegeeinsatz 3. Reinigen des Arbeitsbereichs nur in Verbindung mit dem Pflegeinsatz". Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 142 ff. der Gerichtstakte verwiesen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt und insbesondere im Sinne der §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft. Denn im maßgebenden Zeitpunkt der Berufungseinlegung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, § 144 Rn. 19 m.w.N.) hat sie sich auf eine Geldleistung bezogen, die den in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannten Wert von 750,00 EUR überschritten hat. Das Sozialgericht Halle hat den Beklagten zur Gewährung von Hilfe zur Pflege durch Übernahme der Kosten des herangezogenen Pflegedienstes für die Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 hinsichtlich der Bedarfe des LK 14 (1mal wöchentlich), LK 16 (1mal wöchentlich) und LK 19 (5mal wöchentlich) verurteilt. Für diesen Zeitraum und die vorgenannten Leistungskomplexe stehen nach den Abrechnungen des Beigeladenen zu 1. noch Zahlungen in Höhe von 1.371,30 EUR aus.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 auch Anspruch auf Übernahme der Kosten hat, die ihr durch die erbrachten Leistungen des Beigeladenen zu 1. hinsichtlich der LK 19 (5mal wöchentlich) entstanden sind.
Sachlich und örtlich zuständig für die Gewährung der begehrten Leistungen der Hilfe zur Pflege ist der Beklagte gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, S. 8) und § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die in
§ 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 2013 - L 8 SO 4/12 - juris, Rn. 20).
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege ist auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Absatz 5 bedürfen. Hilfe zur Pflege erfasst dabei nach § 61 Abs. 2 SGB XII unter anderem die häusliche Pflege. Der Inhalt der Leistungen der Hilfe zur Pflege auch für den Bereich der häuslichen Pflege bestimmt sich dabei nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 SGB XI aufgeführten Leistungen; § 28 Abs. 4 SGB XI gilt entsprechend. Der Bedarf des Absatzes 1 besteht gemäß § 61 Abs. 4 SGB XII in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen. Gewöhnliche oder wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des § 61 Abs. 1 sind nach der Aufzählung in § 61 Abs. 5 Nr. 1 SGB XII im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen. Unter anderem hinsichtlich des Umfangs der Pflegeleistung finden nach § 61 Abs. 5 SGB XII die Rahmenverträge über die Pflegerische Versorgung nach § 75 SGB XI entsprechende Anwendung. Gemäß § 62 SGB XII ist die Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch auch der Entscheidung im Rahmen der Hilfe zur Pflege zu Grunde zu legen, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind.
Für den Bereich der häuslichen Pflege bestimmen § 63 Satz 1 und 2 SGB XII, dass, reicht diese im Fall des § 61 Abs. 1 SGB XII aus, der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken soll, dass die Pflege einschließlich der Hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. Das Nähere regeln die §§ 64 bis 66 SGB XII. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten. Ist neben oder anstelle der Pflege nach § 63 Satz 1 SGB XII die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich oder eine Beratung oder zeitweilige Entlastung der Pflegeperson geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin sind §§ 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Da die Klägerin nicht dem Personenkreis des § 61 Abs. 1 SGB XII angehört, weil sie nicht die Voraussetzungen des Pflegebedürftigkeitsbegriffs des § 14 Abs. 1 i.V.m. § 15 SGB XI erfüllt, kann ihr Anspruch allein auf dem sogenannten sozialhilferechtlichen Pflegebedürftigkeitsbegriff beruhen (vgl. Krahmer/Sommer, LPK SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 61 Rn. 4). Auch für die nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Hilfebedürftigen greifen §§ 63 Satz 1 und 2 sowie 65 SGB XII, weil diese Vorschriften ohne Einschränkung auf § 61 Abs. 1 SGB XII Bezug nehmen.
Die Klägerin hat (auch) einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Bereich der Ernährung für den LK 19 (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit). Darauf, dass hierfür nach dem Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 13. August 2010 ein Hilfebedarf von einer Minute am Tag besteht, kommt es bei der Hilfegewährung nach Leistungskomplexen nicht an. Entscheidend ist nur, dass ein Hilfebedarf für den Leistungskomplex besteht. Hier sind bei dem LK 19 mit der Zubereitung der Mahlzeit auch das Spülen und Reinigen des Arbeitsbereichs mit dem Pflegeinsatz mit umfasst. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass von dem Beigeladenen zu 2. als Ehemann der Klägerin grundsätzlich deren Unterstützung bei der Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit im Rahmen des ehelichen Zusammenlebens erwartet und verlangt werden kann. Zunächst ist jedoch zu prüfen, inwieweit diese Hilfestellung dem Beigeladenen zu 2. möglich und zumutbar ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 2. selbst hochbetagt und pflegebedürftig ist und unter Gesundheitsstörungen leidet, die fraglich erscheinen lassen, ob ihm eine regelmäßige Unterstützung der Klägerin anstelle der Hilfegewährung durch den Beigeladenen zu 1. möglich und zumutbar ist. Eine solche Überprüfung durch den Beklagten hat ebenso wie eine Kontaktaufnahme nicht stattgefunden. Auf eine Intervention des Sozialhilfeträgers in das Lebensgeschehen durch ein "Hinwirken" kann jedoch keinesfalls verzichtet werden. Dies gilt hier in Bezug auf die eigene Pflegebedürftigkeit des Beigeladenen zu 2. und, wenn - wie vorliegend - für den Beklagten erkennbar ist, dass der Hilfebedürftige anderweitige Hilfen bereits organisiert hat und er deshalb davon ausgehen muss, dass ein Selbsthilfepotential erst wieder aktiviert werden muss. Die im Rahmen des "Hinwirkens" zu fordernde entsprechende Beratung und Aufklärung (vgl. Meßling in juris-PK SGB XII, § 63 Rn. 14; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 63 Rn. 6) wird dabei nicht durch die Ausführungen im Bescheid vom 31. August 2010 ersetzt, die Leistungen würden durch den Ehemann der Klägerin erbracht. Denn Beratung setzt Interaktion voraus.
Nach alledem besteht ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Form der Übernahme der Kosten für eine entlohnte Fachkraft auch für den LK 19. Dieser Anspruch richtet sich auf die Freistellung von Kosten, die durch die Inanspruchnahme des Beigeladenen zu 1. entstanden sind. Diese Kosten sind schließlich auch nicht bereits über den Beigeladenen zu 2. abgerechnet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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