Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 8316/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1733/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 % infolge eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 17.07.2007.
Der 1964 geborene Kläger erlitt am 17.07.2007 auf dem Heimweg von seiner Tätigkeit als Busfahrer bei der Firma S., einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, einen Verkehrsunfall, als ihm ein PKW auf seiner Fahrspur entgegenkam und frontal mit dem PKW des Klägers kollidierte.
Im Durchgangsarztbericht vom 18.07.2007 diagnostizierte Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., Rippenserienfrakturen beidseits, eine Acetabulumfraktur links, eine Oberschenkelfraktur links, eine supracondyläre Femurfissur links, eine Patellafraktur links, eine offene Unterschenkeltrümmerfraktur rechts sowie eine hohe Fibulafraktur rechts (Bl. 3 der Verwaltungsakte).
Nach der notfallmäßigen Erstbehandlung im Universitätsklinikum T. erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 18.07. bis 27.09.2007 die operative Stabilisierung der zahlreichen Frakturen. Der Kläger wurde am 27.09.2007 mit zwei Gehstöcken gut gehfähig in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Prof. Dr. W. rechnete mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit von wenigstens drei Monaten (Befund- und Entlassbericht vom 04.10.2007; Bl. 20 der Verwaltungsakte). Wegen ausbleibender knöcherner Konsolidierung der Tibia rechts und eines Plattenbruchs nach Osteosynthese der linken Clavicula erfolgte am 20.02.2008 eine Reosteosynthese der Tibia mittels UTN und Metallentfernung an der Clavicula (Befund- und Entlassbericht vom 26.02.2008; Bl. 82 der Verwaltungsakte). Nach ambulanter Weiterbehandlung mit Krankengymnastik und Abtrainieren der Unterarmgehstützen stellte Prof. Dr. W. im Zwischenbericht vom 02.04.2008 reizlose Wundverhältnisse, ein mäßiges Lymphödem am rechten Unterschenkel und eine nur noch endgradig eingeschränkte Beweglichkeit in beiden Kniegelenken bei der Flexion ohne Belastungsschmerzen fest (Bl. 118 der Verwaltungsakte). Vom 10.07. bis 31.07.2008 befand sich der Kläger in einem stationären Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., in dem ein deutlich verbessertes Gangbild erreicht werden konnte (Befund- und Entlassbericht vom 14.08.2008; Bl. 152 der Verwaltungsakte). Eine vom 20.08. bis 09.09.2008 in der Universitäts- und Rehabilitationsklinik U. durchgeführte stationäre Belastungserprobung ergab eine noch nicht ausreichende Belastbarkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und noch keine Fahrtauglichkeit. Der Allgemeinmediziner Pehling und der Reha-Berater Baum stützten ihre Einschätzung auf die komplexen Unfallfolgen mit chronifiziertem Schmerz und noch persistierenden unbehandelten psychischen Unfallfolgen (posttraumatische Belastungsstörungen mit Flashback, Angstsymptomatik und Vermeidungsverhalten) verbunden mit noch bestehenden motorischen Belastungseinschränkungen und Narbenverklebungen. Sie empfahlen eine gezielte Verhaltenstherapie zur Bewältigung der Unfallfolgen und eine schmerztherapeutische Behandlung (Bericht vom 09.09.2008, Bl. 171 der Verwaltungsakte).
Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 06.10.2008 wurde aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angstsymptomatik und Vermeidungsverhalten entsprechend der Empfehlung des RKU U. eine Verhaltenstherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung verordnet. Der Kläger begann die Therapie am 07.10.2008 bei der psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. (Bl. 198, 199 und 201 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen die Akten des Amtsgerichts T. im Strafverfahren gegen die Unfallgegnerin wegen fahrlässiger Körperverletzung (12 Cs 17 Js 17102/07) bei und veranlasste Begutachtungen des Klägers bei Prof. Dr. W., Prof. Dr. L. und Dr. T ...
Im ersten Rentengutachten vom 27.04.2009 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 06.03.2009 stellte Prof. Dr. W. die folgenden wesentlichen Unfallfolgen fest: einen unter Falschgelenksbildung verbliebenen Schlüsselbeinbruch links, einen knöchern verheilten Ellenbruch mit einliegendem Osteosynthesematerial rechts, eine posttraumatische Hüftgelenksarthrose nach Hüftpfannenbruch mit osteophytären Randanbauten und Beugeeinschränkung auf 90 ° links, einen knöchern geheilten Oberschenkelbruch mit noch einliegendem distalem Femurnagel links, einen knöchern verheilten Kniescheibenbruch mit posttraumatischer Gelenkschädigung und Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk auf 90 ° links, einen knöchern noch nicht vollständig ausgeheilten Unterschenkelbruch rechts sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. Die MdE schätzte Prof. Dr. W. vom 19.02.2009 bis 05.03.2009 mit 70% und vom 06.03.2009 bis zur Rente auf unbestimmte Zeit mit 60% ein (Bl. 280 bis 292 der Verwaltungsakte).
Im neurologischen Gutachten vom 21.05.2009 erstellt aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 27.04.2009 diagnostizierte Prof. Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik U., eine commotio cerebri, eine posttraumatische Belastungsstörung mit ängstlich-depressiver Symptomatik sowie leichten psychotischen Elementen, multiple Frakturen sowie einen Myocardinfarkt mit PTCA und RCA-Stent. Es bestehe aktuell kein fokal neurologisches Defizit. Im Vordergrund stehe ein ängstlich-depressives Syndrom mit leichten psychotischen Elementen wie u.a. Bedrohungs- und Beobachtungswahn, welches glaubhaft erst nach dem Unfall aufgetreten sei und nach Angaben des Klägers wie auch seiner Ehefrau mit den Verletzungen des Unfalls und der daraus resultierenden Berufsunfähigkeit als Busfahrer mit entsprechenden Zukunftssorgen zusammenhänge. Die MdE auf neurologischem Fachgebiet schätzte Prof. Dr. L. aufgrund der erlittenen commotio cerebri in den ersten vier Wochen auf 100%, danach auf 50% für weitere vier Wochen und auf 20% für weitere zwei Monate. Wegen der im Vordergrund stehenden psychiatrischen Symptomatik empfahl Prof. Dr. L. eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung (Bl. 295 bis 304 der Verwaltungsakte).
In dem aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 29.09.2009 erstellten Gutachten vom 12.10.2009 führte die Neurologin Dr. T. aus, die Unfallfolgen lägen zum Einen auf unfallchirurgischem Fachgebiet, woraus auch ein Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels resultiere. Ganz im Vordergrund stehe die posttraumatische Belastungsstörung mit anhaltenden Erinnerungen durch Flashbacks und sich wiederholenden Träumen, vegetativen Symptomen und Angstgefühlen bei Konfrontation mit dem Unfall oder Situationen, die mit Autofahren zu tun hätten. Weiter bestünden Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. Die MdE alleine für die posttraumatische Belastungsstörung betrage 50%. Die Gesamt-MdE schätzte Dr. T. ab 20.02.2009 für ein Jahr mit 100% ein (Bl. 329 bis 335 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte holte eine unfallchirurgische und eine neurologisch-psychiatrische beratungsärztliche Stellungnahme ein. Der (Unfall-)Chirurg Dr. S.-B. führte unter dem 28.10.2009 aus, die Einschätzung der MdE mit 60% im chirurgischen Gutachten entspreche nicht der bestehenden Funktion. Trotz straffer Pseudarthrose bestehe eine fast seitengleiche freie Funktion der Schulter. Auch werde trotz nicht ganz sicherer knöcherner Konsolidierung das rechte Bein belastet. Hier sei wegen der beidseitigen Betroffenheit eine MdE von 50% gerechtfertigt. Bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung erscheine die MdE von 50% etwas hoch, weshalb Dr. S.-B. eine Vorlage beim neurologisch-psychiatrischen Beratungsarzt empfahl (Bl. 337 der Verwaltungsakte).
Der Neurologe und Psychiater Dr. F. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 aus, es sei eindeutig aktenkundig, dass der Kläger sich an das Unfallereignis überhaupt nicht erinnere. Er sei längerfristig bewusstlos gewesen und habe auch bei der Erstuntersuchung eine Unfallamnesie angegeben. Daher seien die Kriterien A1 und A2 nach DSM IV für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt. Zwar sei klar, dass infolge einer so schwerwiegenden Verletzung eine seelische Reaktion zu erwarten sei. Dies könne aber nicht im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert werden, sondern eher im Sinne einer andauernden Anpassungsstörung, welche durch die körperlichen Verletzungsfolgen unterhalten werde. Aus der Diagnosestellung und den Schilderungen der Befunde, aus denen eine deutliche Verbitterungsreaktion herauszulesen sei, sei klar, dass auch persönlichkeitsimmanente Faktoren eine Rolle spielten. Die Bemessung der Gesamt-MdE mit 100% sei von neuropsychiatrischer Seite aus inakzeptabel. Die sonstige Reaktion auf die seelische Belastung sei mit einer MdE von maximal 20% zu bewerten. Dr. F. empfahl "vor Eintritt in die Dauerrente eine adäquate Begutachtung an anderer Stelle" (Bl. 344 bis 346 der Verwaltungsakte).
Schließlich holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei dem (Unfall-) Chirurgen Dr. S. ein, welcher unter dem 24.11.2009 ausführte, er sehe die MdE-Bewertung unter Berücksichtigung sowohl der beidseitigen Betroffenheit als auch der oberen und unteren Extremitäten mit 50% als korrekt bewertet an. Unter Berücksichtigung der von Dr. F. geschätzten MdE von 20% auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet empfahl Dr. S. eine Gesamt-MdE von 70% (Bl. 348 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11.12.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70% ab dem 20.02.2009. Als Unfallfolgen stellte die Beklagte Bewegungseinschränkungen im linken Hüftgelenk mit Arthrose des Hüftgelenks, eine Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk, eine Minderbelastbarkeit des rechten Beines bei noch unvollständiger knöcherner Durchbauung des rechten Unterschenkels, eine unvollständige knöcherne Durchbauung des rechten Schlüsselbeines und eine Anpassungsstörung fest. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege eine Persönlichkeitsakzentuierung vor (Bl. 358 bis 362 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers am 21.12.2009 Widerspruch (Bl. 369 und 370 der Verwaltungsakte).
In dem von der Beklagten eingeholten zweiten Rentengutachten der Neurologin Dr. T. vom 23.03.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 16.03.2010 führte Dr. T. aus, es fänden sich in den vorliegenden Berichten zur Frage der Erinnerung des Klägers an das Unfallereignis keine eindeutigen Angaben. Der Kläger sei intubiert und beatmet in die BG-Klinik verlegt worden, wobei die Intubation nicht aufgrund des schweren Schädel-Hirn-Traumas, sondern aufgrund der übrigen Verletzungen erfolgt sei. Daher sei es nicht auszuschließen, dass sich der Kläger, wie er selbst angebe, an einen Teil des Unfallereignisses erinnere und erst dann die Amnesie eingesetzt habe. Insofern seien Nachhallerlebnisse durchaus denkbar. Letztlich sei es für die Beurteilung der jetzigen psychiatrischen Symptomatik und der daraus resultierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur von eingeschränkter Bedeutung, ob es sich um eine depressive Anpassungsstörung oder um eine posttraumatische Belastungsstörung handele. Es seien aber doch ein Großteil der Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger erfüllt, wie wiederkehrende und eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, Träume vom Unfall, psychische Belastung und körperliche Reaktion bei Konfrontation mit dem Unfallereignis und eine anhaltende Vermeidungshaltung mit allem, was mit Autofahren zu tun habe. Hinzu kämen Reizbarkeit mit impulsiven VerhaltensW.n, Konzentrationsstörungen und übertriebene Schreckreaktionen. Dr. T. schätzte "die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet mit 25%" ein (Bl. 428 bis 431 der Verwaltungsakte).
Auf Frage der Beklagten teilte Dr. T. unter dem 26.04.2010 ergänzend mit, sie habe ihre Einschätzung ausführlich begründet, da sie den Eindruck gewonnen habe, dass es sich zwar ursprünglich um eine posttraumatische Belastungsstörung gehandelt habe, sich inzwischen aber die Wesensgrundlage der Störung verschoben habe und eher von einer depressiven Episode auszugehen sei, welche auch durch das chronische Schmerzerleben, den Verlust des Berufs als Busfahrer und die ungeklärte finanzielle Situation bedingt sei, wie es häufig in nicht abgeschlossenen Renten- und Begutachtungsverfahren der Fall sei (Bl. 438 der Verwaltungsakte).
Weiter holte die Beklagte ein zweites Rentengutachten bei Prof. Dr. R., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik U. ein. Im Gutachten vom 07.05.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 22.04.2010 fasste Prof. Dr. R. die noch bestehenden Unfallfolgen wie folgt zusammen: mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links, achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts, beginnende posttraumatische Coxarthrose links nach konsolidierter Acetabulumfraktur mit Bewegungseinschränkung, knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulärem Nagel sowie hypertropher Callusbildung, knöchern verheilter Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femoropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung, knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt mit Meshgraft-Plastik gedeckt, knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links, multiple Narben sowie fachfremd: posttraumatische Belastungsstörung. Unfallunabhängig liege u.a. ein Herzinfarkt und PTCE sowie Stent-Implantation 3/2009 vor. Die MdE schätzte Prof. Dr. R. mit 50% ein und ging davon aus, dass mit keiner relevanten Verbesserung der Erwerbsfähigkeit zu rechnen sei (Bl. 442 bis 452 der Verwaltungsakte).
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.05.2010 führte der Neurologe und Psychiater Dr. F. aus, wenn Dr. T. nun eine Änderung der Wesensgrundlage sehe, dann sei zunächst einmal der Unfallzusammenhang zu diskutieren und eine sonstige Reaktion auf seelische Belastung mit depressiver Symptomatik als Unfallfolge zu akzeptieren. Die MdE von 20% sei von Anfang an gerechtfertigt gewesen. Die von Dr. T. angegebene MdE von 50% sei nicht begründet (Bl. 456 bis 458 der Verwaltungsakte).
Der (Unfall-)Chirurg Dr. S.-B. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.06.2010 aus, es sei unter funktionellen Gesichtspunkten ein exzellentes Ergebnis erreicht worden. Die oberen Extremitäten seien frei beweglich. Die Muskelbemantelung sei beidseits gleich. Bis auf eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des Hüft- und Kniegelenkes seien keine wesentlichen funktionellen Residuen verblieben. Aufgrund der beidseitigen Betroffenheit sei hier eine MdE von 20% auf Dauer anzusetzen. Eine MdE von 50% auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei nicht nachvollziehbar (Bl. 460 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 15.07.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung nunmehr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab dem 01.08.2010. Die MdE berücksichtige als Unfallfolgen eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüft- und rechten Kniegelenk. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege beim Kläger eine Persönlichkeitsakzentuierung vor. Dieser Verwaltungsakt werde nach § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens und gelte als mit angefochten (Bl. 464 bis 469 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 21.09.2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der mit Bescheid vom 15.07.2010 erfolgten Herabsetzung der MdE auf 20% nachträglich gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X an (Bl. 482 und 483 der Verwaltungsakte). Dazu trug der damalige Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 29.09.2010 unter Verweis auf die Begutachtungen durch Prof. Dr. R. und Dr. T. sowie auf die Stellungnahmen der behandelnden Psychotherapeutin S. vor, es sei dauerhaft von einer MdE von 70% auszugehen (Bl. 487 und 488 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 - ohne Postabgangsvermerk - wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die beim Kläger noch bestehenden Beeinträchtigungen auf chirurgischem Fachgebiet, welche im Verwaltungsakt vom 15.07.2010 zusammenfassend genannt seien, bedingten im Sinne einer erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit nur noch eine MdE in Höhe von 20%. Hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen des Klägers sei es zu einer Änderung der Wesensgrundlage gekommen, sodass die jetzt noch vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht mehr rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 17.07.2007 zurückzuführen seien, sondern vielmehr auf unfallunabhängige Faktoren, wie z.B. eine beim Kläger anzunehmende Verbitterungsstörung (Bl. 519 bis 522 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers am 29.12.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 70% auf Dauer geltend machte. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. T ... Der Kläger gehe davon aus, dass die weiter festgestellten gesundheitlichen Störungen, insbesondere sein erlittener Herzinfarkt, insofern auf den Unfall zurückzuführen seien, dass er seine Lebensführung völlig habe umstellen müssen. Ferner legte ein weiterer ehemaliger Prozessbevollmächtigter des Klägers einen Bescheid des Landratsamts B. - Versorgungsamt in S.- vom 07.12.2009 vor, mit dem beim Kläger ein Grad der Behinderung von 70 seit dem 15.07.2009 festgestellt wurde (Bl. 43 und 44 der SG-Akte).
Das SG erhob Beweis durch Einholung von Auskünften bei den behandelnden Ärzten des Klägers. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 50/51, 64 und 65/70 der SG-Akte Bezug genommen.
Dr. K. und Dr. Z. von der Orthopädischen Universitätsklinik U. teilten unter dem 16.05.2011 mit, es zeige sich eine nahezu identische Muskelummantelung und im Wesentlichen gute Beweglichkeit mit geringer Einschränkung vor allem im Bereich des linken Hüftgelenkes und des linken Kniegelenkes. Jedoch sei mit einer zunehmenden Arthroseentwicklung und voraussichtlich endoprothetischen Versorgung beider Gelenke zu rechnen. Unter Berücksichtigung des erreichten Funktionszustandes liege die MdE bei mindestens 30%. Eine Reduktion auf 20% sei in keinster W. nachvollziehbar. Eine solche liege beispielsW. nach Implantation einer Hüftprothese einseitig, bei beidseitiger Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes geringen bis mittleren Grades oder bei einer schlaffen Schlüsselbeinpseudarthrose vor.
Die Anästhesistin und spezielle Schmerztherapeutin Dr. S. schrieb dem SG am 08.06.2011, sie habe den Kläger vom 19.02.2010 bis zuletzt am 14.04.2010 wegen persistierender Schmerzen am rechten Unterschenkel, an der linken Patella, an der linken Hüfte, am linken Oberschenkel, an der linken Clavicula sowie Kopfschmerzen behandelt. Daneben habe der Kläger Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und eine depressive Stimmungslage sowie einen Zustand nach Myokardinfarkt 2009 gezeigt (Bl. 64 der SG-Akte).
Die psychologische Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. teilte unter dem 24.06.2011 mit, sie habe den Kläger vom 13.01.2009 bis zum 12.10.2010 kontinuierlich psychotherapeutisch behandelt. Ab dem 16.11.2010 sei die Behandlung des Klägers auf Kosten der Krankenkasse kontinuierlich weitergeführt worden und dauere weiterhin an. Beim Kläger lägen eine schwere depressive Episode und eine chronische Schmerzstörung vor. Aus ihrer Sicht bestehe auch nach wie vor eine posttraumatische Belastungsstörung.
Mit Urteil vom 29.03.2012 änderte das SG den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab dem 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40% zu gewähren. Zur Begründung führte das SG aus, nach dem zuletzt von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R. sei ein funktionell sehr gutes Behandlungsergebnis erreicht worden, weshalb die MdE-Einschätzung von Prof. Dr. R. mit 50% für den chirurgischen Bereich zu hoch erscheine. Darauf W. Dr. S.-B. zutreffend hin, schätze jedoch die MdE ebenfalls nicht angemessen auf 20% ein. Die MdE auf chirurgischem Fachgebiet sei unter Berücksichtigung der bereits eingetretenen Arthroseentwicklung wie von den behandelnden Ärzten Dr. K. und Dr. Z. zutreffend eingeschätzt mit 30% zu bewerten. Die Beklagte habe den psychiatrischen Bereich zu Unrecht vollkommen außer Acht gelassen. Dafür habe der Beratungsarzt Dr. F. die MdE von Anfang an mit 20% eingeschätzt. Den Ausführungen von Dr. T. sei nicht zu folgen, da sie ohne weitere Begründung eine Verschiebung der Wesensgrundlage behauptet habe. Unter Berücksichtigung der zuletzt von Dr. F. mit 20% eingeschätzten MdE auf psychiatrischem Gebiet und der chirurgisch-orthopädischen MdE in Höhe von 30% ergebe sich unter den Gesichtspunkten der Gesamt-MdE-Bildung eine MdE von 40%.
Gegen das nach Mandatsniederlegung des ehemaligen Prozessbevollmächtigten dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 20.04.2012 zugestellte Urteil des SG hat eine weitere ehemalige Bevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 24.04.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung beruft sich der Kläger auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und lässt vortragen, Prof. Dr. R. habe die MdE auf 50% eingeschätzt und eine Besserung für nicht wahrscheinlich erachtet. Daher sei nicht erkennbar, weshalb nun auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet eine MdE in Höhe von 30% gerechtfertigt sein solle. Es liege auch kein sehr gutes Behandlungsergebnis vor, sondern es zeigten sich nun vielmehr Beschwerden aufgrund der posttraumatischen Beeinträchtigungen wie der Femoropatellararthrose und der beginnenden posttraumatischen Coxarthrose. Ferner habe Dr. T. die MdE im zweiten Rentengutachten auf 25% festgesetzt. Demgegenüber stütze man sich auf die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. F., welcher den Kläger weder persönlich gesehen noch untersucht habe. Der Kläger befinde sich nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung. Es seien nicht nur eine posttraumatische Belastungsstörung mit Flashbacks, sondern auch depressive Stimmungsschwankungen mit impulsivem Verhalten und aggressiven Ausbrüchen, Antriebs- und Lustlosigkeit und Verlust an Lebensfreude festgestellt worden. Des Weiteren solle wegen der Hüftgelenksbeschwerden eine Hüftgelenksendoprothetik vorgenommen werden. Schließlich befinde sich der Kläger nach wie vor in schmerztherapeutischer Behandlung (Bl. 8 bis 12 der Senatsakte). Mit Schriftsatz vom 19.06.2012 trägt die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers zur weiteren Begründung der Berufung vor, der Kläger erinnere sich daran, dass er am 17.07.2007 im Rahmen eines Wegeunfalles in einen Frontalzusammenstoß verwickelt worden sei. Er sei drei bis vier Tage bewusstlos gewesen. Weiter befinde er sich wegen seiner psychischen Beschwerden nach wie vor in ambulanter Behandlung. Auf diesem Gebiet sei die Angelegenheit nicht abschließend geklärt. Der Aussage von Dr. F. könne aufgrund der entgegenstehenden Aussagen von Frau S., Dr. S. und Dr. T. nicht gefolgt werden. Auffällig sei auch, dass die Beklagte entgegen der Empfehlung von Dr. F. kein psychotraumatologisches Gutachten eingeholt habe (Bl. 33 bis 44 der Senatsakte).
Der Senat hat die behandelnde Psychotherapeutin des Klägers Dipl.-Psych. S. als sachverständige Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 60 bis 63 der Senatsakte verwiesen. Frau S. hat dem Senat unter dem 28.05.2013 mitgeteilt, der Kläger leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Die depressive Symptomatik sei im Wesentlichen seit Erstattung des Befundberichts vom 18.12.2009 an die Beklagte unverändert geblieben. Es bestehe weiterhin eine ausgeprägte depressive Symptomatik, welche zwischen mittelgradig und schwer variiere. Hinsichtlich der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren habe sich keine Veränderung eingestellt. Die posttraumatische Belastungsstörung habe sich zumindest tendenziell leicht verbessert. So sei es dem Kläger seit dem letzten Jahr hin und wieder gelungen, selbst mit dem Auto zu fahren. Allerdings könne er lediglich im Stadtverkehr und auf der Autobahn und mit einer Begleitperson fahren. Landstraßen meide er weiterhin, da der Unfall auf einer Landstraße passiert sei. Die Therapie dauere weiterhin an.
Nachdem beim Kläger ein Bandscheibenvorfall LWK4/5 festgestellt worden war (Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 29.08.2012; Bl. 54 bis 56 der Senatsakte), hat die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten bei dem Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Stadt E. Prof. Dr. D. eingeholt. Im Gutachten vom 22.04.2014 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 11.03.2014 hat Prof. Dr. D. ausgeführt, knöcherne oder ligamentäre Verletzungen der lumbalen Wirbelsäule infolge des Unfalls seien nicht diagnostiziert worden. Folglich könne eine traumatische Bandscheibenschädigung bei offensichtlich fehlender initialer Beschwerdesymptomatik und fehlendem Nachweis von Begleitverletzungen in der Computertomographie ausgeschlossen werden. Das Unfallereignis sei nicht die wesentliche Ursache für den Bandscheibenvorfall LWK4/5 (Bl. 82 bis 93 der Senatsakte).
Die Berichterstatterin hat am 27.11.2014 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf die hierzu ergangene Niederschrift wird verwiesen.
Weiter hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten bei dem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. eingeholt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 116 bis 129 der Senatsakte verwiesen. In dem Gutachten vom 09.06.2015 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 18.02.2015 hat Prof. Dr. G. ausgeführt, der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom. Weiter sei es absolut nachvollziehbar, dass für einen längeren Zeitraum wie von Dipl.-Psych. S. beschrieben eine posttraumatische Belastungsstörung mit den entsprechenden Symptomen bestanden habe. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr in vollem Umfang erfüllt. Das diesbezügliche Beschwerdebild habe sich in eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung gewandelt. Es sei davon auszugehen, dass über den gesamten Verlauf nach dem Unfallgeschehen eine erheblich krankheitswertige psychische und psychosomatische Symptomatik bestanden habe, insbesondere im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung, jetzt Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung und gleichzeitig sicher eine depressive Verstimmung mit mittlerer bis schwerer Ausprägung. Prof. Dr G. hat die MdE auf psychosomatisch-psychotherapeutischem Fachgebiet ab dem 01.08.2010 auf mindestens 50 %, eher 60% eingeschätzt. Zusammen mit der festgestellten MdE auf orthopädischem Fachgebiet von 50% erscheine eine Festsetzung der Gesamt-MdE von 70 % als adäquat bzw. dem gesamten Geschehen und Verlauf angemessen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.07.2015 gegen das Gutachten von Prof. Dr. G. eingewandt, dass der Gutachter die MdE-Einschätzung von 50% für das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet von Prof. Dr. R. zugrunde lege. Dies sei jedoch nicht zutreffend, da im Rahmen einer internen Überprüfung durch Dr. Schulte-Bockholt am 30.06.2010 festgestellt worden sei, dass sich die Unfallfolgen erheblich gebessert hätten und nunmehr nur noch mit einer MdE von 20% zu bewerten seien. Auch in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. und Dr. Z. vom 16.05.2011 gegenüber dem SG sei die MdE nur noch mit 30% bewertet worden. Dieser Beurteilung sei das SG im angefochtenen Urteil vom 29.03.2012 gefolgt. Im Übrigen habe Prof. Dr. D. im Gutachten vom 22.04.2014 die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich seiner Wirbelsäule als nicht unfallursächlich bewertet. Hinsichtlich der MdE-Bewertung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei auf die zuvor erfolgten Beurteilungen durch die Gutachterin Dr. T. vom 23.03.2010 mit Ergänzung vom 26.04.2010 (MdE 25%) sowie auf die Bewertung von Dr. F. vom 21.05.2010 (20%) hinzuW.n. Das SG habe die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit 20% als zutreffend angesehen. Abschließend sei festzustellen, dass das Wirbelsäulenleiden und die Folgen des Herzinfarkts des Klägers nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 17.07.2007 stünden. Gleiches gelte für die von Prof. Dr. G. angenommene andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung, welche keine Unfallfolge sein könne, da es schon an einer Extremtraumatisierung fehle. Vielmehr müsse die Ursache hier in der unfallunabhängig bestehenden Persönlichkeit des Klägers angenommen werden (Bl. 130 und 131 der Senatsakte).
Daraufhin hat der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 28.07.2015 vorgetragen, der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S.-B. habe seine MdE-Einschätzung alleine mit einer Prüfung nach Aktenlage begründet. Dagegen habe Prof. Dr. R. seine Einschätzung auf eine Untersuchung des Klägers am 22.04.2010 gestützt. Daher könne die interne Überprüfung durch Dr. Schulte-Bockholt vom 30.06.2010 nicht als entscheidende Bewertung einer MdE herangezogen werden. Es erschließe sich auch nicht, weshalb das SG der Beurteilung durch Dr. S.-B. gefolgt sei. Ferner seien die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule und auch der am 28.03.2009 erlittene Herzinfarkt als unfallursächlich anzusehen. Prof. Dr. G. verW. in seinem Gutachten vom 09.06.2015 darauf, dass die überlange Verfahrensdauer bei der Beklagten beim Kläger ärgerliche und wütende Affekte hervorgerufen habe, was sehr wohl als Ursache des Herzinfarkts angesehen werden müsse. Dieses zuletzt eingeholte Gutachten aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Klägers bewerte zu Recht die Gesamt-MdE ab 01.08.2010 mit 70%. Schließlich werde angeregt, Prof. Dr. G. zu befragen, weshalb er in seinem Gutachten nicht wie das SG im angefochtenen Urteil den Vermerk des Beratungsarztes Dr. S.-B. zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, sondern den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. R ... Alternativ werde angeregt, Prof. Dr. G. zum Verhandlungstermin am 21.08.2015 zu laden (Bl. 135 bis 137 der Senatsakte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE von 70% aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17.07.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuW.n.
Sie beruft sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und vertritt die Auffassung, dass Gründe für eine weitergehende Rentengewährung aus der Berufungsbegründung nicht ersichtlich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Band I bis III) sowie auf die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 29.03.2012 zu Recht den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40% zu gewähren. Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40% aufgrund des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 17.07.2007 zu.
Streitgegenstand ist wie vom SG zu Recht ausgeführt nur der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010, mit dem die Beklagte dem Kläger anstelle der mit Bescheid vom 11.12.2009 gewährten bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70% nunmehr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab 01.08.2010 gewährt hat. Der Bescheid vom 15.07.2010 ist nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilW. aufgehoben und durch die Neuregelung ersetzt wird; eine Ersetzung, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl., § 96 Rn. 4 m.w.N.). Regelungsinhalt des Bescheids vom 11.12.2009 ist die vorläufige Rentengewährung gemäß § 62 SGB VII während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall, weil der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Die Dauer der Gewährung ist bis zum Erlass des Bescheides über die Dauerrente gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII befristet. Regelungsgegenstand des Bescheids vom 15.07.2010 ist die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab dem 01.08.2010. Damit wird der Bescheid vom 11.12.2009 für die Zeit ab 01.08.2010 aufgehoben und durch den Bescheid vom 15.07.2010 ersetzt. § 86 SGG umfasst seinem Wortlaut nach im Gegensatz zu § 96 SGG lediglich die Abänderung und nicht die Ersetzung eines Bescheides. Jedoch ist § 86 SGG nach Auffassung des Senats auch auf die Fälle einer Ersetzung anwendbar. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen, da es sich bei einer Ersetzung um die radikalste Form der Änderung handelt (in diesem Sinne auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.12.2011 - L 16 AS 877/11B-ER - ; juris Rn. 34). Damit ist der Bescheid vom 15.07.2010 gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Der Bescheid vom 15.07.2010 ist nicht bereits wegen der fehlenden Anhörung des Klägers rechtswidrig. Zwar hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Bescheids vom 15.07.2010 entgegen § 24 Abs. 1 SGB X nicht angehört. Jedoch ist dieser Verfahrensfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X geheilt worden. Nach dieser Vorschrift ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die fehlende Anhörung kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Dabei ist ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit zur Äußerung ist immer dann erforderlich, wenn die Behörde ihren Widerspruchsbescheid auf neue, insbesondere neu ermittelte, Umstände stützen will und dies dem Betroffenen nicht bekannt ist (BVerwGE 66, 184, 189 f; BSG SozR 3 – 1300 § 24 Nr 13, 14). Die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen müssen dann so rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchsbescheids bekanntgegeben werden, dass die Beteiligten auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde noch einwirken können (vgl. BSG v. 24. 03. 1994 – 5 RJ 22/93 = HVBG-Info 1994, 1829). Die Verwaltung muss ausweislich des Widerspruchsbescheids die Äußerungen des Betroffenen im Vorverfahren zur Kenntnis nehmen und erwägen (s.a. BVerwGE 66, 111, 114; BVerwG NVwZ-RR 1991, 337). Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger vor Erlass des Widerspruchsbescheids mit Schreiben vom 21.09.2010 die für die Entscheidung maßgeblichen Aspekte mitgeteilt und ihm bis 13.10.2010 Gelegenheit eingeräumt, sich dazu zu äußern. Der Klägervertreter hat hierauf mit Schreiben vom 29.09.2010 unter Verweis auf die Einschätzung von Prof. Dr. L., Dr. T. und Dipl-Psych. S. vorgetragen, die MdE sei unverändert mit 70 % zu bemessen. Die Beklagte hat sich im Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 auf die Gutachten von Prof. Dr. W., Prof. Dr. L. und Dr. T. berufen und ausgeführt, dass nur noch eine MdE von 20 % gerechtfertigt sei. Dies genügt nach Auffassung des Senats, um von einer Heilung der fehlenden Anhörung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X ausgehen zu können.
Der Bescheid vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 ist aber insoweit rechtswidrig, als er beim Kläger nur eine MdE von 20 % feststellt. Dem Kläger steht wie vom SG zu Recht entschieden eine Verletztenrente nach einer MdE von 40% zu. Eine höhere MdE ist hingegen nicht gerechtfertigt. Dabei hat das SG über den gesamten Streitgegenstand entschieden, wenn auch im Tenor des angefochtenen Urteils keine Klageabweisung im Übrigen erfolgt ist. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich nach Auffassung des Senats klar, dass das SG über den gesamten Anspruch des Klägers entschieden hat. Der Senat hat wie aus dem Tenor ersichtlich lediglich zur Klarstellung die Klage im Übrigen abgewiesen. Eine Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird, war zulässig, da es sich bei der vom SG im Tenor des angefochtenen Urteils unterlassenen Klageabweisung im Übrigen um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 138 SGG handelt, welche der Senat ohnehin durch einen Berichtigungsbeschluss gemäß § 138 SGG hätte korrigieren können (vgl. dazu Keller, a.a.O., § 138 Rn. 4a).
Der Kläger hat bei dem Arbeitsunfall am 17.07.2007 keine Gesundheitsschäden erlitten, aufgrund derer noch verbliebene Funktionseinschränkungen vorliegen, welche eine MdE von mehr als 40% rechtfertigen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII), wobei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) versicherte Tätigkeit in diesem Sinne ist.
Der Wegeunfall, den ein Versicherter danach bei der versicherten Tätigkeiten erleidet, setzt voraus, dass das Verhalten am Ort der Tätigkeit der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG, Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R - USK 2000-95). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der so genannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82, 95, 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 38; BSG, Urteil vom 18. April 2000, a.a.O.). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32; BSG, Urteil vom 18. April 2000, a.a.O.). Die zum Unfall führende Verrichtung als solche muss im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegen (vgl. zum Ganzen BSG Urteil vom 28. April 2004, - B 2 U 26/03 R - m. w. H.).
Der Kläger hat hier unstreitig am 17.07.2007 einen Wegeunfall erlitten, was von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15.07.2010 auch konkludent anerkannt worden ist und von ihr nicht in Zweifel gezogen wird.
Der Kläger macht infolge dieses Unfalls Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet geltend (dazu unter (1)). Diese Gesundheitsstörungen bedingen jedoch keine Funktionseinschränkungen, welche eine MdE von mehr als 40 % rechtfertigen (dazu unter (2)).
(1) Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Unfallursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "VollbeW.s", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
(a) Nach diesen Grundsätzen liegen beim Kläger zur Überzeugung des Senats zunächst auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet die folgenden Unfallfolgen vor: ein mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links, ein achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts, eine beginnende posttraumatische Coxarthrose links nach konsolidierter Acetabulumfraktur mit Bewegungseinschränkung, ein knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulären Nagel sowie hypertropher Callusbildung, ein knöchern verheilter Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femuropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung, ein knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt mit Meshgraft-Plastik gedeckt, eine knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, eine knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links sowie multiple Narben. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das von der Beklagten eingeholte zweite Rentengutachten von Prof. Dr. R. vom 07.05.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 22.04.2010.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bandscheibenvorfall an den Lendenwirbelkörpern 4/5 nicht auf den Unfall vom 17.07.2007 zurückzuführen. Dies entnimmt der Senat dem von der Beklagten eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums E. Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 22.04.2014. Nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. D. finden sich keinerlei HinW. auf Symptome, welche für eine schwere Wirbelsäulenverletzung am Unfalltag sprechen. Wirbelsäulenbeschwerden sind während der stationären Behandlung vom 18.07. bis 27.09.2007 in der BG-Klinik in T. nicht dokumentiert worden, auch nicht in der nachfolgenden ambulanten Behandlung. Es waren auch keine knöchernen oder ligamentären Verletzungen der lumbalen Wirbelsäule diagnostiziert worden, weshalb eine traumatische Bandscheibenschädigung ausgeschlossen werden kann. Dem schließt sich der Senat aufgrund eigener Überprüfung an. Dies entspricht auch der für die Beurteilung von Unfallfolgen maßgeblichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 434).
(b) Auf internistischem Fachgebiet sind beim Kläger keine Unfallfolgen zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Der vom Kläger im März 2009 erlittene Herzinfarkt mit PTCA (perkutane transluminale Koronarangioplastie) und Stentimplantation ist nach der Beurteilung von Prof. Dr. R. im Gutachten vom 07.05.2010 nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Ausführungen von Prof. Dr. G. im Gutachten vom 09.06.2015, wobei es zumindest möglich, wenn nicht wahrscheinlich erscheine, dass eine Teilätiologie des Herzinfarktes auch mit der chronisch angespannten und belastenden psychosozialen Situation als Unfallfolge verbunden sei, genügen jedoch nicht, nach oben dargestellten Beweismaßstäben den Herzinfarkt als Unfallfolge mit der dafür notwendigen Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats darzustellen.
(c) (aa) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen beim Kläger eine Anpassungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.2) bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung (ICD-10-GM 2015 F 43.8), eine mittelgradige bis schwere depressive Episode (ICD-10-GM 2015 F 32.1 und 32.2) sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM 2015 F 45.41) vor. Dies entnimmt der Senat dem Abschlussbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008, der beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 15.11.2009, dem Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009, dem Gutachten von Dr. T. vom 12.10.2009 und deren ergänzender Stellungnahme vom 26.04.2010, den Berichten der Dipl.-Psych. S. vom 09.11.2009 und vom 18.12.2009 sowie deren Auskunft gegenüber dem SG vom 24.06.2011 und gegenüber dem Senat vom 28.05.2012, der Auskunft der Schmerztherapeutin Dr. S. gegenüber dem SG vom 08.06.2011 und dem Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015. Ob auch eine posttraumatische Belastungsstörung medizinisch hinreichend gesichert ist, insbesondere Dr. F. hat hierzu Zweifel geäußert, oder eine Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung, wie von Prof. Dr. G. diagnostiziert, lässt der Senat dahinstehen.
Dr. F. führt in seiner Stellungnahme vom 15.11.2009 schlüssig aus, dass auf eine so schwerwiegende Verletzung mit langfristiger Behandlung und fehlender beruflicher Perspektive nachvollziehbar eine seelische Reaktion zu erwarten sei, welche im Sinne einer andauernden Anpassungsstörung oder aber Reaktionen auf sonstige seelische Belastungen zu diagnostizieren sei. Prof. Dr. L. stellt im Gutachten vom 21.05.2009 ein ängstlich-depressives Syndrom mit leichten psychotischen Elementen (u.a. Bedrohungs- und Beobachtungswahn) fest, welches glaubhaft erst nach dem Unfall aufgetreten sei und mit den Unfallverletzungen und der daraus resultierenden Berufsunfähigkeit als Busfahrer mit entsprechenden Zukunftsängsten zusammenhänge. Auch Dr. T. diagnostiziert in ihrem Gutachten vom 12.10.2009 Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 geht Dr. T. vom Vorliegen einer depressiven Episode aus, welche durch das chronische Schmerzerleben, den Verlust des Berufes als Busfahrer sowie die ungeklärte finanzielle Situation bedingt sei. Zudem berichtet Dipl.-Psych. S. im Verlaufsbericht vom 09.11.2009 und im Befundbericht vom 18.12.2009 von einer schweren depressiven Episode, welche sich durch die dauerhaften körperlichen Schmerzen, den Verlust des Berufes als Busfahrer, das Fehlen einer beruflichen Perspektive, das Erleben, seine Familie nicht mehr versorgen zu können und dadurch bedingte massive Selbstwertprobleme, den Verlust der körperlichen/psychischen Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit und die ungeklärte berufliche und finanzielle Situation entwickelt habe. Nach der Auskunft der Dipl.-Psych. S. vom 28.05.2013 gegenüber dem Senat besteht die depressive Symptomatik weiterhin und variiert lediglich zwischen mittel- bis schwergradig. Schließlich diagnostiziert Prof. Dr. G. im Gutachten vom 09.06.2015 eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom.
Weiter ist bereits im Abschlussbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008 ein chronifizierter Schmerz aufgrund der komplexen Unfallfolgen erwähnt. Auch Dr. T. geht in ihrem ersten Rentengutachten vom 12.10.2009 von einem Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels aus. Weiter erwähnt Dr. T. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 ein chronifiziertes Schmerzerleben des Klägers. Zudem teilt die spezielle Schmerztherapeutin Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 08.06.2011 gegenüber dem SG persistierende Schmerzen am rechten Unterschenkel, an der linken Patella, an der linken Hüfte, am linken Oberschenkel, an der linken Clavicula sowie Kopfschmerzen mit. Auch Dipl.-Psych. S. berichtet gegenüber dem SG unter dem 24.06.2011 über eine chronische Schmerzstörung. Gegenüber dem Senat gibt Dipl.-Psych. S. unter dem 28.05.2013 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren an. Schließlich diagnostiziert der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. in dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 09.06.2015 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Ob beim Kläger darüber hinaus auch eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. wie zuletzt von Prof. Dr. G. angenommen eine Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung vorliegt, konnte der Senat im Ergebnis offenlassen, da die gesamten Erkrankungen des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet jedenfalls keine höhere MdE als 30 % rechtfertigen (siehe unter (2)).
Der Senat hat insofern zunächst Zweifel daran, ob überhaupt die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.1) im Vollbeweis gesichert ist. Nach der aktuellen Version der ICD 10 (Version 2015), angepasst nach Beteiligung der medizinischen Fachgesellschaften (vgl. Vorwort der Ausgabe des Deutsch. Inst. für Med. Dokumentation und Information - System. Verzeichnis-), entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Unklar ist insoweit, ob und wenn ja, wodurch der Kläger traumatisiert worden ist. Denkbar sind hier das Unfallereignis selbst, aber auch das Erleben von Angst und Hilflosigkeit durch nachfolgende Ereignisse wie beispielsW. das Aufwachen auf der Intensivstation verbunden mit der Erkenntnis erheblicher Verletzungen und der Ungewissheit über die Wiederherstellung der eigenen Gesundheit. Nicht sicher feststehend ist, ob der Kläger durch das Unfallgeschehen selbst traumatisiert worden ist. Entgegen der Annahme von Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 ist es nicht eindeutig aktenkundig, dass der Kläger sich an das Unfallereignis überhaupt nicht erinnert und längerfristig bewusstlos gewesen ist. Weder im Durchgangsarztbericht vom 18.07.2007 noch im polizeilichen Unfallbericht wird eine Bewusstlosigkeit des Klägers erwähnt. Ein vom Durchgangsarzt beschriebener auffälliger Pupillenreflex am 18.07.2007 um 0:27 Uhr ist mit der von Dipl,-Psych. S. angenommenen Benommenheit ohne gänzlichen Bewusstseinsverlust unter der Diagnose einer Commotio cerebri vereinbar. Eine contusio cerebri war nicht diagnostiziert. Die Intubation und Beatmung sei nach Dipl.-Psych. S. den Verletzungen im Brustraum geschuldet gewesen. Andererseits hatte der Kläger im Vordruck der Beklagten unter dem 15.04.2008 selbst angegeben, bis "18.07.2015 5:30 Uhr" bewusstlos gewesen zu sein, was im übrigen seiner späteren Behauptung, drei Tage bewusstlos gewesen zu sein, widerspricht. So ist im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 unter dem Punkt Unfallanamnese erwähnt, dass der Kläger drei bis vier Tage bewusstlos gewesen sei. Dagegen ist dem Befundbericht von Dipl.-Psych. S. vom 18.12.2009 zu entnehmen, dass der Kläger sich noch daran erinnern könne, dass die Unfallverursacherin frontal in sein Auto gefahren ist und dass der Kläger sich weiter an die Bilder erinnern könne, als er auf der Intensivstation an medizinische Geräte angeschlossen mit extrem starken Schmerzen wieder aufgewacht ist. Damit ist bereits nicht klar, ob der Kläger sich überhaupt an den Unfall selbst erinnern kann. Theoretisch wäre wie ausgeführt auch eine Traumatisierung durch die Erlebnisse auf der Intensivstation infolge des Unfalls möglich. Jedoch konnte der Senat dahinstehen lassen, ob beim Kläger überhaupt eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. wie von Prof. Dr. G. angenommen nunmehr eine Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung vorliegt und ob diese Unfallfolge ist, da die ärztlich beschriebenen Auswirkungen des konkreten Krankheitsbildes unabhängig von den diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen des Klägers jedenfalls keine höhere Teil-MdE als 30 % rechtfertigen (dazu siehe unter (2)).
(bb) Ob die beim Kläger vorliegende Anpassungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.2) bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung (ICD-10-GM 2015 F 43.8), mittelgradige bis schwere depressive Episode (ICD-10-GM 2015 F 32.1 und 32.2) sowie chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM 2015 F 45.41) unfallbedingt sind oder, wie die Beklagte meint, wegen Änderung der Wesensgrundlage allein persönlichkeitsbedingt und nicht mehr unfallabhängig unterhalten wird, kann aus Sicht des Senats offen bleiben. Zwar spricht einiges für einen noch wesentlichen Unfallzusammenhang. Doch muss dies nicht abschließend aufgeklärt werden. Die von der Beklagten gerügten Diagnosen und die Zusammenhangsbeurteilung im psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. G. veranlassten den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen, insbesondere die Notwendigkeit einer nochmaligen Anhörung von Prof. Dr. G. oder die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens drängte sich dem Senat aus den nachstehenden Gründen nicht auf.
Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013 – L 8 U 2652/12 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass auch auf den Unfall selbst wesentlich zurückzuführende, später aufgetretene Umstände, die ihrerseits nach wissenschaftlichem Verständnis weitere Erkrankungen in der Folge verursachen, den Zusammenhang dieser Folgeerkrankungen mit dem Unfall begründen können (Urteil des Senats vom 17.05.2013 a.a.O.). Dagegen hat der Senat den wesentlichen unfallbedingten Zusammenhang eines psychischen Leidens verneint, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, durch die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers nur stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 L 8 U 1427/10 , juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Vorliegend könnte für den Unfallzusammenhang sprechen, dass sich beim Kläger infolge des schweren Unfalls, den nachfolgenden zahlreichen Operationen, der langen Restitutionsphase, den persistierenden Schmerzen, dem Verlust seines Berufes als Busfahrer, der ungewissen finanziellen und beruflichen Situation und den damit verbundenen Selbstwertproblemen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Anpassungsstörung bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung, eine mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren entwickelt haben, die sich unter den besonderen Bedingungen der langwährenden Behandlung bei verzögertem Heilungsverlauf weiter verfestigt haben.
Sowohl im Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 als auch im Gutachten von Dr. T. vom 12.10.2009 finden sich anamnestisch keine Angaben zu psychiatrischen Vorerkrankungen des Klägers. Das von der Beklagten beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der AOK enthält in Bezug auf psychiatrische Vorerkrankungen keinen Eintrag (Bl. 306 der Verwaltungsakte). Im Gutachten von Prof. Dr. G. sind ebenfalls keine psychiatrischen Vorerkrankungen dokumentiert. Andererseits ist die von der Beklagten in den Bescheiden vom 11.12.2009 und 15.07.2010 angenommene Persönlichkeitsakzentuierung medizinisch von mehreren Ärzten beschrieben worden. Soweit jedoch Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 ausführt, schon aus der Diagnosestellung und den Schilderungen der Befunde, bei denen auch eine deutliche Verbitterungsreaktion herauszulesen sei, sei "ganz klar", dass hier auch persönlichkeitsimmanente Faktoren eine Rolle spielten, ist dies nicht völlig überzeugend. Eine eingehende psychiatrische Exploration ist hierfür nicht dokumentiert, obgleich Dr. T. in ihrem neurologischen Gutachten vom 23.03.2010 die Verbitterung des Klägers wegen der seiner Auffassung zu geringen Bestrafung der Unfallverursacher als psychischen Belastungsfaktor beschrieben hatte. Im psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015 wird eine Verbitterungsreaktion aus diesem Bedingungsgefüge nicht dargelegt, sondern eine unfallbedingte Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung angenommen. Dass der von Dr. F. als Verbitterungsreaktion umschriebenen kausalen Verknüpfung des Krankheitsbildes beim Kläger nunmehr alleinige wesentliche Bedeutung zukommt, als Voraussetzung für die von der Beklagten angenommene "Verschiebung der Wesensgrundlage", wurde von Dr. F. nicht überzeugend dargelegt, er hat vielmehr ausdrücklich eine psychiatrische Begutachtung angeregt (Stellungnahme von Dr. F. vom 15.11.2009). Der Senat hat sich trotz der Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015 nicht veranlasst gesehen, diese Frage weiter aufzuklären. Die Beklagte hat keine Berufung eingelegt. Da der Senat eine Teil-MdE von 20 % für die auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet zu beurteilenden Unfallfolgen annimmt (siehe unten 2. a), ist die Frage, ob auch auf psychiatrischem Fachgebiet Unfallfolgen zu diagnostizieren sind, bei der vom SG insoweit rechtskräftig mit mindestens 40 % festgestellten MdE nicht rechtserheblich. Sonstige Konkurrenzursachen für die psychiatrischen Erkrankungen des Klägers sind mangels entsprechender Dokumentation nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Damit wären die Anpassungsstörung bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung, die mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen.
(2) Nach Auffassung des Senats liegen beim Kläger aufgrund seiner Gesundheitsstörungen infolge des Unfalls vom 17.07.2007 keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, welche eine höhere Gesamt-MdE als 40% rechtfertigen könnten.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, a.a.O. m.H.a.: BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr 42 m.w.N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
(a) Auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet liegen infolge des Unfalls die unter (1 a) beschriebenen Erkrankungen vor, welche Funktionsbeeinträchtigungen bedingen, die eine Teil-MdE von 20% rechtfertigen.
Die beim Kläger an den oberen Extremitäten vorliegenden Unfallfolgen (ein mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links und ein ebenfalls achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts) rechtfertigen keine MdE. Für die MdE-Einschätzung ist vor allen Dingen die verbleibende funktionelle Einschränkung maßgeblich. Wie der Beratungsarzt Dr. S.-B. in seiner Stellungnahme vom 30.06.2010 zu Recht ausführt, sind die oberen Extremitäten des Klägers frei beweglich. Dies ergibt sich aus den von Prof. Dr. R. anlässlich der Erstellung des zweiten Rentengutachtens am 22.04.2010 erhobenen Bewegungsausmaßen. Auch Prof. Dr. R. befundete eine seitengleich freie Beweglichkeit der oberen Extremitäten. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. zeigte sich lediglich das linke Schlüsselbein im mittleren Drittel deutlich prominent bei tastbarem Callus mit Druckschmerz. Bei Bewegungen gab der Kläger Schmerzen in Projektion auf das Schlüsselbein an. Der Nacken- und Schürzengriff konnten ausgeführt werden. Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren seitengleich intakt. Damit sind im Bereich der oberen Extremitäten keine Funktionsbeeinträchtigungen verblieben, welche die Einschätzung einer MdE rechtfertigen könnten. Dies entspricht auch der maßgeblichen MdE-Einschätzung in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 523 und 530).
Hinsichtlich der unteren Extremitäten sind beim Kläger Unfallfolgen gegeben, welche zu einer MdE von 20% führen. Zunächst leidet der Kläger unter einer posttraumatischen Coxarthrose links nach einer konsolidierten Acetabulumfraktur. Anlässlich der Untersuchung von Prof. Dr. R. am 22.04.2010 ergab sich eine lediglich endgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes (Streckung/Beugung links 0-0-120 ; Norm: 0-0-140°). Das Röntgen am 22.04.2010 ergab eine diskrete Verschmälerung des linksseitigen Hüftgelenksspaltes zentrokranial im Vergleich zu rechts sowie eine subchondrale Sklerosierung kranial beidseits im Bereich der Hauptbelastungszone und eine beginnende osteophytäre Reaktion am linken Pfannenerker. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats eine MdE von 10%. Nach den Bewertungsmaßstäben für die MdE in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581 und 584 rechtfertigt eine Bewegungseinschränkung eines Hüftgelenkes in der Streckung/Beugung von 0-10-90 ° eine MdE von 10% und eine leichte Coxarthrose mit geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes und subchondraler Sklerosierung des Pfannendaches ohne Bewegungseinschränkung und ohne Muskelminderung des Beines eine MdE von 0% sowie eine deutliche Coxarthrose mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk bis 30-50 ° und Muskelminderung von mehr als zwei Zentimetern und einer leichten Gangbehinderung eine MdE von 20%. Nach den von Prof. Dr. R. erhobenen Befunden sind im Bereich des linken Hüftgelenks bis auf die endgradige Bewegungseinschränkung keine Funktionsbeeinträchtigungen verblieben, worauf Dr. S.-B.t in seiner Stellungnahme vom 30.06.2010 zu Recht hinweist. Die von Prof. Dr. R. erhobene Bewegungseinschränkung am linken Hüftgelenk mit 0-0-120° würde daher allein nach den MdE-Bewertungstabellen keine MdE begründen. Die nur geringgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks rechtfertigt damit unter Berücksichtigung der geltend gemachten arthrosebedingten Schmerzen allenfalls eine Teil-MdE von 10%.
Der knöchern verheilte Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femoropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung rechtfertigt ebenfalls eine Teil-MdE von 10%. Prof. Dr. R. hat am linken Kniegelenk lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung befundet (Streckung/Beugung 0-0-120 °; Norm: 0-0-140 °). Die Untersuchung ergab einen stabilen Bandapparat, keinen Erguss, keinen Patellaanpressschmerz und keine Meniskuszeichen. Der Kniescheibenbruch ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. R. verheilt. Die Einschätzung einer Teil-MdE von 10% steht im Einklang mit den bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. auf S. 654 und 655 angegebenen Erfahrungswerten, wonach eine Bewegungseinschränkung eines Kniegelenkes (Streckung/Beugung) von 0-0-120 ° eine Teil-MdE von 10% und eine Arthrose je nach Funktionsbehinderung eine Teil-MdE von 10 bis 30% bedingt. Wie ausgeführt bedingt die endgradige Bewegungseinschränkung linken Kniegelenks mit 0-0-120 ° eine Teil-MdE von 10%. Funktionsbehinderungen aufgrund der Arthrose sind jedoch nicht dokumentiert. Damit ist für den verheilten Kniescheibenbruch links mit der Arthrose eine Teil-MdE von 10% gerechtfertigt.
Die weiteren Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet (knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulärem Nagel sowie hypertropher Callusbildung, knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt und Meshgraft-Plastik gedeckt, knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links und multiple Narben) bedingen keine weitergehende MdE. Diese Unfallfolgen sind knöchern verheilt und bedingen keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen.
Die beim Kläger aufgrund der orthopädischen Beeinträchtigungen bestehenden Begleitschmerzen sind bei der MdE-Bewertung auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mit umfasst (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 221) Das darüber hinausgehende chronische Schmerzsyndrom hat der Senat bei der Bewertung der psychischen Unfallfolgen berücksichtigt (siehe dazu unter (2 b)).
Damit ist nach Auffassung des Senats für die Gesundheitsstörungen des Klägers auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine Teil-MdE von insgesamt 20% gerechtfertigt.
Der Einschätzung der vom SG als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte Dr. K. und Dr. Z. von der Universitäts- und Rehabilitationsklinik U. vom 16.05.2010, wonach die MdE mit mindestens 30% zu bewerten sei, konnte sich der Senat nicht anschließen. Die Einschätzung von Dr. K. und Dr. Z. orientiert sich nicht an der für die MdE-Einschätzung maßgeblichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Alleine die Arthroseentwicklung per se reicht nicht, um die MdE entsprechend zu erhöhen. Es müssen auch entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen damit einhergehen, welche von Dr. K. und Dr. Z. gerade nicht mitgeteilt werden. Weiter kann die MdE auch nicht wegen der von Dr. K. und Dr. Z. erwähnten zunehmenden Arthroseentwicklung und voraussichtlichen endoprothetischen Versorgung beider Gelenke erhöht werden, da es sich dabei um potentielle zukünftige Entwicklungen handelt. Die MdE-Einschätzung ist jedoch aufgrund von aktuell vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen zu treffen. Diese rechtfertigen wie ausgeführt lediglich eine Teil-MdE von 20%. Ebenso wenig wie das SG vermochte sich der Senat der MdE-Einschätzung von Prof. Dr. R. anschließen. Die von Prof. Dr. R. auf orthopädischem Gebiet eingeschätzte MdE ist aufgrund der dokumentierten Funktionseinschränkungen zu hoch und lässt eine Orientierung an der für die MdE-Einschätzung maßgeblichen Literatur vermissen.
(b) Aus den beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen (siehe (1 c)) resultieren Funktionsbeeinträchtigungen, welche eine Teil-MdE von höchstens 30% begründen.
Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die MdE-Bewertung eine Funktionsbewertung ist, weshalb die ärztlichen Diagnosen nur insoweit maßgebend sind, als die hieraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können. Soweit verschiedene Diagnosen, insbesondere wenn sie unter den Ärzten streitig sind, bei gesicherter Erkrankung annähernd gleiche Krankheitsbilder mit sich weitgehend deckenden Funktionsbeeinträchtigungen ergeben, ist danach die Differenzierung nach verschiedenen Diagnosen bei der MdE-Bewertung nicht erforderlich. Soweit spezifische Beeinträchtigungen der Einzeldiagnosen, wie z.B. das Vermeidungsverhalten bei der posttraumatischen Belastungsstörung, oder wahnhafte Ideen, wie z.B. bei der Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung, in den ärztlichen Befunde enthalten sind, sind diese naturgemäß gesondert zu berücksichtigen.
Nach diesen Bewertungsgrundsätzen geht der Senat von funktionellen Beeinträchtigungen in den Bereichen der mnestischen Fähigkeiten, der Stimmungslage und der sozialen-kommunikativen Fähigkeiten aus. Nach dem Bericht des Dipl-Psych. S. von den Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. nach Abschluss der stationären Belastungserprobung vom 20.08. bis 09.09.2008 ergaben sich in der psychologischen Untersuchung bei altersentsprechender Intelligenzleistung des Klägers Anzeichen auf markante Beeinträchtigungen im Bereich der Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitskapazität und Daueraufmerksamkeit, die später aber nicht mehr beschrieben werden. Als Leistungseinbußen wurden auch die subjektiv erlebten und objektiv erkennbaren Defizite der Aufmerksamkeit und des Antriebs, Schmerzen und Symptome, Beanspruchung und Behinderung im Alltag und Beruf sowie psychische Belastung und soziale Probleme benannt. Es bestanden Nachhallerinnerungen, Schlafstörungen, Flashbacks, Vermeidungsreaktionen, eine gesteigerte Erregbarkeit und eine vermehrte Schreckhaftigkeit (Bl. 189 der Verwaltungsakte). Die behandelnde Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. berichtete über Schlafstörungen, Alpträume mit Bildern vom Unfallgeschehen, Flashbacks im Wachzustand, Konzentrationsstörungen, multiple Ängste bezogen insbesondere auf das Autofahren, starke Anspannung und motorische Unruhe, Niedergeschlagenheit und Depressivität (Berichte vom 25.10.2008, Bl. 198 der Verwaltungsakte, vom 02.04.2009, 276 der Verwaltungsakte, vom 18.12.2009, Bl. 414 der Verwaltungsakte und vom 26.07.2010, Bl. 495 der Verwaltungsakte). Im Gutachten des Neurologen Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 wird ein Beobachtungs- und Bedrohungswahn durch Ärzte und Berufsgenossenschaften beschrieben. Hier fanden sich indes keine HinW. auf Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Die Stimmung des Klägers war ängstlich-depressiv, grübelnd, freudlos und mit Zukunftssorgen. Der Kläger war affektiv kaum modulationsfähig und auslenkbar. Mnestik und höhere kognitive Funktionen waren ungestört (Bl. 301 der Verwaltungsakte). Auch Dr. T. befundete bei der Begutachtung des Klägers am 29.09.2009 anlässlich der Erstellung des ersten Rentengutachtens ausgeprägte Ängste, Lebensüberdruss und Stimmungsschwankungen. Es fanden sich aber kein psychotisches Erleben, keine Zeichen einer kognitiven Beeinträchtigung und keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Ferner fand sich ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, wobei der Kläger sowohl Fahrten mit einem PKW als Beifahrer als auch das Verlassen der Wohnung ohne Begleitung seiner Ehefrau meidet. Bei der Konfrontation mit entsprechenden Situationen kam es zu vegetativen Symptomen mit Schweißausbruch und Herzklopfen, innerer Unruhe, sowie einer Verstärkung der Angstgefühle. Es bestanden weitere Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. Dr. T. schlug eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik vor (Bl. 332 bis 334 der Verwaltungsakte). In ihrem zweiten Rentengutachten vom 23.03.2010 beschrieb Dr. T. eine zum depressiven Pol verschobene Verstimmungslage, eine deutliche Reduzierung der affektiven Schwingungsfähigkeit und eine unterschwellige Aggressivität. Es ergaben sich aber keine HinW. auf eine kognitive Beeinträchtigung und keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Demgegenüber schilderte Dr. T. unter dem Punkt Zusammenfassung der noch bestehenden Unfallfolgen wiederkehrende und eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, Träume vom Unfall, eine psychische Belastung und körperliche Reaktion bei Konfrontation mit dem Unfallereignis und eine anhaltende Vermeidungshaltung mit allem, was mit Autofahren zu tun hat sowie Reizbarkeit mit impulsiven VerhaltensW.n und Konzentrationsstörungen sowie übertriebene Schreckreaktionen (Bl. 429 und 430 der Verwaltungsakte). Dr. T. empfahl nochmals eine Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 24.06.2011 gegenüber dem SG berichtete Dipl.-Psych. S. weiterhin von Schmerzen, Schlafstörungen, Alpträumen, Kopfschmerzen, Appetitverlust, Erschöpfung/Müdigkeit, Schwindelgefühlen, Gespanntheit, innerer Unruhe, übermäßigem Schwitzen, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Anhedonie, Ängsten, manchmal Verzweiflung/Aggressivität, Grübeln, Entscheidungs- und Konzentrationsproblemen, depressiver Hemmung, Energiemangel und Erschöpfung sowie sozialem Rückzug. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat vom 28.05.2013 berichtete Dipl.-Psych. S., es habe sich hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung zumindest tendenziell eine Verbesserung eingestellt. So sei der Kläger seit dem letzten Jahr hin und wieder selbst Auto gefahren, allerdings nur im Stadtverkehr und auf der Autobahn. Landstraßen meide er weiterhin, da der Unfall auf einer Landstraße passiert sei. Darüber hinaus vermeide er es, alleine mit dem Auto zu fahren. Zu seiner Beruhigung müsse eine Begleitperson mit dabei sein. In Bezug auf die depressive Symptomatik sei der Gesundheitszustand im Wesentlichen unverändert geblieben (Bl. 60 bis 63 der Senatsakte). Im Gutachten vom 09.06.2015 berichtet Prof. Dr. G., im Vordergrund stünden Affekte von Wut sowie ein chronisches Schmerzempfinden. Die testpsychologische Untersuchung des Klägers wies auf eine momentan mittelschwere Beeinträchtigung durch depressive Symptome hin. Es ergab sich eine durchschnittliche Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit (Bl. 126 und 127 der Senatsakte).
Diese beim Kläger infolge des schweren Unfallereignisses vom 17.07.2007 nachvollziehbar vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine Teil-MdE von höchstens 30%. Nach den für die MdE-Bewertung von psychiatrischen Erkrankungen in der maßgeblichen Literatur angegebenen Richtwerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 156 ff.) sind in Bezug auf das erwerbsrelevante Restleistungsvermögen funktionelle Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit und der Merkfähigkeit oder sozial-kommunikative Beeinträchtigungen maßgebend. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 = Breith. 2001, 783) kommt den MdE-Richtwerten im Bereich der psychischen Störungen nicht die Qualität anerkannter "allgemeiner Erfahrungswerte" zu, da sie (noch) keine wiederkehrende Anwendung, Anerkennung bzw. Akzeptanz sowohl von Sachverständigen, Gerichten und Unfallversicherungsträgern erfahren. Die veröffentlichten MdE-Werte sind als - ohne nähere Begründung nicht übernehmbare - Einzelmeinungen einzuordnen. Danach ergibt eine Anpassungsstörung mit einer stärkergradigen sozialkommunikativen Beeinträchtigung, zusätzlich zur psychisch-emotionalen Störung, wie Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder Rückzug eine MdE bis 20% und bei einem stark ausgeprägten Störungsbild bis 30%. Bei einer depressiven Episode ist nach dem Schweregrad zu differenzieren. Eine Verstimmung, die nicht den Schweregrad einer leichten depressiven Episode erreicht, ergibt eine MdE bis 10%, eine Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer leichten depressiven Episode ergibt eine MdE bis 20%, eine Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer mittelgradigen depressiven Episode eine MdE bis 40% und erst bei einer Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer schweren Episode auch mit psychotischen Symptomen ist eine MdE von 80 bis 100 gerechtfertigt. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung ist ein unvollständig ausgeprägtes Störungsbild (Teil- oder Restsymptomatik) mit einer MdE bis 20% zu bewerten. Ein üblicherW. zu beobachtendes Störungsbild, geprägt durch starke emotional und durch Ängste bestimmte VerhaltensW.n mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und gleichzeitig größeren sozial-kommunikativen Beeinträchtigungen ergibt eine MdE bis 30%. Erst ein schwerer Fall, gekennzeichnet durch massive Schlafstörungen mit Alpträumen, häufigen Erinnerungseinbrüchen, Angstzuständen, welche auch tagsüber auftreten können und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten kann mit einer MdE von bis zu 50% bewertet werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 156 und 157, Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 306 bis 308 sowie Foerster u.a., Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, MedSach 103 2/2007, S. 52 ff.).
Weiter sind die chronischen Schmerzen des Klägers zu berücksichtigen. Diese sind bereits im Bericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008 erwähnt. Dr. T. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 12.10.2009 ein Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels. Auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 wies Dr. T. auf das chronische Schmerzerleben des Klägers hin. Der Kläger befand sich wegen seiner Schmerzen vom 19.02.2010 bis 14.04.2010 bei der speziellen Schmerztherapeutin Dr. S. in Behandlung. Die behandelnde Dipl.-Psych. S. berichtete ebenfalls von einer chronischen Schmerzstörung (sachverständige Zeugenaussagen gegenüber dem SG vom 24.06.2011 und gegenüber dem Senat vom 28.05.2013). Schließlich diagnostizierte Prof. Dr. G. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Hinsichtlich der MdE-Bewertung ist für die "üblichen Schmerzen" grundsätzlich davon auszugehen, dass die MdE für körperliche Funktionseinschränkungen eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung mit umfasst und in den Richtwerten erfahrungsgemäße Begleitschmerzen eingeschlossen sind. Nur dort, wo nach Sitz und Ausmaß pathologischer Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit - mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit - vorliegt, muss von diesen Sätzen abgewichen werden. Bei "außergewöhnlichen Schmerzen", wie bei kausalgieformen Schmerzen und dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom, und wenn neben dem Schmerz keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, ist in Abhängigkeit von der Schwere eine eigenständige Berücksichtigung erforderlich. Dabei ist konkret darzustellen, inwieweit das Schmerzsyndrom die für die organische Funktionsbeeinträchtigung eingeschätzte MdE erhöht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 221). In der maßgeblichen unfallversicherungsrechtlichen Literatur sind folgende MdE-Erfahrungswerte angegeben: bei einer somatoformen Schmerzstörung mit einem Schmerzzustand mit leicht- bis mäßiggradiger körperlich-funktioneller Einschränkung eine MdE bis 10%, bei einem chronifizierten Schmerzzustand mit stärkergradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 30% und erst bei einem chronifizierten Schmerzzustand mit schwerwiegender körperlich-funktioneller Einschränkung und erheblicher psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 40% (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 222).
Nach diesen MdE-Bewertungsgrundsätzen sind die für die MdE-Bestimmung maßgebenden funktionellen Beeinträchtigungen aus Folgen der genannten unterschiedlichen Diagnosen weitgehend deckungsgleich, weshalb der Senat das Ausmaß der Stimmungsbeeinträchtigung, der sozialen-kommunikativen Beeinträchtigung/sozialen Zurückgezogenheit und der mnestischen Funktionseinschränkungen insoweit unabhängig von den Diagnosen unfallbedingter Erkrankungen seiner Würdigung unterzogen hat, jedoch auch unter Berücksichtigung krankheitsspezifischer Besonderheiten der genannten Diagnosen. Soweit Prof. Dr. G. unter seiner Diagnose einer Persönlichkeitsveränderungen nach Extremtraumatisierung neben dem von ihm auch wie von anderen Ärzten berichteten Auswirkungen des sozialen Rückzugs, des Antriebsverlustes bei depressiver und resignativer Stimmungslage auch Beeinträchtigungs- und Verschwörungsideen mit psychischen Auswirkungen schildert, insoweit besteht auch teilW. Übereinstimmung mit Dr. L., wäre diese abgrenzbare Symptomatik auch unter dem Aspekt eines unfallunabhängigen, da persönlichkeitsimmanenten Zusammenhangs zu erörtern (vgl. Senatsurteil vom 27.08.2010, a.a.O.). Dies mag jedoch dahinstehen, denn auch diese funktionellen Auswirkungen betreffen das Ausmaß der sozialen-kommunikativen Beeinträchtigung/sozialen Zurückgezogenheit, d. h. die Einsatzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, denn es betrifft die Integrierbarkeit und Kontakt-/Umgangsfähigkeit in der Gesellschaft und somit auch solche zu bewertenden Folgen der Depression, der Anpassungsstörung und des Schmerzsyndroms.
Die gesamten beim Kläger aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankungen inklusive des Schmerzsyndroms vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine Teil-MdE von höchstens 30%. Der Senat hat dabei die von den behandelnden Ärzten und Gutachtern beschriebenen Beeinträchtigungen des Klägers in ihrer Gesamtheit bewertet. Diese sind infolge des schwerwiegenden Unfallereignisses und der nachfolgenden zahlreichen Operationen und langen Restitutionsphase auch nachvollziehbar, worauf Dr. F. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 zu Recht hinweist. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Kläger entgegen den Empfehlungen von Dr. T. bislang noch keine stationäre Therapiemaßnahme zur Linderung seiner psychiatrischen Beschwerden in Anspruch genommen hat. Der Kläger war zwar kontinuierlich bei Dipl-Psych. S. in ambulanter Behandlung, doch ohne Therapieerfolg. Ein Behandlerwechsel oder Therapiewechsel hat er bisher ersichtlich nicht erwogen. Eine entsprechende Behandlung bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hat trotz der psychiatrischen Diagnose einer depressiven Entwicklung bislang nicht stattgefunden. Soweit ersichtlich nimmt der Kläger auch keine antidepressiven Medikamente ein. Er nimmt lediglich das Schmerzmittel Lyrika ein (vgl. die Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. Schenk vom 08.06.2011 und die Aussage der sachverständigen Zeugin Dipl. Psych. S. vom 24.06.2011 jeweils gegenüber dem SG). Ein entsprechender Leidensdruck, wie er bei einer Depression mit mittelgradigen oder gar schwergradigen Episoden zu erwarten wäre, wird durch dieses Verhalten nicht abgebildet. Das berichtete Vermeidungsverhalten, wonach der Kläger anfangs selbst als Beifahrer nicht habe Auto fahren können, ist zur Überzeugung des Senats entgegen dieser Behauptung weniger stark ausgeprägt. Ihm war es möglich bereits vor der von Dipl.-Psych. S. berichteten Besserung ab 2012 zu den Untersuchungsterminen in der BG-Klinik T. mit dem Taxi oder mit dem von seiner Ehefrau gefahrenen PKW zu kommen (vgl. Berichte der BG-Klinik T. vom 16.06.2008, 22.08.2008 und 27.08.2008, Blatt 128, 158, 160 der Verwaltungsakte), was auch seine sonstigen Angaben zum Ausmaß vorhandener Beschwerden relativiert. Nicht konstante Funktionsbeeinträchtigungen zeigen sich auch bei den im Zeitverlauf unterschiedlich dokumentierten Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich wie bei den berichteten Aufmerksamkeits-/Konzentrationsstörungen usw., wie oben dargestellt, was einerseits auf mitarbeitsabhängige Untersuchungen beruhen mag, denn der Kläger hat auch in anderen Zusammenhängen bei verschiedenen Untersuchungen erkennen lassen, dass Beschwerdeangaben gesteigert werden, wie z.B. die Angaben zur Dauer der Bewusstlosigkeit. Andererseits ist zumindest ersichtlich, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung schwankend ist, was der Senat bei der MdE-Bewertung ebenfalls in gleichem Maße berücksichtigen konnte. Zudem war der Kläger trotz der psychischen Beeinträchtigungen in der Lage, gemeinsam mit seiner Familie einen Urlaub in den Kosovo zu unternehmen (vgl. die Stellungnahme von Dipl.-Psych. S. vom 18.08.2009; Bl. 322 der Verwaltungsakte), was den berichteten Antriebsverlust und sozialen Rückzug einschließlich des Vermeidungsverhaltens als weniger gravierend als behauptet belegt und wodurch der Senat ein weiteres Mal in seiner Einschätzung bestätigt wird, dass das von den Behandlern unkritisch übernommen Beschwerdevorbringen mit dem tatsächlichen Ausmaß der Belastungen nicht übereinstimmt. Weiter geht der Kläger jeden Samstag zu den Regionalliga-Basketballspielen seines Sohnes (vgl. die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. G., Bl. 124 der Senatsakte). Dies spricht nach Auffassung des Senats gegen einen entsprechenden schwerwiegenden Leidensdruck und eine derart stark ausgeprägte sozial-kommunikative Beeinträchtigung, welche eine Erhöhung der Teil-MdE auf psychiatrischem Fachgebiet auf über 30 % rechtfertigen könnte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger laut der Aussage der sachverständigen Zeugin Dipl.-Psych. S. vom 28.05.2013 gegenüber dem Senat eine leichte Verbesserung bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung erfahren hat. So ist es dem Kläger im letzten Jahr hin und wieder gelungen, selbst mit dem Auto zu fahren, allerdings nur im Stadtverkehr und auf der Autobahn. Dabei vermeidet er Landstraßen und benötigt zu seiner Beruhigung eine Begleitperson.
Nach alledem hält der Senat für die Beeinträchtigungen des Klägers infolge seiner psychiatrischen Erkrankungen eine Teil-MdE in Höhe von höchstens 30% für gerechtfertigt. Der Einschätzung einer Teil-MdE von 50 bis 60 % auf psychiatrischem Fachgebiet durch Prof. Dr. G. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Diese Einschätzung orientiert sich nicht an den in der maßgeblichen Literatur für die MdE-Bewertung angegebenen Richtwerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 156 und 157 Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O., S. 306 bis 308 sowie Foerster u.a., Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, MedSach 103 2/2007, S. 52 ff.)
Ausgehend von einer Teil-MdE von 20% für die Funktionseinschränkungen des Klägers auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet und einer Teil-MdE von höchstens 30% für die Funktionseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich eine Gesamt-MdE von 40%. Dabei ist bei der Bildung einer Gesamt-MdE das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen mit einem MdE-Wert im Ganzen zu würdigen, wobei die einzelnen MdE-Ansätze nicht schematisch zusammengerechnet werden dürfen. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit (BSGE 48, 82). Grundsätzlich sind nebeneinanderstehende Funktionseinschränkungen nicht zu addieren. Bei der integrierenden Gesamtschau ist der Grad der MdE in aller Regel niedriger als die Summe der Einzelschäden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,S. 103). Bei der Bildung der Gesamt-MdE hat der Senat berücksichtigt, dass sich die in den Tabellenwerten für die unfallchirurgisch zu beurteilenden Verletzungsmuster miterfassten üblichen Schmerzen des Klägers und die psychischen Beeinträchtigungen teilW. überschneiden. So sind bereits bei der Teil-MdE von 10 % für die Hüftgelenkseinschränkung allein die zu Gunsten des Klägers hier unterstellten Schmerzen maßgebend gewesen und insbesondere ist im Zusammenhang mit der chronischen Schmerzstörung keine Ausweitung der Schmerzen auf nicht durch den Unfall verletzte Körperteile beschrieben, sodass die vom SG angenommene Gesamt-MdE von 40% für die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers auch nach Auffassung des Senats angemessen ist. Hinzu kommt, dass letztlich die diagnostizierte chronische Schmerzstörung für die psychiatrischen Unfallfolgen mit den Auswirkungen auf Stimmungslage und die sozialen Kompetenzen bestimmend ist und insoweit unter Berücksichtigung dieser Aspekte bereits in die MdE-Bewertung Eingang gefunden hat.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung der MdE. Der Anregung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 28.07.2015, Prof. Dr. G. ergänzend dazu zu befragen, weshalb er seiner MdE-Bewertung nicht wie das SG im angefochtenen Urteil den Vermerk des Beratungsarztes Dr. S.-B. zugrunde gelegt hat, sondern den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. R., musste der Senat nicht nachkommen. Zum Einen handelt es sich dabei nicht um einen formellen Beweisantrag, sondern lediglich um eine Beweisanregung. Zum Andern zielt die Frage auf die Bewertung der MdE, wobei es sich aber um eine allein vom Senat und nicht vom medizinischen Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage handelt.
Nach alledem war die Berufung des Klägers wie aus dem Tenor ersichtlich zurückzuW.n.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 % infolge eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 17.07.2007.
Der 1964 geborene Kläger erlitt am 17.07.2007 auf dem Heimweg von seiner Tätigkeit als Busfahrer bei der Firma S., einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, einen Verkehrsunfall, als ihm ein PKW auf seiner Fahrspur entgegenkam und frontal mit dem PKW des Klägers kollidierte.
Im Durchgangsarztbericht vom 18.07.2007 diagnostizierte Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., Rippenserienfrakturen beidseits, eine Acetabulumfraktur links, eine Oberschenkelfraktur links, eine supracondyläre Femurfissur links, eine Patellafraktur links, eine offene Unterschenkeltrümmerfraktur rechts sowie eine hohe Fibulafraktur rechts (Bl. 3 der Verwaltungsakte).
Nach der notfallmäßigen Erstbehandlung im Universitätsklinikum T. erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 18.07. bis 27.09.2007 die operative Stabilisierung der zahlreichen Frakturen. Der Kläger wurde am 27.09.2007 mit zwei Gehstöcken gut gehfähig in die ambulante Weiterbehandlung entlassen. Prof. Dr. W. rechnete mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit von wenigstens drei Monaten (Befund- und Entlassbericht vom 04.10.2007; Bl. 20 der Verwaltungsakte). Wegen ausbleibender knöcherner Konsolidierung der Tibia rechts und eines Plattenbruchs nach Osteosynthese der linken Clavicula erfolgte am 20.02.2008 eine Reosteosynthese der Tibia mittels UTN und Metallentfernung an der Clavicula (Befund- und Entlassbericht vom 26.02.2008; Bl. 82 der Verwaltungsakte). Nach ambulanter Weiterbehandlung mit Krankengymnastik und Abtrainieren der Unterarmgehstützen stellte Prof. Dr. W. im Zwischenbericht vom 02.04.2008 reizlose Wundverhältnisse, ein mäßiges Lymphödem am rechten Unterschenkel und eine nur noch endgradig eingeschränkte Beweglichkeit in beiden Kniegelenken bei der Flexion ohne Belastungsschmerzen fest (Bl. 118 der Verwaltungsakte). Vom 10.07. bis 31.07.2008 befand sich der Kläger in einem stationären Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., in dem ein deutlich verbessertes Gangbild erreicht werden konnte (Befund- und Entlassbericht vom 14.08.2008; Bl. 152 der Verwaltungsakte). Eine vom 20.08. bis 09.09.2008 in der Universitäts- und Rehabilitationsklinik U. durchgeführte stationäre Belastungserprobung ergab eine noch nicht ausreichende Belastbarkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und noch keine Fahrtauglichkeit. Der Allgemeinmediziner Pehling und der Reha-Berater Baum stützten ihre Einschätzung auf die komplexen Unfallfolgen mit chronifiziertem Schmerz und noch persistierenden unbehandelten psychischen Unfallfolgen (posttraumatische Belastungsstörungen mit Flashback, Angstsymptomatik und Vermeidungsverhalten) verbunden mit noch bestehenden motorischen Belastungseinschränkungen und Narbenverklebungen. Sie empfahlen eine gezielte Verhaltenstherapie zur Bewältigung der Unfallfolgen und eine schmerztherapeutische Behandlung (Bericht vom 09.09.2008, Bl. 171 der Verwaltungsakte).
Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 06.10.2008 wurde aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Angstsymptomatik und Vermeidungsverhalten entsprechend der Empfehlung des RKU U. eine Verhaltenstherapie im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung verordnet. Der Kläger begann die Therapie am 07.10.2008 bei der psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. (Bl. 198, 199 und 201 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte zog im Rahmen ihrer Ermittlungen die Akten des Amtsgerichts T. im Strafverfahren gegen die Unfallgegnerin wegen fahrlässiger Körperverletzung (12 Cs 17 Js 17102/07) bei und veranlasste Begutachtungen des Klägers bei Prof. Dr. W., Prof. Dr. L. und Dr. T ...
Im ersten Rentengutachten vom 27.04.2009 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 06.03.2009 stellte Prof. Dr. W. die folgenden wesentlichen Unfallfolgen fest: einen unter Falschgelenksbildung verbliebenen Schlüsselbeinbruch links, einen knöchern verheilten Ellenbruch mit einliegendem Osteosynthesematerial rechts, eine posttraumatische Hüftgelenksarthrose nach Hüftpfannenbruch mit osteophytären Randanbauten und Beugeeinschränkung auf 90 ° links, einen knöchern geheilten Oberschenkelbruch mit noch einliegendem distalem Femurnagel links, einen knöchern verheilten Kniescheibenbruch mit posttraumatischer Gelenkschädigung und Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk auf 90 ° links, einen knöchern noch nicht vollständig ausgeheilten Unterschenkelbruch rechts sowie eine posttraumatische Belastungsstörung. Die MdE schätzte Prof. Dr. W. vom 19.02.2009 bis 05.03.2009 mit 70% und vom 06.03.2009 bis zur Rente auf unbestimmte Zeit mit 60% ein (Bl. 280 bis 292 der Verwaltungsakte).
Im neurologischen Gutachten vom 21.05.2009 erstellt aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 27.04.2009 diagnostizierte Prof. Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik U., eine commotio cerebri, eine posttraumatische Belastungsstörung mit ängstlich-depressiver Symptomatik sowie leichten psychotischen Elementen, multiple Frakturen sowie einen Myocardinfarkt mit PTCA und RCA-Stent. Es bestehe aktuell kein fokal neurologisches Defizit. Im Vordergrund stehe ein ängstlich-depressives Syndrom mit leichten psychotischen Elementen wie u.a. Bedrohungs- und Beobachtungswahn, welches glaubhaft erst nach dem Unfall aufgetreten sei und nach Angaben des Klägers wie auch seiner Ehefrau mit den Verletzungen des Unfalls und der daraus resultierenden Berufsunfähigkeit als Busfahrer mit entsprechenden Zukunftssorgen zusammenhänge. Die MdE auf neurologischem Fachgebiet schätzte Prof. Dr. L. aufgrund der erlittenen commotio cerebri in den ersten vier Wochen auf 100%, danach auf 50% für weitere vier Wochen und auf 20% für weitere zwei Monate. Wegen der im Vordergrund stehenden psychiatrischen Symptomatik empfahl Prof. Dr. L. eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung (Bl. 295 bis 304 der Verwaltungsakte).
In dem aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 29.09.2009 erstellten Gutachten vom 12.10.2009 führte die Neurologin Dr. T. aus, die Unfallfolgen lägen zum Einen auf unfallchirurgischem Fachgebiet, woraus auch ein Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels resultiere. Ganz im Vordergrund stehe die posttraumatische Belastungsstörung mit anhaltenden Erinnerungen durch Flashbacks und sich wiederholenden Träumen, vegetativen Symptomen und Angstgefühlen bei Konfrontation mit dem Unfall oder Situationen, die mit Autofahren zu tun hätten. Weiter bestünden Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. Die MdE alleine für die posttraumatische Belastungsstörung betrage 50%. Die Gesamt-MdE schätzte Dr. T. ab 20.02.2009 für ein Jahr mit 100% ein (Bl. 329 bis 335 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte holte eine unfallchirurgische und eine neurologisch-psychiatrische beratungsärztliche Stellungnahme ein. Der (Unfall-)Chirurg Dr. S.-B. führte unter dem 28.10.2009 aus, die Einschätzung der MdE mit 60% im chirurgischen Gutachten entspreche nicht der bestehenden Funktion. Trotz straffer Pseudarthrose bestehe eine fast seitengleiche freie Funktion der Schulter. Auch werde trotz nicht ganz sicherer knöcherner Konsolidierung das rechte Bein belastet. Hier sei wegen der beidseitigen Betroffenheit eine MdE von 50% gerechtfertigt. Bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung erscheine die MdE von 50% etwas hoch, weshalb Dr. S.-B. eine Vorlage beim neurologisch-psychiatrischen Beratungsarzt empfahl (Bl. 337 der Verwaltungsakte).
Der Neurologe und Psychiater Dr. F. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 aus, es sei eindeutig aktenkundig, dass der Kläger sich an das Unfallereignis überhaupt nicht erinnere. Er sei längerfristig bewusstlos gewesen und habe auch bei der Erstuntersuchung eine Unfallamnesie angegeben. Daher seien die Kriterien A1 und A2 nach DSM IV für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt. Zwar sei klar, dass infolge einer so schwerwiegenden Verletzung eine seelische Reaktion zu erwarten sei. Dies könne aber nicht im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung diagnostiziert werden, sondern eher im Sinne einer andauernden Anpassungsstörung, welche durch die körperlichen Verletzungsfolgen unterhalten werde. Aus der Diagnosestellung und den Schilderungen der Befunde, aus denen eine deutliche Verbitterungsreaktion herauszulesen sei, sei klar, dass auch persönlichkeitsimmanente Faktoren eine Rolle spielten. Die Bemessung der Gesamt-MdE mit 100% sei von neuropsychiatrischer Seite aus inakzeptabel. Die sonstige Reaktion auf die seelische Belastung sei mit einer MdE von maximal 20% zu bewerten. Dr. F. empfahl "vor Eintritt in die Dauerrente eine adäquate Begutachtung an anderer Stelle" (Bl. 344 bis 346 der Verwaltungsakte).
Schließlich holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei dem (Unfall-) Chirurgen Dr. S. ein, welcher unter dem 24.11.2009 ausführte, er sehe die MdE-Bewertung unter Berücksichtigung sowohl der beidseitigen Betroffenheit als auch der oberen und unteren Extremitäten mit 50% als korrekt bewertet an. Unter Berücksichtigung der von Dr. F. geschätzten MdE von 20% auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet empfahl Dr. S. eine Gesamt-MdE von 70% (Bl. 348 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11.12.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70% ab dem 20.02.2009. Als Unfallfolgen stellte die Beklagte Bewegungseinschränkungen im linken Hüftgelenk mit Arthrose des Hüftgelenks, eine Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk, eine Minderbelastbarkeit des rechten Beines bei noch unvollständiger knöcherner Durchbauung des rechten Unterschenkels, eine unvollständige knöcherne Durchbauung des rechten Schlüsselbeines und eine Anpassungsstörung fest. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege eine Persönlichkeitsakzentuierung vor (Bl. 358 bis 362 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers am 21.12.2009 Widerspruch (Bl. 369 und 370 der Verwaltungsakte).
In dem von der Beklagten eingeholten zweiten Rentengutachten der Neurologin Dr. T. vom 23.03.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 16.03.2010 führte Dr. T. aus, es fänden sich in den vorliegenden Berichten zur Frage der Erinnerung des Klägers an das Unfallereignis keine eindeutigen Angaben. Der Kläger sei intubiert und beatmet in die BG-Klinik verlegt worden, wobei die Intubation nicht aufgrund des schweren Schädel-Hirn-Traumas, sondern aufgrund der übrigen Verletzungen erfolgt sei. Daher sei es nicht auszuschließen, dass sich der Kläger, wie er selbst angebe, an einen Teil des Unfallereignisses erinnere und erst dann die Amnesie eingesetzt habe. Insofern seien Nachhallerlebnisse durchaus denkbar. Letztlich sei es für die Beurteilung der jetzigen psychiatrischen Symptomatik und der daraus resultierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur von eingeschränkter Bedeutung, ob es sich um eine depressive Anpassungsstörung oder um eine posttraumatische Belastungsstörung handele. Es seien aber doch ein Großteil der Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger erfüllt, wie wiederkehrende und eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, Träume vom Unfall, psychische Belastung und körperliche Reaktion bei Konfrontation mit dem Unfallereignis und eine anhaltende Vermeidungshaltung mit allem, was mit Autofahren zu tun habe. Hinzu kämen Reizbarkeit mit impulsiven VerhaltensW.n, Konzentrationsstörungen und übertriebene Schreckreaktionen. Dr. T. schätzte "die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet mit 25%" ein (Bl. 428 bis 431 der Verwaltungsakte).
Auf Frage der Beklagten teilte Dr. T. unter dem 26.04.2010 ergänzend mit, sie habe ihre Einschätzung ausführlich begründet, da sie den Eindruck gewonnen habe, dass es sich zwar ursprünglich um eine posttraumatische Belastungsstörung gehandelt habe, sich inzwischen aber die Wesensgrundlage der Störung verschoben habe und eher von einer depressiven Episode auszugehen sei, welche auch durch das chronische Schmerzerleben, den Verlust des Berufs als Busfahrer und die ungeklärte finanzielle Situation bedingt sei, wie es häufig in nicht abgeschlossenen Renten- und Begutachtungsverfahren der Fall sei (Bl. 438 der Verwaltungsakte).
Weiter holte die Beklagte ein zweites Rentengutachten bei Prof. Dr. R., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik U. ein. Im Gutachten vom 07.05.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 22.04.2010 fasste Prof. Dr. R. die noch bestehenden Unfallfolgen wie folgt zusammen: mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links, achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts, beginnende posttraumatische Coxarthrose links nach konsolidierter Acetabulumfraktur mit Bewegungseinschränkung, knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulärem Nagel sowie hypertropher Callusbildung, knöchern verheilter Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femoropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung, knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt mit Meshgraft-Plastik gedeckt, knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links, multiple Narben sowie fachfremd: posttraumatische Belastungsstörung. Unfallunabhängig liege u.a. ein Herzinfarkt und PTCE sowie Stent-Implantation 3/2009 vor. Die MdE schätzte Prof. Dr. R. mit 50% ein und ging davon aus, dass mit keiner relevanten Verbesserung der Erwerbsfähigkeit zu rechnen sei (Bl. 442 bis 452 der Verwaltungsakte).
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.05.2010 führte der Neurologe und Psychiater Dr. F. aus, wenn Dr. T. nun eine Änderung der Wesensgrundlage sehe, dann sei zunächst einmal der Unfallzusammenhang zu diskutieren und eine sonstige Reaktion auf seelische Belastung mit depressiver Symptomatik als Unfallfolge zu akzeptieren. Die MdE von 20% sei von Anfang an gerechtfertigt gewesen. Die von Dr. T. angegebene MdE von 50% sei nicht begründet (Bl. 456 bis 458 der Verwaltungsakte).
Der (Unfall-)Chirurg Dr. S.-B. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.06.2010 aus, es sei unter funktionellen Gesichtspunkten ein exzellentes Ergebnis erreicht worden. Die oberen Extremitäten seien frei beweglich. Die Muskelbemantelung sei beidseits gleich. Bis auf eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des Hüft- und Kniegelenkes seien keine wesentlichen funktionellen Residuen verblieben. Aufgrund der beidseitigen Betroffenheit sei hier eine MdE von 20% auf Dauer anzusetzen. Eine MdE von 50% auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei nicht nachvollziehbar (Bl. 460 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 15.07.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung nunmehr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab dem 01.08.2010. Die MdE berücksichtige als Unfallfolgen eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüft- und rechten Kniegelenk. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege beim Kläger eine Persönlichkeitsakzentuierung vor. Dieser Verwaltungsakt werde nach § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens und gelte als mit angefochten (Bl. 464 bis 469 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 21.09.2010 hörte die Beklagte den Kläger zu der mit Bescheid vom 15.07.2010 erfolgten Herabsetzung der MdE auf 20% nachträglich gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X an (Bl. 482 und 483 der Verwaltungsakte). Dazu trug der damalige Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 29.09.2010 unter Verweis auf die Begutachtungen durch Prof. Dr. R. und Dr. T. sowie auf die Stellungnahmen der behandelnden Psychotherapeutin S. vor, es sei dauerhaft von einer MdE von 70% auszugehen (Bl. 487 und 488 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 - ohne Postabgangsvermerk - wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die beim Kläger noch bestehenden Beeinträchtigungen auf chirurgischem Fachgebiet, welche im Verwaltungsakt vom 15.07.2010 zusammenfassend genannt seien, bedingten im Sinne einer erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit nur noch eine MdE in Höhe von 20%. Hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen des Klägers sei es zu einer Änderung der Wesensgrundlage gekommen, sodass die jetzt noch vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen nicht mehr rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 17.07.2007 zurückzuführen seien, sondern vielmehr auf unfallunabhängige Faktoren, wie z.B. eine beim Kläger anzunehmende Verbitterungsstörung (Bl. 519 bis 522 der Verwaltungsakte).
Dagegen erhob der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers am 29.12.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 70% auf Dauer geltend machte. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. T ... Der Kläger gehe davon aus, dass die weiter festgestellten gesundheitlichen Störungen, insbesondere sein erlittener Herzinfarkt, insofern auf den Unfall zurückzuführen seien, dass er seine Lebensführung völlig habe umstellen müssen. Ferner legte ein weiterer ehemaliger Prozessbevollmächtigter des Klägers einen Bescheid des Landratsamts B. - Versorgungsamt in S.- vom 07.12.2009 vor, mit dem beim Kläger ein Grad der Behinderung von 70 seit dem 15.07.2009 festgestellt wurde (Bl. 43 und 44 der SG-Akte).
Das SG erhob Beweis durch Einholung von Auskünften bei den behandelnden Ärzten des Klägers. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 50/51, 64 und 65/70 der SG-Akte Bezug genommen.
Dr. K. und Dr. Z. von der Orthopädischen Universitätsklinik U. teilten unter dem 16.05.2011 mit, es zeige sich eine nahezu identische Muskelummantelung und im Wesentlichen gute Beweglichkeit mit geringer Einschränkung vor allem im Bereich des linken Hüftgelenkes und des linken Kniegelenkes. Jedoch sei mit einer zunehmenden Arthroseentwicklung und voraussichtlich endoprothetischen Versorgung beider Gelenke zu rechnen. Unter Berücksichtigung des erreichten Funktionszustandes liege die MdE bei mindestens 30%. Eine Reduktion auf 20% sei in keinster W. nachvollziehbar. Eine solche liege beispielsW. nach Implantation einer Hüftprothese einseitig, bei beidseitiger Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes geringen bis mittleren Grades oder bei einer schlaffen Schlüsselbeinpseudarthrose vor.
Die Anästhesistin und spezielle Schmerztherapeutin Dr. S. schrieb dem SG am 08.06.2011, sie habe den Kläger vom 19.02.2010 bis zuletzt am 14.04.2010 wegen persistierender Schmerzen am rechten Unterschenkel, an der linken Patella, an der linken Hüfte, am linken Oberschenkel, an der linken Clavicula sowie Kopfschmerzen behandelt. Daneben habe der Kläger Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und eine depressive Stimmungslage sowie einen Zustand nach Myokardinfarkt 2009 gezeigt (Bl. 64 der SG-Akte).
Die psychologische Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. teilte unter dem 24.06.2011 mit, sie habe den Kläger vom 13.01.2009 bis zum 12.10.2010 kontinuierlich psychotherapeutisch behandelt. Ab dem 16.11.2010 sei die Behandlung des Klägers auf Kosten der Krankenkasse kontinuierlich weitergeführt worden und dauere weiterhin an. Beim Kläger lägen eine schwere depressive Episode und eine chronische Schmerzstörung vor. Aus ihrer Sicht bestehe auch nach wie vor eine posttraumatische Belastungsstörung.
Mit Urteil vom 29.03.2012 änderte das SG den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab dem 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40% zu gewähren. Zur Begründung führte das SG aus, nach dem zuletzt von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R. sei ein funktionell sehr gutes Behandlungsergebnis erreicht worden, weshalb die MdE-Einschätzung von Prof. Dr. R. mit 50% für den chirurgischen Bereich zu hoch erscheine. Darauf W. Dr. S.-B. zutreffend hin, schätze jedoch die MdE ebenfalls nicht angemessen auf 20% ein. Die MdE auf chirurgischem Fachgebiet sei unter Berücksichtigung der bereits eingetretenen Arthroseentwicklung wie von den behandelnden Ärzten Dr. K. und Dr. Z. zutreffend eingeschätzt mit 30% zu bewerten. Die Beklagte habe den psychiatrischen Bereich zu Unrecht vollkommen außer Acht gelassen. Dafür habe der Beratungsarzt Dr. F. die MdE von Anfang an mit 20% eingeschätzt. Den Ausführungen von Dr. T. sei nicht zu folgen, da sie ohne weitere Begründung eine Verschiebung der Wesensgrundlage behauptet habe. Unter Berücksichtigung der zuletzt von Dr. F. mit 20% eingeschätzten MdE auf psychiatrischem Gebiet und der chirurgisch-orthopädischen MdE in Höhe von 30% ergebe sich unter den Gesichtspunkten der Gesamt-MdE-Bildung eine MdE von 40%.
Gegen das nach Mandatsniederlegung des ehemaligen Prozessbevollmächtigten dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 20.04.2012 zugestellte Urteil des SG hat eine weitere ehemalige Bevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 24.04.2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung beruft sich der Kläger auf das Gutachten von Prof. Dr. R. und lässt vortragen, Prof. Dr. R. habe die MdE auf 50% eingeschätzt und eine Besserung für nicht wahrscheinlich erachtet. Daher sei nicht erkennbar, weshalb nun auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet eine MdE in Höhe von 30% gerechtfertigt sein solle. Es liege auch kein sehr gutes Behandlungsergebnis vor, sondern es zeigten sich nun vielmehr Beschwerden aufgrund der posttraumatischen Beeinträchtigungen wie der Femoropatellararthrose und der beginnenden posttraumatischen Coxarthrose. Ferner habe Dr. T. die MdE im zweiten Rentengutachten auf 25% festgesetzt. Demgegenüber stütze man sich auf die Ausführungen des Beratungsarztes Dr. F., welcher den Kläger weder persönlich gesehen noch untersucht habe. Der Kläger befinde sich nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung. Es seien nicht nur eine posttraumatische Belastungsstörung mit Flashbacks, sondern auch depressive Stimmungsschwankungen mit impulsivem Verhalten und aggressiven Ausbrüchen, Antriebs- und Lustlosigkeit und Verlust an Lebensfreude festgestellt worden. Des Weiteren solle wegen der Hüftgelenksbeschwerden eine Hüftgelenksendoprothetik vorgenommen werden. Schließlich befinde sich der Kläger nach wie vor in schmerztherapeutischer Behandlung (Bl. 8 bis 12 der Senatsakte). Mit Schriftsatz vom 19.06.2012 trägt die ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers zur weiteren Begründung der Berufung vor, der Kläger erinnere sich daran, dass er am 17.07.2007 im Rahmen eines Wegeunfalles in einen Frontalzusammenstoß verwickelt worden sei. Er sei drei bis vier Tage bewusstlos gewesen. Weiter befinde er sich wegen seiner psychischen Beschwerden nach wie vor in ambulanter Behandlung. Auf diesem Gebiet sei die Angelegenheit nicht abschließend geklärt. Der Aussage von Dr. F. könne aufgrund der entgegenstehenden Aussagen von Frau S., Dr. S. und Dr. T. nicht gefolgt werden. Auffällig sei auch, dass die Beklagte entgegen der Empfehlung von Dr. F. kein psychotraumatologisches Gutachten eingeholt habe (Bl. 33 bis 44 der Senatsakte).
Der Senat hat die behandelnde Psychotherapeutin des Klägers Dipl.-Psych. S. als sachverständige Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 60 bis 63 der Senatsakte verwiesen. Frau S. hat dem Senat unter dem 28.05.2013 mitgeteilt, der Kläger leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Die depressive Symptomatik sei im Wesentlichen seit Erstattung des Befundberichts vom 18.12.2009 an die Beklagte unverändert geblieben. Es bestehe weiterhin eine ausgeprägte depressive Symptomatik, welche zwischen mittelgradig und schwer variiere. Hinsichtlich der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren habe sich keine Veränderung eingestellt. Die posttraumatische Belastungsstörung habe sich zumindest tendenziell leicht verbessert. So sei es dem Kläger seit dem letzten Jahr hin und wieder gelungen, selbst mit dem Auto zu fahren. Allerdings könne er lediglich im Stadtverkehr und auf der Autobahn und mit einer Begleitperson fahren. Landstraßen meide er weiterhin, da der Unfall auf einer Landstraße passiert sei. Die Therapie dauere weiterhin an.
Nachdem beim Kläger ein Bandscheibenvorfall LWK4/5 festgestellt worden war (Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 29.08.2012; Bl. 54 bis 56 der Senatsakte), hat die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten bei dem Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Stadt E. Prof. Dr. D. eingeholt. Im Gutachten vom 22.04.2014 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 11.03.2014 hat Prof. Dr. D. ausgeführt, knöcherne oder ligamentäre Verletzungen der lumbalen Wirbelsäule infolge des Unfalls seien nicht diagnostiziert worden. Folglich könne eine traumatische Bandscheibenschädigung bei offensichtlich fehlender initialer Beschwerdesymptomatik und fehlendem Nachweis von Begleitverletzungen in der Computertomographie ausgeschlossen werden. Das Unfallereignis sei nicht die wesentliche Ursache für den Bandscheibenvorfall LWK4/5 (Bl. 82 bis 93 der Senatsakte).
Die Berichterstatterin hat am 27.11.2014 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf die hierzu ergangene Niederschrift wird verwiesen.
Weiter hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten bei dem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. eingeholt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 116 bis 129 der Senatsakte verwiesen. In dem Gutachten vom 09.06.2015 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 18.02.2015 hat Prof. Dr. G. ausgeführt, der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom. Weiter sei es absolut nachvollziehbar, dass für einen längeren Zeitraum wie von Dipl.-Psych. S. beschrieben eine posttraumatische Belastungsstörung mit den entsprechenden Symptomen bestanden habe. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr in vollem Umfang erfüllt. Das diesbezügliche Beschwerdebild habe sich in eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung gewandelt. Es sei davon auszugehen, dass über den gesamten Verlauf nach dem Unfallgeschehen eine erheblich krankheitswertige psychische und psychosomatische Symptomatik bestanden habe, insbesondere im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung, jetzt Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung und gleichzeitig sicher eine depressive Verstimmung mit mittlerer bis schwerer Ausprägung. Prof. Dr G. hat die MdE auf psychosomatisch-psychotherapeutischem Fachgebiet ab dem 01.08.2010 auf mindestens 50 %, eher 60% eingeschätzt. Zusammen mit der festgestellten MdE auf orthopädischem Fachgebiet von 50% erscheine eine Festsetzung der Gesamt-MdE von 70 % als adäquat bzw. dem gesamten Geschehen und Verlauf angemessen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.07.2015 gegen das Gutachten von Prof. Dr. G. eingewandt, dass der Gutachter die MdE-Einschätzung von 50% für das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet von Prof. Dr. R. zugrunde lege. Dies sei jedoch nicht zutreffend, da im Rahmen einer internen Überprüfung durch Dr. Schulte-Bockholt am 30.06.2010 festgestellt worden sei, dass sich die Unfallfolgen erheblich gebessert hätten und nunmehr nur noch mit einer MdE von 20% zu bewerten seien. Auch in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. und Dr. Z. vom 16.05.2011 gegenüber dem SG sei die MdE nur noch mit 30% bewertet worden. Dieser Beurteilung sei das SG im angefochtenen Urteil vom 29.03.2012 gefolgt. Im Übrigen habe Prof. Dr. D. im Gutachten vom 22.04.2014 die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich seiner Wirbelsäule als nicht unfallursächlich bewertet. Hinsichtlich der MdE-Bewertung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei auf die zuvor erfolgten Beurteilungen durch die Gutachterin Dr. T. vom 23.03.2010 mit Ergänzung vom 26.04.2010 (MdE 25%) sowie auf die Bewertung von Dr. F. vom 21.05.2010 (20%) hinzuW.n. Das SG habe die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit 20% als zutreffend angesehen. Abschließend sei festzustellen, dass das Wirbelsäulenleiden und die Folgen des Herzinfarkts des Klägers nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 17.07.2007 stünden. Gleiches gelte für die von Prof. Dr. G. angenommene andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung, welche keine Unfallfolge sein könne, da es schon an einer Extremtraumatisierung fehle. Vielmehr müsse die Ursache hier in der unfallunabhängig bestehenden Persönlichkeit des Klägers angenommen werden (Bl. 130 und 131 der Senatsakte).
Daraufhin hat der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 28.07.2015 vorgetragen, der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S.-B. habe seine MdE-Einschätzung alleine mit einer Prüfung nach Aktenlage begründet. Dagegen habe Prof. Dr. R. seine Einschätzung auf eine Untersuchung des Klägers am 22.04.2010 gestützt. Daher könne die interne Überprüfung durch Dr. Schulte-Bockholt vom 30.06.2010 nicht als entscheidende Bewertung einer MdE herangezogen werden. Es erschließe sich auch nicht, weshalb das SG der Beurteilung durch Dr. S.-B. gefolgt sei. Ferner seien die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Wirbelsäule und auch der am 28.03.2009 erlittene Herzinfarkt als unfallursächlich anzusehen. Prof. Dr. G. verW. in seinem Gutachten vom 09.06.2015 darauf, dass die überlange Verfahrensdauer bei der Beklagten beim Kläger ärgerliche und wütende Affekte hervorgerufen habe, was sehr wohl als Ursache des Herzinfarkts angesehen werden müsse. Dieses zuletzt eingeholte Gutachten aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Klägers bewerte zu Recht die Gesamt-MdE ab 01.08.2010 mit 70%. Schließlich werde angeregt, Prof. Dr. G. zu befragen, weshalb er in seinem Gutachten nicht wie das SG im angefochtenen Urteil den Vermerk des Beratungsarztes Dr. S.-B. zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, sondern den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. R ... Alternativ werde angeregt, Prof. Dr. G. zum Verhandlungstermin am 21.08.2015 zu laden (Bl. 135 bis 137 der Senatsakte).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.03.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE von 70% aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17.07.2007 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuW.n.
Sie beruft sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und vertritt die Auffassung, dass Gründe für eine weitergehende Rentengewährung aus der Berufungsbegründung nicht ersichtlich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (Band I bis III) sowie auf die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 29.03.2012 zu Recht den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.08.2010 eine Verletztenrente nach einer MdE von 40% zu gewähren. Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40% aufgrund des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 17.07.2007 zu.
Streitgegenstand ist wie vom SG zu Recht ausgeführt nur der Bescheid der Beklagten vom 15.07.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010, mit dem die Beklagte dem Kläger anstelle der mit Bescheid vom 11.12.2009 gewährten bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70% nunmehr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab 01.08.2010 gewährt hat. Der Bescheid vom 15.07.2010 ist nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilW. aufgehoben und durch die Neuregelung ersetzt wird; eine Ersetzung, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl., § 96 Rn. 4 m.w.N.). Regelungsinhalt des Bescheids vom 11.12.2009 ist die vorläufige Rentengewährung gemäß § 62 SGB VII während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall, weil der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Die Dauer der Gewährung ist bis zum Erlass des Bescheides über die Dauerrente gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII befristet. Regelungsgegenstand des Bescheids vom 15.07.2010 ist die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20% ab dem 01.08.2010. Damit wird der Bescheid vom 11.12.2009 für die Zeit ab 01.08.2010 aufgehoben und durch den Bescheid vom 15.07.2010 ersetzt. § 86 SGG umfasst seinem Wortlaut nach im Gegensatz zu § 96 SGG lediglich die Abänderung und nicht die Ersetzung eines Bescheides. Jedoch ist § 86 SGG nach Auffassung des Senats auch auf die Fälle einer Ersetzung anwendbar. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen, da es sich bei einer Ersetzung um die radikalste Form der Änderung handelt (in diesem Sinne auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.12.2011 - L 16 AS 877/11B-ER - ; juris Rn. 34). Damit ist der Bescheid vom 15.07.2010 gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Der Bescheid vom 15.07.2010 ist nicht bereits wegen der fehlenden Anhörung des Klägers rechtswidrig. Zwar hat die Beklagte den Kläger vor Erlass des Bescheids vom 15.07.2010 entgegen § 24 Abs. 1 SGB X nicht angehört. Jedoch ist dieser Verfahrensfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X geheilt worden. Nach dieser Vorschrift ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die fehlende Anhörung kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Dabei ist ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit zur Äußerung ist immer dann erforderlich, wenn die Behörde ihren Widerspruchsbescheid auf neue, insbesondere neu ermittelte, Umstände stützen will und dies dem Betroffenen nicht bekannt ist (BVerwGE 66, 184, 189 f; BSG SozR 3 – 1300 § 24 Nr 13, 14). Die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen müssen dann so rechtzeitig vor Erlass des Widerspruchsbescheids bekanntgegeben werden, dass die Beteiligten auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde noch einwirken können (vgl. BSG v. 24. 03. 1994 – 5 RJ 22/93 = HVBG-Info 1994, 1829). Die Verwaltung muss ausweislich des Widerspruchsbescheids die Äußerungen des Betroffenen im Vorverfahren zur Kenntnis nehmen und erwägen (s.a. BVerwGE 66, 111, 114; BVerwG NVwZ-RR 1991, 337). Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger vor Erlass des Widerspruchsbescheids mit Schreiben vom 21.09.2010 die für die Entscheidung maßgeblichen Aspekte mitgeteilt und ihm bis 13.10.2010 Gelegenheit eingeräumt, sich dazu zu äußern. Der Klägervertreter hat hierauf mit Schreiben vom 29.09.2010 unter Verweis auf die Einschätzung von Prof. Dr. L., Dr. T. und Dipl-Psych. S. vorgetragen, die MdE sei unverändert mit 70 % zu bemessen. Die Beklagte hat sich im Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 auf die Gutachten von Prof. Dr. W., Prof. Dr. L. und Dr. T. berufen und ausgeführt, dass nur noch eine MdE von 20 % gerechtfertigt sei. Dies genügt nach Auffassung des Senats, um von einer Heilung der fehlenden Anhörung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X ausgehen zu können.
Der Bescheid vom 15.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 ist aber insoweit rechtswidrig, als er beim Kläger nur eine MdE von 20 % feststellt. Dem Kläger steht wie vom SG zu Recht entschieden eine Verletztenrente nach einer MdE von 40% zu. Eine höhere MdE ist hingegen nicht gerechtfertigt. Dabei hat das SG über den gesamten Streitgegenstand entschieden, wenn auch im Tenor des angefochtenen Urteils keine Klageabweisung im Übrigen erfolgt ist. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich nach Auffassung des Senats klar, dass das SG über den gesamten Anspruch des Klägers entschieden hat. Der Senat hat wie aus dem Tenor ersichtlich lediglich zur Klarstellung die Klage im Übrigen abgewiesen. Eine Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird, war zulässig, da es sich bei der vom SG im Tenor des angefochtenen Urteils unterlassenen Klageabweisung im Übrigen um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 138 SGG handelt, welche der Senat ohnehin durch einen Berichtigungsbeschluss gemäß § 138 SGG hätte korrigieren können (vgl. dazu Keller, a.a.O., § 138 Rn. 4a).
Der Kläger hat bei dem Arbeitsunfall am 17.07.2007 keine Gesundheitsschäden erlitten, aufgrund derer noch verbliebene Funktionseinschränkungen vorliegen, welche eine MdE von mehr als 40% rechtfertigen.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII), wobei auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) versicherte Tätigkeit in diesem Sinne ist.
Der Wegeunfall, den ein Versicherter danach bei der versicherten Tätigkeiten erleidet, setzt voraus, dass das Verhalten am Ort der Tätigkeit der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG, Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R - USK 2000-95). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der so genannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82, 95, 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 38; BSG, Urteil vom 18. April 2000, a.a.O.). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32; BSG, Urteil vom 18. April 2000, a.a.O.). Die zum Unfall führende Verrichtung als solche muss im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegen (vgl. zum Ganzen BSG Urteil vom 28. April 2004, - B 2 U 26/03 R - m. w. H.).
Der Kläger hat hier unstreitig am 17.07.2007 einen Wegeunfall erlitten, was von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15.07.2010 auch konkludent anerkannt worden ist und von ihr nicht in Zweifel gezogen wird.
Der Kläger macht infolge dieses Unfalls Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet geltend (dazu unter (1)). Diese Gesundheitsstörungen bedingen jedoch keine Funktionseinschränkungen, welche eine MdE von mehr als 40 % rechtfertigen (dazu unter (2)).
(1) Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Unfallursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "VollbeW.s", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
(a) Nach diesen Grundsätzen liegen beim Kläger zur Überzeugung des Senats zunächst auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet die folgenden Unfallfolgen vor: ein mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links, ein achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts, eine beginnende posttraumatische Coxarthrose links nach konsolidierter Acetabulumfraktur mit Bewegungseinschränkung, ein knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulären Nagel sowie hypertropher Callusbildung, ein knöchern verheilter Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femuropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung, ein knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt mit Meshgraft-Plastik gedeckt, eine knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, eine knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links sowie multiple Narben. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das von der Beklagten eingeholte zweite Rentengutachten von Prof. Dr. R. vom 07.05.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 22.04.2010.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bandscheibenvorfall an den Lendenwirbelkörpern 4/5 nicht auf den Unfall vom 17.07.2007 zurückzuführen. Dies entnimmt der Senat dem von der Beklagten eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums E. Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 22.04.2014. Nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. D. finden sich keinerlei HinW. auf Symptome, welche für eine schwere Wirbelsäulenverletzung am Unfalltag sprechen. Wirbelsäulenbeschwerden sind während der stationären Behandlung vom 18.07. bis 27.09.2007 in der BG-Klinik in T. nicht dokumentiert worden, auch nicht in der nachfolgenden ambulanten Behandlung. Es waren auch keine knöchernen oder ligamentären Verletzungen der lumbalen Wirbelsäule diagnostiziert worden, weshalb eine traumatische Bandscheibenschädigung ausgeschlossen werden kann. Dem schließt sich der Senat aufgrund eigener Überprüfung an. Dies entspricht auch der für die Beurteilung von Unfallfolgen maßgeblichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 434).
(b) Auf internistischem Fachgebiet sind beim Kläger keine Unfallfolgen zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Der vom Kläger im März 2009 erlittene Herzinfarkt mit PTCA (perkutane transluminale Koronarangioplastie) und Stentimplantation ist nach der Beurteilung von Prof. Dr. R. im Gutachten vom 07.05.2010 nicht auf den Unfall zurückzuführen. Die Ausführungen von Prof. Dr. G. im Gutachten vom 09.06.2015, wobei es zumindest möglich, wenn nicht wahrscheinlich erscheine, dass eine Teilätiologie des Herzinfarktes auch mit der chronisch angespannten und belastenden psychosozialen Situation als Unfallfolge verbunden sei, genügen jedoch nicht, nach oben dargestellten Beweismaßstäben den Herzinfarkt als Unfallfolge mit der dafür notwendigen Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats darzustellen.
(c) (aa) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen beim Kläger eine Anpassungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.2) bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung (ICD-10-GM 2015 F 43.8), eine mittelgradige bis schwere depressive Episode (ICD-10-GM 2015 F 32.1 und 32.2) sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM 2015 F 45.41) vor. Dies entnimmt der Senat dem Abschlussbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008, der beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 15.11.2009, dem Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009, dem Gutachten von Dr. T. vom 12.10.2009 und deren ergänzender Stellungnahme vom 26.04.2010, den Berichten der Dipl.-Psych. S. vom 09.11.2009 und vom 18.12.2009 sowie deren Auskunft gegenüber dem SG vom 24.06.2011 und gegenüber dem Senat vom 28.05.2012, der Auskunft der Schmerztherapeutin Dr. S. gegenüber dem SG vom 08.06.2011 und dem Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015. Ob auch eine posttraumatische Belastungsstörung medizinisch hinreichend gesichert ist, insbesondere Dr. F. hat hierzu Zweifel geäußert, oder eine Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung, wie von Prof. Dr. G. diagnostiziert, lässt der Senat dahinstehen.
Dr. F. führt in seiner Stellungnahme vom 15.11.2009 schlüssig aus, dass auf eine so schwerwiegende Verletzung mit langfristiger Behandlung und fehlender beruflicher Perspektive nachvollziehbar eine seelische Reaktion zu erwarten sei, welche im Sinne einer andauernden Anpassungsstörung oder aber Reaktionen auf sonstige seelische Belastungen zu diagnostizieren sei. Prof. Dr. L. stellt im Gutachten vom 21.05.2009 ein ängstlich-depressives Syndrom mit leichten psychotischen Elementen (u.a. Bedrohungs- und Beobachtungswahn) fest, welches glaubhaft erst nach dem Unfall aufgetreten sei und mit den Unfallverletzungen und der daraus resultierenden Berufsunfähigkeit als Busfahrer mit entsprechenden Zukunftsängsten zusammenhänge. Auch Dr. T. diagnostiziert in ihrem Gutachten vom 12.10.2009 Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 geht Dr. T. vom Vorliegen einer depressiven Episode aus, welche durch das chronische Schmerzerleben, den Verlust des Berufes als Busfahrer sowie die ungeklärte finanzielle Situation bedingt sei. Zudem berichtet Dipl.-Psych. S. im Verlaufsbericht vom 09.11.2009 und im Befundbericht vom 18.12.2009 von einer schweren depressiven Episode, welche sich durch die dauerhaften körperlichen Schmerzen, den Verlust des Berufes als Busfahrer, das Fehlen einer beruflichen Perspektive, das Erleben, seine Familie nicht mehr versorgen zu können und dadurch bedingte massive Selbstwertprobleme, den Verlust der körperlichen/psychischen Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit und die ungeklärte berufliche und finanzielle Situation entwickelt habe. Nach der Auskunft der Dipl.-Psych. S. vom 28.05.2013 gegenüber dem Senat besteht die depressive Symptomatik weiterhin und variiert lediglich zwischen mittel- bis schwergradig. Schließlich diagnostiziert Prof. Dr. G. im Gutachten vom 09.06.2015 eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom.
Weiter ist bereits im Abschlussbericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008 ein chronifizierter Schmerz aufgrund der komplexen Unfallfolgen erwähnt. Auch Dr. T. geht in ihrem ersten Rentengutachten vom 12.10.2009 von einem Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels aus. Weiter erwähnt Dr. T. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 ein chronifiziertes Schmerzerleben des Klägers. Zudem teilt die spezielle Schmerztherapeutin Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 08.06.2011 gegenüber dem SG persistierende Schmerzen am rechten Unterschenkel, an der linken Patella, an der linken Hüfte, am linken Oberschenkel, an der linken Clavicula sowie Kopfschmerzen mit. Auch Dipl.-Psych. S. berichtet gegenüber dem SG unter dem 24.06.2011 über eine chronische Schmerzstörung. Gegenüber dem Senat gibt Dipl.-Psych. S. unter dem 28.05.2013 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren an. Schließlich diagnostiziert der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. in dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 09.06.2015 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Ob beim Kläger darüber hinaus auch eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. wie zuletzt von Prof. Dr. G. angenommen eine Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung vorliegt, konnte der Senat im Ergebnis offenlassen, da die gesamten Erkrankungen des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet jedenfalls keine höhere MdE als 30 % rechtfertigen (siehe unter (2)).
Der Senat hat insofern zunächst Zweifel daran, ob überhaupt die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.1) im Vollbeweis gesichert ist. Nach der aktuellen Version der ICD 10 (Version 2015), angepasst nach Beteiligung der medizinischen Fachgesellschaften (vgl. Vorwort der Ausgabe des Deutsch. Inst. für Med. Dokumentation und Information - System. Verzeichnis-), entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Unklar ist insoweit, ob und wenn ja, wodurch der Kläger traumatisiert worden ist. Denkbar sind hier das Unfallereignis selbst, aber auch das Erleben von Angst und Hilflosigkeit durch nachfolgende Ereignisse wie beispielsW. das Aufwachen auf der Intensivstation verbunden mit der Erkenntnis erheblicher Verletzungen und der Ungewissheit über die Wiederherstellung der eigenen Gesundheit. Nicht sicher feststehend ist, ob der Kläger durch das Unfallgeschehen selbst traumatisiert worden ist. Entgegen der Annahme von Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 ist es nicht eindeutig aktenkundig, dass der Kläger sich an das Unfallereignis überhaupt nicht erinnert und längerfristig bewusstlos gewesen ist. Weder im Durchgangsarztbericht vom 18.07.2007 noch im polizeilichen Unfallbericht wird eine Bewusstlosigkeit des Klägers erwähnt. Ein vom Durchgangsarzt beschriebener auffälliger Pupillenreflex am 18.07.2007 um 0:27 Uhr ist mit der von Dipl,-Psych. S. angenommenen Benommenheit ohne gänzlichen Bewusstseinsverlust unter der Diagnose einer Commotio cerebri vereinbar. Eine contusio cerebri war nicht diagnostiziert. Die Intubation und Beatmung sei nach Dipl.-Psych. S. den Verletzungen im Brustraum geschuldet gewesen. Andererseits hatte der Kläger im Vordruck der Beklagten unter dem 15.04.2008 selbst angegeben, bis "18.07.2015 5:30 Uhr" bewusstlos gewesen zu sein, was im übrigen seiner späteren Behauptung, drei Tage bewusstlos gewesen zu sein, widerspricht. So ist im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 unter dem Punkt Unfallanamnese erwähnt, dass der Kläger drei bis vier Tage bewusstlos gewesen sei. Dagegen ist dem Befundbericht von Dipl.-Psych. S. vom 18.12.2009 zu entnehmen, dass der Kläger sich noch daran erinnern könne, dass die Unfallverursacherin frontal in sein Auto gefahren ist und dass der Kläger sich weiter an die Bilder erinnern könne, als er auf der Intensivstation an medizinische Geräte angeschlossen mit extrem starken Schmerzen wieder aufgewacht ist. Damit ist bereits nicht klar, ob der Kläger sich überhaupt an den Unfall selbst erinnern kann. Theoretisch wäre wie ausgeführt auch eine Traumatisierung durch die Erlebnisse auf der Intensivstation infolge des Unfalls möglich. Jedoch konnte der Senat dahinstehen lassen, ob beim Kläger überhaupt eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. wie von Prof. Dr. G. angenommen nunmehr eine Persönlichkeitsänderung nach Extremtraumatisierung vorliegt und ob diese Unfallfolge ist, da die ärztlich beschriebenen Auswirkungen des konkreten Krankheitsbildes unabhängig von den diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen des Klägers jedenfalls keine höhere Teil-MdE als 30 % rechtfertigen (dazu siehe unter (2)).
(bb) Ob die beim Kläger vorliegende Anpassungsstörung (ICD-10-GM 2015 F 43.2) bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung (ICD-10-GM 2015 F 43.8), mittelgradige bis schwere depressive Episode (ICD-10-GM 2015 F 32.1 und 32.2) sowie chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM 2015 F 45.41) unfallbedingt sind oder, wie die Beklagte meint, wegen Änderung der Wesensgrundlage allein persönlichkeitsbedingt und nicht mehr unfallabhängig unterhalten wird, kann aus Sicht des Senats offen bleiben. Zwar spricht einiges für einen noch wesentlichen Unfallzusammenhang. Doch muss dies nicht abschließend aufgeklärt werden. Die von der Beklagten gerügten Diagnosen und die Zusammenhangsbeurteilung im psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. G. veranlassten den Senat nicht zu weiteren Ermittlungen, insbesondere die Notwendigkeit einer nochmaligen Anhörung von Prof. Dr. G. oder die Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens drängte sich dem Senat aus den nachstehenden Gründen nicht auf.
Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013 – L 8 U 2652/12 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass auch auf den Unfall selbst wesentlich zurückzuführende, später aufgetretene Umstände, die ihrerseits nach wissenschaftlichem Verständnis weitere Erkrankungen in der Folge verursachen, den Zusammenhang dieser Folgeerkrankungen mit dem Unfall begründen können (Urteil des Senats vom 17.05.2013 a.a.O.). Dagegen hat der Senat den wesentlichen unfallbedingten Zusammenhang eines psychischen Leidens verneint, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, durch die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers nur stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 L 8 U 1427/10 , juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Vorliegend könnte für den Unfallzusammenhang sprechen, dass sich beim Kläger infolge des schweren Unfalls, den nachfolgenden zahlreichen Operationen, der langen Restitutionsphase, den persistierenden Schmerzen, dem Verlust seines Berufes als Busfahrer, der ungewissen finanziellen und beruflichen Situation und den damit verbundenen Selbstwertproblemen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Anpassungsstörung bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung, eine mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren entwickelt haben, die sich unter den besonderen Bedingungen der langwährenden Behandlung bei verzögertem Heilungsverlauf weiter verfestigt haben.
Sowohl im Gutachten von Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 als auch im Gutachten von Dr. T. vom 12.10.2009 finden sich anamnestisch keine Angaben zu psychiatrischen Vorerkrankungen des Klägers. Das von der Beklagten beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der AOK enthält in Bezug auf psychiatrische Vorerkrankungen keinen Eintrag (Bl. 306 der Verwaltungsakte). Im Gutachten von Prof. Dr. G. sind ebenfalls keine psychiatrischen Vorerkrankungen dokumentiert. Andererseits ist die von der Beklagten in den Bescheiden vom 11.12.2009 und 15.07.2010 angenommene Persönlichkeitsakzentuierung medizinisch von mehreren Ärzten beschrieben worden. Soweit jedoch Dr. F. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 ausführt, schon aus der Diagnosestellung und den Schilderungen der Befunde, bei denen auch eine deutliche Verbitterungsreaktion herauszulesen sei, sei "ganz klar", dass hier auch persönlichkeitsimmanente Faktoren eine Rolle spielten, ist dies nicht völlig überzeugend. Eine eingehende psychiatrische Exploration ist hierfür nicht dokumentiert, obgleich Dr. T. in ihrem neurologischen Gutachten vom 23.03.2010 die Verbitterung des Klägers wegen der seiner Auffassung zu geringen Bestrafung der Unfallverursacher als psychischen Belastungsfaktor beschrieben hatte. Im psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015 wird eine Verbitterungsreaktion aus diesem Bedingungsgefüge nicht dargelegt, sondern eine unfallbedingte Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung angenommen. Dass der von Dr. F. als Verbitterungsreaktion umschriebenen kausalen Verknüpfung des Krankheitsbildes beim Kläger nunmehr alleinige wesentliche Bedeutung zukommt, als Voraussetzung für die von der Beklagten angenommene "Verschiebung der Wesensgrundlage", wurde von Dr. F. nicht überzeugend dargelegt, er hat vielmehr ausdrücklich eine psychiatrische Begutachtung angeregt (Stellungnahme von Dr. F. vom 15.11.2009). Der Senat hat sich trotz der Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. G. vom 09.06.2015 nicht veranlasst gesehen, diese Frage weiter aufzuklären. Die Beklagte hat keine Berufung eingelegt. Da der Senat eine Teil-MdE von 20 % für die auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet zu beurteilenden Unfallfolgen annimmt (siehe unten 2. a), ist die Frage, ob auch auf psychiatrischem Fachgebiet Unfallfolgen zu diagnostizieren sind, bei der vom SG insoweit rechtskräftig mit mindestens 40 % festgestellten MdE nicht rechtserheblich. Sonstige Konkurrenzursachen für die psychiatrischen Erkrankungen des Klägers sind mangels entsprechender Dokumentation nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Damit wären die Anpassungsstörung bzw. sonstige Reaktionen auf schwere Belastung, die mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen.
(2) Nach Auffassung des Senats liegen beim Kläger aufgrund seiner Gesundheitsstörungen infolge des Unfalls vom 17.07.2007 keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, welche eine höhere Gesamt-MdE als 40% rechtfertigen könnten.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, a.a.O. m.H.a.: BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr 42 m.w.N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
(a) Auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet liegen infolge des Unfalls die unter (1 a) beschriebenen Erkrankungen vor, welche Funktionsbeeinträchtigungen bedingen, die eine Teil-MdE von 20% rechtfertigen.
Die beim Kläger an den oberen Extremitäten vorliegenden Unfallfolgen (ein mit hypertropher Callusbildung achsgerecht konsolidierter Schlüsselbeinbruch links und ein ebenfalls achsgerecht knöchern verheilter Ellenbruch mit einliegendem Plattenosteosynthesematerial rechts) rechtfertigen keine MdE. Für die MdE-Einschätzung ist vor allen Dingen die verbleibende funktionelle Einschränkung maßgeblich. Wie der Beratungsarzt Dr. S.-B. in seiner Stellungnahme vom 30.06.2010 zu Recht ausführt, sind die oberen Extremitäten des Klägers frei beweglich. Dies ergibt sich aus den von Prof. Dr. R. anlässlich der Erstellung des zweiten Rentengutachtens am 22.04.2010 erhobenen Bewegungsausmaßen. Auch Prof. Dr. R. befundete eine seitengleich freie Beweglichkeit der oberen Extremitäten. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. zeigte sich lediglich das linke Schlüsselbein im mittleren Drittel deutlich prominent bei tastbarem Callus mit Druckschmerz. Bei Bewegungen gab der Kläger Schmerzen in Projektion auf das Schlüsselbein an. Der Nacken- und Schürzengriff konnten ausgeführt werden. Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren seitengleich intakt. Damit sind im Bereich der oberen Extremitäten keine Funktionsbeeinträchtigungen verblieben, welche die Einschätzung einer MdE rechtfertigen könnten. Dies entspricht auch der maßgeblichen MdE-Einschätzung in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 523 und 530).
Hinsichtlich der unteren Extremitäten sind beim Kläger Unfallfolgen gegeben, welche zu einer MdE von 20% führen. Zunächst leidet der Kläger unter einer posttraumatischen Coxarthrose links nach einer konsolidierten Acetabulumfraktur. Anlässlich der Untersuchung von Prof. Dr. R. am 22.04.2010 ergab sich eine lediglich endgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes (Streckung/Beugung links 0-0-120 ; Norm: 0-0-140°). Das Röntgen am 22.04.2010 ergab eine diskrete Verschmälerung des linksseitigen Hüftgelenksspaltes zentrokranial im Vergleich zu rechts sowie eine subchondrale Sklerosierung kranial beidseits im Bereich der Hauptbelastungszone und eine beginnende osteophytäre Reaktion am linken Pfannenerker. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats eine MdE von 10%. Nach den Bewertungsmaßstäben für die MdE in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581 und 584 rechtfertigt eine Bewegungseinschränkung eines Hüftgelenkes in der Streckung/Beugung von 0-10-90 ° eine MdE von 10% und eine leichte Coxarthrose mit geringer Verschmälerung des Gelenkspaltes und subchondraler Sklerosierung des Pfannendaches ohne Bewegungseinschränkung und ohne Muskelminderung des Beines eine MdE von 0% sowie eine deutliche Coxarthrose mit Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk bis 30-50 ° und Muskelminderung von mehr als zwei Zentimetern und einer leichten Gangbehinderung eine MdE von 20%. Nach den von Prof. Dr. R. erhobenen Befunden sind im Bereich des linken Hüftgelenks bis auf die endgradige Bewegungseinschränkung keine Funktionsbeeinträchtigungen verblieben, worauf Dr. S.-B.t in seiner Stellungnahme vom 30.06.2010 zu Recht hinweist. Die von Prof. Dr. R. erhobene Bewegungseinschränkung am linken Hüftgelenk mit 0-0-120° würde daher allein nach den MdE-Bewertungstabellen keine MdE begründen. Die nur geringgradige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks rechtfertigt damit unter Berücksichtigung der geltend gemachten arthrosebedingten Schmerzen allenfalls eine Teil-MdE von 10%.
Der knöchern verheilte Kniescheibenbruch links mit posttraumatischer Femoropatellararthrose bei einliegendem Osteosynthesematerial und Beweglichkeitseinschränkung rechtfertigt ebenfalls eine Teil-MdE von 10%. Prof. Dr. R. hat am linken Kniegelenk lediglich eine endgradige Bewegungseinschränkung befundet (Streckung/Beugung 0-0-120 °; Norm: 0-0-140 °). Die Untersuchung ergab einen stabilen Bandapparat, keinen Erguss, keinen Patellaanpressschmerz und keine Meniskuszeichen. Der Kniescheibenbruch ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. R. verheilt. Die Einschätzung einer Teil-MdE von 10% steht im Einklang mit den bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. auf S. 654 und 655 angegebenen Erfahrungswerten, wonach eine Bewegungseinschränkung eines Kniegelenkes (Streckung/Beugung) von 0-0-120 ° eine Teil-MdE von 10% und eine Arthrose je nach Funktionsbehinderung eine Teil-MdE von 10 bis 30% bedingt. Wie ausgeführt bedingt die endgradige Bewegungseinschränkung linken Kniegelenks mit 0-0-120 ° eine Teil-MdE von 10%. Funktionsbehinderungen aufgrund der Arthrose sind jedoch nicht dokumentiert. Damit ist für den verheilten Kniescheibenbruch links mit der Arthrose eine Teil-MdE von 10% gerechtfertigt.
Die weiteren Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet (knöchern verheilter Oberschenkelbruch links mit noch einliegendem intramedulärem Nagel sowie hypertropher Callusbildung, knöchern verheilter Unterschenkelbruch rechts mit konsolidierten Weichteilverhältnissen und konsekutiver Einziehung nach Weichteildefekt und Meshgraft-Plastik gedeckt, knöchern achsgerecht verheilte proximale Fibulafraktur subkapital rechts, konsolidierte Rippenfrakturen beidseits, knöchern achsgerecht verheilte supracondyläre Femurfraktur links und multiple Narben) bedingen keine weitergehende MdE. Diese Unfallfolgen sind knöchern verheilt und bedingen keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen.
Die beim Kläger aufgrund der orthopädischen Beeinträchtigungen bestehenden Begleitschmerzen sind bei der MdE-Bewertung auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mit umfasst (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 221) Das darüber hinausgehende chronische Schmerzsyndrom hat der Senat bei der Bewertung der psychischen Unfallfolgen berücksichtigt (siehe dazu unter (2 b)).
Damit ist nach Auffassung des Senats für die Gesundheitsstörungen des Klägers auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine Teil-MdE von insgesamt 20% gerechtfertigt.
Der Einschätzung der vom SG als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte Dr. K. und Dr. Z. von der Universitäts- und Rehabilitationsklinik U. vom 16.05.2010, wonach die MdE mit mindestens 30% zu bewerten sei, konnte sich der Senat nicht anschließen. Die Einschätzung von Dr. K. und Dr. Z. orientiert sich nicht an der für die MdE-Einschätzung maßgeblichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Alleine die Arthroseentwicklung per se reicht nicht, um die MdE entsprechend zu erhöhen. Es müssen auch entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen damit einhergehen, welche von Dr. K. und Dr. Z. gerade nicht mitgeteilt werden. Weiter kann die MdE auch nicht wegen der von Dr. K. und Dr. Z. erwähnten zunehmenden Arthroseentwicklung und voraussichtlichen endoprothetischen Versorgung beider Gelenke erhöht werden, da es sich dabei um potentielle zukünftige Entwicklungen handelt. Die MdE-Einschätzung ist jedoch aufgrund von aktuell vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen zu treffen. Diese rechtfertigen wie ausgeführt lediglich eine Teil-MdE von 20%. Ebenso wenig wie das SG vermochte sich der Senat der MdE-Einschätzung von Prof. Dr. R. anschließen. Die von Prof. Dr. R. auf orthopädischem Gebiet eingeschätzte MdE ist aufgrund der dokumentierten Funktionseinschränkungen zu hoch und lässt eine Orientierung an der für die MdE-Einschätzung maßgeblichen Literatur vermissen.
(b) Aus den beim Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen (siehe (1 c)) resultieren Funktionsbeeinträchtigungen, welche eine Teil-MdE von höchstens 30% begründen.
Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass die MdE-Bewertung eine Funktionsbewertung ist, weshalb die ärztlichen Diagnosen nur insoweit maßgebend sind, als die hieraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden können. Soweit verschiedene Diagnosen, insbesondere wenn sie unter den Ärzten streitig sind, bei gesicherter Erkrankung annähernd gleiche Krankheitsbilder mit sich weitgehend deckenden Funktionsbeeinträchtigungen ergeben, ist danach die Differenzierung nach verschiedenen Diagnosen bei der MdE-Bewertung nicht erforderlich. Soweit spezifische Beeinträchtigungen der Einzeldiagnosen, wie z.B. das Vermeidungsverhalten bei der posttraumatischen Belastungsstörung, oder wahnhafte Ideen, wie z.B. bei der Persönlichkeitsveränderung nach Extremtraumatisierung, in den ärztlichen Befunde enthalten sind, sind diese naturgemäß gesondert zu berücksichtigen.
Nach diesen Bewertungsgrundsätzen geht der Senat von funktionellen Beeinträchtigungen in den Bereichen der mnestischen Fähigkeiten, der Stimmungslage und der sozialen-kommunikativen Fähigkeiten aus. Nach dem Bericht des Dipl-Psych. S. von den Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. nach Abschluss der stationären Belastungserprobung vom 20.08. bis 09.09.2008 ergaben sich in der psychologischen Untersuchung bei altersentsprechender Intelligenzleistung des Klägers Anzeichen auf markante Beeinträchtigungen im Bereich der Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitskapazität und Daueraufmerksamkeit, die später aber nicht mehr beschrieben werden. Als Leistungseinbußen wurden auch die subjektiv erlebten und objektiv erkennbaren Defizite der Aufmerksamkeit und des Antriebs, Schmerzen und Symptome, Beanspruchung und Behinderung im Alltag und Beruf sowie psychische Belastung und soziale Probleme benannt. Es bestanden Nachhallerinnerungen, Schlafstörungen, Flashbacks, Vermeidungsreaktionen, eine gesteigerte Erregbarkeit und eine vermehrte Schreckhaftigkeit (Bl. 189 der Verwaltungsakte). Die behandelnde Psychotherapeutin Dipl.-Psych. S. berichtete über Schlafstörungen, Alpträume mit Bildern vom Unfallgeschehen, Flashbacks im Wachzustand, Konzentrationsstörungen, multiple Ängste bezogen insbesondere auf das Autofahren, starke Anspannung und motorische Unruhe, Niedergeschlagenheit und Depressivität (Berichte vom 25.10.2008, Bl. 198 der Verwaltungsakte, vom 02.04.2009, 276 der Verwaltungsakte, vom 18.12.2009, Bl. 414 der Verwaltungsakte und vom 26.07.2010, Bl. 495 der Verwaltungsakte). Im Gutachten des Neurologen Prof. Dr. L. vom 21.05.2009 wird ein Beobachtungs- und Bedrohungswahn durch Ärzte und Berufsgenossenschaften beschrieben. Hier fanden sich indes keine HinW. auf Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Die Stimmung des Klägers war ängstlich-depressiv, grübelnd, freudlos und mit Zukunftssorgen. Der Kläger war affektiv kaum modulationsfähig und auslenkbar. Mnestik und höhere kognitive Funktionen waren ungestört (Bl. 301 der Verwaltungsakte). Auch Dr. T. befundete bei der Begutachtung des Klägers am 29.09.2009 anlässlich der Erstellung des ersten Rentengutachtens ausgeprägte Ängste, Lebensüberdruss und Stimmungsschwankungen. Es fanden sich aber kein psychotisches Erleben, keine Zeichen einer kognitiven Beeinträchtigung und keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Ferner fand sich ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, wobei der Kläger sowohl Fahrten mit einem PKW als Beifahrer als auch das Verlassen der Wohnung ohne Begleitung seiner Ehefrau meidet. Bei der Konfrontation mit entsprechenden Situationen kam es zu vegetativen Symptomen mit Schweißausbruch und Herzklopfen, innerer Unruhe, sowie einer Verstärkung der Angstgefühle. Es bestanden weitere Symptome einer Depression mit Lust- und Antriebslosigkeit, Neigung zum Grübeln, sozialen Rückzugstendenzen und Angst vor der Zukunft. Dr. T. schlug eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik vor (Bl. 332 bis 334 der Verwaltungsakte). In ihrem zweiten Rentengutachten vom 23.03.2010 beschrieb Dr. T. eine zum depressiven Pol verschobene Verstimmungslage, eine deutliche Reduzierung der affektiven Schwingungsfähigkeit und eine unterschwellige Aggressivität. Es ergaben sich aber keine HinW. auf eine kognitive Beeinträchtigung und keine Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Demgegenüber schilderte Dr. T. unter dem Punkt Zusammenfassung der noch bestehenden Unfallfolgen wiederkehrende und eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, Träume vom Unfall, eine psychische Belastung und körperliche Reaktion bei Konfrontation mit dem Unfallereignis und eine anhaltende Vermeidungshaltung mit allem, was mit Autofahren zu tun hat sowie Reizbarkeit mit impulsiven VerhaltensW.n und Konzentrationsstörungen sowie übertriebene Schreckreaktionen (Bl. 429 und 430 der Verwaltungsakte). Dr. T. empfahl nochmals eine Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 24.06.2011 gegenüber dem SG berichtete Dipl.-Psych. S. weiterhin von Schmerzen, Schlafstörungen, Alpträumen, Kopfschmerzen, Appetitverlust, Erschöpfung/Müdigkeit, Schwindelgefühlen, Gespanntheit, innerer Unruhe, übermäßigem Schwitzen, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Anhedonie, Ängsten, manchmal Verzweiflung/Aggressivität, Grübeln, Entscheidungs- und Konzentrationsproblemen, depressiver Hemmung, Energiemangel und Erschöpfung sowie sozialem Rückzug. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat vom 28.05.2013 berichtete Dipl.-Psych. S., es habe sich hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung zumindest tendenziell eine Verbesserung eingestellt. So sei der Kläger seit dem letzten Jahr hin und wieder selbst Auto gefahren, allerdings nur im Stadtverkehr und auf der Autobahn. Landstraßen meide er weiterhin, da der Unfall auf einer Landstraße passiert sei. Darüber hinaus vermeide er es, alleine mit dem Auto zu fahren. Zu seiner Beruhigung müsse eine Begleitperson mit dabei sein. In Bezug auf die depressive Symptomatik sei der Gesundheitszustand im Wesentlichen unverändert geblieben (Bl. 60 bis 63 der Senatsakte). Im Gutachten vom 09.06.2015 berichtet Prof. Dr. G., im Vordergrund stünden Affekte von Wut sowie ein chronisches Schmerzempfinden. Die testpsychologische Untersuchung des Klägers wies auf eine momentan mittelschwere Beeinträchtigung durch depressive Symptome hin. Es ergab sich eine durchschnittliche Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit (Bl. 126 und 127 der Senatsakte).
Diese beim Kläger infolge des schweren Unfallereignisses vom 17.07.2007 nachvollziehbar vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine Teil-MdE von höchstens 30%. Nach den für die MdE-Bewertung von psychiatrischen Erkrankungen in der maßgeblichen Literatur angegebenen Richtwerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 156 ff.) sind in Bezug auf das erwerbsrelevante Restleistungsvermögen funktionelle Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit und der Merkfähigkeit oder sozial-kommunikative Beeinträchtigungen maßgebend. Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 = Breith. 2001, 783) kommt den MdE-Richtwerten im Bereich der psychischen Störungen nicht die Qualität anerkannter "allgemeiner Erfahrungswerte" zu, da sie (noch) keine wiederkehrende Anwendung, Anerkennung bzw. Akzeptanz sowohl von Sachverständigen, Gerichten und Unfallversicherungsträgern erfahren. Die veröffentlichten MdE-Werte sind als - ohne nähere Begründung nicht übernehmbare - Einzelmeinungen einzuordnen. Danach ergibt eine Anpassungsstörung mit einer stärkergradigen sozialkommunikativen Beeinträchtigung, zusätzlich zur psychisch-emotionalen Störung, wie Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder Rückzug eine MdE bis 20% und bei einem stark ausgeprägten Störungsbild bis 30%. Bei einer depressiven Episode ist nach dem Schweregrad zu differenzieren. Eine Verstimmung, die nicht den Schweregrad einer leichten depressiven Episode erreicht, ergibt eine MdE bis 10%, eine Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer leichten depressiven Episode ergibt eine MdE bis 20%, eine Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer mittelgradigen depressiven Episode eine MdE bis 40% und erst bei einer Beeinträchtigung entsprechend dem Schweregrad einer schweren Episode auch mit psychotischen Symptomen ist eine MdE von 80 bis 100 gerechtfertigt. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung ist ein unvollständig ausgeprägtes Störungsbild (Teil- oder Restsymptomatik) mit einer MdE bis 20% zu bewerten. Ein üblicherW. zu beobachtendes Störungsbild, geprägt durch starke emotional und durch Ängste bestimmte VerhaltensW.n mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und gleichzeitig größeren sozial-kommunikativen Beeinträchtigungen ergibt eine MdE bis 30%. Erst ein schwerer Fall, gekennzeichnet durch massive Schlafstörungen mit Alpträumen, häufigen Erinnerungseinbrüchen, Angstzuständen, welche auch tagsüber auftreten können und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten kann mit einer MdE von bis zu 50% bewertet werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 156 und 157, Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Auflage 2012, S. 306 bis 308 sowie Foerster u.a., Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, MedSach 103 2/2007, S. 52 ff.).
Weiter sind die chronischen Schmerzen des Klägers zu berücksichtigen. Diese sind bereits im Bericht der Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. vom 09.09.2008 erwähnt. Dr. T. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 12.10.2009 ein Schmerzsyndrom des rechten Unterschenkels. Auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2010 wies Dr. T. auf das chronische Schmerzerleben des Klägers hin. Der Kläger befand sich wegen seiner Schmerzen vom 19.02.2010 bis 14.04.2010 bei der speziellen Schmerztherapeutin Dr. S. in Behandlung. Die behandelnde Dipl.-Psych. S. berichtete ebenfalls von einer chronischen Schmerzstörung (sachverständige Zeugenaussagen gegenüber dem SG vom 24.06.2011 und gegenüber dem Senat vom 28.05.2013). Schließlich diagnostizierte Prof. Dr. G. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Hinsichtlich der MdE-Bewertung ist für die "üblichen Schmerzen" grundsätzlich davon auszugehen, dass die MdE für körperliche Funktionseinschränkungen eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung mit umfasst und in den Richtwerten erfahrungsgemäße Begleitschmerzen eingeschlossen sind. Nur dort, wo nach Sitz und Ausmaß pathologischer Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit - mit Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit - vorliegt, muss von diesen Sätzen abgewichen werden. Bei "außergewöhnlichen Schmerzen", wie bei kausalgieformen Schmerzen und dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom, und wenn neben dem Schmerz keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, ist in Abhängigkeit von der Schwere eine eigenständige Berücksichtigung erforderlich. Dabei ist konkret darzustellen, inwieweit das Schmerzsyndrom die für die organische Funktionsbeeinträchtigung eingeschätzte MdE erhöht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 221). In der maßgeblichen unfallversicherungsrechtlichen Literatur sind folgende MdE-Erfahrungswerte angegeben: bei einer somatoformen Schmerzstörung mit einem Schmerzzustand mit leicht- bis mäßiggradiger körperlich-funktioneller Einschränkung eine MdE bis 10%, bei einem chronifizierten Schmerzzustand mit stärkergradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 30% und erst bei einem chronifizierten Schmerzzustand mit schwerwiegender körperlich-funktioneller Einschränkung und erheblicher psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 40% (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 222).
Nach diesen MdE-Bewertungsgrundsätzen sind die für die MdE-Bestimmung maßgebenden funktionellen Beeinträchtigungen aus Folgen der genannten unterschiedlichen Diagnosen weitgehend deckungsgleich, weshalb der Senat das Ausmaß der Stimmungsbeeinträchtigung, der sozialen-kommunikativen Beeinträchtigung/sozialen Zurückgezogenheit und der mnestischen Funktionseinschränkungen insoweit unabhängig von den Diagnosen unfallbedingter Erkrankungen seiner Würdigung unterzogen hat, jedoch auch unter Berücksichtigung krankheitsspezifischer Besonderheiten der genannten Diagnosen. Soweit Prof. Dr. G. unter seiner Diagnose einer Persönlichkeitsveränderungen nach Extremtraumatisierung neben dem von ihm auch wie von anderen Ärzten berichteten Auswirkungen des sozialen Rückzugs, des Antriebsverlustes bei depressiver und resignativer Stimmungslage auch Beeinträchtigungs- und Verschwörungsideen mit psychischen Auswirkungen schildert, insoweit besteht auch teilW. Übereinstimmung mit Dr. L., wäre diese abgrenzbare Symptomatik auch unter dem Aspekt eines unfallunabhängigen, da persönlichkeitsimmanenten Zusammenhangs zu erörtern (vgl. Senatsurteil vom 27.08.2010, a.a.O.). Dies mag jedoch dahinstehen, denn auch diese funktionellen Auswirkungen betreffen das Ausmaß der sozialen-kommunikativen Beeinträchtigung/sozialen Zurückgezogenheit, d. h. die Einsatzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, denn es betrifft die Integrierbarkeit und Kontakt-/Umgangsfähigkeit in der Gesellschaft und somit auch solche zu bewertenden Folgen der Depression, der Anpassungsstörung und des Schmerzsyndroms.
Die gesamten beim Kläger aufgrund seiner psychiatrischen Erkrankungen inklusive des Schmerzsyndroms vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine Teil-MdE von höchstens 30%. Der Senat hat dabei die von den behandelnden Ärzten und Gutachtern beschriebenen Beeinträchtigungen des Klägers in ihrer Gesamtheit bewertet. Diese sind infolge des schwerwiegenden Unfallereignisses und der nachfolgenden zahlreichen Operationen und langen Restitutionsphase auch nachvollziehbar, worauf Dr. F. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2009 zu Recht hinweist. Jedoch ist hier zu bedenken, dass der Kläger entgegen den Empfehlungen von Dr. T. bislang noch keine stationäre Therapiemaßnahme zur Linderung seiner psychiatrischen Beschwerden in Anspruch genommen hat. Der Kläger war zwar kontinuierlich bei Dipl-Psych. S. in ambulanter Behandlung, doch ohne Therapieerfolg. Ein Behandlerwechsel oder Therapiewechsel hat er bisher ersichtlich nicht erwogen. Eine entsprechende Behandlung bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hat trotz der psychiatrischen Diagnose einer depressiven Entwicklung bislang nicht stattgefunden. Soweit ersichtlich nimmt der Kläger auch keine antidepressiven Medikamente ein. Er nimmt lediglich das Schmerzmittel Lyrika ein (vgl. die Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. Schenk vom 08.06.2011 und die Aussage der sachverständigen Zeugin Dipl. Psych. S. vom 24.06.2011 jeweils gegenüber dem SG). Ein entsprechender Leidensdruck, wie er bei einer Depression mit mittelgradigen oder gar schwergradigen Episoden zu erwarten wäre, wird durch dieses Verhalten nicht abgebildet. Das berichtete Vermeidungsverhalten, wonach der Kläger anfangs selbst als Beifahrer nicht habe Auto fahren können, ist zur Überzeugung des Senats entgegen dieser Behauptung weniger stark ausgeprägt. Ihm war es möglich bereits vor der von Dipl.-Psych. S. berichteten Besserung ab 2012 zu den Untersuchungsterminen in der BG-Klinik T. mit dem Taxi oder mit dem von seiner Ehefrau gefahrenen PKW zu kommen (vgl. Berichte der BG-Klinik T. vom 16.06.2008, 22.08.2008 und 27.08.2008, Blatt 128, 158, 160 der Verwaltungsakte), was auch seine sonstigen Angaben zum Ausmaß vorhandener Beschwerden relativiert. Nicht konstante Funktionsbeeinträchtigungen zeigen sich auch bei den im Zeitverlauf unterschiedlich dokumentierten Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich wie bei den berichteten Aufmerksamkeits-/Konzentrationsstörungen usw., wie oben dargestellt, was einerseits auf mitarbeitsabhängige Untersuchungen beruhen mag, denn der Kläger hat auch in anderen Zusammenhängen bei verschiedenen Untersuchungen erkennen lassen, dass Beschwerdeangaben gesteigert werden, wie z.B. die Angaben zur Dauer der Bewusstlosigkeit. Andererseits ist zumindest ersichtlich, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung schwankend ist, was der Senat bei der MdE-Bewertung ebenfalls in gleichem Maße berücksichtigen konnte. Zudem war der Kläger trotz der psychischen Beeinträchtigungen in der Lage, gemeinsam mit seiner Familie einen Urlaub in den Kosovo zu unternehmen (vgl. die Stellungnahme von Dipl.-Psych. S. vom 18.08.2009; Bl. 322 der Verwaltungsakte), was den berichteten Antriebsverlust und sozialen Rückzug einschließlich des Vermeidungsverhaltens als weniger gravierend als behauptet belegt und wodurch der Senat ein weiteres Mal in seiner Einschätzung bestätigt wird, dass das von den Behandlern unkritisch übernommen Beschwerdevorbringen mit dem tatsächlichen Ausmaß der Belastungen nicht übereinstimmt. Weiter geht der Kläger jeden Samstag zu den Regionalliga-Basketballspielen seines Sohnes (vgl. die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. G., Bl. 124 der Senatsakte). Dies spricht nach Auffassung des Senats gegen einen entsprechenden schwerwiegenden Leidensdruck und eine derart stark ausgeprägte sozial-kommunikative Beeinträchtigung, welche eine Erhöhung der Teil-MdE auf psychiatrischem Fachgebiet auf über 30 % rechtfertigen könnte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger laut der Aussage der sachverständigen Zeugin Dipl.-Psych. S. vom 28.05.2013 gegenüber dem Senat eine leichte Verbesserung bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung erfahren hat. So ist es dem Kläger im letzten Jahr hin und wieder gelungen, selbst mit dem Auto zu fahren, allerdings nur im Stadtverkehr und auf der Autobahn. Dabei vermeidet er Landstraßen und benötigt zu seiner Beruhigung eine Begleitperson.
Nach alledem hält der Senat für die Beeinträchtigungen des Klägers infolge seiner psychiatrischen Erkrankungen eine Teil-MdE in Höhe von höchstens 30% für gerechtfertigt. Der Einschätzung einer Teil-MdE von 50 bis 60 % auf psychiatrischem Fachgebiet durch Prof. Dr. G. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Diese Einschätzung orientiert sich nicht an den in der maßgeblichen Literatur für die MdE-Bewertung angegebenen Richtwerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 156 und 157 Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O., S. 306 bis 308 sowie Foerster u.a., Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, MedSach 103 2/2007, S. 52 ff.)
Ausgehend von einer Teil-MdE von 20% für die Funktionseinschränkungen des Klägers auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet und einer Teil-MdE von höchstens 30% für die Funktionseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich eine Gesamt-MdE von 40%. Dabei ist bei der Bildung einer Gesamt-MdE das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen mit einem MdE-Wert im Ganzen zu würdigen, wobei die einzelnen MdE-Ansätze nicht schematisch zusammengerechnet werden dürfen. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit (BSGE 48, 82). Grundsätzlich sind nebeneinanderstehende Funktionseinschränkungen nicht zu addieren. Bei der integrierenden Gesamtschau ist der Grad der MdE in aller Regel niedriger als die Summe der Einzelschäden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.,S. 103). Bei der Bildung der Gesamt-MdE hat der Senat berücksichtigt, dass sich die in den Tabellenwerten für die unfallchirurgisch zu beurteilenden Verletzungsmuster miterfassten üblichen Schmerzen des Klägers und die psychischen Beeinträchtigungen teilW. überschneiden. So sind bereits bei der Teil-MdE von 10 % für die Hüftgelenkseinschränkung allein die zu Gunsten des Klägers hier unterstellten Schmerzen maßgebend gewesen und insbesondere ist im Zusammenhang mit der chronischen Schmerzstörung keine Ausweitung der Schmerzen auf nicht durch den Unfall verletzte Körperteile beschrieben, sodass die vom SG angenommene Gesamt-MdE von 40% für die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers auch nach Auffassung des Senats angemessen ist. Hinzu kommt, dass letztlich die diagnostizierte chronische Schmerzstörung für die psychiatrischen Unfallfolgen mit den Auswirkungen auf Stimmungslage und die sozialen Kompetenzen bestimmend ist und insoweit unter Berücksichtigung dieser Aspekte bereits in die MdE-Bewertung Eingang gefunden hat.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung der MdE. Der Anregung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 28.07.2015, Prof. Dr. G. ergänzend dazu zu befragen, weshalb er seiner MdE-Bewertung nicht wie das SG im angefochtenen Urteil den Vermerk des Beratungsarztes Dr. S.-B. zugrunde gelegt hat, sondern den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. R., musste der Senat nicht nachkommen. Zum Einen handelt es sich dabei nicht um einen formellen Beweisantrag, sondern lediglich um eine Beweisanregung. Zum Andern zielt die Frage auf die Bewertung der MdE, wobei es sich aber um eine allein vom Senat und nicht vom medizinischen Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage handelt.
Nach alledem war die Berufung des Klägers wie aus dem Tenor ersichtlich zurückzuW.n.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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