L 4 R 2960/15 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1530/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2960/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. Juni 2015 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft den Widerruf von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die Beklagte widerrief zunächst mit Bescheid vom 18. November 2014 gegenüber der Klägerin ihre vorangegangene Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Wirkung vom Tag nach der Zustellung des Bescheides. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach Einschätzung der Rehabilitationseinrichtung und nach ihrer Überzeugung die Leistungen der Klägerin nicht ausreichten, das Rehabilitationsziel in der vorgesehenen Zeit zu erreichen.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2015 widerrief die Beklagte ihren Bescheid vom 18. November 2014 und zugleich ihre Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Wirkung zum 21. November 2014. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2015 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Mai 2015 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 2 R 1531/15) und suchte zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nach. Sie beantragte, die Beklagte zu verpflichten, weiter Übergangsgeld zu bezahlen und die Kosten der selbst beschafften Qualifizierungsmaßnahme beim Bildungsträger vorläufig zu tragen.

Das SG lehnte den Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 9. Juni 2015 ab. Dieser Beschluss wurde der Klägerin am 23. Juni 2015 zugestellt.

Am 13. Juli 2015 ist beim SG ein Schreiben mit dem Briefkopf der Klägerin vom 9. Juli 2015 eingegangen, in dem Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt worden ist. Dieses Schreiben ist nicht handschriftlich unterzeichnet. Das SG hat das Schreiben am 13. Juli 2015 an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet, wo es am 16. Juli 2015 eingegangen ist. Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. Juli 2015 darauf hingewiesen, dass die Einlegung der Beschwerde zu ihrer Zulässigkeit voraussetze, dass sie binnen der Beschwerdefrist handschriftlich unterzeichnet eingelegt werde, woran es bislang fehle. Die Klägerin hat hierauf nicht reagiert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, weiter Übergangsgeld zu bezahlen und die Kosten der selbst beschafften Qualifizierungsmaßnahme beim Bildungsträger vorläufig zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist unzulässig.

Gemäß § 173 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem LSG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 173 Satz 2 SGG). Daran fehlt es hier, weil die Beschwerde nicht binnen der genannten Frist schriftlich eingelegt worden ist.

a) aa) Das Schriftformerfordernis verlangt auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift (Beschluss des Senats vom 25. September 2013 – L 4 KR 3825/12 – nicht veröffentlicht; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 151 Rn. 3a; eingehend etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Juli 2014 – L 29 AS 1052/14 NZB – in juris, Rn. 9 ff.; ferner Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes [GmS-OGB], Beschluss vom 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – in juris, Rn. 16); dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde nach § 173 SGG (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Oktober 2009 – L 5 AS 118/09 B ER – in juris, Rn. 17; LSG Bayern, Beschluss vom 24. Februar 2012 – L 8 SO 9/12 B ER –in juris, Rn. 6; Bittner, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 173 Rn. 16; Leitherer, a.a.O., § 173 Rn. 3).

Die Unterschrift ist erforderlich, um den Aussteller zweifelsfrei identifizieren zu können. Mit dem Schriftformerfordernis soll gewährleistet werden, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden und außerdem festgestellt werden kann, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (GmS-OGB, Beschluss vom 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – in juris, Rn. 10; Beschluss des Senats vom 25. September 2013 – L 4 KR 3825/12 – nicht veröffentlicht; Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 3a m.w.N.; aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung etwa Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 9/11 – in juris, Rn. 6 m.w.N.). Das Schriftformerfordernis kann ausnahmsweise auch dann erfüllt sein, wenn die Unterschrift fehlt, sich aber aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt (Beschluss des Senats vom 25. September 2013 – L 4 KR 3825/12 – nicht veröffentlicht; Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 5). Ein solcher Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Ausnahmefalles kann die Unterschrift auf Anlagen, z.B. auf einem Anschreiben, sein oder eine Zweitschrift oder handschriftlich beglaubigte Abschrift (Beschluss des Senats vom 25. September 2013 – L 4 KR 3825/12 – nicht veröffentlicht; Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 5a m.w.N.).

bb) Diesen Anforderungen genügt die an das SG übermittelte Beschwerdeschrift vom 9. Juli 2015, die das SG am 13. Juli 2015 im ordnungsgemäßen Geschäftsgang an das LSG Baden-Württemberg weiterleitete und die beim LSG Baden-Württemberg am 16. Juli 2015 eingegangen ist, nicht, da sie keine Unterschrift trägt. Anlagen waren nicht beigefügt, so dass auch nicht auf eine Unterschrift auf solchen Unterlagen abgestellt werden könnte.

Trotz Hinweis des Senats mit Schreiben vom 16. Juli 2015 ist binnen der Beschwerdefrist, die am 23. Juni 2015 mit der Zustellung des Beschlusses an die Klägerin zu laufen begann und die gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG mit Ablauf des Montags, des 24. Juli 2015, endete, keine handschriftlich unterzeichnete Beschwerdeschrift oder sonst eine Äußerung der Klägerin eingegangen.

b) Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ist ihm gemäß § 67 Abs. 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG).

Diese Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen schon deswegen nicht vor, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen wäre, die Monatsfrist des § 173 SGG einzuhalten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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