Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 4831/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 952/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner 1940 geboren und am 4. März 2013 verstorbenen und bei der Beklagten krankenversicherten Ehefrau (im Folgenden: Versicherte) die Erstattung der Kosten einer am 2. März 2011 durchgeführten Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomographie/Computertomographie (FDG-PET/CT) in Höhe von EUR 1.249,87.
Die Versicherte litt an einem Analkanalkarzinom sowie an einer Niereninsuffizienz Stadium III. Nach der Erstdiagnose im Januar 2010 erfolgte vom 17. Februar bis 1. April 2010 eine Radiochemotherapie des Analkarzinoms und der Lymphabflusswege im Klinikum L ... Im Herbst 2010 trat ein Rezidivkarzinom auf. Am 15. November 2010 erfolgte eine Metastasesektomie im Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Im November 2010 unterzog sich die Versicherte einer interstitiellen Brachytherapie mit simultaner Chemotherapie mit Cisplatin und Mitomycin sowie einer Sitzung regionärer Tiefenhyperthermie am 26. November 2010 in der Strahlenklinik des Universitätsklinikums E ... Prof. Dr. F. empfahl im Arztbrief vom 30. Dezember 2010 auf Grund der Tumorgröße des aktuell behandelten Rezidivs als auch der bekannten subkutanen Metastase eine palliative Chemotherapie sowie im Arztbrief vom 15. Februar 2011, eine MRT-Untersuchung des Beckens in ca. vier Wochen heimatnah durchführen zu lassen.
Die Versicherte beantragte unter dem 17. Februar 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine geplante PET-Diagnostik, die nachweisen solle, ob es sich bei ihrem Analkanalkarzinom um eine Narbenbildung nach Bestrahlung handele oder um vitales Tumorgewebe. Sie fügte einen Brief des Facharztes für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie Dr. A. vom 11. Februar 2011 bei. Darin führt dieser aus, dass nach Ansicht der Strahlenklinik des Universitätsklinikum E. nun eine weitere palliative Chemotherapie indiziert sei. Eine zusätzliche lokale Strahlentherapie wäre im Falle eines Rezidivs in Erwägung zu ziehen. Um den aktuellen Status der Tumorerkrankung nach erfolgter Therapie zu erfassen und ein mögliches Rezidiv rechtzeitig erkennen zu können, sei nun eine bildgebende Diagnostik notwendig. Die FDG-PET/CT erscheine hierzu besonders geeignet, da sie nicht nur Größenänderungen der bekannten Metastasen erfassen, sondern auch deren Stoffwechselaktivität quantifizieren und beurteilen könne. Änderungen der Stoffwechselaktivität, die ein Ansprechen und Nichtansprechen des Tumors auf die Therapie oder auch ein Tumorrezidiv anzeigten, könnten dabei häufig mit der PET deutlich früher beobachtet werden als Größenänderungen oder strukturelle Gewebsveränderungen, die auch mittels Magnetresonanztomographie (MRT) oder CT alleine darstellbar wären. Besonders schwierig in den morphologisch basierten Verfahren MRT und CT sei die Differenzierung von Narbengewebe und vitalem Tumorgewebe. Mit der PET könne dies anhand der Stoffwechselaktivität deutlich sicherer beurteilt werden. Somit könne gegebenenfalls früher eine optimale Anpassung der Therapie vorgenommen werden. Ebenso könnten mit Nebenwirkungen behaftete und kostenintensive Therapien vermieden werden, wenn diese sich anhand der FDG-PET als nicht indiziert oder erfolgreich erweisen würden. Erschwerend für eine CT- oder MRT-Untersuchung komme hinzu, dass die Nierenfunktion der Versicherten deutlich eingeschränkt sei. Das für die diagnostische Aussagekraft der CT- und MRT-Untersuchungen wesentliche Kontrastmittel würde die Versicherte einem stark erhöhten Risiko für eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zur Dialysepflichtigkeit (bei Gabe von CT-Kontrastmittel) bzw. für eine nephrogene systemische Fibrose mit potentiell letalem Ausgang (bei Gabe von MRT-Kontrastmittel) aussetzen. Für die PET-Untersuchung dagegen sei die Einschränkung der Nierenfunktion unerheblich. Da bereits eine FDG-PET/CT-Untersuchung als Ausgangsuntersuchung vor Therapie vorliege, wäre auch ohne Kontrastmittel eine hervorragende Vergleichbarkeit des Stoffwechselverhaltens von potentiellen Tumorläsionen gegeben. Er schätze die FDE-PET/CT-Untersuchung in diesem Fall als medizinisch notwendig, dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend und dem Prinzip der Kosteneffizienz genügend ein.
Auf Anfrage der Beklagen äußerte sich Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) unter dem 2. März 2011. Die vorliegenden Unterlagen reichten zur Begutachtung und zur Beantwortung der von der Beklagten gestellten Fragen nicht aus. Offenbar liege bei der Versicherten bereits ein Rezidiv mit Durchführung mehrfacher Therapien vor. Es sei daher davon auszugehen, dass umfangreiche Arztbriefe vorlägen, um deren Vorlage sie bitte.
Am 2. März 2011 erfolgte die FDG-PET/CT-Untersuchung der Versicherten im Institut für molekulare Bilddiagnostik in St. Hierfür wurde der Versicherten ein Betrag von EUR 1.249,87 in Rechnung gestellt (Rechnung vom 8. Mai 2014).
Dr. Sch. äußerte sich nach Vorlage der Arztbriefe des Prof. Dr. F. vom 30. Dezember 2010 und vom 15. Februar 2011 unter dem 30. März 2011. Sie führte aus, als vertragliche Untersuchungsmethode zur Größenbestimmung stehe neben CT auch ein MRT zur Verfügung. Diese Methode sei nicht ausgeschöpft. Bei dem örtlich weit fortgeschrittenen Analkarzinom, das nicht kurativ therapiert worden sei, sei von einer lebensbedrohlichen Erkrankung auszugehen. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei nach erneut durchgeführter Therapie jedoch aktuell nicht von einer akuten Lebensbedrohlichkeit auszugehen. Im vorliegenden Einzelfall liege im weiteren Verlauf sicher eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, zur Festlegung des weiteren Vorgehens stünden bei der Versicherten jedoch vertragliche diagnostische Methoden (MRT, CT) zur Verfügung. Aus sozialmedizinischen Gründen könne eine Kostenübernahme für die beantragte Methode nicht empfohlen werden.
Die Beklagte unterrichtete die Versicherte am 6. April 2011 telefonisch über das Ergebnis des Gutachtens der Dr. Sch. vom 30. März 2011 und lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 15. April 2011 unter Hinweis auf die Äußerung der Dr. Sch. ab.
Hiergegen erhob die Versicherte am 9. Mai 2011 Widerspruch. Der MDK sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei ihr eine MRT mit Kontrastmitteln durchgeführt werden könnte. Dies sei von vornherein nicht möglich gewesen, da ihre Nierenfunktion eingeschränkt gewesen sei und der Kreatininwert inzwischen auf 2,2 angestiegen sei. Das Risiko einer Nierenkomplikation wäre dabei mit einem Kontrastmittel stark erhöht gewesen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Versicherten mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 zurück. Eine Kostenübernahme sei nicht möglich, da der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die PET bei der vorliegenden Indikation nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Die PET werde privat außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und sei damit den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen. Der GBA habe die PET nur bei (1.) Bestimmung des Tumorstadiums von primären nicht kleinzelligen jungen Karzinomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen, (2.) Nachweis von Rezidiven (bei begründetem Verdacht) bei primären nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen, (3.) Charakterisierung von Lungenrundherden, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist, (4.) Bestimmung des Tumorstadiums von kleinzelligen Lungenkarzinomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen, es sei denn, dass vor der PET-Diagnostik ein kurativer Therapieansatz nicht mehr möglich sei, (5.) Nachweis eines Rezidivs (bei begründetem Verdacht) bei kleinzelligen Lungenkarzinomen, wenn die Patienten primär kurativ behandelt wurden und wenn durch andere bildgebende Verfahren ein lokales oder systemisches Rezidiv nicht gesichert oder ausgeschlossen werden konnte. Im vorliegenden Fall liege keine der vom GBA anerkannten Indikationen vor. Eine Kostenübernahme für die PET sei daher grundsätzlich nicht möglich. Eine Kostenübernahme komme auch nicht unter Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 – in juris) in Betracht. Mit CT und MRT stünden als vertragsärztliche Untersuchungsmethoden Alternativen zur Verfügung.
Hiergegen erhob die Versicherte am 18. August 2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie wiederholte die Ausführungen des Dr. A. aus seinem Schreiben vom 11. Februar 2011. Ergänzend trug sie vor, dass in ihrem Fall auch die vom BVerfG in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (a.a.O.) festgelegte Leistungserweiterung eingreife. Die Versicherte legte ein Schreiben des Ärztlichen Direktors der Klinik für Radioonkologie des Universitätsklinikums T., Prof. Dr. B., vom 7. September 2011 vor. Nach dem Tod der Versicherten führte ihr Ehemann das Verfahren fort.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen. Die Richtlinien des GBA hätten für sie verbindlichen Charakter. Solange der GBA keine positive Leistungsempfehlung ausgesprochen habe, bestehe aufgrund des sogenannten Erlaubnisvorbehalt keine Möglichkeit der Kostenerstattung bzw. Übernahme. Die Beklagte legte ein weiteres Gutachten der Dr. Sch. vom 2. Dezember 2014 vor, die bei ihrer Beurteilung verblieb.
Das SG hob mit Urteil vom 23. Februar 2015 den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2011 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Kosten für die am 2. März 2011 durchgeführte PET/CT Untersuchung in Höhe von EUR 1.249,87 zu erstatten. Der Anspruch folge aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Beklagte habe einen Anspruch der Versicherten zu Unrecht abgelehnt. Die Versicherte habe den Beschaffungsweg eingehalten, da sie vor Selbstbeschaffung der Untersuchung am 2. März 2011 am 17. Februar 2011 einen Antrag gestellt habe. Der Leistungsanspruch folge aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der Versicherten habe ein Analkanalkarzinomrezidiv und damit eine grundsätzlich lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Nach Abschluss der interstitiellen Brachytherapie mit simultaner Chemotherapie habe keine sichere Aussage getroffen werden können, ob diese Behandlung erfolgreich gewesen sei. Es sei daher dringend zu ermitteln gewesen, ob eine Rückbildung der Metastasen erfolgt sei oder ob bei einer Zunahme des Tumors weitere Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Zur Durchführung der notwendigen weiteren Diagnostik habe der Versicherten eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende vertragsärztliche Untersuchungsmethode nicht zur Verfügung gestanden. Die Durchführung einer MRT-Untersuchung sei infolge der fortgeschrittenen Niereninsuffizienz der Versicherten nicht sinnvoll gewesen, da zur Vermeidung von Nebenwirkungen durch Kontrastmittel deren Einsatz ausgeschlossen gewesen sei. Ohne Kontrastmittel sei jedoch die Aussagekraft der MRT bzw. CT deutlich eingeschränkt. Eine PET-Untersuchung sei nach der speziellen medizinischen Situation der Versicherten die einzig sinnvolle Untersuchungsmethode gewesen, um in der gebotenen Zeit und mit der gebotenen diagnostischen Sicherheit die Lokalisation und die Ätiologie der Veränderungen abzuklären. Durch den Einsatz der PET/CT-Untersuchung habe auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn vorgelegen.
Gegen das ihr am 2. März 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. März 2015 Berufung eingelegt. Die Versicherte habe den Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die Antragstellung allein vor Durchführung der PET/CT reiche hierfür nicht aus. Die PET/CT sei bereits am 2. März 2011 durchgeführt worden, die telefonische Ablehnung sei jedoch erst am 6. April 2011 erfolgt. Dies zeige, dass die Versicherte die Untersuchung auf jeden Fall habe durchführen lassen wollen, unabhängig von ihrer Entscheidung. Es fehle bereits an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Selbstbeschaffung. Um eine unaufschiebbare Leistung, die sie nicht rechtzeitig habe erbringen können, handele es sich bei der PET/CT auch nach Auffassung des SG nicht. Überdies habe sich das SG über die Stellungnahme des MDK hinweggesetzt, ohne ein eigenes medizinisches Gutachten einzuholen. Damit habe sich das SG eigenen medizinischen Sachverstand angemaßt, der bei ihm gar nicht vorhanden sein könne, und die vorhandenen medizinischen Unterlagen unzureichend ausgewertet. Es sei nicht nachgewiesen, dass die PET/CT vom 2. März 2011 notwendig gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da sich die Beklagte gegen eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als EUR 750,00 wendet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich gegen eine Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von EUR 1.249,87.
2. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger die Kosten der am 2. März 2011 durchgeführten PET/CT-Untersuchung in Höhe von EUR 1.249,87 zu erstatten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten.
a) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Bei Leistungen nach § 13 Abs. 3 SGB V handelt es sich auch um "laufende Geldleistungen", die der Sonderrechtsfolge gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) fähig sind (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R – in juris, Rn. 10 ff.; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 10 ff.; a.A. noch BSG, Urteil vom 25. August 2009 – B 3 KR 25/08 R – in juris, Rn 11; BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 24/05 R – in juris, Rn. 15; siehe auch den Anfragebeschluss des 1. Senats des BSG vom 8. November 2011 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 6 ff., auf den hin der 3. Senat des BSG seine Rechtsprechung mit Beschluss vom 15. März 2012 – B 3 KR 2/11 S – nicht veröffentlicht – aufgegeben hat), so dass der Kläger als Ehemann der Versicherten grundsätzlich einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V als Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I geltend machen kann.
b) Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für einen Kostenerstattungsanspruch liegen hier nicht vor.
aa) Der Kläger kann sich für sein Begehren nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Gewährung der streitigen Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Ein auf die unrechtmäßige Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nämlich regelmäßig aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – in juris, Rn. 16; zuletzt BSG, Beschluss vom 2. Juli 2015 – B 3 KR 3/15 BH – in juris, Rn. 9). So liegt der Fall hier, denn die Versicherte hat die PET/CT-Untersuchung am 2. März 2011 durchführen lassen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorgelegen hätte.
§ 13 Abs. 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen.
Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens – etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen – von vornherein feststeht (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – in juris, Rn. 19 m.w.N. auch zum Folgenden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – in juris, Rn. 16). Gesetzeswortlaut und -zweck lassen eine dahingehende Ausnahme nicht zu. § 13 Abs. 3 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Kasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist somit sachgerecht; sie liegt auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Es ist deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der Behandlung zu befinden. Da überdies unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung der Krankenkasse ausgehen darf, würden sich in zahlreichen Fällen schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben, durch die die Wahrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Sachleistung und Kostenerstattung gefährdet würde.
Auf die Frage, ob der Klägerin ein Sachleistungsanspruch hinsichtlich der FDG-PET/CT-Untersuchung zustand – sei es aus § 27 Abs. 1 SGB V oder aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. insofern BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – in juris) – kommt es vor dem geschilderten Hintergrund nicht an.
bb) Die Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Var. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – in juris, Rn. 23; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 19. Juni 2015 – L 4 KR 3035/14 – nicht veröffentlicht). Dass diese Voraussetzungen hier nicht vorlagen, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit liegen nicht vor. Vielmehr empfahl Prof. Dr. F. in seinem Arztbrief vom 15. Februar 2011 eine MRT-Untersuchung des Beckens der Versicherten in ca. vier Wochen heimatnah durchführen zu lassen. Dies bereits steht der Annahme einer Unaufschiebbarkeit entgegen. Die Versicherte hat im Übrigen den Ablauf dieser vier Wochen nicht abgewartet, sondern die Untersuchung bereits am 2. März 2011 durchführen lassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Das Verfahren ist für den Kläger als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I gemäß § 183 Satz 1 SGG kostenfrei.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner 1940 geboren und am 4. März 2013 verstorbenen und bei der Beklagten krankenversicherten Ehefrau (im Folgenden: Versicherte) die Erstattung der Kosten einer am 2. März 2011 durchgeführten Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomographie/Computertomographie (FDG-PET/CT) in Höhe von EUR 1.249,87.
Die Versicherte litt an einem Analkanalkarzinom sowie an einer Niereninsuffizienz Stadium III. Nach der Erstdiagnose im Januar 2010 erfolgte vom 17. Februar bis 1. April 2010 eine Radiochemotherapie des Analkarzinoms und der Lymphabflusswege im Klinikum L ... Im Herbst 2010 trat ein Rezidivkarzinom auf. Am 15. November 2010 erfolgte eine Metastasesektomie im Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Im November 2010 unterzog sich die Versicherte einer interstitiellen Brachytherapie mit simultaner Chemotherapie mit Cisplatin und Mitomycin sowie einer Sitzung regionärer Tiefenhyperthermie am 26. November 2010 in der Strahlenklinik des Universitätsklinikums E ... Prof. Dr. F. empfahl im Arztbrief vom 30. Dezember 2010 auf Grund der Tumorgröße des aktuell behandelten Rezidivs als auch der bekannten subkutanen Metastase eine palliative Chemotherapie sowie im Arztbrief vom 15. Februar 2011, eine MRT-Untersuchung des Beckens in ca. vier Wochen heimatnah durchführen zu lassen.
Die Versicherte beantragte unter dem 17. Februar 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine geplante PET-Diagnostik, die nachweisen solle, ob es sich bei ihrem Analkanalkarzinom um eine Narbenbildung nach Bestrahlung handele oder um vitales Tumorgewebe. Sie fügte einen Brief des Facharztes für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie Dr. A. vom 11. Februar 2011 bei. Darin führt dieser aus, dass nach Ansicht der Strahlenklinik des Universitätsklinikum E. nun eine weitere palliative Chemotherapie indiziert sei. Eine zusätzliche lokale Strahlentherapie wäre im Falle eines Rezidivs in Erwägung zu ziehen. Um den aktuellen Status der Tumorerkrankung nach erfolgter Therapie zu erfassen und ein mögliches Rezidiv rechtzeitig erkennen zu können, sei nun eine bildgebende Diagnostik notwendig. Die FDG-PET/CT erscheine hierzu besonders geeignet, da sie nicht nur Größenänderungen der bekannten Metastasen erfassen, sondern auch deren Stoffwechselaktivität quantifizieren und beurteilen könne. Änderungen der Stoffwechselaktivität, die ein Ansprechen und Nichtansprechen des Tumors auf die Therapie oder auch ein Tumorrezidiv anzeigten, könnten dabei häufig mit der PET deutlich früher beobachtet werden als Größenänderungen oder strukturelle Gewebsveränderungen, die auch mittels Magnetresonanztomographie (MRT) oder CT alleine darstellbar wären. Besonders schwierig in den morphologisch basierten Verfahren MRT und CT sei die Differenzierung von Narbengewebe und vitalem Tumorgewebe. Mit der PET könne dies anhand der Stoffwechselaktivität deutlich sicherer beurteilt werden. Somit könne gegebenenfalls früher eine optimale Anpassung der Therapie vorgenommen werden. Ebenso könnten mit Nebenwirkungen behaftete und kostenintensive Therapien vermieden werden, wenn diese sich anhand der FDG-PET als nicht indiziert oder erfolgreich erweisen würden. Erschwerend für eine CT- oder MRT-Untersuchung komme hinzu, dass die Nierenfunktion der Versicherten deutlich eingeschränkt sei. Das für die diagnostische Aussagekraft der CT- und MRT-Untersuchungen wesentliche Kontrastmittel würde die Versicherte einem stark erhöhten Risiko für eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zur Dialysepflichtigkeit (bei Gabe von CT-Kontrastmittel) bzw. für eine nephrogene systemische Fibrose mit potentiell letalem Ausgang (bei Gabe von MRT-Kontrastmittel) aussetzen. Für die PET-Untersuchung dagegen sei die Einschränkung der Nierenfunktion unerheblich. Da bereits eine FDG-PET/CT-Untersuchung als Ausgangsuntersuchung vor Therapie vorliege, wäre auch ohne Kontrastmittel eine hervorragende Vergleichbarkeit des Stoffwechselverhaltens von potentiellen Tumorläsionen gegeben. Er schätze die FDE-PET/CT-Untersuchung in diesem Fall als medizinisch notwendig, dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend und dem Prinzip der Kosteneffizienz genügend ein.
Auf Anfrage der Beklagen äußerte sich Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) unter dem 2. März 2011. Die vorliegenden Unterlagen reichten zur Begutachtung und zur Beantwortung der von der Beklagten gestellten Fragen nicht aus. Offenbar liege bei der Versicherten bereits ein Rezidiv mit Durchführung mehrfacher Therapien vor. Es sei daher davon auszugehen, dass umfangreiche Arztbriefe vorlägen, um deren Vorlage sie bitte.
Am 2. März 2011 erfolgte die FDG-PET/CT-Untersuchung der Versicherten im Institut für molekulare Bilddiagnostik in St. Hierfür wurde der Versicherten ein Betrag von EUR 1.249,87 in Rechnung gestellt (Rechnung vom 8. Mai 2014).
Dr. Sch. äußerte sich nach Vorlage der Arztbriefe des Prof. Dr. F. vom 30. Dezember 2010 und vom 15. Februar 2011 unter dem 30. März 2011. Sie führte aus, als vertragliche Untersuchungsmethode zur Größenbestimmung stehe neben CT auch ein MRT zur Verfügung. Diese Methode sei nicht ausgeschöpft. Bei dem örtlich weit fortgeschrittenen Analkarzinom, das nicht kurativ therapiert worden sei, sei von einer lebensbedrohlichen Erkrankung auszugehen. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei nach erneut durchgeführter Therapie jedoch aktuell nicht von einer akuten Lebensbedrohlichkeit auszugehen. Im vorliegenden Einzelfall liege im weiteren Verlauf sicher eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, zur Festlegung des weiteren Vorgehens stünden bei der Versicherten jedoch vertragliche diagnostische Methoden (MRT, CT) zur Verfügung. Aus sozialmedizinischen Gründen könne eine Kostenübernahme für die beantragte Methode nicht empfohlen werden.
Die Beklagte unterrichtete die Versicherte am 6. April 2011 telefonisch über das Ergebnis des Gutachtens der Dr. Sch. vom 30. März 2011 und lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 15. April 2011 unter Hinweis auf die Äußerung der Dr. Sch. ab.
Hiergegen erhob die Versicherte am 9. Mai 2011 Widerspruch. Der MDK sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei ihr eine MRT mit Kontrastmitteln durchgeführt werden könnte. Dies sei von vornherein nicht möglich gewesen, da ihre Nierenfunktion eingeschränkt gewesen sei und der Kreatininwert inzwischen auf 2,2 angestiegen sei. Das Risiko einer Nierenkomplikation wäre dabei mit einem Kontrastmittel stark erhöht gewesen.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Versicherten mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 zurück. Eine Kostenübernahme sei nicht möglich, da der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die PET bei der vorliegenden Indikation nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Die PET werde privat außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und sei damit den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen. Der GBA habe die PET nur bei (1.) Bestimmung des Tumorstadiums von primären nicht kleinzelligen jungen Karzinomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen, (2.) Nachweis von Rezidiven (bei begründetem Verdacht) bei primären nicht kleinzelligen Lungenkarzinomen, (3.) Charakterisierung von Lungenrundherden, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist, (4.) Bestimmung des Tumorstadiums von kleinzelligen Lungenkarzinomen einschließlich der Detektion von Fernmetastasen, es sei denn, dass vor der PET-Diagnostik ein kurativer Therapieansatz nicht mehr möglich sei, (5.) Nachweis eines Rezidivs (bei begründetem Verdacht) bei kleinzelligen Lungenkarzinomen, wenn die Patienten primär kurativ behandelt wurden und wenn durch andere bildgebende Verfahren ein lokales oder systemisches Rezidiv nicht gesichert oder ausgeschlossen werden konnte. Im vorliegenden Fall liege keine der vom GBA anerkannten Indikationen vor. Eine Kostenübernahme für die PET sei daher grundsätzlich nicht möglich. Eine Kostenübernahme komme auch nicht unter Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 – in juris) in Betracht. Mit CT und MRT stünden als vertragsärztliche Untersuchungsmethoden Alternativen zur Verfügung.
Hiergegen erhob die Versicherte am 18. August 2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie wiederholte die Ausführungen des Dr. A. aus seinem Schreiben vom 11. Februar 2011. Ergänzend trug sie vor, dass in ihrem Fall auch die vom BVerfG in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 (a.a.O.) festgelegte Leistungserweiterung eingreife. Die Versicherte legte ein Schreiben des Ärztlichen Direktors der Klinik für Radioonkologie des Universitätsklinikums T., Prof. Dr. B., vom 7. September 2011 vor. Nach dem Tod der Versicherten führte ihr Ehemann das Verfahren fort.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen. Die Richtlinien des GBA hätten für sie verbindlichen Charakter. Solange der GBA keine positive Leistungsempfehlung ausgesprochen habe, bestehe aufgrund des sogenannten Erlaubnisvorbehalt keine Möglichkeit der Kostenerstattung bzw. Übernahme. Die Beklagte legte ein weiteres Gutachten der Dr. Sch. vom 2. Dezember 2014 vor, die bei ihrer Beurteilung verblieb.
Das SG hob mit Urteil vom 23. Februar 2015 den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2011 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Kosten für die am 2. März 2011 durchgeführte PET/CT Untersuchung in Höhe von EUR 1.249,87 zu erstatten. Der Anspruch folge aus § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Var. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Beklagte habe einen Anspruch der Versicherten zu Unrecht abgelehnt. Die Versicherte habe den Beschaffungsweg eingehalten, da sie vor Selbstbeschaffung der Untersuchung am 2. März 2011 am 17. Februar 2011 einen Antrag gestellt habe. Der Leistungsanspruch folge aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Bei der Versicherten habe ein Analkanalkarzinomrezidiv und damit eine grundsätzlich lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Nach Abschluss der interstitiellen Brachytherapie mit simultaner Chemotherapie habe keine sichere Aussage getroffen werden können, ob diese Behandlung erfolgreich gewesen sei. Es sei daher dringend zu ermitteln gewesen, ob eine Rückbildung der Metastasen erfolgt sei oder ob bei einer Zunahme des Tumors weitere Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Zur Durchführung der notwendigen weiteren Diagnostik habe der Versicherten eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende vertragsärztliche Untersuchungsmethode nicht zur Verfügung gestanden. Die Durchführung einer MRT-Untersuchung sei infolge der fortgeschrittenen Niereninsuffizienz der Versicherten nicht sinnvoll gewesen, da zur Vermeidung von Nebenwirkungen durch Kontrastmittel deren Einsatz ausgeschlossen gewesen sei. Ohne Kontrastmittel sei jedoch die Aussagekraft der MRT bzw. CT deutlich eingeschränkt. Eine PET-Untersuchung sei nach der speziellen medizinischen Situation der Versicherten die einzig sinnvolle Untersuchungsmethode gewesen, um in der gebotenen Zeit und mit der gebotenen diagnostischen Sicherheit die Lokalisation und die Ätiologie der Veränderungen abzuklären. Durch den Einsatz der PET/CT-Untersuchung habe auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn vorgelegen.
Gegen das ihr am 2. März 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. März 2015 Berufung eingelegt. Die Versicherte habe den Beschaffungsweg nicht eingehalten. Die Antragstellung allein vor Durchführung der PET/CT reiche hierfür nicht aus. Die PET/CT sei bereits am 2. März 2011 durchgeführt worden, die telefonische Ablehnung sei jedoch erst am 6. April 2011 erfolgt. Dies zeige, dass die Versicherte die Untersuchung auf jeden Fall habe durchführen lassen wollen, unabhängig von ihrer Entscheidung. Es fehle bereits an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Selbstbeschaffung. Um eine unaufschiebbare Leistung, die sie nicht rechtzeitig habe erbringen können, handele es sich bei der PET/CT auch nach Auffassung des SG nicht. Überdies habe sich das SG über die Stellungnahme des MDK hinweggesetzt, ohne ein eigenes medizinisches Gutachten einzuholen. Damit habe sich das SG eigenen medizinischen Sachverstand angemaßt, der bei ihm gar nicht vorhanden sein könne, und die vorhandenen medizinischen Unterlagen unzureichend ausgewertet. Es sei nicht nachgewiesen, dass die PET/CT vom 2. März 2011 notwendig gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtzüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da sich die Beklagte gegen eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als EUR 750,00 wendet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich gegen eine Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von EUR 1.249,87.
2. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger die Kosten der am 2. März 2011 durchgeführten PET/CT-Untersuchung in Höhe von EUR 1.249,87 zu erstatten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten.
a) Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Bei Leistungen nach § 13 Abs. 3 SGB V handelt es sich auch um "laufende Geldleistungen", die der Sonderrechtsfolge gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) fähig sind (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R – in juris, Rn. 10 ff.; BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 10 ff.; a.A. noch BSG, Urteil vom 25. August 2009 – B 3 KR 25/08 R – in juris, Rn 11; BSG, Urteil vom 3. August 2006 – B 3 KR 24/05 R – in juris, Rn. 15; siehe auch den Anfragebeschluss des 1. Senats des BSG vom 8. November 2011 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 6 ff., auf den hin der 3. Senat des BSG seine Rechtsprechung mit Beschluss vom 15. März 2012 – B 3 KR 2/11 S – nicht veröffentlicht – aufgegeben hat), so dass der Kläger als Ehemann der Versicherten grundsätzlich einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V als Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I geltend machen kann.
b) Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V für einen Kostenerstattungsanspruch liegen hier nicht vor.
aa) Der Kläger kann sich für sein Begehren nicht darauf berufen, dass die Beklagte die Gewährung der streitigen Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Ein auf die unrechtmäßige Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nämlich regelmäßig aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – in juris, Rn. 16; zuletzt BSG, Beschluss vom 2. Juli 2015 – B 3 KR 3/15 BH – in juris, Rn. 9). So liegt der Fall hier, denn die Versicherte hat die PET/CT-Untersuchung am 2. März 2011 durchführen lassen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorgelegen hätte.
§ 13 Abs. 3 SGB V gewährt einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen.
Eine vorherige Entscheidung der Krankenkasse ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens – etwa auf Grund von Erfahrungen aus anderen Fällen – von vornherein feststeht (BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 – B 1 KR 9/03 R – in juris, Rn. 19 m.w.N. auch zum Folgenden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 31/07 R – in juris, Rn. 16). Gesetzeswortlaut und -zweck lassen eine dahingehende Ausnahme nicht zu. § 13 Abs. 3 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Kasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist somit sachgerecht; sie liegt auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt. Es ist deshalb weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der Behandlung zu befinden. Da überdies unklar ist und sich kaum abstrakt festlegen lässt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Versicherte von einer als sicher zu erwartenden Ablehnung der Krankenkasse ausgehen darf, würden sich in zahlreichen Fällen schwierige Abgrenzungsprobleme ergeben, durch die die Wahrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Sachleistung und Kostenerstattung gefährdet würde.
Auf die Frage, ob der Klägerin ein Sachleistungsanspruch hinsichtlich der FDG-PET/CT-Untersuchung zustand – sei es aus § 27 Abs. 1 SGB V oder aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. insofern BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 – in juris) – kommt es vor dem geschilderten Hintergrund nicht an.
bb) Die Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Var. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R – in juris, Rn. 23; zuletzt etwa Beschluss des Senats vom 19. Juni 2015 – L 4 KR 3035/14 – nicht veröffentlicht). Dass diese Voraussetzungen hier nicht vorlagen, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit liegen nicht vor. Vielmehr empfahl Prof. Dr. F. in seinem Arztbrief vom 15. Februar 2011 eine MRT-Untersuchung des Beckens der Versicherten in ca. vier Wochen heimatnah durchführen zu lassen. Dies bereits steht der Annahme einer Unaufschiebbarkeit entgegen. Die Versicherte hat im Übrigen den Ablauf dieser vier Wochen nicht abgewartet, sondern die Untersuchung bereits am 2. März 2011 durchführen lassen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Das Verfahren ist für den Kläger als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I gemäß § 183 Satz 1 SGG kostenfrei.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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