Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 413/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 10/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 1/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. August 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Durchführung einer Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) hat.
Der am ... 1930 geborene Kläger hatte im Jahre 1951 in einem Einzelarbeitsvertrag eine Versorgungszusage zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) erhalten. Er hatte daraufhin von der Versicherungsanstalt des Landes Sachsen-Anhalt eine entsprechende Versorgungsurkunde bekommen, die er nach seinem Ausscheiden aus dem VEB Pumpenfabrik S. im Mai 1963 an die Deutsche Versicherungsanstalt Berlin zurückgeschickt hatte. Der VEB Pumpenfabrik S. hatte den Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 1963 darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz erloschen ist. Vom 1. Oktober 1955 bis zum 28. Februar 1957 war der Kläger bei der Bereitschaftspolizei tätig. Seit dem 1. Mai 1995 erhält der Kläger von der Beklagten eine Regelaltersrente. Bei dieser werden die Zeiträume vom 1. September 1951 bis zum 30. Juni 1955 und vom 1. März 1957 bis zum 16. März 1963 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und der Zeitraum vom 1. Oktober 1955 bis zum 28. Februar 1957 als Zeit der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs berücksichtigt.
Am 8. Dezember 2010 beantragte der Kläger die Durchführung einer Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG. Unter dem 28. März 2011 teilte der Zusatzversorgungsträger der Beklagten mit, der Kläger sei bereits ab 17. März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystemen ausgetreten bzw. habe keinen Anspruch auf Zusatzversorgung gehabt. Mit Bescheid vom 4. April 2011 lehnte die Beklagte daraufhin die Durchführung der Vergleichsberechnung mit der Begründung ab, der Kläger sei bereits zum 17. März 1963 aus dem Versorgungssystem ausgeschieden. Ein Anspruch auf Versorgung habe zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht bestanden. Dagegen legte der Kläger am 18. April 2011 Widerspruch ein und berief sich zur Begründung auf § 1 Abs. 2 (gemeint: Abs. 1) Satz 2 AAÜG. Unter Bezugnahme auf Veröffentlichungen der Beklagten führte der Kläger aus, auch wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Versorgungssystem vor Entstehen des Versorgungsanspruchs geendet habe, bleibe die im Versorgungssystem zurückgelegte Zeit – einschließlich etwaiger Vorsystemzeiten – eine Zeit der Zugehörigkeit in diesem Versorgungssystem. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2011 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei bereits vor dem 30. Juni 1990 aus einem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden, so dass ein Anspruch auf Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG nicht bestehe.
Gegen den ihm am 19. Juli 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 2. August 2011 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 sei die Besitzschutzregelung des § 4 Abs. 4 AAÜG auf Rentenbeginnfälle bis zum 30. Juni 1995 ausgedehnt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31. August 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte habe zu Recht die Ermittlung eines Besitzschutzbetrages als Grundlage der vom Kläger begehrten Neufeststellung der Altersrente abgelehnt. Das SG gehe dabei davon aus, dass der Kläger mit dem Antrag aus Dezember 2010 sinngemäß auch die Überprüfung der bisher ergangenen Rentenbescheide gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) beantragt habe. Die Beklagte habe indes bei Erlass der zur Überprüfung gestellten Rentenbescheide weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem falschen Sachverhalt im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausgegangen. § 4 Abs. 4 AAÜG sei eine Besitzschutzregelung für Zusatz- und Sonderversorgte der ehemaligen DDR mit einem Rentenbeginn vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995. Für den von dieser Regelung erfassten Personenkreis sei eine Vergleichsberechnung nach den Regelungen des am 31. Dezember 1991 geltenden Versorgungsrechts und Sozialversicherungsrechts durchzuführen. Dabei sei der (fiktive) Monatsbetrag zu errechnen, der sich als Summe aus der Versorgungsleistung und der Sozialversicherung ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließe, sei als Anwendungsvoraussetzung des § 4 Abs. 4 AAÜG stets vorab zu prüfen, ob nach den leistungsrechtlichen Bestimmungen des Versorgungssystems der Versorgungsfall bis zum Ablauf des 30. Juni 1995 eingetreten wäre, also die Versorgungsanwartschaft innerhalb dieses Zeitraumes zu einem Vollrecht auf Versorgung erstarkt wäre. Die Regelung im Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 9 Buchstabe b Satz 5 habe den Zweck, die früher Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigten des Beitrittsgebiets, die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung aus bundesrechtlicher Sicht nur eine Versorgungsanwartschaft hatten, den bereits damals Leistungsberechtigten gleichzustellen, falls ein Versorgungsfall fiktiv bis zum Ablauf des 30. Juni 1995 eintreten würde (BSG, Urteile vom 23. August 2005, B 4 RA 62/04 R; B 4 RA 52/04 R-; zitiert nach juris). Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich, dass der Berechtigte eine Anwartschaft auf Leistungen aus dem Zusatzversorgungssystem gehabt haben müsse, wobei auf den Zeitpunkt der Schließung dieser Systeme am 30. Juni 1990 abzustellen sei. Ein Anspruch auf Vergleichsberechnung könne daher nicht bestehen, wenn der Betreffende bereits vor dem 30. Juni 1990 aus einem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden sei.
Im vorliegenden Fall könne demnach kein Anspruch auf Vergleichsberechnung entstehen, weil der Kläger bereits vor dem 30. Juni 1990, nämlich am 17. März 1963, aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden sei. Dem stehe die vom Kläger in Bezug genommene Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift gelte, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsehen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Die gesetzliche Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG regele indes einen anderen Fall als die Vorschrift des § 4 Abs. 4 AAÜG über die Vornahme einer Vergleichsrentenberechnung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG wäre der Verlust der Anwartschaft auf Zusatzversorgung nur bis zum 16. März 1963 als nicht eingetreten zu behandeln, wenn der Kläger nach den anzuwendenden Regelungen des Zusatzversorgungssystems seinen Anspruch auf Zusatzversorgung durch das Ausscheiden am 17. März 1963 verloren hätte. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gelte jedoch nicht über das Datum des Ausscheidens hinaus fort, also nicht bis zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990. Eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem habe nach alledem am 30. Juni 1990 nicht bestanden und könne auch nicht über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert werden. Erforderlich wäre zudem die bindende Feststellung des Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme, dass eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem am 30. Juni 1990 bestanden habe. Auch an einer solchen fehle es vorliegend.
Gegen das ihm am 13. September 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. September 2012 Berufung beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weiter geleitet hat. Ergänzend und vertiefend hat er vorgetragen, dass der Betriebswechsel 1963 eine Folge des privat veranlassten Wechsels von S. nach W. gewesen sei. Somit sei er nach den Regeln des Versorgungssystems ausgeschieden und falle gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. August 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Rentenbescheides vom 4. September 1995 und aller nachfolgenden Rentenbescheide eine Vergleichsberechnung durchzuführen, die Altersrente unter Zugrundelegung eines nach § 4 Abs. 4 AAÜG zu gewährenden Besitzschutzbetrages neu festzustellen und ihm darüber einen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. August 2012 zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger sei bereits am 16. März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden. Es habe somit am 30. Juni 1990 kein Anspruch auf eine Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem bestanden. Damit seien bei der Rentenberechnung auch nicht die Vorschriften des Art. 4 § 4 AAÜG (gemeint § 4 Abs. 4 AAÜG) zu beachten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 11. Mai 2014, Schriftsatz der Beklagten vom 19. Mai 2014).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Senat verweist auf die ausführlich wiedergegebenen Entscheidungsgründe des SG, die er sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen macht, und führt das Folgende lediglich ergänzend und vertiefend aus. § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2011 lauten wie folgt:
"Beginnt eine Rente nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995 und hatte der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, am 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet, ist bei Zugehörigkeit zu einem
1. Zusatzversorgungssystem wenigstens der Monatsbetrag, der sich als Summe aus Rente und Versorgung auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrechts und der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990 ergibt,
2. Sonderversorgungssystem wenigstens der Monatsbetrag, der sich auf der Grundlage der am 31. Dezember 1991 maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990 ergibt,
höchstens jedoch der jeweilige Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 oder 2, um 6,84 vom Hundert zu erhöhen und solange zu zahlen, bis die nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch berechnete Rente diesen Betrag erreicht. Satz 1 gilt nur, wenn der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, einen Anspruch aus dem Versorgungssystem gehabt hätte, wenn die Regelungen der Versorgungssysteme weiter anzuwenden wären."
Kernargument für die Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs. 4 AAÜG im vorliegenden Fall ist der Umstand, dass der Kläger bereits im März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden ist. Dementsprechend und folgerichtig hatte er die Versorgungsurkunde seinerzeit an die Deutsche Versicherungsanstalt Berlin zurückgeschickt. Er hätte also keinen Anspruch aus dem Versorgungssystem mehr gehabt, wenn die Regelungen der Versorgungssysteme weiter anzuwenden gewesen wären. Völlig zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die vom Kläger in Bezug genommene Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG den geltend gemacht Anspruch nicht stützt. Nach dieser Vorschrift gilt, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsehen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Die gesetzliche Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG regelt einen anderen Fall als die Vorschrift des § 4 Abs. 4 AAÜG über die Vornahme einer Vergleichsberechnung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist der Verlust der Anwartschaft auf Zusatzversorgung nur für den Zeitraum bis zum 16. März 1963 als nicht eingetreten zu behandeln. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gilt jedoch nicht über das Datum des Ausscheidens hinaus fort, also nicht bis zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990. Eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem bestand am 30. Juni 1990 demnach nicht und kann auch nicht über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Durchführung einer Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) hat.
Der am ... 1930 geborene Kläger hatte im Jahre 1951 in einem Einzelarbeitsvertrag eine Versorgungszusage zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) erhalten. Er hatte daraufhin von der Versicherungsanstalt des Landes Sachsen-Anhalt eine entsprechende Versorgungsurkunde bekommen, die er nach seinem Ausscheiden aus dem VEB Pumpenfabrik S. im Mai 1963 an die Deutsche Versicherungsanstalt Berlin zurückgeschickt hatte. Der VEB Pumpenfabrik S. hatte den Kläger mit Schreiben vom 9. Mai 1963 darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz erloschen ist. Vom 1. Oktober 1955 bis zum 28. Februar 1957 war der Kläger bei der Bereitschaftspolizei tätig. Seit dem 1. Mai 1995 erhält der Kläger von der Beklagten eine Regelaltersrente. Bei dieser werden die Zeiträume vom 1. September 1951 bis zum 30. Juni 1955 und vom 1. März 1957 bis zum 16. März 1963 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und der Zeitraum vom 1. Oktober 1955 bis zum 28. Februar 1957 als Zeit der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, der Organe der Feuerwehr und des Strafvollzugs berücksichtigt.
Am 8. Dezember 2010 beantragte der Kläger die Durchführung einer Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG. Unter dem 28. März 2011 teilte der Zusatzversorgungsträger der Beklagten mit, der Kläger sei bereits ab 17. März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystemen ausgetreten bzw. habe keinen Anspruch auf Zusatzversorgung gehabt. Mit Bescheid vom 4. April 2011 lehnte die Beklagte daraufhin die Durchführung der Vergleichsberechnung mit der Begründung ab, der Kläger sei bereits zum 17. März 1963 aus dem Versorgungssystem ausgeschieden. Ein Anspruch auf Versorgung habe zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht bestanden. Dagegen legte der Kläger am 18. April 2011 Widerspruch ein und berief sich zur Begründung auf § 1 Abs. 2 (gemeint: Abs. 1) Satz 2 AAÜG. Unter Bezugnahme auf Veröffentlichungen der Beklagten führte der Kläger aus, auch wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Versorgungssystem vor Entstehen des Versorgungsanspruchs geendet habe, bleibe die im Versorgungssystem zurückgelegte Zeit – einschließlich etwaiger Vorsystemzeiten – eine Zeit der Zugehörigkeit in diesem Versorgungssystem. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2011 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei bereits vor dem 30. Juni 1990 aus einem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden, so dass ein Anspruch auf Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG nicht bestehe.
Gegen den ihm am 19. Juli 2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 2. August 2011 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27. Juli 2001 sei die Besitzschutzregelung des § 4 Abs. 4 AAÜG auf Rentenbeginnfälle bis zum 30. Juni 1995 ausgedehnt worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31. August 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte habe zu Recht die Ermittlung eines Besitzschutzbetrages als Grundlage der vom Kläger begehrten Neufeststellung der Altersrente abgelehnt. Das SG gehe dabei davon aus, dass der Kläger mit dem Antrag aus Dezember 2010 sinngemäß auch die Überprüfung der bisher ergangenen Rentenbescheide gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) beantragt habe. Die Beklagte habe indes bei Erlass der zur Überprüfung gestellten Rentenbescheide weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem falschen Sachverhalt im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausgegangen. § 4 Abs. 4 AAÜG sei eine Besitzschutzregelung für Zusatz- und Sonderversorgte der ehemaligen DDR mit einem Rentenbeginn vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995. Für den von dieser Regelung erfassten Personenkreis sei eine Vergleichsberechnung nach den Regelungen des am 31. Dezember 1991 geltenden Versorgungsrechts und Sozialversicherungsrechts durchzuführen. Dabei sei der (fiktive) Monatsbetrag zu errechnen, der sich als Summe aus der Versorgungsleistung und der Sozialversicherung ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließe, sei als Anwendungsvoraussetzung des § 4 Abs. 4 AAÜG stets vorab zu prüfen, ob nach den leistungsrechtlichen Bestimmungen des Versorgungssystems der Versorgungsfall bis zum Ablauf des 30. Juni 1995 eingetreten wäre, also die Versorgungsanwartschaft innerhalb dieses Zeitraumes zu einem Vollrecht auf Versorgung erstarkt wäre. Die Regelung im Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 9 Buchstabe b Satz 5 habe den Zweck, die früher Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigten des Beitrittsgebiets, die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung aus bundesrechtlicher Sicht nur eine Versorgungsanwartschaft hatten, den bereits damals Leistungsberechtigten gleichzustellen, falls ein Versorgungsfall fiktiv bis zum Ablauf des 30. Juni 1995 eintreten würde (BSG, Urteile vom 23. August 2005, B 4 RA 62/04 R; B 4 RA 52/04 R-; zitiert nach juris). Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe sich, dass der Berechtigte eine Anwartschaft auf Leistungen aus dem Zusatzversorgungssystem gehabt haben müsse, wobei auf den Zeitpunkt der Schließung dieser Systeme am 30. Juni 1990 abzustellen sei. Ein Anspruch auf Vergleichsberechnung könne daher nicht bestehen, wenn der Betreffende bereits vor dem 30. Juni 1990 aus einem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden sei.
Im vorliegenden Fall könne demnach kein Anspruch auf Vergleichsberechnung entstehen, weil der Kläger bereits vor dem 30. Juni 1990, nämlich am 17. März 1963, aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden sei. Dem stehe die vom Kläger in Bezug genommene Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift gelte, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsehen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Die gesetzliche Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG regele indes einen anderen Fall als die Vorschrift des § 4 Abs. 4 AAÜG über die Vornahme einer Vergleichsrentenberechnung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG wäre der Verlust der Anwartschaft auf Zusatzversorgung nur bis zum 16. März 1963 als nicht eingetreten zu behandeln, wenn der Kläger nach den anzuwendenden Regelungen des Zusatzversorgungssystems seinen Anspruch auf Zusatzversorgung durch das Ausscheiden am 17. März 1963 verloren hätte. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gelte jedoch nicht über das Datum des Ausscheidens hinaus fort, also nicht bis zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990. Eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem habe nach alledem am 30. Juni 1990 nicht bestanden und könne auch nicht über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert werden. Erforderlich wäre zudem die bindende Feststellung des Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme, dass eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem am 30. Juni 1990 bestanden habe. Auch an einer solchen fehle es vorliegend.
Gegen das ihm am 13. September 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. September 2012 Berufung beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weiter geleitet hat. Ergänzend und vertiefend hat er vorgetragen, dass der Betriebswechsel 1963 eine Folge des privat veranlassten Wechsels von S. nach W. gewesen sei. Somit sei er nach den Regeln des Versorgungssystems ausgeschieden und falle gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG in den Geltungsbereich dieses Gesetzes.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. August 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Rücknahme des Rentenbescheides vom 4. September 1995 und aller nachfolgenden Rentenbescheide eine Vergleichsberechnung durchzuführen, die Altersrente unter Zugrundelegung eines nach § 4 Abs. 4 AAÜG zu gewährenden Besitzschutzbetrages neu festzustellen und ihm darüber einen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 31. August 2012 zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Kläger sei bereits am 16. März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden. Es habe somit am 30. Juni 1990 kein Anspruch auf eine Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem bestanden. Damit seien bei der Rentenberechnung auch nicht die Vorschriften des Art. 4 § 4 AAÜG (gemeint § 4 Abs. 4 AAÜG) zu beachten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 11. Mai 2014, Schriftsatz der Beklagten vom 19. Mai 2014).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Senat verweist auf die ausführlich wiedergegebenen Entscheidungsgründe des SG, die er sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen macht, und führt das Folgende lediglich ergänzend und vertiefend aus. § 4 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2011 lauten wie folgt:
"Beginnt eine Rente nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1995 und hatte der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, am 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet, ist bei Zugehörigkeit zu einem
1. Zusatzversorgungssystem wenigstens der Monatsbetrag, der sich als Summe aus Rente und Versorgung auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrechts und der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990 ergibt,
2. Sonderversorgungssystem wenigstens der Monatsbetrag, der sich auf der Grundlage der am 31. Dezember 1991 maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990 ergibt,
höchstens jedoch der jeweilige Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 oder 2, um 6,84 vom Hundert zu erhöhen und solange zu zahlen, bis die nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch berechnete Rente diesen Betrag erreicht. Satz 1 gilt nur, wenn der Berechtigte oder die Person, von der sich die Berechtigung ableitet, einen Anspruch aus dem Versorgungssystem gehabt hätte, wenn die Regelungen der Versorgungssysteme weiter anzuwenden wären."
Kernargument für die Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs. 4 AAÜG im vorliegenden Fall ist der Umstand, dass der Kläger bereits im März 1963 aus dem Zusatzversorgungssystem der AVItech ausgeschieden ist. Dementsprechend und folgerichtig hatte er die Versorgungsurkunde seinerzeit an die Deutsche Versicherungsanstalt Berlin zurückgeschickt. Er hätte also keinen Anspruch aus dem Versorgungssystem mehr gehabt, wenn die Regelungen der Versorgungssysteme weiter anzuwenden gewesen wären. Völlig zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die vom Kläger in Bezug genommene Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG den geltend gemacht Anspruch nicht stützt. Nach dieser Vorschrift gilt, soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsehen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Die gesetzliche Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG regelt einen anderen Fall als die Vorschrift des § 4 Abs. 4 AAÜG über die Vornahme einer Vergleichsberechnung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist der Verlust der Anwartschaft auf Zusatzversorgung nur für den Zeitraum bis zum 16. März 1963 als nicht eingetreten zu behandeln. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gilt jedoch nicht über das Datum des Ausscheidens hinaus fort, also nicht bis zum Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990. Eine Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem bestand am 30. Juni 1990 demnach nicht und kann auch nicht über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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