Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 403/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2557/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Unrecht über einen Widerspruch des Klägers vom 24.10.2014 nicht entschieden und Leistungen auf dessen Antrag vom 28.02.2014 versagt hat.
Der 1964 geborene Kläger stand im Leistungsbezug des Beklagten. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 15.07.2013 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 20.08.2013, 23.08.2013 und 18.09.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.01.2014 bewilligt. Mit Bescheid vom 08.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2013 wurden die Leistungen ab 01.11.2013 entzogen.
Am 17.01.2014 reichte der Kläger bei dem Beklagten einen auf den 15.01.2014 datierten Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen ein. Mit bei dem Beklagten am 23.01.2014 eingegangenen Schreiben vom 21.01.2014 zog der Kläger den Antrag vom 15.01.2014 "rückwirkend" zurück. Dieser sei "unanwendbar und antragsgemäß unverzüglich zurückzusenden". Mit am 23.01.2014 eingegangenem Schreiben vom 22.01.2014 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.02.2014.
Mit Schreiben vom 24.01.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, für die Weiterbewilligung erforderliche Unterlagen (Hauptantrag, Anlage EK, Anlage VM, Anlage KdU, Stellungnahme, wie der Kläger seit Oktober 2013 seinen Lebensunterhalt bestritten habe, Kontoauszüge der letzten beiden Monate, Personalausweis, Nachweis Krankenversicherung) einzureichen. Mit Schreiben vom 07.02.2014 forderte der Beklagte den Kläger mit Fristsetzung zum 20.02.2014 erneut auf, die angeforderten Unterlagen einzureichen. Zugleich wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bei fruchtlosem Ablauf beabsichtigt sei, den Antrag wegen fehlender Mitwirkung abzulehnen.
Mit Bescheid vom 21.02.2014 lehnte der Beklagte den Antrag vom 17.01.2014 auf Leistungen ab dem 01.02.2014 wegen Nichtfeststellbarkeit der Leistungsbedürftigkeit ab, da der Kläger die zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt bzw. die erforderlichen Angaben nicht gemacht habe. Die Voraussetzungen für die Versagung der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien daher gegeben. Gründe, die einer Versagung entgegenstünden, seien ebenso wenig ersichtlich wie Gründe, die einer Vorlage der angeforderten Unterlagen entgegenstünden. Am 28.02.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2014 ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 3 AS 1707/14) wurde mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2015 abgewiesen. Die Berufung wurde mit Urteil vom 04.08.2015 (L 9 AS 694/15) zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 28.02.2014 reichte der Kläger einen auf den 05.02.2014 datierten Weiterbewilligungsantrag ein und führte aus, in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seien keine Änderungen eingetreten.
Auf das Schreiben des Klägers vom 15.07.2014, mit dem er den Beklagten aufgefordert hatte, den Leistungsantrag vom 06./28.02.2014 bis spätestens 21.07.2014 zu bescheiden, teilte dieser unter dem 17.07.2014 mit, es sei kein Leistungsantrag mehr offen. Nachdem der Kläger die mit Schreiben vom 07.02.2014 angeforderten Unterlagen nicht nachgereicht habe, sei der Leistungsantrag mit Bescheid vom 21.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 abgelehnt worden. Es stehe dem Kläger frei, jederzeit die notwendigen Unterlagen zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit vorzulegen.
Mit Bescheid vom 16.10.2014 versagte der Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 28.02.2014 Leistungen, da der Kläger die zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Unterlagen, die mit Schreiben vom 24.01.2014, 07.02.2014 und 21.02.2014 angefordert worden seien, nicht eingereicht habe. Die Voraussetzungen für die Versagung der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I seien daher gegeben.
Den hiergegen am 24.10.2015 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 zurück. Zwar bestehe auch mangels ausreichender Mitwirkung, auf die sich der Ausgangsbescheid in seiner Versagung von Leistungen stütze, insbesondere aber mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt, der hiergegen am 16.02.2015 Klage beim SG erhob (S 16 AS 448/15). Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2015 mit der Begründung ab, die Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Streitgegenstand sei, wie in dem Verfahren L 9 AS 694/15, die Versagung der Leistungen ab dem 01.02.2014.
Am 11.02.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage beim SG erhoben und vorgetragen, die Bescheidung des Widerspruchs vom 24.10.2014 stehe trotz Fristsetzung noch aus. Hiermit ergehe "Untätigkeitsklage, im Falle einer zwischenzeitlichen Entscheidung vorsorglich Klage."
Nach entsprechendem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2015 abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da der Beklagte über den Widerspruchsbescheid des Klägers vom 24.10.2014 aktenkundig durch Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 entschieden habe; eine Untätigkeit des Beklagten habe somit nicht vorgelegen.
Gegen den am 12.05.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.06.2015 Berufung eingelegt.
Einen Antrag hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.08.2015 den Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 aufgehoben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt, dass die am 11.02.2015 erhobene Untätigkeitsklage von Anfang an unzulässig war, da der Beklagte über den Widerspruch des Klägers vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 16.10.2014 bereits mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 entschieden hatte und eine Untätigkeit im Sinne des § 88 Abs. 1, Abs. 2 SGG nicht vorlag.
Soweit sich der Kläger gegen den Versagungsbescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 wendet, ist die diesbezügliche Anfechtungsklage unzulässig geworden.
Der Kläger hat bei Klageerhebung zum einen Untätigkeitsklage erhoben, sich zum anderen aber gegen eine ggf. zwischenzeitlich ergangene Entscheidung gewandt. Da sich der Klageerhebung hinreichend deutlich entnehmen lässt, dass der Kläger die gerichtliche Überprüfung des Bescheids vom 16.10.2014 in der Gestalt des ggf. zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheides begehrt und die Klageerhebung nicht unter einer unzulässigen Bedingung ergangen ist, ist die Anfechtungsklage als statthaft anzusehen.
Der Zulässigkeit der Klage steht keine doppelte Rechtshängigkeit entgegen. Nach § 202 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet mithin für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl. 2014, § 94 Rdnr. 6). Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit einer zweiten Klage. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der sich aus den vom Kläger in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestellten Anträgen oder Rechtsschutzbegehren bestimmt. Unerheblich ist, ob zur Begründung des Anspruchs verschiedene materielle Anspruchsgrundlagen herangezogen werden. Bei der Anfechtungsklage ist Streitgegenstand die objektive Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und die subjektive Rechtsverletzung des Klägers (Binder in Hk-SGG, 4. Aufl., 2012, § 94 Rdnr. 2). Die durch seinen damaligen Bevollmächtigten am 16.02.2015 erhobene Klage war zum Zeitpunkt der Klageerhebung des Klägers am 11.02.2015 noch nicht rechtshängig. Auch die gegen den Bescheid vom 21.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 am 05.06.2014 beim SG erhobene Klage (S 3 AS 1707/14), die mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2015 abgewiesen wurde (Berufung ist unter dem Az. L 9 AS 694/15 anhängig), steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Gegenstand dieser (Anfechtungs-) Klage ist die Versagung der am 17.01.2014 beantragten Leistungen, wohingegen Gegenstand der am 11.02.2015 erhobenen Anfechtungsklage die Versagung der am 28.02.2014 beantragten Leistungen durch Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2015 ist.
Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben. Streitgegenstand einer Klage gegen einen Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichernde Leistungen kommt in diesen Fällen aus Gründen der Prozessökonomie nur in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde oder die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R; Beschluss vom 25.02.2013, B 14 AS 133/12 B, Juris). Ist letzteres - wie hier - nicht der Fall, ist eine Leistungsklage unzulässig und allein die Anfechtungsklage gegeben.
Die Anfechtungsklage ist aber unzulässig geworden. Zulässig ist die Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Beschwert ist ein Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 54 Rdnr. 7 ff ). Nachdem der Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 aufgehoben und der Kläger dadurch klaglos gestellt worden ist, scheidet die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aus, weshalb die Klagebefugnis entfallen ist.
Über den Leistungsanspruch des Klägers aufgrund des Antrags vom 28.02.2014, der gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den 01.02.2014 zurückwirkt, ist damit keine Aussage getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der streitgegenständliche Bescheid von Anfang an rechtswidrig war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Unrecht über einen Widerspruch des Klägers vom 24.10.2014 nicht entschieden und Leistungen auf dessen Antrag vom 28.02.2014 versagt hat.
Der 1964 geborene Kläger stand im Leistungsbezug des Beklagten. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 15.07.2013 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 20.08.2013, 23.08.2013 und 18.09.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.01.2014 bewilligt. Mit Bescheid vom 08.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2013 wurden die Leistungen ab 01.11.2013 entzogen.
Am 17.01.2014 reichte der Kläger bei dem Beklagten einen auf den 15.01.2014 datierten Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen ein. Mit bei dem Beklagten am 23.01.2014 eingegangenen Schreiben vom 21.01.2014 zog der Kläger den Antrag vom 15.01.2014 "rückwirkend" zurück. Dieser sei "unanwendbar und antragsgemäß unverzüglich zurückzusenden". Mit am 23.01.2014 eingegangenem Schreiben vom 22.01.2014 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.02.2014.
Mit Schreiben vom 24.01.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, für die Weiterbewilligung erforderliche Unterlagen (Hauptantrag, Anlage EK, Anlage VM, Anlage KdU, Stellungnahme, wie der Kläger seit Oktober 2013 seinen Lebensunterhalt bestritten habe, Kontoauszüge der letzten beiden Monate, Personalausweis, Nachweis Krankenversicherung) einzureichen. Mit Schreiben vom 07.02.2014 forderte der Beklagte den Kläger mit Fristsetzung zum 20.02.2014 erneut auf, die angeforderten Unterlagen einzureichen. Zugleich wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bei fruchtlosem Ablauf beabsichtigt sei, den Antrag wegen fehlender Mitwirkung abzulehnen.
Mit Bescheid vom 21.02.2014 lehnte der Beklagte den Antrag vom 17.01.2014 auf Leistungen ab dem 01.02.2014 wegen Nichtfeststellbarkeit der Leistungsbedürftigkeit ab, da der Kläger die zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt bzw. die erforderlichen Angaben nicht gemacht habe. Die Voraussetzungen für die Versagung der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien daher gegeben. Gründe, die einer Versagung entgegenstünden, seien ebenso wenig ersichtlich wie Gründe, die einer Vorlage der angeforderten Unterlagen entgegenstünden. Am 28.02.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2014 ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2014 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 3 AS 1707/14) wurde mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2015 abgewiesen. Die Berufung wurde mit Urteil vom 04.08.2015 (L 9 AS 694/15) zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 28.02.2014 reichte der Kläger einen auf den 05.02.2014 datierten Weiterbewilligungsantrag ein und führte aus, in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seien keine Änderungen eingetreten.
Auf das Schreiben des Klägers vom 15.07.2014, mit dem er den Beklagten aufgefordert hatte, den Leistungsantrag vom 06./28.02.2014 bis spätestens 21.07.2014 zu bescheiden, teilte dieser unter dem 17.07.2014 mit, es sei kein Leistungsantrag mehr offen. Nachdem der Kläger die mit Schreiben vom 07.02.2014 angeforderten Unterlagen nicht nachgereicht habe, sei der Leistungsantrag mit Bescheid vom 21.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 abgelehnt worden. Es stehe dem Kläger frei, jederzeit die notwendigen Unterlagen zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit vorzulegen.
Mit Bescheid vom 16.10.2014 versagte der Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 28.02.2014 Leistungen, da der Kläger die zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Unterlagen, die mit Schreiben vom 24.01.2014, 07.02.2014 und 21.02.2014 angefordert worden seien, nicht eingereicht habe. Die Voraussetzungen für die Versagung der Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I seien daher gegeben.
Den hiergegen am 24.10.2015 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 zurück. Zwar bestehe auch mangels ausreichender Mitwirkung, auf die sich der Ausgangsbescheid in seiner Versagung von Leistungen stütze, insbesondere aber mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt, der hiergegen am 16.02.2015 Klage beim SG erhob (S 16 AS 448/15). Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2015 mit der Begründung ab, die Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Streitgegenstand sei, wie in dem Verfahren L 9 AS 694/15, die Versagung der Leistungen ab dem 01.02.2014.
Am 11.02.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage beim SG erhoben und vorgetragen, die Bescheidung des Widerspruchs vom 24.10.2014 stehe trotz Fristsetzung noch aus. Hiermit ergehe "Untätigkeitsklage, im Falle einer zwischenzeitlichen Entscheidung vorsorglich Klage."
Nach entsprechendem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.05.2015 abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da der Beklagte über den Widerspruchsbescheid des Klägers vom 24.10.2014 aktenkundig durch Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 entschieden habe; eine Untätigkeit des Beklagten habe somit nicht vorgelegen.
Gegen den am 12.05.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.06.2015 Berufung eingelegt.
Einen Antrag hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 04.08.2015 den Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 aufgehoben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt, dass die am 11.02.2015 erhobene Untätigkeitsklage von Anfang an unzulässig war, da der Beklagte über den Widerspruch des Klägers vom 24.10.2014 gegen den Bescheid vom 16.10.2014 bereits mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2015 entschieden hatte und eine Untätigkeit im Sinne des § 88 Abs. 1, Abs. 2 SGG nicht vorlag.
Soweit sich der Kläger gegen den Versagungsbescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 wendet, ist die diesbezügliche Anfechtungsklage unzulässig geworden.
Der Kläger hat bei Klageerhebung zum einen Untätigkeitsklage erhoben, sich zum anderen aber gegen eine ggf. zwischenzeitlich ergangene Entscheidung gewandt. Da sich der Klageerhebung hinreichend deutlich entnehmen lässt, dass der Kläger die gerichtliche Überprüfung des Bescheids vom 16.10.2014 in der Gestalt des ggf. zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheides begehrt und die Klageerhebung nicht unter einer unzulässigen Bedingung ergangen ist, ist die Anfechtungsklage als statthaft anzusehen.
Der Zulässigkeit der Klage steht keine doppelte Rechtshängigkeit entgegen. Nach § 202 SGG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kann die Sache während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Rechtshängigkeit entfaltet mithin für ein zweites Verfahren über denselben Streitgegenstand Sperrwirkung (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl. 2014, § 94 Rdnr. 6). Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit einer zweiten Klage. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der sich aus den vom Kläger in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestellten Anträgen oder Rechtsschutzbegehren bestimmt. Unerheblich ist, ob zur Begründung des Anspruchs verschiedene materielle Anspruchsgrundlagen herangezogen werden. Bei der Anfechtungsklage ist Streitgegenstand die objektive Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und die subjektive Rechtsverletzung des Klägers (Binder in Hk-SGG, 4. Aufl., 2012, § 94 Rdnr. 2). Die durch seinen damaligen Bevollmächtigten am 16.02.2015 erhobene Klage war zum Zeitpunkt der Klageerhebung des Klägers am 11.02.2015 noch nicht rechtshängig. Auch die gegen den Bescheid vom 21.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2014 am 05.06.2014 beim SG erhobene Klage (S 3 AS 1707/14), die mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2015 abgewiesen wurde (Berufung ist unter dem Az. L 9 AS 694/15 anhängig), steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Gegenstand dieser (Anfechtungs-) Klage ist die Versagung der am 17.01.2014 beantragten Leistungen, wohingegen Gegenstand der am 11.02.2015 erhobenen Anfechtungsklage die Versagung der am 28.02.2014 beantragten Leistungen durch Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2015 ist.
Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben. Streitgegenstand einer Klage gegen einen Versagungsbescheid wegen mangelnder Mitwirkung ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Eine unmittelbare Klage auf existenzsichernde Leistungen kommt in diesen Fällen aus Gründen der Prozessökonomie nur in Betracht, wenn sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde oder die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R; Beschluss vom 25.02.2013, B 14 AS 133/12 B, Juris). Ist letzteres - wie hier - nicht der Fall, ist eine Leistungsklage unzulässig und allein die Anfechtungsklage gegeben.
Die Anfechtungsklage ist aber unzulässig geworden. Zulässig ist die Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Beschwert ist ein Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 54 Rdnr. 7 ff ). Nachdem der Bescheid vom 16.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2015 aufgehoben und der Kläger dadurch klaglos gestellt worden ist, scheidet die Möglichkeit einer Rechtsverletzung aus, weshalb die Klagebefugnis entfallen ist.
Über den Leistungsanspruch des Klägers aufgrund des Antrags vom 28.02.2014, der gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den 01.02.2014 zurückwirkt, ist damit keine Aussage getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der streitgegenständliche Bescheid von Anfang an rechtswidrig war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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