L 8 AL 3490/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 614/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3490/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 18.11.2013 bis zum 15.04.2014 unter Berücksichtigung des in der Zeit vom 18.02.2013 bis zum 17.11.2013 bei der Firma J. D., M., erzielten Arbeitsentgelts hat.

Die Klägerin, geboren 1977, war vom 02.09.2011 bis 15.02.2013 als kaufmännische Angestellte bei der D. AG beschäftigt (zur Arbeitsbescheinigung vgl. Blatt 92/05 der Beklagtenakte). Im gesamten Beschäftigungszeitraum betrug das beitragspflichtige Arbeitsentgelt 19.050,16 EUR (Blatt 94 der Beklagtenakte).

Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 15.02.2013 kündigte (Blatt 96 der Beklagtenakte) meldete die Klägerin sich am 18.01.2013 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg(Blatt 89/91 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 13.02.2013 (Blatt 104/107 der Beklagtenakte) in der Fassung des Bescheids vom 18.02.2013 (Blatt 108/109 der Beklagtenakte) und des Bescheids vom 03.08.2013 (Blatt 111/113 der Beklagtenakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg am 16. und 17.02.2013 (entstandene Anspruchsdauer: 240 Kalendertage; Bemessungsentgelt täglich: 52,04 EUR; Lohnsteuerklasse: I; Leistungsentgelt täglich: 37,14 EUR; Prozentsatz: 60 %; Leistungssatz täglich 22,28 EUR; Anrechnungsbetrag: 0,00 EUR).

Die Klägerin nahm ab dem 18.02.2013 eine bis zum 17.11.2013 befristete Beschäftigung als Financial-Analyst bei der Firma J. D., M., auf (zur Arbeitsbescheinigung vgl. Blatt 118/122 der Beklagtenakte). Der Arbeitgeber zahlte der Klägerin insgesamt ein beitragspflichtiges Entgelt von 39.641,70 EUR (Blatt 120 der Beklagtenakte).

Die Klägerin meldete sich unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Blatt 114 der Beklagtenakte) am 04.12.2013 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg (Blatt 115/117 der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 23.12.2013 (Blatt 124/127 der Beklagtenakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 18.11.2013 Alg mit einer Anspruchsdauer von 238 Kalendertagen und einem täglichen Leistungsbetrag von 22,28 EUR (Bemessungsentgelt täglich: 52,04 EUR; Lohnsteuerklasse: I; Leistungsentgelt täglich: 37,14 EUR; Prozentsatz: 60 %; Leistungssatz täglich 22,28 EUR; Anrechnungsbetrag: 0,00 EUR).

Mit Schreiben vom 08.01.2014, das die Klägerin zunächst per Email (Blatt 128/142 der Beklagtenakte), am 13.01.2014 auch per Fax einreichte (Blatt 142/150 der Beklagtenakte), machte die Klägerin geltend, ihr letztes Einkommen aus der Beschäftigung bei J. D. sei nicht berücksichtigt worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2014 (Blatt 155/158 der Beklagtenakte) zurück. Da das Beschäftigungsverhältnis bei John Deere keinen neuen Alg-Anspruch begründet habe, sei der zuvor entstandene und noch bestehende Alg-Anspruch zur Auszahlung gekommen.

Die Klägerin hat am 28.02.2014 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage erhoben. Es sei von einem Bemessungsrahmen vom 18.11.2012 bis 17.11.2013 auszugehen. Die Berechnung allein nach dem zuvor bei der Firma D. AG erzielten Einkommen sei unzutreffend. Streitig sei nicht, ob ein neuer Anspruch entstanden sei, sondern alleine die Anspruchshöhe.

Zum 14.05.2014 hat die Klägerin eine neue Beschäftigung aufgenommen (Blatt 167 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 16.04.2014 ist mit Wirkung zum 15.04.2014 die Bewilligung von Alg aufgehoben worden.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.07.2014 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch höheres Alg ab dem 18.11.2013. Die am 04.12.2013 erfolgte Arbeitslosmeldung und Antragstellung habe die Beklagte zum ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit am 18.11.2013 zurückwirken lassen. Zu diesem Zeitpunkt seien von dem am 16.02.2013 entstandenen Alg-Anspruch noch 238 Tage erhalten gewesen. Dieser am 16.02.2013 entstandene Anspruch auf Arbeitslosengeld sei nicht erloschen, später kein neuer Alg-Anspruch entstanden. Die Klägerin sei bei J. D. insgesamt 273 Kalendertage beschäftigt gewesen, sie habe somit nicht die 12-monatige Anwartschaftszeit für einen neuen Ag-Anspruch erfüllt. Soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken geäußert habe, da sie nicht höheres Alg, bemessen nach dem bei der Firma J. D. erzielten höheren Arbeitsentgelt in Anspruch nehmen könne, führe dies zu keiner anderen Entscheidung. Die Tatsache, dass das aus einer kürzer als 12 Monate dauernden Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben bei der Bewilligung des Alg unberücksichtigt bleibe, gelte für alle Arbeitslosen gleichermaßen und führe nicht zu einer Verletzung des Gleichheitsgebots. Auch wenn man die durch die Erzielung von Arbeitsentgelt erworbene Anwartschaft auf Alg als vom Schutzbereich des Art. 14 Grundgesetz umfasst ansehe, ergäben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit die vom Gesetzgeber getroffene Festlegung der Dauer der Anwartschaftszeit mit 360 Tagen bzw. die Verhinderung des Bestehens mehrerer gleichzeitiger Ansprüche die Eigentumsgarantie verletze.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 04.08.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.08.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das SG habe die Verstöße der entscheidungserheblichen Normen des SGB III gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verkannt. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III sei verfassungswidrig. Sie erleide allein deshalb einen sozialrechtlichen Nachteil in Form eines niedrigeren Alg, weil sie zuvor bereits ein Stammrecht auf Alg und somit einen Alg-Anspruch in geringerer Höhe erworben gehabt habe. Dies sei mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Vorliegend sehe sie sich schlechter gestellt, als wenn sie mehrere Beschäftigungsverhältnisse mit einer Dauer von jeweils sechs Wochen absolviert hätte. Sodann sei auch ein Grundrechtsverstoß hinsichtlich § 142 Abs. 2 Nr. 2 SGB III anzunehmen, da dieser eine Ungleichbehandlung von Anspruchsberechtigten festschreibe, ohne dass dieser Unterscheidung ersichtliche Gemeinwohlerwägungen oder sonstige rechtfertigende Gründe zugrunde lägen. Auch bezüglich Ziff. 1 der Norm, deren tatbestandliche Voraussetzung sie nur deshalb nicht erfülle, weil das von ihr aufgenommene befristete Beschäftigungsverhältnis neun Monate währte, sei ein Verfassungsverstoß aus diesen Gründen anzunehmen. Ferner widerspreche die Entscheidung des SG dem Rechtsgedanken des § 151 Abs. 4 SGB III, gemäß welchem das Bemessungsentgelt mindestens jenes Entgelt betrage, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Den im Wege der Pflichtversicherungsleistung erworbenen Anwartschaften werde somit ersichtlich der grundgesetzliche Eigentumsschutz zuerkannt. Es sei nicht erkennbar, weshalb dies rückwirkend gelten mag, jedoch nicht, wenn nach Anspruchsentstehung höheres versicherungspflichtiges Entgelt erzielt wurde. Weiter sei unter dem Rechtsbegriff des Anspruches i.S.d. § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III bei verfassungskonformer Auslegung entgegen der Auffassung des SG nicht ein etwaig zurückliegender Anspruch, sondern der aktuelle Anspruch des Arbeitslosen zu verstehen. Dem stünden auch die §§ 136 Abs. 1 und 137 Abs. 1 SGB III nicht etwa entgegen. Zuletzt habe auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz es gebietet, auch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung beitragsfinanzierter Lohnersatzleistungen heranzuziehen. Nichts anderes könne vorliegend für jenes Arbeitseinkommen gelten, welches sie erzielt habe, ohne dass dieses einen Einfluss auf die Berechnung Leistungshöhe habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24.097.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 23.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2014 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld vom 18.11.2013 bis zum 14.04.2014 unter Zugrundelegung des bei der Firma J. D., M., erzielten Arbeitsentgelts in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise den Rechtsstreit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 71 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848), gültig ab 01.01.2005, sowie § 142 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 150 SGB III mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Durch die Zwischenbeschäftigung bei J. D. habe die Klägerin keinen neuen Alg-Anspruch erworben, da sie in der Rahmenfrist, die nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreiche, nicht in einem mindestens 12 Monate dauernden Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Aus diesem Grund sei keine Neubewilligung vorgenommen, sondern der am 16.02.2013 entstandene und noch nicht erloschene Anspruch wiederbewilligt worden. Eine Neuberechnung des Anspruchs erfolgt nicht, solange noch Arbeitslosengeld aus einem alten, nicht verbrauchten Anspruch zu zahlen ist (Rolfs/Gagel, § 150 SGB III, RdNr. 16 m.w.N. und RdNr. 19). Dies habe das BSG bestätigt. Zwar wirkten sich die Zeiten der Beschäftigung bei John Deere bei der Weiterbewilligung des "alten" Anspruchs ab 18.11.2013 nicht aus, verfallen jedoch auch nicht, sondern könnten ggf. bei einem späteren Anspruch berücksichtigungsfähig werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 28/29 der Senatsakte)

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Insbesondere ist die Berufung nach § 144 SGG statthaft. Zwar macht die Klägerin keine laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr geltend (18.11.2013 bis 14.04.2014; § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), jedoch begehrt sie Alg auf Basis ihres Verdienstes aus der Tätigkeit bei John Deere, Mannheim, das auch unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlungen den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR übersteigt. Die zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2014 ist nicht rechtswidrig, er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch Zahlung von höherem Alg unter Zugrundelegung ihres Verdienstes bei J. D., M ... Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Regelungen, weshalb auch eine Aussetzung des Verfahrens samt Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt.

Alg erhält, wer Anspruch auf Alg hat. Ob ein solcher Alg-Anspruch besteht, bestimmt sich nach den §§ 136 ff. SGB III. Nach § 136 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Alg (1.) bei Arbeitslosigkeit oder (2.) bei beruflicher Weiterbildung. Da die Klägerin ab dem 18.11.2013 keine berufliche Weiterbildung absolvierte, bestimmt sich der Alg-Anspruch nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit hat, wer (1.) arbeitslos ist, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Klägerin war ab dem 18.11.2013 arbeitslos i.S.d. § 138 SGB III und hatte sich bei der Agentur für Arbeit i.S.d. § 141 SGB III arbeitslos gemeldet. Sie hat jedoch die Anwartschaftszeit für einen Alg-Anspruch i.S.d. § 142 SGB III nicht erfüllt, denn sie hatte in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden; auch sind die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 SGB III nicht erfüllt. Die Rahmenfrist beginnt nach § 143 Abs. 1 SGB III mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (vorliegend am 17.11.2013). Sie läuft zwei Jahre rückwärts (§ 143 Abs. 1 SGB III), reicht jedoch nach § 143 Abs. 2 SGB III nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Da die Klägerin bereits wegen Arbeitslosigkeit zum 16.02.2013 die Anwartschaft für einen Alg-Anspruch erfüllt hatte, konnte die am 17.11.2013 beginnende Rahmenfrist lediglich bis zum 18.02.2013 reichen und damit nur neun Monate umfassen. In dieser Zeit hat die Klägerin – bezüglich der durchgehenden Beschäftigung bei J. D., M., - nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keinen neuen Alg-Anspruch erworben.

Hatte die Klägerin zum 18.11.2013 keinen neuen Alg-Anspruch erworben, konnte ein solcher auch nicht der Berechnung der Höhe des Alg zugrundegelegt werden, mithin war der frühere, zum 15.02.2013 entstandene Rest-Alg-Anspruch (unverbraucht: 238 Tage) weiterzuzahlen. Für den weiterzuzahlenden Anspruch ergeben sich aber keine neuen Berechnungsgrundlagen. Insoweit bestimmen sich Art, Dauer und Höhe der Leistung in einem Fall, in dem ein Restanspruch auf Alg zu bewilligen ist, weiterhin nach den Umständen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Stammrechts vorgelegen haben (BSG 14.05.2014 – B 11 AL 12/13 R – juris RdNr. 16). Von diesem Grundsatz bildet auch § 151 Abs. 4 SGB III keine Ausnahme, weil die Regelung nur Anwendung findet, wenn ein neues Stammrecht auf Alg entstanden ist (Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 151 SGB III RdNr 20). Soweit die Klägerin meint, diese Regelung sei auch vorliegend entsprechend ihres Rechtsgedankens anzuwenden, so folgt ihr der Senat nicht, denn der Rechtsgedanke des § 151 Abs. 4 SGB III will nur ein durch Aufnahme einer geringer dotierten Arbeitsstelle niedrigeres Bemessungsentgelt im Falle des Entstehens eines neuen Alg-Stammrechts im Vergleich zu einer früheren Alg-Bewilligung verhindern, nicht jedoch ohne Entstehung eines neuen Stammrechts höhere Alg-Ansprüche begründen. Auch kann nicht mit der Klägerin angenommen werden, § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III stelle auf den aktuellen Bezug von Alg ab. Soweit § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III von der "Entstehung des Anspruchs" spricht, ist der jeweils mit Entstehung des Stammrechts verbundenen Alg-Anspruch gemeint, nicht die Zahlungsberechtigung (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 39; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 01/14, § 150 SGB III, RdNr. 39). Einen solchen hat die Klägerin aber nach dem 16.02.2013 und vor dem 18.11.2013 nicht erworben.

Das Alg ist bei Bewilligung einer Restanspruchsdauer daher nach dem Berechnungsmodus zu bemessen, der der ersten Bewilligung nach Entstehung des Stammrechts zugrunde zu legen war (BSG 14.05.2014 – B 11 AL 12/13 R – juris RdNr. 16; BSG 01.04.1993 - 7 RAr 68/92 - SozR 3-4100 § 112 Nr. 13 = juris; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III § 150 RdNr 42). Solange damit noch Alg aus einem alten, nicht verbrauchten Anspruch zu zahlen ist, erfolgt keine Neuberechnung und entsprechende Neubestimmung des Bemessungszeitraums (Eppelein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 150 RdNr. 9). Lediglich Fehler bei der erstmaligen Bewilligung des Alg können korrigiert werden (BSG 14.05.2014 – B 11 AL 12/13 R – juris RdNr. 17 mit Hinweis auf BSG 20.06.1984 - 7 RAr 91/83 - DBlR 2966a zu § 146 AFG). So ist zum Zeitpunkt der Wiederbewilligung des Restanspruchs lediglich zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach wieder vorliegen und ob die Leistung nach Dauer und Höhe zutreffend bestimmt war und ist (BSG 14.05.2014a.a.O.). Bestehen allerdings keine Anhaltspunkte für eine unzutreffende Berechnung und Bemessung des wieder zu bewilligenden Anspruchs, kann in der Praxis weiterhin der bisherige Zahlbetrag des Alg zu Grunde gelegt werden (BSG 14.05.2014 a.a.O.). Ein solcher Fall liegt auch hier vor, wovon sich der Senat nach eigener Prüfung der Voraussetzungen des Alg-Anspruchs bezogen auf den 18.11.2013 und auch den 15.02.2013 überzeugen konnte; Fehler hinsichtlich der Alg-Berechnung zum 15.02.2013 sind auch nicht geltend gemacht.

Ist Grundlage des ab dem 18.11.2013 ausgezahlten Alg aber nicht die Beschäftigung bei J.D., M., so kann auch das dort gezahlte Entgelt nicht der Alg-Bewilligung zugrunde gelegt werden. Insoweit bleiben die zum Zeitpunkt des Entstehens des ursprünglichen Anspruchs herrschenden Verhältnisse für den gesamten Leistungsbezug maßgebend, solange das Stammrecht nach § 148 SGB III nicht verbraucht ist (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 01/14, § 150 SGB III, RdNr. 41). Spätere Veränderungen haben keinen Einfluss auf die Berechnung des Alg (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 17). Das gilt auch für Zwischenbeschäftigungen, in denen ein höheres Entgelt erzielt worden ist, wenn nicht gleichzeitig eine neue Anwartschaft begründet wurde (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 13; Valgolio a.a.O. RdNR. 41). Damit ist Alg bei Wiederbewilligung nach demselben Berechnungsmodus zu berechnen wie dieser der Zahlung bei Entstehung des Stammrechts zugrunde lag (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17; SozR 3-4100 § 112 Nr. 13; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 01/14, § 150 SGB III, RdNr. 42).

Damit konnte das Alg der Klägerin vorliegend ab dem 18.11.2013 nicht nach dem aus der Beschäftigung bei J. D., M., erzielten Entgelt berechnet werden. Die Berufung hat daher insoweit keinen Erfolg.

Aber auch soweit die Klägerin mit dem Hilfsantrag die Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Normen rügt, hat die Berufung keinen Erfolg.

Soweit die Klägerin in der von ihr aufgeführten Rechtsnorm (§ 130 SGB III in der Fassung des Art. 1 Nr. 71 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. I Seite 2848, gültig ab 01.01.2005) eine Verfassungswidrigkeit erblickt, weil mit diesem normiert wird, dass Zeiten unterhalb von 150 Tagen bei der Bemessung des kalendertäglichen Arbeitslosengeldes keine Berücksichtigung finden, scheitert ihr Begehren schon daran, dass § 130 SGB III durch Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vom 05.12.2012 (BGBl. I 2467) zum 01.01.2013 aufgehoben wurde und erst wieder seit 01.05.2015 Regelungen über die assistierte Ausbildung beinhaltet. Hat § 130 SGB III daher keine Anwendung im vorliegenden Rechtsstreit gefunden, so musste der Senat auch keine verfassungsrechtliche Prüfung durchführen. Soweit die Klägerin aber statt § 130 SGB III § 142 Abs. 1 Satz 2 SGB III i.V.m. § 150 SGB III für verfassungswidrig hält, weil ihr wegen der neunmonatigen Beschäftigung bei J.D., M., kein neuer Alg-Anspruch erwachsen ist und sie daher meint, die gezahlten Beiträge seien verloren, so sieht der Senat darin keine Verletzung von Grundrechten der Klägerin.

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Denn die Klägerin ist, nachdem sie die Anwartschaftszeit für einen Alg-Anspruch aufgrund der Beschäftigung bei J. D., M., nicht erfüllt hat, nicht mit denjenigen Arbeitslosen vergleichbar, die zu Beginn der Arbeitslosigkeit die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Das Differenzierungsmerkmal, ob eine neue Anwartschaftszeit erfüllt ist, ist weder willkürlich noch unsachlich, weshalb der Gesetzgeber in dem ihm zustehenden weiten Gestaltungsfreiraum unterschiedliche Rechtsfolgen gesetzlich regeln konnte. Ist die Klägerin schon nicht demselben Personenkreis i.S.e. Vergleichsgruppe zuzuordnen, so ist die Zuerkennung unterschiedlich hohen Alg keine verfassungsrechtlich bedenkliche unsachlich Ungleichbehandlung. Auch das BSG (14.05.2014 – B 11 AL 12/13 R – juris RdNr. 24 ff) hat diese Regelungen nicht für mit Art. 3 GG unvereinbar erachtet. Die Klägerin steht vorliegend auch nicht schlechter, als wenn sie – wie sie vorträgt – während der Beschäftigung bei J. D., M., lediglich mehrfach befristet für sechs Wochen gearbeitet hätte. Denn auch bei einer jeweils nur befristeten Beschäftigung hätte die Klägerin nach dem Alg-Bezug im Februar 2013 bis zur erneuten Arbeitslosigkeit im November 2013 kein neues Stammrecht auf Alg erworben sondern bei weiterer Zwischenarbeitslosigkeit das zum 16.02.2013 erworbene Stammrecht weiter aufgezehrt, sodass ihr bei Beginn der Arbeitslosigkeit im November 2013 nicht mehr 238 Tage mit Alg-Anspruch zugestanden hätten.

Auch soweit die Klägerin meint, sie stünde schlechter als wenn sie vor Beginn der Beschäftigung bei J. D., M., kein Stammrecht auf Alg erworben hätte und werde daher unsachlich behandelt, ergibt sich für den Senat kein Verstoß gegen Art. 3 GG. Diese pauschale Behauptung der Klägerin ist weder richtig noch falsch. Lägen in der ab 17.11.2013 zu bemessenden zweijährigen Rahmenfrist außer der Beschäftigung bei J. D. keine weiteren versicherungspflichtigen Zeiten, hätte die Klägerin mangels zwölfmonatige Anwartschaftszeit gar keinen Alg-Anspruch erworben. Lägen dagegen zusätzliche Beschäftigungszeiten mit insgesamt dreimonatiger Dauer in dieser Rahmenfrist vor, ergäbe sich in der Tat ein Alg-Anspruch, für dessen Höhe die Entgelte bei der Firma J. D. Berücksichtigung fänden, da jetzt eine Anwartschaftszeit erworben worden wäre. Bereits dies erhellt, dass das gesetzliche Differenzierungsmerkmal nach erworbener Anwartschaftszeit nicht sachwidrig ist. So mag die Klägerin insoweit schlechter stehen, doch gehört sie dann zu einer anderen, nicht sachwidrig gesetzlich bestimmten Vergleichsgruppe (Personen ohne vor der Beschäftigung erworbenem Stammrecht bzw. Personen mit erworbenem Stammrecht). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt auch unter diesem Blickwinkel nicht vor.

Soweit die Klägerin eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügt, als der von ihr aus der Beschäftigung bei J. D., M., gezahlte Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ihr Alg nicht erhöhe und damit verfalle, folgt ihr der Senat nicht. Denn – gleich wie bei jedem Beschäftigten auch – ist der aus dieser Beschäftigung gezahlte Beitrag nicht verfallen, er erlangt vielmehr – wie die Beklagte zutreffend betont – dann Bedeutung, wenn dieser Zeitraum für einen neuen Alg-Anspruch i.S.e. neuen Stammrechts von Bedeutung ist. Insoweit hat die Klägerin zwar keinen Anspruch darauf, Alg ab dem 18.11.2013 aus dem während der Beschäftigung bei J. D., M., erzielten Arbeitsentgelt zu beziehen. Jedoch kann das Entgelt bei einem späteren Alg-Anspruch, dessen Stammrecht sich auf diese Beschäftigungszeit bezieht, ggf. Berechnungsgrundlage sein, sodass die Beiträge nicht verloren sind. Art. 14 Abs. 1 GG gebietet aber nicht, dass auch aus solchen Beiträgen Alg gezahlt wird, die nicht zur Entstehung eines Stammrechts auf Alg geführt haben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass die im Rahmen der Massenverwaltung vorzunehmende Ermittlung des Leistungsentgeltes typisierende und pauschalierende Regelungen zulässt und es dabei regelmäßig von einem weitem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum ausgeht (BVerfG 08.03.1983 - 1 BvL 21/80 – juris; BVerfG 23.03.1994 - 1 BvL 8/85 – juris; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen 31.07. 2008 – L 9 AL 10/07 – juris RdNr. 26), zumal es bei § 142 SGB III um eine die Grenzen des Eigentums ausgestaltende Regelung handelt. Damit hat der Gesetzgeber auch nicht in unzulässiger Weise in den von Art. 14 GG geschützten Kernbereich erworbener Sozialversicherungsansprüche oder -anwartschaften eingegriffen, sondern nur eine zulässige Regelung für den Anspruchserwerb getroffen.

Nachdem der Senat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Rechtsnormen hegt, war die von der Klägerin gestellte Frage nicht dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen und der vorliegende Rechtsstreit auch nicht auszusetzen.

Hat die Klägerin aber keinen Anspruch auf höheres Alg, war die Berufung unbegründet und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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