L 8 AL 1949/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AL 5109/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1949/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2014 wie folgt gefasst wird.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 und unter Abänderung der Bescheide vom 23.10.2009 und 24.02.2011 verurteilt, dem Kläger vom 01.10.2009 bis 06.03.2011 Ausbildungsgeld unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von höherem Ausbildungsgeld (AusbG) zusteht.

Der behinderte Kläger, geboren 1993, dessen Eltern nicht verheiratet sind und auch nicht zusammen wohnen, wohnt und lebt im Haushalt seiner Mutter. Er begann am 07.09.2009 eine Ausbildung zum Holzbearbeiter beim M. B. Werkhof e.V. – Berufsausbildungswerkstätten - in S. ; ein Entgelt oder eine Ausbildungsvergütung bezog der Kläger nicht. Am 17.08.2009 beantragte er bei der Beklagten (Blatt 1/4 der Beklagtenakte) die Gewährung von AusbG. In seinem Antrag gab er an, einen Anspruch auf Kindesunterhalt gegen seinen Vater i.H.v. monatlich 320,00 EUR zu haben (Blatt 3 der Beklagtenakte); zum Nachweis der Unterhaltszahlung legte er einen Kontoauszug vor (Blatt 6 der Beklagtenakte; zur Erklärung des Vaters samt Steuerbescheid 2006 vgl. Blatt 18/23 der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 23.10.2009 (Blatt 28/30 der Beklagtenakte) bewilligte die Beklagte dem Kläger u.a. AusbG für die Zeit vom 07.09.2009 bis 06.03.2011 i.H.v. monatlich 225,00 EUR; sie legte dabei monatliches Einkommen aus Unterhalt i.H.v. 320,00 EUR zugrunde und rechnete monatlich 85,00 EUR auf das AusbG an (zur Berechnung vgl. Blatt 25/27 der Beklagtenakte).

Infolge der Zahlung des AusbG reduzierte der Vater des Klägers seine Unterhaltsleistungen (dazu vgl. das Schreiben der Stadt S. vom 20.11.2009, Blatt 35 der Beklagtenakte; zur Unterhaltsverpflichtung vgl. Blatt 63 der Beklagtenakte und zur neuen Unterhaltsberechnung vgl. Schreiben der Stadt S. vom 16.11.2009, Blatt 64/65 der Beklagtenakte; zu den tatsächlichen Zahlungen vgl. Blatt 46/68 der Senatsakte).

Mit Schreiben vom 10.02.2010 (Blatt 40/41 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, Unterhaltszahlungen seien zu Unrecht beim AusbG berücksichtigt worden. Es sei eine Doppelanrechnung derselben Mittel erfolgt. Eine Anrechnung des Unterhaltsbetrages beim AusbG führe dazu, dass sich das AusbG reduziere. Das AusbG wiederum reduziere den Unterhalt. Dies sei rechtlich unzulässig. Der Vater habe die Unterhaltszahlungen auf 210,00 EUR monatlich reduziert. Es werde um Überprüfung des Bescheid vom 17.02.2010, hilfsweise um Neubescheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterhaltszahlungen gebeten.

Mit Bescheid vom 17.02.2010 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) führte die Beklagte aus, der Bescheid vom 23.10.2009 sei nicht zu beanstanden. In Bezug auf die Höhe des AusbG durch Anrechnung von Unterhaltsleistungen ändere sie ihre Entscheidung nicht. Insofern sei das Einkommen des Auszubildenden maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar sei. Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung seien jedoch zu berücksichtigen.

Mit seinem Widerspruch vom 17.03.2010 (Blatt 47/48 = 49/50 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, der monatliche Unterhaltsbetrag sei mittlerweile auf 210,00 EUR reduziert. Es erfolge eine Doppelanrechnung derselben Mittel, was rechtlich nicht zulässig ist.

Nachdem zunächst die Sachbearbeiterin eine Abhilfe vorgeschlagen hatte (Blatt 51 der Beklagtenakte), wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 (Blatt 73/76 der Beklagtenakte) zurück. Unterhaltsleistungen bis 235,00 EUR monatlich seien anrechnungsfrei. Daraus sei abzuleiten, dass förmlich festgesetzte Unterhaltleistungen unter Abzug des Freibetrages als Einkommen des behinderten Menschen anzurechnen seien. Der förmlich festgesetzte Betrag habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf 320,00 EUR belaufen. Ob eine Doppelanrechnung derselben Mittel erfolge, sei in diesem Rahmen nicht erheblich. Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 104 Abs. 2 SGB III sei das Einkommen des Auszubildenden maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar gewesen sei, Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung seien jedoch zu berücksichtigen. § 48 SGB X finde bei der AusbG-Berechnung keine Anwendung. Es komme allein auf den ursprünglichen Entscheidungszeitpunkt an. Änderten sich im Bewilligungszeitraum die tatsächlichen Verhältnisse durch eine Einkommensänderung, so sei der Bewilligungsbescheid nicht abzuändern. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe der Kläger Unterhaltsleistungen i.H.v. 320,00 EUR erhalten. Abzüglich des Freibetrages seien Unterhaltsleistungen i.H.v. 85,00 EUR angerechnet worden. Die Änderung des Unterhalts ab 01.12.09 liege nach Antragstellung und Entscheidung, sie könne somit nicht berücksichtigt werden. Eventuell sei eine Berücksichtigung der geringeren Unterhaltsleistungen beim nächsten Bewilligungsabschnitt ab 07.03.11 möglich. Dies sei aber bei der Weiterbewilligung entsprechend zu beantragen.

Am 18.08.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage erhoben und u.a. ausgeführt, die Minderung der Unterhaltszahlungen sei nach § 48 SGB X zu berücksichtigen. Ferner seien lediglich tatsächliche Zahlungsvorgänge, die zu einer Mehrung des Vermögens führten, als Einkommen zu werten. Eine Vermögensvermehrung liege nicht vor, wenn zwar ein förmlicher Anspruch auf Zahlung vorhanden sei, diese aber tatsächlich nicht erfolge.

Mit Bescheid vom 24.02.2011 (Blatt 16/17 der SG-Akte) bewilligte die Beklagte dem Kläger in Folge einer Anhebung der Freibetragssätze durch das 23. BAföGÄndG für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 06.03.2011 AusbG i.H.v. monatlich 234,00 EUR und hob zugleich den "Bescheid über die Bewilligung von Ausbildungsgeld" insoweit auf (zum Berechnungsbogen vgl. Blatt 23 der SG-Akte).

Mit Bescheid vom 13.04.2011 (Blatt 46/48 der SG-Akte) bewilligte die Beklagte dem Kläger AusbG für die Zeit vom 07.03.2011 bis 06.09.2012 i.H.v. 316,00 EUR monatlich und mit Bescheid vom 26.10.2012 (Blatt 58/59 der SG-Akte) AusbG vom 10.09.2012 bis zum 09.12.2014 i.H.v. 470,70 EUR monatlich.

Das SG verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 20.03.2014 und unter Abänderung des Bescheides vom 23.10.2009 und 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2010, dem Kläger vom 01.10.2009 bis 06.03.2011 AusbG unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen zu bewilligen. Die Neuberechnung des AusbG ergebe sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ob die Änderung der Unterhaltsleistungen eine wesentliche Änderung darstellten, bestimme sich nach den §§ 104 ff. SGB III a.F. i.V.m. § 71 SGB III a.F ... Für die Berechnung des AusbG sei gemäß § 104 Abs. 2 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. § 11 Abs. 4 und die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG maßgeblich. Für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden seien danach die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend. Hiervon abweichend sei bei der Berechnung des AusbG das Einkommen des behinderten Menschen maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar sei, § 104 Abs. 2 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F ... In der Sache handele es sich um eine zukunftsbezogene Prognoseentscheidung, die grundsätzlich auch dann richtig bleibe, wenn sich die Einkommensverhältnisse des behinderten Menschen nach der Bewilligung änderten und hinter seinem ursprünglich errechneten Restbedarf zurückblieben oder darüber hinausgingen, ohne dass dies vorauszusehen war. Daraus folge, dass eine Änderung der Einkommensverhältnisse des Auszubildenden nach der Entscheidung über den Antrag grundsätzlich keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X begründen könne. Fraglich sei vorliegend aber bereits, ob die Beklagte die Reduzierung der Unterhaltsleistungen sogar hätte voraussehen und entsprechend bei ihrer Prognoseentscheidung berücksichtigen müssen. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass das von der Beklagten gezahlte AusbG ein auf die Unterhaltsleistungen des Vaters anrechenbares Einkommen darstelle, sodass eine Reduzierung der Unterhaltsleistungen zum Zeitpunkt der Bewilligung des Ausbildungsgeldes absehbar wäre. Unabhängig hiervon sei jedoch eine Neuberechnung des AusbG unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen durchzuführen. Denn § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. schließe trotz seines Wortlauts nicht jede Einkommensänderung aus. Ausweislich der Ausführungen des Gesetzgebers habe jeder Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung, die in der Regel jährlich auf Grund von Tarifvereinbarungen angepasst werde. Die Übernahme der BAföG-Regelung würde folglich bei Auszubildenden dazu führen, dass in nahezu allen Förderungsfällen im Laufe eines Jahres eine Neuberechnung der Berufsausbildungsbeihilfe und ein zweiter Bewilligungsbescheid erforderlich wäre (BT-Drucks 13/4941 Seite 166 f.). Derartige Änderungen während des laufenden Bewilligungszeitraums seien nach der Wertung des Gesetzgebers in typisierender und pauschalierender Weise vernachlässigbar. Diese Einschränkung gelte aber nicht, wenn sich die laufenden Unterhaltsleistungen des behinderten Menschen während des laufenden Bewilligungsabschnitts minderten. Der Ausschluss der Neuberechnung bei einer Minderung der Unterhaltsleistungen nach Antragstellung bzw. Entscheidungszeitpunkt widerspreche Sinn und Zweck der §§ 104 ff. SGB III a.F. Auch sei der Gesetzessystematik zu entnehmen, dass eine Anrechnung nur dann in Betracht komme, wenn die Leistungen auch tatsächlich ausgezahlt würden. Einer Neuberechnung stehe auch nicht entgegen, dass eine Berücksichtigung der reduzierten Unterhaltsleistungen zulasten der Beklagten stattfinde.

Gegen das ihr am 14.04.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.05.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Dem Urteil des SG könne nicht zugestimmt werden. Entgegen der Auffassung des SG könne der Bewilligungsbescheid nicht abweichend von § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X aufgehoben werden, wenn Unterhaltszahlungen eines Elternteils nachträglich reduziert würden. Im Gegensatz zum angefochtenen Urteil vertrete sie die Auffassung, dass § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X bei der AusbG-Berechnung keine Anwendung finde; es komme allein auf den ursprünglichen Entscheidungszeitpunkt an. Der gesetzliche Grundgedanke für die Regelung des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F., den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, gelte nicht nur für die im Rahmen der Ausbildung gezahlte Ausbildungsvergütung, sondern auch für sonstiges Einkommen wie z.B. gesetzliche Unterhaltsansprüche. Die vom BSG vorgenommene teleologische Reduktion des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. für den Fall der Verringerung von Nebeneinkünften während des laufenden Bewilligungsabschnitts sei aus Sicht der Beklagten im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. a.F. nicht haltbar. Gegenstand des Urteils des BSG vom 28.11.2007, auf das sich das SG gestützt habe, sei der komplette Wegfall des Nebeneinkommens gewesen; insofern sei das BSG von einer Änderung der Verhältnisse ausgegangen. Vorliegend habe sich jedoch nur die Höhe der Unterhaltszahlung geändert; insofern liege lediglich eine Einkommensänderung vor.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.03.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Durch die Zahlung des AusbG i.H.v. 225,00 EUR hätten sich die Unterhaltszahlungen des Vaters des Klägers reduziert. Er habe von Oktober bis Dezember 2009 lediglich 228,00 EUR monatlich und ab Januar 2010 monatlich 210,00 EUR als Unterhalt erhalten. Das AusbG, welches er von der Beklagten erhalte, sei ein auf die Unterhaltsleistungen des Vaters anzurechnendes Einkommen. Aus diesem Grund sei die Reduzierung der Unterhaltsleistung durch den Vater zum Zeitpunkt der Bewilligung des AusbG durch die Beklagte auch absehbar gewesen. Bereits aus diesem Grund sei eine solche Änderung auch nach dem Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen. Diese Änderung bzw. Reduzierung der Unterhaltsleistungen seien vorauszusehen und hätten bei der Prognoseentscheidung der Beklagten berücksichtigt werden müssen. Auch müssten die Unterhaltsleistungen, die angerechnet würden, tatsächlich erzielt werden. Eine fiktive Anrechnung von tatsächlich nicht erhaltenen Unterhaltsleistungen führe zu einer unzumutbaren finanziellen Beeinträchtigung des behinderten Menschen.

Mit Schreiben vom 17.06.2014 (Blatt 28/30 der Senatsakte) hat die Beklagte u.a. ausgeführt, soweit das BSG in seinem Urteil vom 28.11.2007 die Auffassung vertreten habe, § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. sei im Wege der teleologischen Reduktion so auszulegen, dass die Berufsausbildungsbeihilfe (bzw. vorliegend das AusbG) dann neu zu berechnen sei, wenn sich während des laufenden Bewilligungsabschnitts neben der Ausbildungsvergütung das vorhandene Nebeneinkommen des Auszubildenden zu seinen Ungunsten ändere, könne dieser Rechtsauffassung nicht zugestimmt werden. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion lägen nicht vor, so setzte diese eine Regelungslücke voraus. Eine planwidrige Regelungslücke liege aber nicht vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber seine Absicht klar zum Ausdruck gebracht, dass aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität Änderungen in den Einkommensverhältnissen, die während des nachfolgenden Bewilligungszeitraumes einträten, nicht berücksichtigt werden könnten. Eine Regelungslücke sei auch nicht darin zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. damit begründe, dass Auszubildende im Gegensatz zu Schülern und Studenten nach dem Berufsbildungsgesetz Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung hätten, die in der Regel jährlich auf Grund von Tarifvereinbarungen angepasst werde, und die Übernahme der BAföG-Regelung bei Auszubildenden dazu führen würde, dass in nahezu allen Förderungsfällen im Laufe eines Jahres eine Neuberechnung der BAB und ein zweiter Bewilligungsbescheid erforderlich wäre. Der Gesetzgeber habe diesen ins Auge springenden Sachverhalt in der Gesetzesbegründung aufgeführt, um die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, zu begründen. Der vorliegende Sachverhalt sei mit dieser Situation vergleichbar. Käme es in Fällen von reduzierten Unterhaltsleistungen aufgrund der anzurechnenden Berufsausbildungsbeihilfe zu einer Neuberechnung, so wäre dies ggf. in mehreren Anpassungsschritten zu wiederholen, weil die jeweilige Neuberechnung zu einer weiteren Senkung der Unterhaltsleistungen führen würde. Dies liefe der Intention des Gesetzgebers, den Verwaltungsaufwand zu begrenzen, zuwider. Auch die Tatsache, dass § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. nicht wie § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III a.F. zwischen den verschiedenen Einkommensarten differenziere, spreche dafür, dass Änderungen in den Einkommensverhältnissen, die während des nachfolgenden Bewilligungszeitraums einträten, nicht berücksichtigt werden könnten.

Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 23.07.2014 (Blatt 31/33 = 34/36 der Senatsakte) eingewandt, dass bei der Bemessung des AusbG die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen zu berücksichtigen seien. Diese Rechtsauffassung entspreche der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.11.2007 - B 11a AL 47/06 R -). Zwar möge § 71 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 SGB II den Verwaltungsaufwand begrenzen, doch führe dies zu einer besonderen Härte. Behinderte Menschen seien besonders schutzwürdig. Nachdem das AusbG bei der Berechnung des Unterhaltes berücksichtigt werde, sei es absehbar, dass die Unterhaltszahlungen daraufhin reduziert würden. Insoweit liege eine absehbare Änderung vor.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 17.04.2015 in einem nichtöffentlichen Termin erörtert; wegen des Inhalts und Ergebnisses wird auf die Niederschrift (Blatt 38/40 der Senatsakte) Bezug genommen.

Die Beklagte hat daraufhin (Schreiben vom 15.06.2015, Blatt 43/44 der Senatsakte) an ihrer Auffassung festgehalten und u.a. ausgeführt, § 108 SGB III a.F. regele die Einkommensanrechnung für das AusbG abweichend von den Vorschriften zur Einkommensanrechnung der Berufsausbildungsbeihilfe. Bei der Berücksichtigung der Unterhaltsleistung sei "Absehbarkeit" nicht gegeben, weil sich erst aufgrund der Bewilligung und Leistungsgewährung der Unterhaltsanspruch ändere, also der Leistungsanspruch an sich ursächlich für die Änderung der Einkommensverhältnisse sei. Die für die Bewilligung maßgeblichen Voraussetzungen würden somit durch den Leistungsanspruch selbst geändert und nicht durch "äußere" Faktoren. Folglich käme es zu einem unzulässigen "Zirkelschluss" aus tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen aufgrund später eintretender Änderungen. Im Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung sei zudem nicht absehbar, ob sich im Einzelfall tatsächlich Unterhaltsleistungen ändern und/oder ab welchem Zeitpunkt Änderungen ggf. einträten. "Absehbar" könnten jedoch nur solche Änderungen sein, die bei der Entscheidung bereits feststünden.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.06.2015 (Blatt 46/68 der Senatsakte) Kontoauszüge vorgelegt und ausgeführt, dass die Zahlung des Unterhaltes durch den Kindesvater über das Jugendamt erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, insbesondere ist die Berufung statthaft, sie betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten Rücknahme des Bescheids vom 23.10.2009 in der Fassung des Bescheids vom 24.02.2011 ist § 48 Abs. 1 SGB X; dieses Begehren konnte der Kläger zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 SGG verfolgen (zur Erforderlichkeit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage im Falle eines Begehrens nach § 44 SGB X vgl. BSG 09.06.2011 – B 8 AY 1/10 R – SozR 4-1300 § 44 Nr. 22 = SozR 4-3520 § 9 Nr. 2 = juris RdNr. 9; BSG 18.05.2010 – B 7 AL 49/08 R – SozR 4-4300 § 122 Nr. 8 = SozR 4-4300 § 408 Nr. 1 = SozR 4-4300 § 132 Nr. 5 = juris RdNr. 9; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 SGB X RdNr. 29 m.w.N.; Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 330 RdNr. 12a, Stand August 2007, lediglich im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung abweichend BSG 05.09.2006 – B 2 U 24/05 RBSGE 97, 54-63 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 7 = juris; Senatsurteil vom 25.01.2013 - L 8 U 4645/11 - juris). Die Beklagte hatte im angefochtenen Bescheid vom 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 zwar § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X als Rechtsgrundlage herangezogen. Jedoch hatte der Kläger mit seiner Erklärung vom 10.02.2010 nicht nur geltend gemacht, der Bescheid vom 23.10.2009 sei wegen der Doppelanrechnung von Anfang an falsch gewesen; er hat auch geltend gemacht, mittlerweile habe sein Vater den Unterhaltsbetrag reduziert, mithin hat der Kläger eine wesentliche Änderung der Verhältnisse geltend gemacht. Auch über einen solchen "Antrag nach § 48 SGB X" hat die Beklagte entschieden, denn sie hat im angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. schließe eine nachträgliche Änderung des Bewilligungsbescheids vom 23.10.2009 nach § 48 Abs. 1 SGB X aus. Damit hat die Beklagte aber nicht nur nach § 44 SGB X entschieden, sondern auch, dass der Bescheid vom 23.10.2009 nicht nach § 48 SGB X geändert wird.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010, mit dem die Beklagte eine Rücknahme/Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 23.10.2009, mit dem die Beklagte AusbG für die Zeit vom 07.09.2009 bis 07.03.2011 i.H.v. monatlich 225,00 EUR bewilligt hatte, nach abgelehnt hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind daher die Bescheide der Beklagten vom 13.04.2011 (Blatt 46/48 der SG-Akte) und 26.10.2012 (Blatt 58/59 der SG-Akte), mit denen die Beklagte dem Kläger AusbG für die sich anschließende Zeit vom 07.03.2011 bis 06.09.2012 bzw. vom 10.09.2012 bis zum 09.12.2014 bewilligt hat. Diese Bescheide ändern oder ersetzen weder den angefochtenen Bescheid vom 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 noch den ursprünglichen, auf Leistungen bis 07.03.2011 befristeten Bescheid vom 23.10.2009 i.S.d. § 96 Abs. 1 SGG. Dagegen ist der Bescheid vom 24.02.2011 (Blatt 16/17 der SG-Akte), mit dem die Beklagten für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 06.03.2011 AusbG i.H.v. monatlich 234,00 EUR bewilligt und zugleich den Bescheid vom 23.10.2009 aufgehoben hatte, nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden. Denn da Rechtsgrundlage des vorliegenden Verfahrens § 48 SGB X ist, ändert dieser Bescheid vom 24.02.2011 zwar primär lediglich den Ausgangsbescheid vom 23.10.2009 mit Wirkung ab 01.08.2010, doch wird dadurch zugleich auch der Bescheid vom 17.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 geändert, als dessen Regelung jedenfalls mit Wirkung ab 01.08.2010 nicht mehr gelten soll (zur Nichteinbeziehung nach § 96 SGG bei Verfahren nach § 44 SGB X vgl. Senatsurteil vom 25.01.2013 – L 8 U 4645/11 – juris).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 2 Satz 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit (1.) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (2.) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, (3.) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (4.) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der vom 01.07.2001 bis 31.03.2012 geltenden und damit vorliegend anzuwendenden Fassung (a.F.) sind die besonderen Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen, wenn (1.) Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an (a) einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder (b) einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen oder (2.) die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen. In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F.). Die besonderen Leistungen umfassen nach § 103 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der vom 01.07.2004 bis 31.13.2012 geltenden Fassung (a.F. entspricht § 118 Satz 1 Nr. 3 SGB III n.F.) das AusbG, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. Nach § 104 in der vom 30.12.2008 bis 31.03.2012 geltenden Fassung (a.F. zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. § 122 SGB III n.F.) haben behinderte Menschen Anspruch auf AusbG während (1.) einer beruflichen Ausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung, (2.) einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a SGB IX und (3.) einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. Für das AusbG gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit in den nachfolgenden Vorschriften des SGB III nichts Abweichendes bestimmt war (§ 104 Abs. 2 SGB III a.F. entspricht § 122 Abs. 2 SGB III n.F.).

Der Kläger, der im streitigen Zeitraum eine Berufsausbildung durchlaufen hat, hat diese Voraussetzungen nach Prüfung durch den Senat erfüllt und damit Anspruch auf AusbG dem Grunde nach; dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Als Bedarf werden nach § 105 Abs. 1 SGB III in der vom 01.08.2008 bis zum 31.07.2010 geltenden Fassung (a.F., zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. § 123 Abs. 1 SGB III n.F.) bei beruflicher Ausbildung zugrunde gelegt (1.) bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils 310 EUR monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im übrigen 389 EUR monatlich, (2.) bei Unterbringung in einem Wohnheim, Internat, beim Ausbildenden oder in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen 102 EUR monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden, (3.) bei anderweitiger Unterbringung und Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 225 EUR monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im übrigen 260 EUR monatlich und (4.) bei anderweitiger Unterbringung ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung der jeweils nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 sowie Abs. 3 BAföG geltende Bedarf. Für einen behinderten Menschen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird anstelle des Bedarfs nach Abs. 1 Nr. 4 ein Bedarf in Höhe von 310 EUR monatlich zugrunde gelegt (§ 105 Abs. 2 SGB III a.F. entspricht § 123 Abs. 2 SGB III n.F.), wenn (1.) er die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könnte oder (2.) Leistungen der Jugendhilfe nach dem Achten Buch gewährt werden, die mit einer anderweitigen Unterbringung verbunden sind.

Der Kläger hatte zwar zu Beginn der Berufsausbildung noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet, doch war er unverheiratet und wohnte und lebte im Haushalt seiner Mutter, weshalb sich sein monatlicher Bedarf nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. auf 310,00 EUR belief (ab 01.08.2010 = 316 EUR, vgl. § 105 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der vom 01.08.2010 bis 31.03.2012 geltenden Fassung und den Bescheid vom 24.02.2011).

Auf diesen Bedarf ist gemäß § 104 Abs.2 SGB III a.F. (zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. § 126 Abs. 2 SGB III n.F.) i.V.m. § 71 SGB III in der vom 01.08.2010 bis 31.03.2012 geltenden Fassung (a.F., zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. § 67 SGB III n.F.) das Einkommen des Auszubildenden, seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten, des Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen. Nähere, auf das Recht des BAföG weisende Regelungen enthält § 71 Abs. 2 SGB III a.F. (vgl. aktuell § 67 Abs. 2 SGB III n.F.). So gilt nach § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.(entspricht § 67 Abs. 2 Satz 2 SGB III n.F.) für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen § 11 Abs. 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 22 Abs. 1 BAföG ist jedoch das Einkommen des Auszubildenden maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung sind jedoch zu berücksichtigen (§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F., entspricht § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.). Zusätzlich bestimmt § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der vom 01.08.2008 bis zum 31.07.2010 geltenden Fassung (a.F., zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III n.F.), dass bei der Einkommensanrechnung das Einkommen des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis 235,00 EUR (ab 01.08.2010: 242,00 EUR) monatlich anrechnungsfrei bleibt.

Damit ist für die Berechnung des AusbG der, den Freibetrag des § 108 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. (=§ 126 Abs. 2 Nr. 1 SGB III n.F.) übersteigende Betrag des Unterhalts bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei aber nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) das Einkommen des Auszubildenden, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung sind jedoch zu berücksichtigen.

Ob der Verwaltungsakt über die Bewilligung von AusbG für die Zeit vom 07.09.2009 bis 07.03.2011 im Bescheid vom 23.10.2009 der Höhe nach bereits anfänglich zu Lasten des Klägers rechtswidrig war, konnte der Senat – auch wenn für den Senat viel für eine Rechtswidrigkeit spricht - offen lassen. Erhebliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Bewilligung von AusbG der Höhe nach im Bescheid vom 23.10.2009 hat der Senat aus folgenden Gründen:

Nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) ist das Einkommen des Auszubildenden, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist, auf Grundlage einer Prognoseentscheidung zu bestimmen (Herbst in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 67 SGB III, RdNr. 102; B. Schmidt in Eicher Schlegel, SGB III a.F., § 71 RdNr. 68; ders. in Eicher Schlegel, SGB III n.F. § 67 RdNr. 68; dazu vgl. auch Kruse/Schön in LPK-SGB III, 1. Aufl., § 71 RdNr. 10 ff.; Stratmann in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 71 RdNr. 10); diese Prognoseentscheidung ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (Herbst a.a.O.). Im Rahmen einer Prognose sind zwar grundsätzlich alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, jedoch nur diejenigen Tatsachen, die im Zeitpunkt der Ex-ante-Betrachtung erkennbar sind (dazu vgl. z.B: BSG 04.10.1994 – 7 KlAr 1/93BSGE 75, 97-159 = SozR 3-4100 § 116 Nr. 2 = juris RdNr. 160). Tritt die prognostizierte Entwicklung nicht ein, wird die Prognoseentscheidung damit nicht rechtswidrig (dazu vgl. auch Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr. 53). So ist ein Verwaltungsakt nicht schon deswegen anfänglich rechtswidrig weil die in ihm getroffene Prognose nicht eintritt (Padé a.a.O.); dagegen liegt anfängliche Rechtswidrigkeit vor, wenn sich herausstellt, dass die Prognose deshalb falsch war, weil nicht alle im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung schon vorhandenen Daten eingestellt wurden (Padé a.a.O.). Rechtswidrig hat die Behörde dann gehandelt, wenn schon im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung auf der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Tatsachengrundlage eine andere Prognose hätte getroffen werden müssen (Baumeister a.a.O. RdNr. 53).

In die von ihr zu treffende Prognoseentscheidung einzustellen hatte die Beklagte alle Umstände, die zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung ("Ex-ante-Betrachtung") bekannt waren; § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 126 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) modifiziert dies dahingehend, dass es für die in die Prognose einzustellenden Einkommensverhältnisse grds. auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbaren Umstände ankommt. Jedoch kommt es insoweit nicht nur auf punktuell bezogene Einkommensverhältnisse an, vielmehr ist das absehbare Einkommen der AusbG-Berechnung zugrunde zu legen und zwar bezogen auf den gesamten Bewilligungszeitraum. Denn nach § 22 Abs. 2 BAföG wird auf den Bedarf eines jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums der Betrag angerechnet, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird. Dies gilt über § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB III n.F.) und § 104 Abs. 2 SGB III a.F. (= § 122 Abs. 2 SGB III n.F.) auch für das AusbG. Die Ermittlung des absehbaren Einkommens des Auszubildenden im Bewilligungszeitraum erfolgt daher aufgrund der Tatsachen, die der AA bis zu ihrer Entscheidung über den BAB-Antrag bekannt sind und aufgrund einer schlüssigen Beurteilung der wahrscheinlichen Entwicklung dieses Einkommens im Bewilligungszeitraum (B. Schmidt in Eicher Schlegel, SGB III a.F., § 71 RdNr. 68; ders. in Eicher Schlegel, SGB III n.F. § 67 RdNr. 68). Damit muss die Beklagte bei der Bewilligung von AusbG im Rahmen einer Prognoseentscheidung feststellen, welches Einkommen des AusbG-Berechtigten im Bewilligungsabschnitt absehbar ist.

Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung hat die Beklagte von einem normalen Ablauf des weiteren Geschehens auszugehen und dabei die mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eintretenden Einkommensänderungen zu berücksichtigen (zu der nach § 24 Abs. 2 SGB XII zu erstellenden Prognose über "zu erwartende Leistungen" hat das LSG Nordrhein-Westfalen 10.11.2014 – L 20 SO 484/11 – juris RdNr. 45 entschieden, dass Leistungen "zu erwarten" sind, wenn sie überwiegend wahrscheinlich sind). Zu berücksichtigen sind daher auch nicht nur absehbare Einkommenserhöhungen (beim Unterhalt kommt insoweit z.B. eine Erhöhung des Unterhalts durch "absehbares" Überschreiten einer höheren Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle während des Bewilligungszeitraumes in Betracht), bei denen die Beklagte trotz der im vorliegenden Rechtsstreit vertretenen Auffassung § 48 SGB X anwendet, sondern auch absehbare Einkommensreduzierungen. Ist eine Einkommensreduzierung zumindest dem Grunde nach absehbar, dann darf die Beklagte diese nicht unter Hinweis auf die Ungewissheit der Höhe des Reduzierungsbetrages außer Acht lassen, sondern sie muss insoweit das absehbare Einkommen ermitteln (§ 20 SGB X).

Insoweit gehört zu diesen in die Prognoseentscheidung einzustellenden absehbaren Umstände vor allem auch der Umstand, dass der Bezug von AusbG den Unterhaltsanspruch des AusbG-Berechtigten mindert. Diese Reduzierung des Unterhaltsanspruchs tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein. Denn im Rahmen des vorliegend einschlägigen Kindes-/Verwandtenunterhalts (§ 1601 BGB) ist nach § 1602 Abs. 1 BGB unterhaltsberechtigt nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Einkommen des Kindes mindert daher unmittelbar dessen Bedürftigkeit und in Folge dessen Unterhaltsanspruch. Damit ist im Rahmen einer Prognoseentscheidung als sicher anzusehen, dass ein AusbG-Anspruch Auswirkungen auf den bezogenen Kindesunterhalt hat und damit den Unterhaltsbedarf des AusbG-Berechtigten mindert, was eine Einkommensminderung durch geringere Unterhaltsleistungen nach sich zieht. Ist diese Einkommensminderung aber absehbar, darf die Beklagte diesen Umstand nicht unberücksichtigt lassen. Absehbar ist insoweit jedenfalls die Minderung des Einkommens aus Unterhalt. Zunächst ungewiss ist dagegen lediglich die Höhe und der Zeitpunkt des (teilweisen) Einkommenswegfalls. Dies kann jedoch mit einer einfachen unterhaltsrechtlichen Berechnung, die auf den Einkommensdaten, die die Beklagte bei den Unterhaltsverpflichteten sowieso erhebt, beruhen, geklärt werden; im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) hat die Beklagte dies auch zu tun. Diese grundsätzliche Absehbarkeit der Einkommensminderung muss im Rahmen des § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. genügen. Denn Absehbarkeit bedeutet nicht, dass unmittelbar mit Antragstellung bereits Gewissheit über die Höhe des Einkommens besteht; so geht auch die von der Beklagten zitierte Kommentierung bei Gagel, SGB III, davon aus, dass die Prognose, welches Einkommen im Bewilligungszeitraum absehbar ist, Schwierigkeiten bereitet (Brecht-Heitsmann in Gagel, SGB II / SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 67 SGB III RdNr. 83). Dennoch entbindet das gesetzliche Abstellen auf die Absehbarkeit des Einkommens die Beklagte nicht von Ermittlungen bzw. Berechnungen zu dem zu berücksichtigenden Einkommen des AusbG-Berechtigten (§ 20 SGB X). Vorliegend hat die Beklagte in ihre Prognoseentscheidung lediglich ein konstantes Einkommen aus Unterhalt eingestellt, die absehbare Unterhaltsminderung jedoch entsprechend ihrer insoweit geltenden Weisungslage bewusst außer Betracht gelassen.

Dass die Beklagte zunächst nicht weiß, um welchen Betrag sich der Unterhaltsanspruch im konkreten Fall reduziert, ist unbedeutend. Denn jedenfalls der Umstand, dass sich das Einkommen nach rechtlichen Vorgaben reduziert, ist mit Sicherheit zu erkennen. Auf dieser Grundlage kann die Beklagte ggf. in Zusammenwirken mit dem unterhaltsverpflichteten Elternteil - dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von der Beklagten sowieso abgefragt werden (vgl. z.B. für die Mutter Blatt 13/17 der Beklagtenakte; für den Vater vgl. Blatt 18/23 der Beklagtenakte) – das jeweils zu erwartende Einkommen des AusbG-Berechtigten aus Unterhalt errechnen und in ihre Prognoseentscheidung einstellen; lässt sich der Betrag nicht ausreichend schnell klären, kann nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig entschieden werden.

Dass die Beklagte meint, weil sich erst aufgrund der Bewilligung und Leistungsgewährung der Unterhaltsanspruch ändere, sei die Reduzierung des Einkommens nicht absehbar, so folgt ihr der Senat nicht. Absehbar ist die Tatsache der Änderung des Einkommens auf jeden Fall. Nicht auf einen kurzen Blick absehbar ist lediglich der Umfang des Einkommenswegfalls. Auch dass die für die Bewilligung maßgeblichen Voraussetzungen durch den Leistungsanspruch selbst und nicht durch "äußere" Faktoren geändert würden, bedeutet nicht, dass die auf Gesetz beruhende Einkommensänderung nicht absehbar wäre. Denn wie die Beklagte zutreffend ausführt, sind absehbar solche Änderungen, die bei der Entscheidung bereits feststehen, aber auch solche, die bei normalem Ablauf des weiteren Geschehens mit einer gewissen Sicherheit zu erwarten sind. Dazu gehört nach Überzeugung des Senat aber der Umstand, dass der Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes durch den Bezug von AusbG reduziert wird und damit dem AusbG-Berechtigten absehbar geringeres Einkommen zufließen wird. Ist die Reduzierung des Einkommens jedoch in diesem Sinne absehbar, so darf die Beklagte nicht unter Hinweis auf erforderliche weitere Ermittlungen oder den Gesichtspunkt einer Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität die Augen vor der absehbaren Einkommensänderung verschließen. Insoweit wollte der Gesetzgeber auch nicht der Beklagten grds. Änderungen ihrer AusbG-Bewilligung ersparen – davon geht die Beklagte selbst nicht aus, denn sie hat mit Bescheid vom 24.02.2011 selbst eine später gesetzlich bestimmte Erhöhung des Bedarfssatzes und des Freibetrags auf den laufenden Leistungsfall angewandt – sondern nur solche, die infolge der jährlichen Erhöhung der Ausbildungsvergütungen eintreten, wie das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend ausgeführt hat.

Vor diesem Hintergrund erscheint es als sehr zweifelhaft, ob die von der Beklagten getroffene Prognose zum Einkommen des Klägers zutreffend war. Diese Frage konnte der Senat jedoch offen lassen. Denn selbst bei einem anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sind spätere wesentliche Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nach § 48 SGB X nachzuvollziehen (Merten in Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 48 SGB X, RdNr. 10, 11; Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, § 48, Stand 85. Ergänzungslieferung 2015; RdNr. 25 ff.). Somit ist § 48 SGB X auch auf anfänglich rechtswidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nachträglich ändern (BSG 28.03.2013 – B 4 AS 59/12 RBSGE 113, 184-191 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 13 = juris RdNr. 26; LSG Berlin-Brandenburg 17.02.2015 – L 16 R 1023/14 – juris RdNr. 17; LSG Berlin-Brandenburg 17.09.2014 – L 18 AS 672/13 – juris).

Dass die Beklagte unter Hinweis auf die Kommentierung von Brecht-Heitsmann (in Gagel, SGB II/SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 67 SGB III RdNr. 84) meint, Änderungen in den Einkommensverhältnissen, die sich erst im Bewilligungszeitraum ergeben, seien grundsätzlich unbeachtlich, lässt sich auch aus der Kommentierung dort nicht entnehmen. Denn auch dort wird davon ausgegangen, dass dies zu unbilligen Ergebnissen führen kann (Brecht-Heitsmann a.a.O.; Petzold in Hauck/Noftz, § 67 SGB III RdNr.&8202;14, Stand Mai 2012; Lampe in GK-SGB III, § 67 RdNr.&8202;8, Stand Dezember 2012). So wird auch dort angenommen, dass jedenfalls dann, wenn sich während des laufenden Bewilligungsabschnitts das neben der Ausbildungsvergütung vorhandene Nebeneinkommen ändert, die Ausbildungsbeihilfe bzw. das AusbG neu berechnet werden muss (Brecht-Heitsmann a.a.O. unter Hinweis auf BSG 28.11.2007 – B 11a AL 47/06 RSozR 4-4300 § 71 Nr. 3; zustimmend Hassel in Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 67 RdNr.&8202;10; Lampe, in: GK-SGB III, § 67 RdNr. &8202;8, Stand Dezember 2012; a.A. alleine Wagner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl. 2013, § 67 RdNr.&8202;91).

Zwar liegt es gerade im Wesen einer Prognose, dass ihre Richtigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt durch spätere Entwicklungen rückschauend zwar widerlegt werden kann, aber ihr Zustandekommen auf dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung nicht zu beanstanden ist und die getroffene Prognoseentscheidung nicht nur rechtmäßig sondern auch bindend bleibt (BSG a.a.O.). Insoweit kann der Ausschluss einer Änderbarkeit nach § 48 SGB X bei Prognoseentscheidungen durch § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) durchaus Sinn machen. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine einmal getroffene Prognoseentscheidung zwingend unabänderlich wäre (dazu vgl. z.B. Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl., § 48 RdNr. 34; zu einer Änderung einer Prognose in Fällen einer nachträglichen Änderung der Beurteilung einer "Erwartung" vgl. BSG 25.04.1990 – 7 RAr 94/87BSGE 67, 11-19 = SozR 3-4100 § 63 Nr. 1 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 1 = juris RdNr. 29). Zwar mag § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (=§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) seinem Wortlaut nach einen vollständigen Ausschluss einer Abänderbarkeit wegen nachträglicher Einkommensänderungen beinhalten, so kann dieser Ausschluss jedenfalls dann nicht gelten, wenn durch die nachträglich eingetretene Änderung die Grundlage der Prognose vergleichbar einem Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) entfällt und das Festhalten an der Prognoseentscheidung für die Beteiligten unzumutbar wäre. Jedenfalls in diesen Fällen kann die getroffene Entscheidung nach § 48 SGB X geändert werden (zur Änderbarkeit einer Prognoseentscheidung vgl. z.B. Baumeister a.a.O. RdNr. 53, 54.1; Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 48 RdNr. 8; Waschull a.a.O.; Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, RdNr. 50, die annimmt, dass jedenfalls im Fall einer unvorhersehbaren Entwicklung § 48 SGB X anwendbar sei).

Vorliegend ist eine wesentliche Änderung der beim Erlass des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung (Bewilligung von AusbG ab 07.09.2009) im Bescheid vom 23.10.2009 vorliegenden tatsächlichen Umstände eingetreten, denn durch die rechtlich zutreffende, dauerhafte, nicht nur unerhebliche und nicht missbräuchliche Reduzierung des Kindesunterhalts sind dem Kläger deutlich andere als die prognostizierten Einkünfte zugeflossen. In Folge der Einkommensreduzierung ergibt sich auch unter Berücksichtigung der auf den Bewilligungsabschnitt bezogenen, auf den Monat umgelegten Einkünfte im Ergebnis ein monatlich höherer AusbG-Anspruch, weshalb die Bewilligung von AusbG im Bescheid vom 23.10.2009 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X zugunsten des Klägers rückwirkend aufzuheben ist.

Der Kläger hat Unterhalt wie aus Blatt 48/68 der Senatsakte ersichtlich bezogen; andere Einkünfte hatte der Kläger nicht. Sein Bedarf betrug vom 07.09.2009 bis zum 31.07.2010 monatlich 310,00 EUR (ab 01.08.2010 monatlich 316,00 EUR). Der Freibetrag belief sich auf monatlich 235,00 EUR (ab 01.08.2010: 242,00 EUR):

Monat Monatlicher Bedarf Monatliches Einkommen Freibetrag Einzusetzendes Einkommen (Einkommen abzügl. Freibetrag) 2009 September 310,00 EUR 320,00 EUR 235,00 EUR 85,00 EUR Oktober 310,00 EUR 320,00 EUR 235,00 EUR 85,00 EUR November 310,00 EUR 320,00 EUR 235,00 EUR 85,00 EUR Dezember 310,00 EUR 210,00 EUR 235,00 EUR 0,00 EUR 2010 Januar 310,00 EUR 210,00 EUR 235,00 EUR 0,00 EUR Februar 310,00 EUR 180,00 EUR 235,00 EUR 0,00 EUR März 310,00 EUR 196,00 EUR 235,00 EUR 0,00 EUR April 310,00 EUR 270,00 EUR 235,00 EUR 35,00 EUR Mai 310,00 EUR 270,00 EUR 235,00 EUR 35,00 EUR Juni 310,00 EUR 270,00 EUR 235,00 EUR 35,00 EUR Juli 310,00 EUR 270,00 EUR 235,00 EUR 35,00 EUR August 316,00 EUR 270,00 EUR 242,00 EUR 28,00 EUR September 316,00 EUR 270,00 EUR 242,00 EUR 28,00 EUR Oktober 316,00 EUR 270,00 EUR 242,00 EUR 28,00 EUR November 316,00 EUR 270,00 EUR 242,00 EUR 28,00 EUR Dezember 316,00 EUR 270,00 EUR 242,00 EUR 28,00 EUR 2011 Januar 316,00 EUR 97,00 EUR 242,00 EUR 0,00 EUR Februar 316,00 EUR 121,00 EUR 242,00 EUR 0,00 EUR März 316,00 EUR 121,00 EUR 242,00 EUR 0,00 EUR

Hieraus ist ersichtlich, dass es sich bei der Einkommensreduzierung nicht lediglich um geringfügige Änderungen handelt. Vielmehr betreffen die im Einkommensverlust liegenden Änderungen die Basis der Prognoseentscheidung der Beklagten. Diese ging von einem durchgehenden, konstanten Einkommen von 320,00 EUR monatlich aus. Mag diese Prognose auch – wie oben ausgeführt – auf falschen Annahmen beruhen bzw. hat die Beklagte die Möglichkeit einer im Bewilligungszeitraum absehbaren Einkommensänderung gar nicht berücksichtigt, so muss sich die Beklagte zumindest an den zur Begründung der Prognose tatsächlich herangezogenen Umständen festhalten lassen. Umstände, die sie in ihrer Prognoseentscheidung bewusst nicht eingestellt hat, berechtigen sie dann aber auch nicht dazu, an der einmal getroffenen Prognose festzuhalten, wenn diese Umstände sich grundlegend ändern. Bricht bezogen auf die von der Beklagten konkret herangezogene Prognosebasis das Einkommen jedoch ganz (dazu vgl. BSG 28.11.2007 – B 11a AL 47/06 RSozR 4-4300 § 71 Nr. 3 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 13 = juris) oder – wie vorliegend - zumindest in wesentlichen Teilen weg, lässt sich die von der Beklagten getroffene Prognose nicht halten, ihre Grundlage ist nachträglich weggefallen, sodass die Änderung nicht nur wesentlich, sondern gerade nach § 48 SGB X leistungsmäßig nachzuvollziehen ist.

Die Anwendung des § 48 SGB X scheitert vorliegend nicht schon daran, dass es im Wesen einer Prognose liegt, dass ihre Richtigkeit grds. unabhängig von der Entwicklung der Lebenswirklichkeit ist und sie zu einem bestimmten Zeitpunkt durch spätere Entwicklungen nicht rückschauend widerlegt werden kann (dazu vgl. z.B. BSG 04.10.1994 – 7 KlAr 1/93BSGE 75, 97-159 = SozR 3-4100 § 116 Nr. 2 = juris RdNr. 160; vgl. auch B. Schmidt in Eicher Schlegel, SGB III a.F., § 71 RdNr. 68; ders. in Eicher Schlegel, SGB III n.F. § 67 RdNr. 68). Entfällt jedoch durch die eingetretene wesentliche Änderung die Grundlage der Prognose oder wesentliche ihrer Teile, und wird das Festhalten an der Prognose wegen der Änderung nicht mehr zumutbar, so kann die Entscheidung nach § 48 SGB X geändert werden (dazu vgl. z.B. Baumeister a.a.O. RdNr. 53, 54.1; Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 48 RdNr. 8; Waschull a.a.O.; Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, RdNr. 50).

Vorliegend hat sich durch den teilweisen Wegfall des vom Vater bezogenen Kindesunterhalts eine gravierende Änderung der Verhältnisse ergeben. Mit dieser nicht nur geringfügigen Reduzierung des Unterhalts von zunächst 320,00 EUR auf 180,00 EUR, 196,00 EUR, später 270,00 EUR bzw. 97,00 EUR und 121,00 EUR sind so wesentliche Teile des Einkommens des Klägers entfallen, dass ihm unter Berücksichtigung des ihm nach der gesetzlichen Wertung der §§ 104, 108 SGB III a.F. zustehenden Geldbetrages ein Festhalten an der von der Beklagten getroffenen Prognosegrundlage nicht zumutbar ist. Denn entfallen ist mit der Unterhaltsreduzierung der wesentliche, für die Prognoseentscheidung der Beklagten grundlegende Umstand eines konstant hohen Einkommens. Ändert sich aber die grundlegende Basis der Prognoseentscheidung derart, so ist die Prognose so nicht mehr haltbar und muss nach § 48 SGB X korrigiert werden. Bei lediglich geringen Änderungen in den Einkommensverhältnissen – gleich ob Ausbildungsvergütung, Nebeneinkünfte oder sonstige Einnahmen, die nicht die Basis der Prognose grundsätzlich in Frage stellen - bleibt die Prognose jedoch beachtlich, solche Änderungen bleiben, wenn sie nach der Entscheidung der Beklagten eintreten, bei der Höhe des AusbG unberücksichtigt (Herbst a.a.O. RdNr. 101). Dies gehört zum Wesen einer Prognoseentscheidung, ist aber auch der Regelung des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) zu entnehmen.

§ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) schließt vorliegend aber auch nicht grundsätzlich die Aufhebbarkeit der Leistungsbewilligung der Höhe nach aus – nicht nur, weil die Grundlagen der von der Beklagten getroffenen Prognoseentscheidung entfallen sind. Denn mit der Rechtsprechung des BSG (28.11.2007 – B 11a AL 47/06 RSozR 4-4300 § 71 Nr. 3 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 13 = juris) ist § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) trotz des umfassenden Wortlauts und des Verzichts auf die an anderer Stelle deutlich zum Ausdruck gekommene Differenzierung zwischen Ausbildungsvergütung und sonstigem Einkommen nicht uneingeschränkt und unabhängig davon, ob sich die Einkommensverhältnisse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Auszubildenden ändern, so zu verstehen, dass die Berücksichtigung jedweder Einkommensänderung ausgeschlossen ist (BSG a.a.O. RdNr. 14). Der Gesetzgeber habe die Regelung vielmehr damit begründet, dass Auszubildende im Gegensatz zu Schülern und Studenten nach dem Berufsbildungsgesetz (BBG) Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung hätten, die in der Regel jährlich auf Grund von Tarifvereinbarungen angepasst werde, und die Übernahme der BAföG-Regelung folglich bei Auszubildenden dazu führe, dass in nahezu allen Förderungsfällen im Laufe eines Jahres eine Neuberechnung der BAB und ein zweiter Bewilligungsbescheid erforderlich wäre (BT-Drucks 13/4941 S 166, 167; BSG a.a.O.). Hiernach komme bei Änderungen der Ausbildungsvergütung, die anders als bei Schülern oder Studenten ohne einen Ausbildungsvertrag verbindliche Gegenleistung einer im Berufsausbildungsvertrag festgelegten Ausbildungsverpflichtung sei, eine Neuberechnung während des laufenden Bewilligungszeitraums nicht in Betracht. Derartige Änderungen während des laufenden Bewilligungszeitraums seien nach der Wertung des Gesetzgebers in typisierender und pauschalierender Weise vernachlässigbar (BSG a.a.O.). Das BSG hat (a.a.O. RdNr. 15) diese Einschränkung aber nicht gelten lassen, wenn sich das neben der Ausbildungsvergütung vorhandene Einkommen des Auszubildenden während des laufenden Bewilligungsabschnitts mindert. Jedenfalls bei einer Minderung - bei Erhöhungen des Einkommens berufe sich die Beklagte auch nach der Erfahrung des BSG (a.a.O. RdNr. 15) durchaus auf § 48 SGB X - widerspreche ein Ausschluss der Neuberechnung nach Antragstellung bzw. Entscheidungszeitpunkt dem Sinn und Zweck des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. und könne deshalb in seinem weiter gefassten Wortlaut nicht zum Tragen kommen (BSG a.a.O. RdNr. 15). Dieser Rechtsprechung, die bereits das SG geteilt hatte, tritt der Senat bei. Mit § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) sollten lediglich Änderungen in Folge von Steigerungen des Ausbildungslohnes unberücksichtigt bleiben (so auch B. Schmidt in Eicher Schlegel, SGB III a.F., § 71 RdNr. 67; ders. in Eicher Schlegel, SGB III n.F. § 67 RdNr. 67).

Hat das BSG (a.a.O.) aber nicht nur über Einkommen aus einer Nebentätigkeit (dazu vgl. B. Schmidt in Eicher Schlegel, SGB III a.F., § 71 RdNr. 66; ders. in Eicher Schlegel, SGB III n.F. § 67 RdNr. 66) entschieden sondern - wie sich aus der Entscheidung selbst ergibt (vgl. dazu RdNr. 19) - eine Verschlechterung der gesamten Einkommensverhältnisse vor Augen gehabt - das BSG spricht in Abgrenzung zum AusbG von dem "Fall einer Verschlechterung der sonstigen Einkommensverhältnisse des Auszubildenden" – und damit als Anwendungsfall des § 48 SGB X angesehen, dürften sich die Ausführungen des BSG nicht nur auf das Einkommen aus einer Nebentätigkeit erstrecken, sondern auch auf Unterhaltsansprüche. Das ergibt sich für den Senat aus der Auslegung der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III a.F. (= § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III n.F.) nach den Grundsätzen der teleologischen Reduktion, wie sie das BSG vorgenommen hat und sich – jedenfalls bei einer Einkommensminderung – zwingend ergibt, da die Gefährdung des Ausbildungserfolgs durch die Bedarfsunterdeckung vom Gesetzgeber nicht gewollt ist (vgl. auch B. Schmidt a.a.O. § 67 SGB III n.F. RdNr. 66). Rechtlich wesentliche oder sonstige, qualitative Unterschiede zwischen Einkommen aus Nebentätigkeit und Unterhaltsleistungen sind für den Senat insoweit auch nicht erkennbar, sodass beide Einkommensarten gleich zu behandeln sind.

Darüber hinaus hat das BSG (14.05.2014 - B 11 AL 3/13 R – SozR 4-4300 § 108 Nr. 2 = SozR 4-4300 § 104 Nr. 1 = juris RdNr. 33) ausgeführt, dass die besonderen Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben insoweit einkommens- bzw unterhaltsabhängig seien, als nach § 108 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. Waisenrenten, Waisengeld sowie tatsächliche Unterhaltsleistungen oberhalb des Freibetrags auf den Bedarf des behinderten Menschen in Ausbildung angerechnet werden. Stellt das BSG aber auf tatsächliche Unterhaltsleistungen ab, kann eine Veränderung – hier: Verringerung – der tatsächlich bezogenen Unterhaltsleistungen nicht unbeachtlich sein.

Vor diesem Hintergrund schließt § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. eine Korrektur der Bewilligung von AusbG nach § 48 Abs. 1 SGB X im Falle einer tatsächlichen Reduzierung des Einkünfte jedenfalls dann nicht aus, wenn durch die Reduzierung der Einkünfte – wie vorliegend - die Prognosegrundlage wesentlich geändert oder entfallen ist. Damit musste die Beklagte das jeweils vom Kläger vereinnahmte Einkommen aus Kindesunterhalt in der konkret zugeflossenen Höhe berücksichtigen und in die auf den Bewilligungszeitraum zu erstreckende Bedarfsberechnung einbeziehen.

Damit musste die Beklagte die im Bescheid vom 23.10.2009 getroffene Entscheidung über die Höhe des AusbG rückwirkend aufheben und der Berechnung des AusbG das tatsächlich erzielte Einkommen aus Kindesunterhalt zugrunde legen; der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Bescheid leidet an demselben Fehler und war daher ebenfalls aufzuheben.

Nachdem gemäß § 22 Abs. 2 BAföG Einkommen auf den gesamten Bewilligungsabschnitt zu beziehen ist, mussten die genannten Bewilligungsentscheidungen nicht jeweils zu dem Monat geändert werden, in dem sich die Unterhaltszahlung reduziert hatte. Vielmehr war jeweils mit der eingetretenen Änderung das AusbG im gesamten Bewilligungsabschnitt neu zu berechnen, weshalb das SG auch nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X im Rahmen eines Grundurteils gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG die Beklagte verurteilen durfte, das AusbG jedenfalls ab 01.10.2009, unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Unterhaltsleistungen neu zu berechnen. Damit erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen. Jedoch war der Tenor der Entscheidung des SG, das erkennbar auch über den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2011 entschieden, diesen jedoch nicht im Tenor erfasst hatte, neu zu fassen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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