L 1 AS 2017/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2308/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2017/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis zum 31.01.2012 als Zuschuss anstelle der bewilligten Darlehensleistungen.

Der 1956 geborene Kläger bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum (seit 01.11.2009) eine mit Öl-Zentralheizung beheizte 2-Raum-Wohnung mit Küche und Bad mit einer Größe von 55qm in Ü. Die vertraglich vereinbarte Kaltmiete betrug monatlich 253,00 Euro (vgl. Mietvertrag vom 08.10.2009, Bl. 609 ff. VA, i.V.m. der Änderungsvereinbarung vom 20.02.2010, Bl. 741 VA), die Nebenkosten für die mit Öl-Zentralheizung beheizte Wohnung betrugen insgesamt 110,00 Euro, davon entfallend auf die Heizkostenvorauszahlung 40,00 Euro, Kosten für Warmwasser 20,00 Euro, Wasser- und Abwasserabschlag 35,00 Euro, Grundsteuer und Versicherung 10,00 Euro, sowie auf Treppenhausbeleuchtung, Antennengebühr und Hausreinigung 5,00 Euro (vgl. Mietbescheinigung vom 15.10.2009, Bl. 623 VA). Im Juli 2011 teilte der Kläger mit, aufgrund von geltend gemachten Mietminderungen an die Hauseigentümerin ab dem 01.07.2011 nur monatlich 224,00 EUR zu überweisen (vgl. Schreiben des Klägers vom 27.07.2011, Bl. 1199 ff. VA, insb. Bl. 1219, 1221).

Die am 13. November 1992 geschlossene Ehe des Klägers wurde mit Urteil des Amtsgerichts W.-T. vom 18.11.2003 geschieden. In dem Urteil wurde die geschiedene Ehefrau des Klägers auf einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, auch zum Verfahren über die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beim Amtsgericht W.-T. (Az. 6 F 123/05), wird auf den Tatbestand des zum Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen L 1 AS 2015/14 ergangenen Urteils des Senats vom heutigen Tag verwiesen.

Der Kläger stand vom 29.04.2003 bis zum 23.05.2004 im Bezug von Arbeitslosengeld (Leistungsnachweis des Arbeitsamts L. vom 24.05.2004, Bl. 23 der Verwaltungsakte des Beklagten – VA). Anschließend bezog er bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Leistungsnachweis der Agentur für Arbeit L. vom 27.12.2004, Bl. 21 VA). Danach stand er ab dem 04.01.2005 bis zum 30.11.2011 fortlaufend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II, welche von dem Beklagten erbracht wurden.

Seinem erstmaligen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, welcher dem Beklagten am 12.05.2005 zuging, war auch ein Zusatzblatt zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens beigefügt, welches der Kläger am 28.04.2005 unterschrieben hatte (Bl. 27-30 VA). In dem Formular gab der Kläger an, über ein Girokonto mit einem Saldo von -688,21 Euro zu verfügen, über ca. 30 Euro Bargeld, über ein Sparbuch mit einem Guthaben von 6,18 Euro und eine gepfändete Lebensversicherung bei der A.-Lebensversicherungs AG, ferner über eine Eigentumswohnung gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau. Die Frage nach sonstigem Vermögen verneinte der Kläger.

In den darauffolgenden Anträgen auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II verneinte der Kläger jeweils die Frage nach dem Eintritt von Änderungen in seinen Vermögensverhältnissen, zuletzt im Antrag vom 14.06.2011 (Bl. 1889 VA). Auf diesen Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2011 (Bl. 1917 VA) für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 692,28 Euro, davon 364,00 Euro Regelleistungen und 328,28 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.07.2011 Widerspruch. Mit Bescheid vom 25.07.2011 (Bl. 1191 VA) hob der Beklagte den Bescheid vom 24.06.2011 teilweise auf und setzte die Kosten der Unterkunft ab dem 01.08.2011 wegen einer Mietminderung des Klägers auf 176,00 Euro herab (Minderung des Gesamtbetrages der Leistungen sich auf 540,00 Euro monatlich). Diesen Bescheid hob die Beklagte auf einen weiteren Widerspruch des Klägers vom 27.07.2011 (Bl. 1199 VA) mit Bescheid vom 09.08.2011 (Bl. 1237 VA) wieder auf und erhöhte die Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgrund der Angaben des Klägers, wonach die geminderte Miete 224,00 Euro betrage, auf diesen Betrag, weshalb sie für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 31.12.2011 dem Kläger monatlich 588,00 Euro SGB II-Leistungen bewilligte. Auf Antrag des Klägers mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl. 1245 VA) stellte die Beklagte das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 24.06.2011 ruhend (Bl. 1253 VA).

In einem Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht und Betruges gegen den Kläger (25 Js 5382/10) ermittelte die Staatsanwaltschaft W.-T., dass dieser bei der "Stiftung BVG" (S. S.-Stiftung für die A gemäß Art. 60 BVG – im Folgenden: BVG), einer von den Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Art. 80-89 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches errichteten Einrichtung mit Sitz in B., über ein aus obligatorischer betrieblicher Altersversorgung des Kläger während seiner Berufstätigkeit in der Schweiz stammendes sogenanntes "Austrittsguthaben" verfügte, welches auf Einzahlungen der W. C. (1.644,90 CHF am 23.05.2000) und – insbesondere – der B. Lebens-Versicherung (98.935,20 CHF am 22.04.2003) beruhte und am 01.01.2011 aufgrund zwischenzeitlich erzielter Zinsgewinne 111.805,78 CHF betrug (Kontoauszug vom 17.05.2011, Bl. 1279 ff. VA). Die BVG teilte der Staatsanwaltschaft mit, dass der Kläger über das Altersvorsorgevermögen unter bestimmten, einzeln genannten Bedingungen verfügen könne. Auf das Schreiben vom 17.05.2011 (Bl. 1267 VA) und das diesem beigefügte Reglement über die Führung von Freizügigkeitskonten (Bl. 1287 VA) wird verwiesen.

Anfang November 2011 erfuhr der Beklagte von dem ermittelnden Hauptzollamt S. von dem Verfahren gegen den Kläger und dessen Altersvorsorgevermögen in der Schweiz. Mit Bescheid vom 30.12.2011 (Bl. 1325 VA) hob er die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 mit Bescheid vom 24.06.2011 und den Änderungsbescheid vom 09.08.2011 auf und forderte für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.11.2011 insgesamt 3.987,98 Euro gezahlte Leistungen zurück. Der Widerspruch vom 19.01.2012 blieb im Wesentlichen erfolglos (Herabsetzung des Rückforderungsbetrages auf 3791,18 Euro mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2012), ebenso die daraufhin beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 6 AS 2440/12). Der Rechtsstreit ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 1 AS 2015/14.

Im Fortzahlungsantrag vom 30.11.2011 (Bl. 1299 VA) gab der Kläger wiederum an, in seinen Vermögensverhältnissen seien keine Änderungen eingetreten. Auf einen telefonischen Hinweis des Beklagten, wonach dem Kläger wegen seines Kapitalvermögens auf dem Freizügigkeitskonto in der Schweiz keine Leistungen mehr überwiesen werden würden, beantragte er mit Schreiben vom 02.12.2011 (Bl. 1307) die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2011 und Januar 2012 als Darlehen. Er führte aus, die für ihn zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten habe ihm am Vortag mitgeteilt, dass wegen seiner Pensionskasse in der Schweiz keine Leistungen mehr überwiesen würden. Sie habe ihm geraten, als vorübergehende Lösung, für Dezember 2011 und Januar 2012 die Unterhaltsleistungen als Kredit formlos beim Jobcenter zu beantragen [ ]. Weiter heißt es dort: "Hiermit beantrage ich, Ihrem Rat folgend, die Unterhaltsleistungen für Dezember 2011 und Januar 2012 jeweils in Höhe von EUR 692,28, als Kredit auszubezahlen." Mit E-Mail vom 05.12.2011 stellte die Sachbearbeiterin des Beklagten gegenüber dem Kläger klar, dass diesem nicht zur Inanspruchnahme eines Darlehens geraten worden sei, sondern er lediglich auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, Leistungen als Darlehen für Dezember 2011 zu gewähren, da die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 07.12.2011 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass es bis zu einer Auszahlung des Freizügigkeitskontos, wenn alles normal laufe, mindestens vier Wochen dauere, und beantragte vorsorglich, den Regelsatz und die Kosten der Unterkunft auch für Februar und März 2012 als Kredit auszuzahlen. Sein Fortzahlungsantrag vom 30.11.2011 bleibe von den Kreditanträgen unberührt und weiter bestehen.

Mit Bescheid vom 02.01.2012 (Bl. 1335 VA), gewährte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 02.12.2011 ein Darlehen über insgesamt 1.394,76 Euro für Dezember 2011 (692,38 EUR) und Januar 2012 (702,38 EUR) und führte aus, soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder eine besondere Härte bedeuten würde, seien Leistungen nach § 24 Abs. 5 SGB II als Darlehen zu erbringen. Der Kläger verfüge über ein Freizügigkeitskonto bei der Stiftung A. BVG mit einem Guthaben von 111.805,78 CHF. Dieses könne auf Antrag ausgezahlt werden, sei verwertbar und übersteige die Freibeträge von 8.250,00 EUR gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und 750,00 EUR gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II. Eine weitere darlehensweise Gewährung ab Februar 2012 sei nicht vorgesehen. Der Beklagte erstattete am selben Tag Strafanzeige gegen den Kläger wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug (Bl. 1341 VA).

Am 19.01.2012 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 02.01.2012 Widerspruch ein, welcher nicht begründet wurde.

Mit Bescheid vom 31.01.2012 (Bl. 1373 VA) lehnte der Beklagte die Anträge des Klägers auf darlehensweise Leistungen für die Monate Februar 2012 und März 2012 ab. Hiergegen erhob der Kläger mittels Fax vom 20.02.2012 (Bl. 1945 VA) Widerspruch mit dem Begehren, ihm ab Februar 2012 Leistungen der Grundsicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 22.10.2012 Klage beim SG (S 6 AS 5164/12).

Bereits am 30.01.2012 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 6 AS 438/12 ER) und trug vor, er könne über das Freizügigkeitskonto in der Schweiz gegenwärtig nicht verfügen. Der Beklagte ist dem Antrag entgegen getreten. Das SG wies den Antrag mit Beschluss vom 17.02.2012 zurück. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des im Parallelverfahren L 1 AS 2015/14 ergangenen Urteils vom heutigen Tag verwiesen.

Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) (L 3 AS 698/12 ER-B). In einem Erörterungstermin vom 12.03.2012 gab er an, die Anwartschaften bei der B. Lebensversicherungsgesellschaft seien diejenigen gewesen, die sein damaliger Schweizer Arbeitgeber für ihn angesammelt habe. Nachdem er die Schweiz verlassen habe, seien diese Anwartschaften auf die BVG übertragen worden. Er selbst habe nach der Rückkehr aus der Schweiz in Deutschland nicht wieder beitragspflichtig gearbeitet. Nach der Scheidung habe seine Ehefrau Klage vor dem Amtsgericht W.-T. auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erhoben; dieses Verfahren sei durch gerichtlichen Vergleich beendet worden, in welchem er sich zur Zahlung von 23.772 CHF auf ein in der Schweiz für seine geschiedene Ehefrau einzurichtendes Freizügigkeitskonto verpflichtet habe. Das habe jedoch nicht funktioniert; die BVG habe mitgeteilt, dass dies nicht möglich sei. Er suche nach wie vor eine Beschäftigung, auch in der Schweiz, im Bereich Technik/Informatik, in welchen er früher gearbeitet habe. Es gehe um Supportleistungen, Kundenbetreuung, Projektleitung und dergleichen. In der Schweiz habe er Bewerbungen laufen. Nachweise könne er nicht vorlegen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die parallel unter dem Aktenzeichen L 1 AS 2015/14 ergangene Entscheidung verwiesen.

Mit Beschluss vom 03.04.2012 wies das LSG die Beschwerde des Klägers zurück. Das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto sei verwertbares Vermögen; der Kläger könne es sich jederzeit auszahlen lassen. Auch insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die parallel unter dem Aktenzeichen L 1 AS 2015/14 ergangene Entscheidung verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2012 (Bl. 1721 VA) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte in den Gründen aus, das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto sei verwertbares Vermögen im Sinne des SGB II, welches seinen Vermögensfreibetrag deutlich übersteige; die Verwertung des Vermögens stelle keine besondere Härte dar. Leistungen nach dem SGB II hätten ihm somit nicht als Beihilfe bewilligt werden können, da keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben sei. Eine Leistungsgewährung sei somit allenfalls als Darlehen möglich. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 02.01.2012 sei davon ausgegangen worden, dass die Auszahlung des Guthabens von ihm beantragt werden würde, dies jedoch einige Wochen in Anspruch nehmen würde. Deshalb seien ihm die SGB II-Leistungen für Dezember 2011 und Januar 2012 als Darlehen gewährt worden. Wäre zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannt gewesen, dass der Kläger nicht beabsichtige, die Auszahlung des Guthabens zu beantragen, wären ihm keine Leistungen als Darlehen bewilligt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 05.04.2012 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2012 per Fax Klage beim SG erhoben und vorgetragen, bei dem Freizügigkeitskonto handele es sich nicht nur um vorübergehend nicht verwertbares Vermögen, sondern um gar kein berücksichtigungsfähiges Vermögen, denn dessen Verwertung wäre offensichtlich unwirtschaftlich (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II): Es wäre nicht lediglich der Rückkaufwert geringer als der aktuelle Ansparbetrag, vielmehr würde bei Auflösung des Freizügigkeitskontos und Transfer des Geldes nach Deutschland, da es sich um nicht versteuertes Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit handele, die Einkommenssteuer den Wert des Vermögens schmälern. Die Verwertung des Freizügigkeitskontos sei daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten offensichtlich unsinnig. Der Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide und den Beschluss des SG vom 17.02.2012 entgegen getreten. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung sei nicht gegeben.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2014 abgewiesen. In den Gründen hat es auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt, das Guthaben auf dem schweizerischen Freizügigkeitskonto von rund 92.600,00 Euro stelle zu berücksichtigendes Vermögen dar, dessen Verwertung möglich und dem Kläger zumutbar, insbesondere keine besondere Härte (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II), sei. Ihm sei es während des sieben Jahre währenden Bezuges steuerfinanzierter Leistungen nicht gelungen, Arbeit zu finden. Vor dem Hintergrund dieser langen Zeit der erfolglosen Arbeitssuche könne er sich nicht darauf berufen, sein Vermögen in der Schweiz unangetastet zu lassen, um in weiterer ungewisser Zukunft eventuell doch noch wieder in der Schweiz zu arbeiten. Die Anforderung, seine zukünftigen Bemühungen um Arbeit auf Arbeitsstellen außerhalb der Schweiz zu richten, sei weder unverhältnismäßig, noch stünden ihr europarechtliche Grundsätze entgegen. Die Verwertung des Vermögens sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit sei nur auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" stehe. Vorliegend würde das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto schlicht ausgezahlt werden, so dass der "wirkliche Wert" dem tatsächlichen Wert entspreche. Eine Unwirtschaftlichkeit durch eine Besteuerung, welche jeden Steuerpflichtigen gleichermaßen treffe, sei nicht nachvollziehbar.

Gegen diesen am 10.04.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06.05.2015 Berufung beim LSG eingelegt. Die Berufung wurde auch nach mehrfacher Erinnerung nicht schriftlich begründet.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2014 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 02.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.01.2012 erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.02.2015 die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des SG vom 02.04.2014 zurückgewiesen; auf die Gründe wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Akten des parallel anhängigen Strafprozesses beim Landgericht W.-T.(Az. 7 Ns 12 Js 7272/10) und des vorangegangenen Verfahrens beim Amtsgereicht W.-T. (Az. 1 Ds 12 Js 7272/10) beigezogen und die Beteiligten davon unterrichtet.

Ein Mitarbeiter der Stiftung A. BVG in Z., J., hat im Rahmen seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft I des Kantons Z. im Rahmen der Rechtshilfe auf Veranlassung des Landgerichts W.-T. am 15.01.2015 angegeben, dass der Kläger wegen fehlender Unterlagen den Barauszahlungstatbestand aufgrund fehlender Unterlagen nie erfüllt habe. Auf die Frage, wie bei einer beantragten Barauszahlung die von der Ehefrau des Beschuldigten erhobenen Ansprüche sichergestellt worden wären, hat er angegeben, dass eine Sicherung zugunsten der Ehefrau nicht erfolgt wäre.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14 wurde der Kläger persönlich angehört. In der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14 hat der Senat den Kläger erneut ausführlich angehört und dessen Halbbruder, S. F., als Zeugen gehört. Hinsichtlich der Angaben des Klägers der Einzelheiten der Aussage des Zeugen F. wird auf die dortige Niederschrift und deren Anlagen verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten der Strafprozesse vor dem Amtsgericht und Landgericht W.-T., die SG-Akten (S 6 AS 2440/12 und S 6 AS 2308/12) und die LSG-Akten des Eilverfahrens (L 3 AS 698/12 ER-B) sowie des Parallelverfahrens L 1 AS 2015/14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 02.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012. Der Kläger begehrt mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) die Gewährung der für Dezember 2011 und Januar 2012 darlehensweise erbrachten SGB II-Leistungen als Zuschuss. Die Klage ist zulässig, ihr fehlt insbesondere auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Senat legt den angefochtenen Bescheid vom 02.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 dahingehend aus, dass der Beklagte damit nicht nur dem Antrag des Klägers vom 02.12.2011 auf Auszahlung von SGB II-Leistungen für Dezember 2011 und Januar 2012 als Darlehen (§ 24 Abs. 5 SGB II) entsprochen hat, sondern zugleich den weitergehenden Antrag des Klägers vom 30.11.2011 auf Gewährung von SGB II-Leistungen als Zuschuss ab dem 01.12.2011 für den hier streitigen Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.01.2012 abgelehnt hat. Nach Auffassung des Senats hat der Beklagte das in den Gründen des angefochtenen Widerspruchsbescheides klargestellt, indem er ausgeführt hat, dass Leistungen dem Kläger nicht als Beihilfe bewilligt werden konnten, da keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben sei.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss anstelle des bewilligten Darlehens, weil er seinen Lebensunterhalt aus verfügbarem Vermögen bestreiten konnte. Der Kläger hatte in diesem Zeitraum Kapitalvermögen in Höhe von mehr als 111.805,78 CHF (Stand 01.01.2011 gemäß Kontoauszug der Stiftung A. BVG, Bl. 1283 VA). Dies entsprach bei im streitigen Zeitraum zwischen 1,2444 (Tageshöchststand am 07.12.2011) und 1,2025 (Tagestiefststand am 31.01.2012) liegenden Wechselkursen (Euro – CHF) je nach Tageskurs einem Eurobetrag zwischen 89.876,03 und 92.977,78. Im streitigen Zeitraum war dem Kläger sowohl möglich als auch zumutbar, sich dieses Guthaben auszahlen zu lassen und seinen Lebensunterhalt davon zu bestreiten.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Er konnte seinen monatlichen Bedarf aus verfügbarem Vermögen decken.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - neben weiteren, hier erfüllten - Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II) insbesondere Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1, und 4 SGB II). Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten kann. Für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit des alleinstehenden Klägers sind seinem nach dem SGB II in Betracht kommenden Bedarf die zu dessen Sicherung zu berücksichtigenden und zur Verfügung stehenden Bedarfsdeckungsmöglichkeiten gegenüberzustellen (Urteil des BSG vom 20.02.2014, B 14 AS 10/13 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 23, juris, Rn. 13).

Der monatliche Gesamtbedarf des Klägers hat im streitigen Zeitraum 588,00 EUR (Dezember 2011) bzw. 598,00 EUR (Januar 2012) betragen. Zum Bedarf des Klägers gehört die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro (Dezember 2011) bzw. 374,00 Euro (Januar 2012) monatlich. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger auch Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt in Betracht gekommen sind, bestehen nicht. Darüber hinaus sind Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) von monatlich 224,00 Euro angefallen. Die vertraglich vereinbarten Gesamtmietkosten für die Wohnung haben im streitgegenständlichen Zeitraum zwar 363,00 Euro monatlich betragen, davon 253,00 Euro Nettokaltmiete und 110,00 Euro Nebenkosten (im Einzelnen 40,00 Euro Heizkostenvorauszahlung, Abschlag für Warmwasser 20,00 Euro, Wasser- und Abwasserabschlag 35,00 Euro, Grundsteuer und Versicherung 10,00 Euro, sowie auf Treppenhausbeleuchtung, Antennengebühr und Hausreinigung 5,00 Euro). Gestützt auf die Angaben im Schreiben des Klägers vom 27.07.2011 ist der Senat aber davon überzeugt, dass er die Miete im streitigen Zeitraum ab dem 01.07.2011 auf monatlich 224,00 Euro (Mietzins einschließlich Nebenkosten) gemindert hat, so dass als Bedarf für Unterkunft und Heizung nur dieser Betrag zugrunde zu legen ist, denn Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 45).

Der Kläger war im streitigen Zeitraum in der Lage, seinen Bedarf aus verfügbarem Vermögen zu decken. Die gegenüber der Stiftung A. BVG bestehende Forderung von mehr als 111.805,78 CHF zählte zum Vermögen des Klägers. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die Gründe der Entscheidung im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14 verwiesen. Abhängig vom jeweiligen Wechselkurs betrug der Wert des auf dem Freizügigkeitskonto liegenden Guthabens bei der BVG im streitigen Zeitraum zwischen 89.876,03 und 92.977,78 Euro. Am 01.12.2011, bei einem mittleren Wechselkurs von 1,2045 (Euro – CHF), betrug der Wert 92.823,40 Euro.

Dieses Vermögen war auch verwertbar. Der Verwertbarkeit des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto standen vorliegend weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Der Senat ist aufgrund des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben an den Beklagten vom 07.12.2011 und seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30.01.2012 gegenüber dem SG, in welchen er den Zeitraum von der Antragstellung bis zur Auszahlung auf ca. vier Wochen beziffert hatte, davon überzeugt, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, innerhalb dieses Zeitraumes eine Auszahlung des auf dem Freizügigkeitskonto liegenden Guthabens zu erwirken. Hinsichtlich der Einzelheiten wird ebenfalls auf die Gründe der Entscheidung im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14 verwiesen.

Das Freizügigkeitskonto findet seine Rechtsgrundlage in Art. 27 des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG vom 25. Juni 1982) i.V.m. dem FZG. Nach Art. 4 Satz 2 FZG hat die Vorsorgeeinrichtung (vgl. Art. 48 BVG) spätestens zwei Jahre nach ihrem Verlassen vor Eintritt des Vorsorgefalls (sog. Freizügigkeitsfall, Art. 2 Satz 1 FZG), die sog. Austrittsleistung, d.h. zumindest die Eintrittsleistungen samt Zinsen und geleisteter Beiträge samt Zuschlag von 4 Prozent pro Altersjahr ab dem 20. Altersjahr, höchstens von 100 Prozent (Art. 17 FZG), an die Auffangeinrichtung nach Art. 60 BVG, hier die kontoführende Stiftung Auffangeinrichtung BVG, zu überweisen. Bei den Leistungen nach dem BVG handelt sich um die zweite Säule der Schweizer Altersversorgung – eine kapitalgedeckte obligatorische Versicherung (vgl. Art. 10 BVG) für in der Schweiz Berufstätige.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Halbsatz 1 FZG kann der Versicherte eine Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn er die Schweiz endgültig verlässt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die Schweiz spätestens im April 2003 endgültig verlassen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Parallelverfahrens L 1 AS 2015/14 verwiesen.

Ein Verwertungshindernis folgt weder aus Art. 5 Abs. 1 lit. a Halbsatz 2 i.V.m. Art. 25f Abs. 1 lit. a FZG, noch aus Art. 5 Satz 2 FZG. Ebenfalls stehen weder Ansprüche der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich noch aus dem familiengerichtlichen Vergleich vom 16.01.2007 der Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens entgegen. Auch insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen in den Gründen der Entscheidung im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14.

Das Guthaben von 92.823,40 Euro (Wert am 01.12.2011) hat die Vermögensfreibeträge des Klägers erheblich überstiegen. Der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II (Grundfreibetrag von 150,00 Euro pro vollendetem Lebensjahr zuzüglich 750,00 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen) betrug nach Vollendung des 55. Lebensjahres am 27.09.2011 9.000,00 Euro.

Bei dem auf dem Freizügigkeitskonto vorhandenen Guthaben handelt es sich weder um Altersvorsorgevermögen, welches nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (nach deutschem Bundesrecht als Altersvorsorge gefördertes Vermögen) von der Verwertung ausgeschlossen ist, noch greift § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II (geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen) vorliegend zugunsten des Klägers ein. Diese Vorschrift findet auch keine analoge Anwendung. Das Vermögen ist ebenfalls nicht nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II (sonstiges, nicht durch Bundesrecht gefördertes Altersvorsorgevermögen) geschützt. Schließlich schließt hier auch § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II eine Verwertung des Kapitalvermögens auf dem Freizügigkeitskonto nicht aus. Die Berücksichtigung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto als Vermögen verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 und 14 Grundgesetz (GG)). Ebenfalls steht europäisches Recht der Berücksichtigung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto als Vermögen nicht entgegen. Wiederum wird hinsichtlich der Einzelheiten zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die ausführlichen Gründe der Entscheidung im parallel anhängigen Verfahren L 1 AS 2015/14 verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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