L 8 AL 3709/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 1500/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3709/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Einladung der Beklagten zu einem Beratungsgespräch.

Der 1975 geborene Kläger schloss im Juli 1997 eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann (IHK-Abschluss) ab. Im Zeitraum ab Oktober 1997 übte der Kläger wechselnde Beschäftigungen aus; zuletzt war der Kläger bis Juni 2011 bei der E. Versicherungsgruppe AG in Mannheim als Sachbearbeiter beschäftigt (Lebenslauf Blätter 18/19 der Beklagtenakte Bd. II). Beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) sind weitere Berufungsverfahren des Klägers anhängig (L 8 AL 3197/14, L 8 AL 3708/14 und L 8 AL 3710/14).

Der Kläger stand wegen Arbeitslosigkeit im Leistungsbezug der Beklagten. Mit Schreiben vom 27.02.2014 wurde der Kläger von der Beklagten (Agentur für Arbeit Mannheim) auf den 12.03.2014, 8:00 Uhr, gemäß § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 159 SGB III eingeladen, um mit ihm über seine Beratungsanliegen zu sprechen. Dieser Einladung folgte der Kläger nicht. Vielmehr wandte er sich am 03.03.2014 per E-Mail ohne Unterschrift gegen die Einladung. Er machte geltend, gegen den Arbeitsvermittler sprächen Gründe, die er bereits mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde übermittelt habe, weshalb ein weiteres Gespräch mit dem Arbeitsvermittler absurd erscheine. Mit Schreiben vom 06.03.2014 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der per E-Mail übermittelte Widerspruch den Formerfordernissen nicht genüge und bat den Kläger, den Widerspruch in der erforderlichen Form einzureichen oder schriftlich seine Urheberschaft zu bestätigen. Ansonsten müsste der Widerspruch als unzulässig verworfen werden. Eine weitere Äußerung des Klägers erfolgte nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2014 verwarf die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 03.03.2014 gegen die Einladung zum 12.03.2014 als unzulässig. Ein per E-Mail übermittelter Widerspruch genüge nicht den Anforderungen eines schriftlich zu erhebenden Widerspruchs. Der Widerspruch sei deshalb unzulässig.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.05.2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte zur Begründung geltend, das Vorgehen der Agentur für Arbeit Mannheim erscheine in keiner Weise nachvollziehbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2014 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Bei der Einladung vom 27.02.2014 handele es sich um einen Verwaltungsakt, der sich durch Zeitablauf erledigt habe. Der Kläger habe aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes. Denn für den Fall, dass die Einladung zu Recht erfolgt sei, habe der Kläger mit dem Erlass einer Sperrzeit zu rechnen. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Die Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen, da der Kläger den Widerspruch nicht in der zutreffenden Form erhoben habe.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger (durch seinen vormaligen Prozessbevollmächtigten) am 29.08.2014 eingelegte Berufung.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31. Juli 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2014 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Zu einem anberaumten Termin zur Erörterung der Sach- und Streitverhältnisses am 10.04.2015 ist der ordnungsgemäß geladene Kläger nicht erschienen. Die Beklagtenvertreterin hat im Termin am 10.04.2015 erklärt, im Hinblick auf die Einladung zum Beratungsgespräch zum 12.03.2014 durch Bescheid vom 27.02.2014 seien keine Sanktionen, insbesondere keine Feststellung einer Sperrzeit beabsichtigt. Auf die Niederschrift vom 10.04.2015 wird Bezug genommen.

Der Kläger hat im Anschluss an den Termin vom 10.04.2015 per Mail vom 17.04.2015 (Bl. 28/30 der Senatsakte) ausgeführt, trotz der vom Beklagtenvertreter im Termin am 10.04.2015 abgegebenen Erklärung, dass keine Sanktionen beabsichtigt seien, blieben noch immer die näheren Umstände dazu zu klären, wieso der Hauptbetreuer (Arbeitsvermittler) telefonisch Nachforschungen bei einem Zeitarbeitsunternehmen vorgenommen habe, bei dem er (der Kläger) zeitgleich einen Vorstellungstermin hätte wahrnehmen müssen. Die in diesem Zusammenhang nach wie vor laufende Dienstaufsichtsbeschwerde werde durch die Verantwortlichen der Agentur für Arbeit Mannheim im Übrigen noch immer ignoriert. Hiergegen richte sich seine Klage im Besonderen. Der Kläger legte eine Dienstaufsichtsbeschwerde vom 29.07.2014 vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten an erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Band Verwaltungsakten der Beklagten dann Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens des Kläger im Termin entscheiden können, denn in der dem Kläger mit Zustellungsurkunde ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers im Wege der Auslegung nach seinem erkennbaren Begehren auf der Grundlage des vom SG gefassten und vom Kläger im Berufungsverfahren nicht beanstandeten Klageantrages sachdienlich gefasst.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist nur das als Bescheid (Verwaltungsakt) zu qualifizierende Einladungsschreiben der Beklagten vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.04.2014 zu einem Beratungsgespräch am 17.03.2014. Nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist eine nach Ansicht des Klägers noch offene Dienstaufsichtsbeschwerde, die Gegenstand des beim Senat außerdem anhängigen Berufungsverfahrens L 8 AL 3710/14 ist, worüber - ausschließlich - in diesem Berufungsverfahren zu entscheiden ist.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren seine Dienstaufsichtsbeschwerde vom 29.07.2014, die nicht Gegenstand des oben genannten Berufungsverfahrens L 8 AL 3710/14 ist, in das Verfahren einbezieht, handelt es sich um eine unzulässige Klageänderung. Die Klageänderung in Form der Klageerweiterung erfordert eine Prozesserklärung, die nur in einem bestimmenden Schriftsatz oder zur Niederschrift vor dem Gericht abgegeben werden kann. Die Erklärung des Klägers zur Klageerweiterung auf die Dienstaufsichtsbeschwerde vom 29.07.2014 in seiner Mail vom 17.04.2015 ist damit nicht formgerecht erfolgt und unwirksam. Der elektronische Rechtsverkehr vor dem Landessozialgericht ist derzeit noch nicht eingeführt und die unsignierte Mail des Klägers erfüllt somit nicht die erforderliche Schriftform, was dem Kläger im Übrigen bereits mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 02.04.2014 der Beklagten bekannt sein müsste und er nach seinem Bildungsstand auch ohne weiteres auf das gerichtliche Verfahren hätte übertragen können. Zudem wäre die Klageänderung auch deshalb unzulässig – ihre Formgültigkeit einmal unterstellt –, weil die Voraussetzungen der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG nicht vorliegen. Weder hat die Beklagte in die Klageänderung eingewilligt (§ 99 Abs. 1 1. Alternative SGG) oder sich widerspruchslos in der Sache hierzu eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG) noch hält der Senat die Klageänderung für sachdienlich (§ 99 Abs. 1 2. Alternative SGG). Eine inhaltliche Überprüfung der vom Kläger auch nicht vorgelegten bzw. noch nicht ergangenen Mitteilung des Dienstvorgesetzten über seine Prüfung der Dienstaufsichtsbeschwerde kann im vorliegenden gerichtlichen Verfahren weder tatsächlich noch rechtlich stattfinden. Hierzu wird auf das Urteil des Senats vom gleichen Tag im Rechtsstreit der Beteiligten unter dem Aktenzeichen L 8 AL 3710/14 verwiesen.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Ansicht zu folgen ist, der per E-Mail eingelegte Widerspruch des Klägers sei nicht formgerecht. Dem Kläger steht ein rechtlich geschütztes Interesse (Rechtsschutzinteresse) an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 27.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.04.2014 nicht zu.

Eine auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Einladungsbescheides gerichtete (isolierte) Anfechtungsklage wäre unzulässig. Denn der Regelungsgehalt des Einladungsbescheides vom 27.02.2014 zu einem Beratungsgespräch am 12.03.2013 hatte es sich bei Klageerhebung am 03.05.2014 bereits durch Zeitablauf erledigt, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat.

Entgegen der Ansicht des SG erweist sich eine Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (analog) als nicht zulässig. Der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage steht nicht entgegen, dass die Erledigung bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (h.M., vgl. Keller in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 131 RdNr. 7d). Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein für die Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt damit bei Präjudizialität, das heißt, wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, bei einem Schadens- oder Rehabilitationsinteresse oder bei Wiederholungsgefahr in Betracht. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl. BSGE, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R -, m.w.N., juris, BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 4 RdNr 7 m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 131 RdNr. 10 bis 10g.).

Soweit das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid davon ausgeht, dass ein Feststellungsinteresse des Klägers deswegen besteht, weil der Kläger mit dem Erlass einer Sperrzeitentscheidung zu rechnen habe, vermag sich der Senat dieser Ansicht nicht anzuschließen. Dass die Beklagte wegen der Nichtwahrnehmung des Termins zum Beratungsgespräch am 12.03.2014 durch den Kläger Sanktionen, insbesondere die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit jemals beabsichtigt hat, ist nicht ersichtlich. Eine auf Sanktionen zielende Verwaltungshandlung der Beklagten lässt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen und dass eine solche in Zukunft eingeleitet wird, ist aufgrund des Zeitablaufs von über einem Jahr, in dem keinerlei diesbezügliche Maßnahmen ergriffen worden sind, nach Aktenlage auch nicht anzunehmen. Dass die Beklagte eine Sanktion tatsächlich nicht beabsichtigt hat, wird letztlich auch durch die von der Beklagtenvertreterin in der nichtöffentlichen Sitzung am 10.04.2015 zu Protokoll abgegebene Erklärung, dass keine Sanktionen, insbesondere keine Feststellung einer Sperrzeit beabsichtigt ist, belegt. Anlass, an der Richtigkeit dieser Erklärung zu zweifeln, besteht nicht. Ein Feststellungsinteresse wegen Präjudizialität liegt damit entgegen der Ansicht des SG nicht vor.

Auch das vom Kläger im Berufungsverfahren Vorgetragene, rechtfertigt ein Feststellungsinteresse nicht. Ein Schadens- oder Rehabilitationsinteresse des Klägers lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Auch ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist nicht gegeben. Dass die bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht, hat der Kläger nicht dargetan und erscheint auch sonst fernliegend, unabhängig davon, dass der Kläger nicht mehr im Leistungsbezug der Beklagten stehen dürfte. Die Klage des Klägers erweist sich damit bereits aus den oben dargestellten Gründen als unzulässig. Entsprechendes gilt auch für den vom Kläger eingelegten Widerspruch, der sich durch Zeitablauf im Widerspruchsverfahren erledigt hatte, weshalb die Beklagte den Widerspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend als unzulässig verworfen hat. Darauf, ob der Ansicht des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid und der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 02.04.2014 zu folgen ist, dass der per E-Mail ohne Unterschrift erhobene Widerspruch des Klägers nicht formgerecht eingelegt und damit unzulässig ist (vgl. im Sinne der Ansicht des SG und der Beklagten bei einer "einfachen E-Mail" Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 84 RdNr. 3 m.w.N., andererseits zum Streitstand Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz, 2014, § 65 RdNr. 12 sowie § 90 RdNr. 42), kommt es damit vorliegend nicht entscheidungsrelevant an und bedarf deswegen keiner Erörterung durch den Senat.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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