L 9 AS 274/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 5608/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 274/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung eines zweckgebundenen Darlehens zur Anschaffung eines Motorrollers in Höhe von 990 Euro.

Der 1979 geborene Kläger Ziffer 1 und die Klägerin Ziffer 2, seine 1982 geborene Lebensgefährtin, sind die Eltern der 2005 geborenen Klägerin Ziffer 3 und der 2008 geborenen Klägerin Ziffer 4. Sie beziehen seit 2005 bzw. seit ihrer Geburt (ergänzende) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Nach einem Umzug im Juli 2011 nach O. schloss der Kläger Ziffer 1 am 23.08.2011 einen Arbeitsvertrag mit der E. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) für die Zeit vom 01.09.2011 bis 30.09.2012. Der Beklagte gewährte dem Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 20% des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts ab 01.09.2011 für die Dauer von zwei Monaten. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 29.02.2012 durch den Arbeitgeber gekündigt.

Am 01.09.2011 sprach die Klägerin Ziffer 2 persönlich beim Beklagten vor und reichte den Arbeitsvertrag des Klägers Ziffer 1 ein. Mit Schreiben vom 01.09.2011, beim Beklagten eingegangen am 02.09.2011, beantragte der Kläger Ziffer 1 unter Bezugnahme auf die bereits erfolgte Vorsprache der Klägerin Ziffer 2 die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 1.000 Euro zum nächstmöglichen Termin. Wie bereits durch die Klägerin Ziffer 2 mitgeteilt worden sei, habe er einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Er werde im 5-Schichtbetrieb in O. eingesetzt, müsse momentan um 4.45 Uhr vor Ort sein. Er wolle einen Motorroller (50 ccm) anschaffen, mit dem könne er in ca. 40 Minuten vor Ort sein. Er habe derzeit das Auto seiner Eltern, dies aber nur noch in der laufenden Woche, maximal auch noch in der Folgewoche zur Verfügung. Auf diesem Schreiben des Klägers Ziffer 1 hat die Klägerin Ziffer 2 bei einer erneuten persönlichen Vorsprache beim Beklagten handschriftlich notiert "Hiermit bestätige ich, dass ich mit 990,00 Euro einverstanden bin. O., 07.09.11 T.".

Mit Bescheid vom 07.09.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Ziffer 1 für die Anschaffung eines Motorrollers ein zweckgebundenes Darlehen in Höhe von 990 Euro. Als Darlehensbedingungen wurde u.a. aufgeführt, dass das Darlehen zinslos sei und es ab dem auf den Monat der Darlehensgewährung folgenden Monat in Höhe von 50 Euro monatlich zurückzuzahlen sei. Noch am 07.09.2011 veranlasste der Beklagte die Auszahlung des Betrages in Höhe von 990 Euro auf das von den Klägern für den laufenden Leistungsbezug angegebene Konto bei der C., die Gutschrift auf dem Konto der Kläger erfolgte einige Tage später im September 2011. Das Konto befand sich zu diesem Zeitpunkt mehrere Tausend Euro im Soll. Am 20.10.2011 kündigte die C. den Dispositionskredit der Kläger.

Einen Motorroller haben die Kläger nicht angeschafft. Auch eine Rückzahlung bzw. Rückführung der Darlehenssumme mittels Aufrechnung bzw. Einbehalt ist bislang weder ganz noch teilweise erfolgt, aktuell im Hinblick auf das vorliegende Verfahren, zunächst im Hinblick auf anderweitige Erstattungsforderungen und diesbezügliche Einbehalte von den laufenden Leistungen. Mit einem Änderungs- und Erstattungsbescheid vom 07.10.2013 teilte der Beklagte den Klägern den aktuellen Stand der Rückforderungen mit 621,36 Euro (ohne Darlehen in Höhe von 990 Euro) mit. Am 11.10.2013 übersandte der Beklagte den Klägern unter Bezugnahme auf deren E-Mailanfrage vom 10.10.2013 zu dem Darlehen in Höhe von 990 Euro, die keiner der Beteiligten dem Senat mehr vorlegen konnte, eine Mehrfertigung des Bescheides vom 07.09.2011 mit dem handschriftlichen Vermerk, dass die Kläger die Darlehenssumme am 13.09.2011 erhalten hätten.

Am 08.11.2013 legten die Kläger Ziffer 1 und 2 Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.09.2011 ein. Diesen Bescheid hätte der Beklagte erstmals mit dem Schreiben vom 11.10.2013 zugeschickt. Das Darlehen sei laut handschriftlichem Zusatz auf dem Schreiben am 13.09.2011 ausgezahlt worden. Warum es erst zu diesem Datum überwiesen worden sei, sei nicht nachvollziehbar, denn Arbeitsbeginn sei der 01.09.2011 gewesen. Auch sei bekannt gewesen, dass sie mit der Bank Probleme gehabt hätten. Die Bank habe die sofortige Rückzahlung des Dispokredits gefordert, diesen zum 20.09.2011 gekündigt. Alle eingehenden Zahlungen seien von der Bank einbehalten worden, auch das Darlehen für den Motorroller. Sie hätten den Roller nie gekauft.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Der Widerspruch sei unzulässig. Mit Bescheid vom 07.09.2011 sei auf den Antrag vom 01.09.2011 ein Darlehen zur Anschaffung eines Motorrollers in Höhe von 990 Euro gewährt und das Darlehen noch am gleichen Tag zur Auszahlung angewiesen worden. Der Bescheid sei bereits am 07.09.2011 zugegangen, da er an diesem Tag der Klägerin Ziffer 2 übergeben worden sei. Sie habe dies mit Unterschrift auf dem Aktenstück bestätigt. Die Widerspruchsfrist sei daher versäumt. Im Übrigen sei den Klägern das Darlehen nach ihren eigenen Angaben am 13.09.2011 zugegangen. Wäre der Bescheid nicht bekannt gewesen, hätte doch eine Rückfrage erfolgen müssen, worum es sich bei dem Betrag handle. Das Vorbringen, der Bescheid sei nicht früher zugegangen, werde als bloße Schutzbehauptung angesehen. Selbst eine Überprüfung nach § 44 SGB X sei zwischenzeitlich nicht mehr möglich. Es seien auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass die Kläger ohne Verschulden an der Einhaltung der Widerspruchsfrist verhindert gewesen wären. Selbst wenn der Bescheid erst im Oktober 2013 wirksam geworden sein sollte, sei der Widerspruch auch unbegründet. Der Bewilligungsbescheid sei ausschließlich begünstigend, da die beantragte Leistung in vollem Umfang gewährt worden sei. Eine Beschwer sei nicht ersichtlich. Der Bescheid entspreche der gegebenen Sach- und Rechtslage.

Am 15.12.2013 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie vorgebracht, sie hätten das Darlehen nicht so rechtzeitig bekommen, dass sie es hätten zweckmäßig verwenden können. Der Kläger Ziffer 1 habe das Fahrzeug gebraucht, um zur Arbeitsstelle zu kommen. Das Darlehen sei auf das Girokonto bei der C. gezahlt worden, dieses sei gesperrt worden und als betreutes Konto hätten sie nicht mehr über Geld verfügen können. Alle Zahlungseingänge seien vorerst eingefroren worden. Im Oktober 2011 hätten sie von der C. kein Geld mehr ausgezahlt bekommen, auch nicht die 990 Euro. Handschriftlich vermerkt worden sei von einem Mitarbeiter des Beklagten, dass die Auszahlung am 13.09.2011 erfolgt sei. Die Klägerin Ziffer 2 könne sich nicht an Einzelheiten aus Herbst 2011 erinnern. Was sie auf dem Aktenstück damals unterschrieben habe, könne sie heute nicht mehr sagen. Einen Bescheid vom 07.09.2011 hätten sie nicht in ihren Unterlagen finden können. Der Widerspruch sei binnen eines Monats nach Erhalt der Mitteilung, dass die Auszahlung am 13.09.2013 (gemeint 2011) erfolgt sei, eingelegt und damit fristgerecht. Jedenfalls sei eine Überprüfung gemäß § 44 SGB X jederzeit rückwirkend möglich. Der Kläger Ziffer 1 habe ab 01.09.2011 die Arbeitsstelle antreten müssen. Wenn er das Geld bereits am 01.09.2011 erhalten hätte, wäre der Bewilligungsbescheid zu seinen Gunsten gewesen. Weiter haben die Kläger die Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhalt des Verwaltungsakten des Beklagten gerügt. Ein zunächst verfolgtes Begehren auf Einsichtnahme in die Verwaltungsakten haben die Kläger mit Schreiben vom 30.07.2014 ausdrücklich aufgegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Klägerinnen Ziffern 2 bis 4 sei die Klage bereits unzulässig. Der angefochtene Bescheid richte sich offensichtlich nicht an sie. Das Darlehen sei ausschließlich dem Kläger Ziffer 1 gewährt worden, auch die Rückzahlungsverpflichtung treffe ausschließlich ihn. Die Klägerinnen könnten daher von dem Bescheid nicht beschwert sein, es fehlt ihnen an der Klagebefugnis. Hinsichtlich des Klägers Ziffer 1 sei das Klagebegehren nach sachdienlicher Auslegung so zu verstehen, dass der Kläger von der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Beklagten in Höhe von 990 Euro entbunden werden wolle. Insoweit sei der Kläger beschwert und klagebefugt. Zwar sei die Gewährung eines Darlehens isoliert betrachtet begünstigend, aber die vom Beklagten gleichzeitig verfügte monatliche Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 50 Euro sei als Auflage im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X belastender Bestandteil des Verwaltungsakts. Diese Nebenbestimmung sei vorliegend nicht isoliert angreifbar, da es sich bei der Hauptentscheidung um eine Ermessensentscheidung handle. Die Klage sei damit zulässig, aber unbegründet. Die Kammer lasse offen, ob sich die Unbegründetheit bereits daraus ergebe, dass der Bescheid vom 07.09.2011 bindend geworden sei (§77 SGG). Insoweit könne offenbleiben, ob der Widerspruch dagegen tatsächlich verfristet gewesen sei. Denn der Bewilligungsbescheid vom 07.09.2011 sei einschließlich der darin enthaltenen Rückzahlungsverpflichtung rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sich im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens (§ 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB III) dazu entschließe, eine Leistung zur Eingliederung in Arbeit nur als Darlehen zu gewähren und die Rückzahlung dieses Darlehens abweichend von § 42a SGB II zu regeln. Der Rückzahlungsverpflichtung stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger den Motorroller nie gekauft und die 990 Euro somit nicht verwendet habe. Unabhängig davon, ob die Leistung zweckwidrig verwendet worden sei und der Bescheid damit hätte widerrufen werden können (§ 47 Abs. 2 Nr. 1 SGB X), sei die Darlehenssumme auf dem Konto der Kläger eingegangen. Offen bleiben könne, welche Folgen eine Kontosperrung für die Erfüllungswirkung hätte, denn die Kammer sei davon überzeugt, dass der Betrag von 990 Euro am 07.09.2011 zur Auszahlung angewiesen worden sei und damit vor der Kontosperrung bzw. Kündigung des Dispokredits bei den Klägern eingegangen sei.

Gegen den am 17.01.2015 den Klägern zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 22.01.2015 eingelegte Berufung der Kläger. Mit der Berufungseinlegung haben die Kläger darauf hingewiesen, dass der Kläger Ziffer 1 und die Klägerin Ziffer 2 nicht miteinander verheiratet sind. Eine weitere Begründung haben die Kläger nach Akteneinsicht angekündigt. Auf den Hinweis der Berichterstatterin vom 16.03.2015, dass die Möglichkeit bestehe, entweder auf der Geschäftsstelle des LSG oder im SG die Akten einzusehen, hierzu sollten sich die Kläger zwecks Vereinbarung des Orts und eines Termins melden, haben die Kläger lediglich gerügt, dass das Schreiben nicht eigenhändig von der Berichterstatterin, sondern kaum leserlich mit dem Zusatz "i.V." durch den Vorsitzenden des Senats unterzeichnet worden sei. Sie würden es deshalb ohne inhaltliche Prüfung zurückweisen.

Im weiteren Verlauf sind die Kläger darauf hingewiesen worden, dass das konkrete Ziel der Berufung fraglich erscheine, nachdem sie nach Aktenlage selbst ein Darlehen beantragt und die Rückzahlung in Raten über 50 Euro monatlich vereinbart hatten, das Geld auf dem von ihnen angegebenen Konto eingegangen und sie einen Roller davon nicht angeschafft haben. Ebenso wurde den Kläger mitgeteilt, dass der Bescheid vom 07.09.2011 durch die Bekanntgabe an die Klägerin Ziffer 2 bestandskräftig und bindend geworden sein könnte.

Hierauf haben die Kläger vorgetragen, der Betrag von 990 Euro sei jedenfalls auf das gepfändete Konto bei der C. ausgezahlt worden. Die Situation sei dem Beklagten bekannt gewesen, Hinweise hierauf würden sich zuhauf in der Verwaltungsakte befinden. Sie hätten um eine unkomplizierte Lösung gebeten, stattdessen nur "Messer in den Rücken" erhalten.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2015 aufzuheben und sie unter Abänderung des Bescheides vom 7. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2013 von der Verpflichtung zur Rückzahlung des gewährten Darlehens über 990 Euro vollständig zu entbinden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Berufungsverfahrens sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe des § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Das Klagebegehren ist zunächst auszulegen. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens wollen die Kläger von der Erstattung des Betrages von 990 Euro freigestellt sein. Dies kann sachdienlich nur so ausgelegt werden, dass die Kläger anstelle des gewährten, mit einer Rückzahlungspflicht verbundenen Darlehens einen Zuschuss begehren, der ihnen endgültig verbleibt.

Denn dem Kläger Ziffer 1 wurde ein Darlehen bewilligt und ausgezahlt. Die Kläger rügen zwar, dass die Auszahlung des Darlehens im Hinblick auf den Arbeitsbeginn am 01.09.2011 und im Hinblick auf eine Sperrung ihres Kontos bzw. der Kündigung ihres Dispositionskredits durch die Bank zu spät erfolgt sei, so dass sie den Darlehensbetrag nicht mehr hätten abheben und zweckentsprechend verwenden können. Gleichwohl wurde das Darlehen mit Erfüllungswirkung ausgezahlt. Der Darlehensbetrag wurde auf dem klägerischen Konto gutgeschrieben, was die Kläger selbst auch bestätigt haben, und damit die Leistung erbracht. Der Senat ist insoweit ebenso wie das SG der Überzeugung, dass die Gutschrift auf dem klägerischen Konto noch im September 2011 erfolgte und die Kläger zu diesem Zeitpunkt noch Zugriff auf ihr Konto hatten. Der Beklagte hat widerspruchsfrei unter Vorlage der Auszahlungsanordnung vom 07.09.2011 dargelegt, dass die Auszahlung an diesem Tag erfolgt ist und die Gutschrift aufgrund der üblichen Bearbeitungszeit wenige Tage danach, am 13.09.2011, auf dem Konto der Kläger erfolgt ist. Die Kontoauszüge liegen insoweit nicht mehr vor, nachdem sämtliche Kontoauszüge auf Antrag der Kläger aus der Verwaltungsakte entfernt wurden. Aber sämtliches zeitnahes Vorbringen der Kläger aus September bis November 2011 steht in Einklang mit den Angaben des Beklagten. So hat der Kläger Ziffer 1 letztmals mit Schreiben vom 13.09.2011 gerügt, am Freitag, den 09.09.2011, sei die Darlehenssumme noch nicht gutgeschrieben gewesen (Bl. 347 der Vermittlungsakte). Ausweislich der Lohnabrechnungen des Arbeitgebers des Klägers erfolgte die Zahlung für den Monat September, die laut Arbeitsvertrag Mitte Oktober fällig wurde, noch auf das Konto der Kläger bei der C., erst für den Folgemonat erfolgte eine Umstellung auf ein anderes Konto der Kläger (Bl. 353 und 357 der Vermittlungsakte). Mit dem Fortzahlungsantrag vom 29.09.2011 haben die Kläger keine Änderungen in der Bankverbindung angegeben und damit das Konto bei der C. weiterhin als Auszahlungskonto angegeben (Bl. 1569 ff. der Leistungsakte). Der Kontostand zu diesem Zeitpunkt war 5.556,46 Euro im Soll, bereits zum Zeitpunkt des vorherigen Fortzahlungsantrags vom 22.03.2011 war der Kontostand 5.945,42 Euro im Soll (Bl. 1391 ff der Leistungsakte). Erst mit Schreiben vom 28.10.2011 haben die Kläger eine neue Bankverbindung angegeben und mitgeteilt, dass die Bank nun ab 20.10.2011 den Dispositionskredit gekündigt habe. Am 27.10.2011 seien noch Zahlungen eingegangen, deren Abhebung am 28.10.2011 nicht mehr möglich gewesen seien (Bl. 1601f der Leistungsakte).

Erstmals im November 2013 haben die Kläger mit ihrem Widerspruch angegeben, bereits am 20.09.2011 sei eine Kontosperrung durch die Bank erfolgt, so dass sie auf den Betrag von 990 Euro nicht mehr hätten zugreifen können. Nachdem dieser Vortrag mehr als zwei Jahre nach der Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages liegt und im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten, zur Aktenlage und zu den vorherigen Angaben der Kläger steht, hält der Senat sie für unzutreffend. Selbst wenn sie zutreffend wären, würde sich keine andere Bewertung ergeben. Denn es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift der 990 Euro auf dem Konto der Kläger ein positiver Kontostand ergeben hat (vgl. zur Berücksichtigung einer Gutschrift als Einkommen: BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 10/14 R - Juris). Der Erfüllungswirkung einer Leistung nach dem SGB II entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) steht auch nicht entgegen, dass eine Leistung auf ein gepfändetes, oder wie hier gesperrtes, Konto überwiesen wird (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.01.2014 - L 19 AS 2306/13 B - Juris).

Die Kläger fordern mit ihrer Klage und Berufung auch nicht die Auszahlung einer Leistung in Höhe von 990 Euro, sondern wenden sich gegen den Bescheid vom 07.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2013 insoweit, als darin die Verpflichtung zur Rückzahlung des Betrages von 990 Euro geregelt wird. Ihr Ziel ist nicht die bloße Abänderung der verfügten Rückzahlungsmodalitäten, sondern die vollständige Freistellung von einer Rückzahlungsverpflichtung. Dies kommt in dem von den Klägern formulierten Antrag laut Klageschrift vom 15.12.2013 deutlich zum Ausdruck: "uns somit von Zahlung der 990,00 EUR an das Jobcenter zu entbinden". Damit ist die Klage der Kläger als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Umwandlung des gewährten Darlehens in einen (verlorenen) Zuschuss auszulegen. Sie ist im Ergebnis darauf gerichtet, die als Darlehen erhaltene Summe endgültig behalten zu dürfen.

In Bezug auf die Klägerinnen Ziffer 2 bis 4 war die Klage bereits unzulässig, weil diesen das Darlehen nicht gewährt wurde und sie nicht von der Rückzahlungsverpflichtung betroffen sind, gegen die sich die Klage richtet. Der Bescheid vom 07.09.2011 ist ausschließlich an den Kläger Ziffer 1 gerichtet, dies entspricht auch dem Antrag auf Gewährung des Darlehens, der ausschließlich für den Kläger Ziffer 1 gestellt wurde, sowie dem Zweck des zweckgebundenen Darlehens. Dieses war für die Anschaffung eines Motorrollers bestimmt, mit dem der Kläger Ziffer 1 den Einsatzort für seine am 01.09.2011 aufgenommene Arbeitstätigkeit aufsuchen wollte.

Auch die Klage des Klägers Ziffer 1 war unzulässig. Zwar war sie als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 SGG statthaft. Denn soweit eine Leistung darlehensweise in der Handlungsform des Verwaltungsakts gewährt worden ist und der Leistungsempfänger der Auffassung ist, er habe Anspruch auf Leistungen ohne Rückzahlungsverpflichtung (also als Zuschuss), ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 42a, Rn. 46). Mit einer nur darlehensweisen Bewilligung der Leistungen spricht der Leistungsträger einem Hilfebedürftigen nicht die von ihm begehrte Leistung mit einer ggf. isoliert anfecht- und aufhebbaren Nebenbestimmung gemäß § 32 SGB X zu, sondern gewährt etwas anderes, ein sog. aliud (Greiser a.a.O.). Ein solches aliud hat der Kläger aber weder beantragt, noch wurde es vom Beklagten abgelehnt. Damit fehlt es an der Klagebefugnis.

Eine Klagebefugnis bei der Verpflichtungsklage ist grundsätzlich gegeben, wenn der Kläger mit seinem Antrag im Verwaltungsverfahren nicht oder nicht voll durchgedrungen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 Rn. 22). Vorliegend hat der Kläger Ziffer 1 über persönliche Vorsprachen der Klägerin Ziffer 2 am 01. und 07.09.2011 sowie ein von ihm selbst verfasstes Schreiben vom 01.09.2011 beim Beklagten ausdrücklich die Gewährung eines Darlehens beantragt. Genau ein solches wurde ihm mit Bescheid vom 07.09.2011 gewährt. Es ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass der Kläger Ziffer 1 beim Beklagten einen verlorenen Zuschuss beantragt hätte. Vielmehr enthält das Schreiben des Klägers Ziffer 1 ausdrücklich das Begehren auf Gewährung eines Darlehens, der Vermerk der Klägerin Ziffer 2 auf diesem Schreiben bezieht sich auch auf ein Darlehen und im Nachgang dazu hat der Kläger Ziffer 1 in einem Schreiben vom 13.09.2011 ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass über die Rückzahlung des Darlehens keine Unklarheiten mehr bestehen dürften, nachdem sich die Klägerin Ziffer 2 bei ihrer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 07.09.2011 in diesem Zusammenhang ausdrücklich mit der Rückführung des Darlehens in Höhe von monatlich 50 Euro in Form eines Einbehalts von den laufenden Leistungen einverstanden erklärt habe (Bl. 345-347 der Vermittlungsakte). Wenn aber der Antrag des Klägers Ziffer 1 von Anfang an ausschließlich auf die Gewährung eines Darlehens gerichtet war, was bereits denklogisch mit einer Verpflichtung zur Rückzahlung verbunden ist, und der Beklagte über die Gewährung eines Zuschusses anstelle eines Darlehens mangels eines solchen Antrags nicht entschieden hat, ist eine entsprechende Beschwer des Klägers nicht gegeben. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger Ziffer 1 sich nicht gegen die im Bescheid vom 07.09.2011 geregelten Rückzahlungsmodalitäten wendet - auch diese entsprachen im Übrigen nach den eigenen Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 13.09.2011 den zwischen dem Beklagten und den Klägern getroffenen Absprachen -, sondern gegen die Rückzahlungsverpflichtung an sich und damit gegen die Gewährung eines Darlehens als solches. Dies entsprach aber gerade dem Antrag des Klägers.

Überdies ist der Bescheid vom 07.09.2011 bindend geworden, § 77 SGG. Zwar trägt der Kläger vor, von dem Bescheid vom 07.09.2011 persönlich erst infolge der Übersendung einer Mehrfertigung mit Schreiben vom 11.10.2013 Kenntnis genommen zu haben. Gleichwohl wurde der Bescheid ihm gegenüber bereits am 07.09.2011 wirksam bekannt gegeben. Dies erfolgte zumindest durch die Bekanntgabe an die Klägerin Ziffer 2, welche der Kläger Ziffer 1 gegen sich gelten lassen muss. Dieser wurde der Bescheid im Rahmen ihrer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 07.09.2011 unmittelbar übergeben und sein Inhalt zur Kenntnis gegeben.

Dass eine solche Bekanntgabe erfolgt ist, steht für den Senat aufgrund der Angaben des Beklagten, dass die Klägerin Ziffer 2 den Bescheid am 07.09.2011 ausgehändigt erhalten und dies auf dem Aktenexpemlar des Bescheides durch Unterschrift bestätigt hat, sowie aufgrund der Unterschrift der Klägerin Ziffer 2 auf dem Aktenexemplar des Bescheides, das sich in den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten befindet, fest. Die Kläger haben diese Bekanntgabe auch nicht bestritten, sie haben lediglich angegeben, die Klägerin Ziffer 2 könne sich nicht mehr an alle Vorgänge aus Herbst 2011 erinnern.

Die Klägerin Ziffer 2 hat bei der Bekanntgabe des an den Kläger Ziffer 1 gerichteten Bescheides als gewillkürte Vertreterin des Klägers Ziffer 1 gehandelt, § 13 SGB X. Die Bekanntgabe an sie ist deshalb auch als Bekanntgabe an den Kläger Ziffer 1 wirksam, § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Das Vorliegen einer entsprechenden Vertretungsmacht folgt für den Senat daraus, dass der Kläger Ziffer 1 in seinem Antragsschreiben vom 01.09.2011 auf die bereits an diesem Tag insoweit erfolgte persönliche Vorsprache der Klägerin Ziffer 2 unter Vorlage seines Arbeitsvertrags Bezug genommen hat. Auch in seinem weiteren Schreiben an den Beklagten vom 13.09.2011 hat der Kläger Ziffer 1 nochmals hinsichtlich des Darlehens und der Rückzahlungsmodalitäten auf die zwischen dem Beklagten und der Klägerin Ziffer 2 geführten Gespräche Bezug genommen. Die Ausführungen im Schreiben vom 13.09.2011 legen es nahe, dass auch der Kläger Ziffer 1 bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Inhalt des Bescheides vom 07.09.2011 hatte. Jedenfalls aber belegen die Äußerungen gegenüber dem Beklagten im Vorfeld und im Nachgang zum Bescheiderlass am 07.09.2011, dass der Kläger Ziffer 1 die Klägerin Ziffer 2 dazu bevollmächtigt hatte, stellvertretend für ihn im Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Darlehens tätig zu sein und dementsprechend auch den Bewilligungsbescheid in Empfang zu nehmen. Mithin war der erst am 08.11.2013 eingelegte Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 07.09.2011 verfristet und wurde zu Recht vom Beklagten mit der Begründung, er sei unzulässig, zurückgewiesen. Die einmonatige Widerspruchsfrist nach Bekanntgabe des Bescheides aus § 84 SGG war zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung lange abgelaufen.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klage auch unbegründet war. Allein aus dem Vorbringen, die Auszahlung des Darlehens später als gewünscht erhalten und deshalb keinen Motorroller angeschafft zu haben, folgt noch kein Anspruch darauf, den als Darlehen bewilligten und ausgezahlten Betrag behalten zu dürfen. Unabhängig davon, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen des vom Beklagen herangezogenen § 16f SGB II (in der hier noch anzuwendenden bis 31.03.2012 geltenden Fassung; a.F.) oder des § 16 SGB II a.F. i.V.m. den Regelungen des SGB III für eine Leistungsgewährung vorlagen - insoweit erscheint es sehr zweifelhaft, ob die Erbringung einer Leistung zur beruflichen Eingliederung des Klägers Ziffer 1 überhaupt notwendig war, nachdem der Kläger Ziffer 1 die Beschäftigung zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits aufgenommen hatte, trotz Gewährung des Darlehens keinen Motorroller angeschafft und dennoch die Tätigkeit bis Februar 2012 ausgeübt hat - steht jedenfalls Art und Umfang der Leistung im Ermessen des Beklagten. Hier hat das SG bereits zutreffend ausgeführt, dass es im Rahmen der Ermessensausübung nicht zu beanstanden ist, eine Leistung als Darlehen zu erbringen; dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene ausschließlich ein Darlehen beantragt.

Die Berufung ist damit insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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