L 9 AS 583/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 664/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 583/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die gerichtliche Klärung der Frage, ob der Beklagte dazu berechtigt ist, klägerische E-Mails nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zu bearbeiten und zu berücksichtigen.

Der 1979 geborene Kläger Ziffer 1 und die Klägerin Ziffer 2, seine 1982 geborene Lebensgefährtin, sind die Eltern der 2005 geborenen Klägerin Ziffer 3 und der 2008 geborenen Klägerin Ziffer 4. Sie beziehen seit 2005 bzw. seit ihrer Geburt (ergänzende) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit E-Mail und Schreiben jeweils vom 04.06.2013 teilte die Persönliche Ansprechpartnerin (PAP) der Kläger diesen mit, dass sie E-Mails der Kläger zukünftig nur noch bearbeite und berücksichtige, wenn diese ihr direkt zugesandt würden ohne Umwege über die Email-Adresse "Amt34", wenn auch ihre E-Mails von den Klägern bearbeitet und höflich beantwortet würden und keine Verunglimpfungen ihrer Person stattfänden.

Am 03.07.2013 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 19 AS 2989/13). Zur Begründung haben sie unter Bezugnahme auf das Schreiben ihrer PAP vom 04.06.2013 vorgetragen, es stelle sich die Frage, weshalb die Leistungsabteilung einerseits per E-Mail nur an die Adresse "Amt34" angeschrieben werden könne, andererseits die PAP nur E-Mails an ihre persönliche Adresse wünsche. Sie hätten die Erfahrung gemacht, wenn man persönlich vorbei komme ohne Beistand/Zeugen, werde man sowieso immer nur übers Ohr gehauen. Die PAP schreibe, sie wolle keine Verunglimpfungen ihr gegenüber, dies sei ein hässliches Wort. Die Kläger haben beantragt: " 1. Wir beantragen hiermit weiterhin Nachweis (etwa Bewerbungsnachweise) per E-Mail schicken zu dürfen, Faxe sind doch schon teuer bei dem Aufkommen Anliegen, was beim Jobcenter erforderlich ist. Wir sind nicht verpflichtet, Schreiben wie "Sie können außerhalb des Ortenaukreises wegziehen und haben wieder eine frische, neue Akte als alter Kunde" hinzunehmen. Das darf der jeweilige Mitarbeiter jemandem anderen raten. Letzte Monate kam wirklich nur Quatsch an Schreiben. 2. Auch beantragen wir die Aufklärung wo sich ein Mitarbeiter des Staates das Recht herausnimmt, offiziell zu sagen (schreiben) "ich ignoriere es". Das wurde mir in persönlichem Gespräch am 05.06.2013 von Frau K. gesagt, sie klickt das einfach weg meinte die. 3. Gleichzeitig möchten wir der Sache auf den Grund gehen, was aus Ihrer Sicht Verunglimpfungen sind, wann das vorgekommen ist und warum. Aufklärung bitte. 4. Beantragt wird Entschädigung für unseren Aufwand in Höhe von 10,00 Euro.".

Mit Beschluss vom 30.07.2013 hat das SG auf Antrag der Kläger das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schreiben vom 10.02.2014 hat der Beklagte das Verfahren wieder angerufen, es ist unter dem Aktenzeichen S 3 AS 664/14 fortgeführt worden. Der sodann ins Klageverfahren eingeschaltete Prozessvertreter hat nach Einsicht in die Gerichtsakten mitgeteilt, dass weiterer Vortrag nicht beabsichtigt sei. Das SG hat darauf hingewiesen, dass der Klagegegenstand unklar sei im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG und sofern es sich um eine Feststellungsklage handle, das Rechtschutzbedürfnis fehlen dürfte. Auch hierauf erfolgte kein weiterer Vortrag der Kläger bzw. ihres Bevollmächtigten.

Entsprechend vorheriger Ankündigung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2015 abgewiesen. Da der Sachverhalt - soweit möglich - geklärt sei und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweise, könne das Gericht durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Klage sei unzulässig und bereits deshalb abzuweisen, weil entgegen § 92 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet sei. Danach müsse die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Auch wenn daran keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien, müsse der Kläger sein Begehren doch so umzeichnen, dass das Gericht dem Vortrag ein konkretes Begehren entnehmen könne. Diesen Anforderungen genüge der klägerische Vortrag trotz gerichtlichen Hinweises darauf nicht. Vielmehr erschöpfe sich dieser in allgemeinen Hinweisen auf die aus Sicht der Kläger ungerechte Behandlung durch den Beklagten und insbesondere die Sachbearbeiter K. und D. Welches konkrete Begehren mit diesem Vortrag verfolgt werde, verbleibe in Kenntnis der Kläger und werde dem Gericht nicht klar. Selbst wenn man zugunsten der Kläger bei großzügiger Auslegung (§ 123 SGG) davon ausgehe, dass die Kläger die Feststellung begehrten, dass sie weiterhin berechtigt seien, Nachweise wie z.B. Bewerbungsnachweise per E-Mail zu schicken, sei die Klage ebenfalls unzulässig. Denn auch wenn man unterstelle, dass es sich dabei um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG handle, fehle der Klage dann das Feststellungsinteresse. Dies könne jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeler Art sein. Eine solches könne die Kammer vorliegend aber nicht erkennen. Denn die Frage, in welcher Form Nachweise erbracht werden dürften, sei in den jeweiligen Hauptsacheverfahren zu klären, in denen es um Bescheide gehe, für die Nachweise erbracht werden sollten. Sofern die Kläger der Auffassung seien, dass sie berechtigt seien, Nachweise in der von ihnen bevorzugten Form einzureichen, könne ihnen zugemutet werden, den Rechtsweg gegen etwaige belastende Entscheidungen des Beklagten zu ergreifen. Diese Möglichkeit hätten sie ja auch schon häufig genutzt.

Gegen den am 19.01.2015 dem damaligen Klägerbevollmächtigten zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19.02.2015 zur Fristwahrung eingelegte Berufung der Kläger. Antragstellung und Begründung haben sich die Kläger einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten, aber nicht vorgelegt. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 25.06.2015 mangels Vorlage der Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger sowie mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Januar 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, klägerische E-Mails nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zu bearbeiten und zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als bereits unzulässig abgewiesen. Zwar hat das SG durch Gerichtsbescheid entschieden, obwohl das Begehren der Kläger nicht in eindeutige Anträge gefasst war. Allerdings hat das SG die im Klageverfahren zuletzt anwaltlich vertretenen Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Klagegegenstand unklar und die Klage wegen Fehlen der Mindestvoraussetzungen im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG unzulässig sei, ebenso bei meistbegünstigender Auslegung als Feststellungsklage unzulässig sei. Trotzdem haben die Kläger ihr Klagebegehren nicht weiter konkretisiert. Vor diesem Hintergrund hat das SG zu Recht das Vorbringen der Kläger ausgelegt. Auch aus Sicht des Senats stellt das Vorbringen der Kläger bei keiner der in Betracht kommenden Auslegungsvarianten eine zulässige Klage dar.

Die Kläger wenden sich weder gegen einen konkreten Verwaltungsakt des Beklagten noch begehren sie den Erlass eines solchen, ebenso wenig beanspruchen sie eine konkrete Leistung. Damit kann das Begehren weder als Anfechtungs- noch als Verpflichtungsklage ausgelegt werden.

Das Begehren der Kläger kann als allgemeine Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage oder als vorbeugende Feststellungsklage ausgelegt werden, die Klage ist aber in beiden möglichen Auslegungen unzulässig.

Nach den Angaben der Kläger in der Klageschrift war Anlass der Klage die Ankündigung einer Mitarbeiterin des Beklagten, zukünftig klägerische E-Mails nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zu bearbeiten und zu berücksichtigen. Die Kläger haben weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren vorgetragen und es ist auch nicht aus der Akte ersichtlich, dass es bereits dazu gekommen wäre, dass eine oder mehrere E-Mails entsprechend der Ankündigung unbearbeitet oder unberücksichtigt geblieben wären. Insoweit kann das Klagebegehren als vorbeugende Unterlassungsklage verstanden werden, mit der die Kläger erreichen wollen, dass die Mitarbeiter des Beklagten es zukünftig unterlassen, klägerische E-Mails unbearbeitet bzw. unberücksichtigt zu lassen. In dieser Auslegung ist die Klage deshalb unzulässig, weil es an dem für das vorbeugende Unterlassungsbegehren erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das besondere Zulässigkeitserfordernis bei vorbeugenden Unterlassungs- oder Feststellungsklagen ergibt sich daraus, dass das Rechtsschutzsystem des SGG auf die nachträgliche Überprüfung von Verwaltungshandeln ausgerichtet ist. Deshalb ist für eine vorbeugende Unterlassungsklage nur dann Raum, wenn die Verweisung auf nachträglich möglichen Rechtsschutz unzumutbar ist, zum Beispiel, weil ansonsten vollendete Tatsachen geschaffen werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 Rn. 42a). Hier sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass es den Klägern unzumutbar wäre, wenn tatsächlich eine E-Mail mit z.B. Bewerbungsnachweisen von Mitarbeitern des Beklagten unbearbeitet oder unberücksichtigt bleiben würde und darauf eine belastende Entscheidung des Beklagten gestützt würde, ggf. dagegen Rechtschutz in Anspruch zu nehmen. Das SG hat bereits zutreffend dazu ausgeführt, dass die Frage, in welcher Form Nachweise erbracht werden dürfen, in dem jeweiligen Hauptsacheverfahren zu klären ist, in dem es um den Bescheid geht, für den die Nachweise erbracht werden sollten. Die Kläger sind auf den Weg des nachträglichen Rechtschutzes zu verweisen. Es ist weder ersichtlich noch bis heute von den Klägern vorgetragen, dass ihnen ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen könnten.

Nichts anderes gilt, soweit man das Begehren der Kläger als Feststellungsklage auslegt, gerichtet auf die Feststellung, dass sie weiterhin berechtigt sind, Nachweise wie z.B. Bewerbungsnachweise per E-Mail an den Beklagten zu schicken. Auch insofern handelt es sich um eine vorbeugende Feststellungsklage, da sie zwar die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses betrifft, aber aufgrund einer Ankündigung des Beklagten eine belastende Maßnahme durch diesen bevorsteht. Auch insofern ist ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtschutzes gerichtetes Interesse erforderlich (Keller a.a.O. § 55 Rn. 8c). An einem solchen fehlt es aus den bereits zur vorbeugenden Unterlassungsklage genannten Gründen.

Soweit die Kläger die Erstattung ihrer Aufwendungen in Höhe von 10 Euro verlangen, ist das Begehren als auf die Tragung der außergerichtlichen Kosten durch den Beklagten gerichtet zu verstehen. Eine solche Kostentragung kommt mangels Erfolg von Klage und Berufung nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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