Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1667/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4092/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. September 2014 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2010 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, wobei hier insbesondere strittig ist, ob ein Leistungsfall nach Erfüllung der für die Gewährung dieser Rente erforderlichen Wartezeit eingetreten ist.
Der im Irak geborene Kläger, der nach seinen Angaben im Rentenantrag am 4. April 2001 nach Deutschland zugezogen ist, hatte beim Zuzug und auch bei seiner Anmeldung zur Rentenversicherung seinen Namen mit S. al S. und als Geburtsdatum den XX. XX 1957 angegeben. Später erfolgten eine Änderung des Namens in R. M. sowie des Geburtsdatums auf XX. XX 1958. Im Irak hatte der Kläger nach seiner Schulzeit ein Studium absolviert und war anschließend bis 1999 als Englischlehrer tätig gewesen. Er übte nach seiner Flucht und seinem Asylantrag in Deutschland zunächst keine Berufstätigkeit aus und bezog vom 4. April 2001 bis 16. Januar 2003 Sozialhilfe. Vom 17. Januar 2003 bis 16. Februar 2004 war der Kläger - unterbrochen durch Bezug von Sozialleistungen (21. bis 24. August 2003) - versicherungspflichtig beschäftigt (gemäß seinen Angaben als Umzugshelfer). Vom 17. Februar bis 6. Dezember 2004 bezog er Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (AFG, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Vom 1. Januar 2005 bis 28. März 2007 bezog er Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit), wobei er am 20. Juli 2005 einen Lehrgang als Pflegediensthelfer und im Zeitraum von November bis Dezember 2005 einen Lehrgang zum Dünnblechschweißer machte und vom 6. Juni bis 20. Juli 2006 bei einer Flaschnerei auf Grund einer Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes tätig war. Ferner liegen Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen vom 29. März bis 12. Oktober 2007 bei der P. GmbH (Lagerarbeiter) sowie vom 15. bis 26. Oktober 2007 bei der Firma W. GmbH (Produktionshelfer) vor. In der Folge bezog der Kläger vom 1. November bis 5. Dezember 2007 wieder Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Anschließend war der Kläger vom 6. bis 21. Dezember 2007 bei der Firma p.s. AG & Co. KG versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog er vom 22. Dezember 2007 bis 14. September 2008 Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Außerdem machte er im Zeitraum vom 14. April bis 12. September 2008 eine Ausbildung bei der L. GmbH (Einstiegsmodul 21. April bis 2. Mai 2008, Basismodul 13. Mai bis 4. Juli 2008, Vertiefungsmodul 7. Juli bis 12. September 2008, mit betrieblichem Praktikum bei einer Firma in B.). Vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 stand er dann bei der Firma Lo. GmbH wiederum in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (Lagerfachhelfer). Vom 1. bis 30. April 2009, vom 1. Juni 2009 bis 28. Februar 2010 und über den 1. April 2010 hinaus übte der Kläger auch geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen (Gebäudereinigung Kr. GmbH) aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 2011 verwiesen.
Den Rentenantrag vom 23. August 2009, den der Kläger mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Anpassungsstörungen sowie einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (Inhaftierung und Misshandlung im Irak) begründete und mit welchem er geltend machte, seit 11. März 2009 erwerbsgemindert zu sein, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 und Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2010 ab, da der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne und damit nicht erwerbsgemindert sei.
Grundlage der Entscheidung waren der Beklagten vorgelegte Äußerungen des Facharztes für Innere Medizin, Kardiologie, Psychotherapeutische Medizin, Dr. Jo. Im Schreiben an das Ausländeramt der Stadt He. vom 4. Dezember 2007 hatte dieser ausgeführt, der Kläger sei seit August 2006 in psychotherapeutischer Behandlung und leide an einer schweren PTBS mit einer gravierenden psychischen und psychosomatischen Symptomatik auf Grund von schweren Misshandlungen in irakischen Gefängnissen Anfang der neunziger Jahre. Im Arztbrief vom 18. Februar 2008 war dargelegt, der Kläger sei nach regimekritischen Äußerungen im Irak von der Geheimpolizei abgeholt und zwei Jahre im Gefängnis "behandelt" worden und leide unter dem Vollbild einer schweren PTBS mit dissoziativen Bewusstseinsstörungen. Er sei seit August 2006 in seiner Behandlung und zu manchen Zeiten auf Grund seiner psychischen Störung kaum in der Lage, zu sprechen. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine wirksame Behandlung nur möglich sei, wenn am Anfang eine intensive und ausreichend lange stationäre Behandlung stehe, wozu sich der Kläger bisher allerdings nicht entschieden habe. Er, Dr. Jo., habe den Sinn seiner bisherigen Behandlungen hauptsächlich darin gesehen, den Kläger für eine stationäre Behandlung zu motivieren und dieser sei nun bereit, ein Vorgespräch im Hinblick auf eine stationäre Behandlung zu führen. Der Kläger habe eine feste Arbeitsstelle, die Familie sei aber trotzdem von der Abschiebung bedroht. Im Schreiben an die AOK vom 5. August 2009 hatte Dr. Jo. ausgeführt, der Kläger sei seit 2006 in seiner psychotherapeutischen Behandlung und leide an einer schweren PTBS. Die Symptome seien so gravierend, dass er im privaten und beruflichen Leben ganz bedeutend eingeschränkt sei. Seit längerer Zeit stehe fest, dass eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht ausreiche.
Weitere Grundlage der Entscheidung der Beklagten war ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Schi. vom 24. September 2009 (Angaben des Klägers und seiner Ehefrau u.a.: seit der zweijährigen Inhaftierung im Irak leide der Kläger unter einer PTBS, sei vergesslich geworden und bringe häufig falsche Sachen vom Einkauf mit, sei ständig nervös und gereizt und schreie mit den Kindern herum, gehe regelmäßig zur Psychotherapie, mache aber dort keine Fortschritte mehr; er leide unter Angstzuständen und fange dann vor allem mit der rechten Hand an zu zittern; in Deutschland sei er als Lagerarbeiter tätig gewesen, habe im Beruf aber ähnlich wie zu Hause viel falsch gemacht, weswegen man ihn seit März 2009 nicht weiterbeschäftigt habe; Diagnosen [D]: Psychogene Belastungsreaktion nach Inhaftierung und Misshandlung im Herkunftsland Irak, Prolongation der psychischen Haftfolgen mit Verdeutlichungstendenzen bei Versorgungswunsch; trotz der bestehenden, teils aus Traumatisierungsfolge und teils als psychogene Fixierung bei Rentenwunsch zu verstehenden Beschwerden sei der Kläger in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Lagerarbeiters weiter vollschichtig zu verrichten, ebenso körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes). Dieser Leistungsbeurteilung hatte sich Dr. Gi. in der Stellungnahme vom 7. Oktober 2009 angeschlossen. Im Widerspruchsverfahren war eine Bescheinigung des Dr. Jo. vom 25. Oktober 2009 eingegangen, der ausgeführt hatte, der Kläger leide seit den Misshandlungen im Gefängnis am Vollbild einer schweren PTBS mit dissoziativen Bewusstseinsstörungen, einem schweren depressiven Erschöpfungssyndrom mit depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Erschöpfung, Angstgefühlen, Schwindel, Reizbarkeit, Appetitstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Sexualstörungen, Gefühlen des gestörten inneren Gleichgewichts, funktionellen Magen-Darm-Beschwerden, ständigen quälenden Kopfschmerzen sowie muskulären Verspannungssymptomen. Er sei seit August 2006 in seiner Behandlung und zu manchen Zeiten auf Grund seiner psychischen Störung kaum in der Lage, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, was auf die dissoziative Störung zurückzuführen sei. Bisher sei eine niederfrequent-tiefenpsychologische Behandlung erfolgt, wobei eine intensive Anwendung der Trauma-Techniken aber leider nicht möglich gewesen sei, da der Kläger die Konfrontation mit den leidvollen traumatischen Erinnerungen nicht ausgehalten habe. Auf Grund des schlechten Befindens sei es nicht möglich gewesen, die Therapie intensiver zu gestalten, vereinbarte Termine hätten immer wieder ausfallen müssen. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine wirksame psychotherapeutische Behandlung nur möglich sei, wenn am Anfang eine intensive und ausreichend lange stationäre Behandlung stehe, wozu sich der Kläger allerdings bis vor einigen Monaten nicht habe entscheiden können, der Kläger sei zur Zeit arbeitsunfähig und "voll erwerbsunfähig". Trotz laufender Therapie habe sich der Zustand in den letzten drei Jahren kontinuierlich verschlimmert. In einer Stellungnahme vom 25. November 2009 des Medizinischen Dienstes der Beklagten (Bo.) war an der bisherigen Leistungsbeurteilung festgehalten worden.
Wegen der die Gewährung der Rente ablehnenden Entscheidung hat der Kläger am 16. März 2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, er könne keine drei Stunden mehr arbeiten. Das Gutachten von Dr. Schi. stehe in krassem Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. Jo. vom 5. August und 25. Oktober 2009. Auf Grund der Inhaftierung und der Misshandlungen sei er schwerstens traumatisiert. Er wache wegen Albträumen nahezu jede Nacht schreiend auf, stehe dann auf und sei mehrere Stunden wach. Morgens sei er entsprechend unausgeschlafen und unkonzentriert. Im Haushalt seien nur geringfügige Arbeiten möglich. Die Kinder könne er nicht versorgen und auch nicht mit ihnen spielen. Schon ein Spielplatzbesuch überfordere ihn. Bei kleiner Aufregung und Anspannung komme es zu einem starken Zittern der linken Hand und des Unterarms. Arbeiten mit Tragen und Festhalten seien erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich.
Das SG hat hierauf behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.
Der Allgemeinmediziner Dr. Wer. hat am 8. Juni 2010 über die ab August 2009 erhobenen Befunde berichtet und u.a. als Dauerdiagnosen eine PTBS mit Depression, eine Somatisierungsstörung mit chronischen HWS-BWS-Schmerzen, eine Pollinose, ein Asthma Bronchiale und eine chronisch polypöse Panusitis genannt und den Kläger außerstande gesehen, sich auf eine Arbeit zu konzentrieren. Hierzu hat er den (mit seiner Vorlage am 10. Juni 2010 erstmals bekannt gewordenen) Bericht des Dr. So., S. Akademie für Tiefenpsychologie und Psychoanalyse e.V., Trauma Ambulanz S., vom 4. Februar 2006 vorgelegt. Nach diesem sind Untersuchungen am 13. Oktober 2005 sowie 12. Januar und 2. Februar 2006 erfolgt. Trotz oberflächlich ordentlich erscheinender Deutschkenntnisse - so Dr. So. - sei die Verständigung immer wieder schwierig, hauptsächlich, weil sich der Kläger in Momenten emotionaler Betroffenheit und auftauchender schmerzhafter Erinnerungen Schwierigkeiten habe, zuzuhören und sich zu konzentrieren. Er scheine einen inneren Dialog zu führen, der von den Äußerungen des Gegenübers nur zeitweise unterbrochen werde. Der Kläger sei bei allen Terminen in Tränen ausgebrochen und es seien immer wieder Phasen von heftigen Weinkrämpfen aufgetreten, weswegen in diesen Momenten eine klare Verständigung nicht möglich gewesen sei. Bei der Begrüßung habe er noch korrekt-freundlich gewirkt. Innerhalb weniger Minuten sei dann eine völlige Veränderung mit Weinkrämpfen, unkontrollierter Bewegung aufgetreten. Kurzzeitgedächtnis und Konzentration seien stark beeinträchtigt. Der Kläger habe u.a. über Affektdurchbrüche, geistige Abwesenheit und Vergesslichkeit berichtet. Dr. So. hat die Diagnosen Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung mit schwerer Depression mit paranoiden Symptomen und gemischter dissoziativer Störung sowie chronische Kopfschmerzen gestellt. Es bestehe offensichtlich eine schwere psychische Erkrankung, wobei symptomatisch im Vordergrund eine Affektinstabilität, ein Kontrollverlust, paranoide und assoziative Reaktionen sowie eine depressive Grundstimmung stünden. Hinzu kämen erhebliche Einschränkungen der kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Es handle sich offensichtlich um eine chronifizierte Symptomatik. Akutsymptome fielen nicht auf. Angesichts der Schwere und Dauer der Erkrankung seien die Aussichten für eine vollständige Wiederherstellung der psychischen Struktur eher ungünstig. Unbehandelt sei mit einer weiteren Verschlechterung und zunehmendem Verlust kognitiver, sozialer und affektiver Fähigkeiten bis zu einer psychischen Invalidisierung zu rechnen. Für den Fall einer Re-Traumatisierung (erneute Konfrontation mit spezifischen krankheitsauslösenden Reizen) sei mit einer akuten und heftigen Verschlimmerung zu rechnen. Im Falle einer adäquaten psychotherapeutischen und adjuvanten medikamentösen Behandlung könne angenommen werden, dass sich das Ausmaß des Leidens erheblich verringere und der Verlust psychischer Funktionen sich zumindest aufhalten lasse. Neben anderen Arztberichten hat Dr. Wer. ferner auch eine "Bescheinigung zur Vorlage bei der Rentenversicherung" des Dr. Jo. vom 24. November 2009 vorgelegt.
Außerdem haben über die von ihnen erhobenen Befunde der Internist Dr. Hö. am 15. Juni 2010 (Reizdarm), der HNO-Arzt Dr. Ro. am 9. Juli 2010 und Dr. Jo. wiederum am 1. August 2010 berichtet. Dr. Jo. hat u.a. ausgeführt, seit 1. August 2006 seien 33 Sitzungen erfolgt, eine höhere Frequenz wäre medizinisch nötig, aber auf Grund des schlechten Befindens nicht möglich gewesen. Der Kläger sei "bis heute" in ständigem physiologischen Alarmzustand. Es träten Panikzustände und dissoziative Empfindungsstörungen sowie dissoziative Bewusstseinsstörungen auf und der Kläger sei dann nicht in der Lage, sein Handeln bewusst zu steuern. Dr. Jo. hat die Diagnosen schwere PTBS (F 43.1), dissoziative Störungen (F 44.7), Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastungen (F 62.0), längere depressive Reaktion (F 43.1), Erschöpfungssyndrom (F 48.0) und Somatisierungsstörung (F 45.0) gestellt. Derzeit sei der Kläger nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als er Arbeit gehabt habe, habe sich der Kläger von seinen Kollegen völlig zurückgezogen und sei durch Selbstgespräche aufgefallen. Hierzu hat Dr. Jo. und seine "Bescheinigung zur Vorlage bei Gericht" vom 1. Juli 2010 vorgelegt, die im Wesentlichen inhaltsgleich ist.
Nach Auswertung der Unterlagen, insbesondere des nun auch bekannt gewordenen Berichtes des Dr. So. vom Februar 2006 ist die Beklagte dann von einer quantitativen Leistungsminderung auf drei bis unter sechs Stunden seit 4. Februar 2006, dem Bericht von Dr. So., ausgegangen. Für einen Rentenanspruch sei die Wartezeit nicht erfüllt. Der Leistungsfall müsste spätestens am 30. April 2011 und dürfte frühestens am 1. Dezember 2007 eingetreten sein, weil ansonsten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären. Dies sei nicht der Fall. Hierzu hat sie eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Gi. vom 2. September 2010 vorgelegt (nach nochmaliger Wertung aller Unterlagen sei von einer schwergradigen psychischen Störung und einer relevanten Leistungsminderung auszugehen, die seit der Untersuchung durch Dr. So. gesichert sei; es sei von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auszugehen und eine Besserung in zwei Jahren sei möglich).
Der Kläger hat hierauf geltend gemacht, die Leistungseinschränkung sei zur Zeit der Untersuchung bei Dr. So. am 4. Februar 2006 noch nicht so stark gewesen. Hierzu hat er eine Stellungnahme von Dr. Jo. vom 13. Oktober 2010 vorgelegt (die Symptomatik der PTBS mit bedeutenden psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen habe schon zu Beginn der Behandlung bestanden, allerdings deutlich weniger ausgeprägt, als jetzt; der Kläger habe z.B. damals auch bei der Arbeit Selbstgespräche geführt und die Arbeit des Öfteren unterbrechen müssen, um zum Weinen auf die Toilette zu gehen, und er habe auch immer wieder über ein Chaos in seinem Kopf berichtet, er sei aber bis April 2009 "vollzeitig arbeitsfähig" und täglich acht Stunden als Lagerarbeiter tätig gewesen und habe Qualifizierungsmaßnahmen [Gabel-Stapler-Schein] gemacht sowie eine Ausbildung zum Schweißer geplant; die Befindlichkeit und die gesamte psychosomatische Symptomatik habe sich im April 2008 verschlechtert, als er seine Einreise mit falschem Namen habe einräumen müssen und Angst vor einer Ausweisung gehabt habe und durch diese Bedrohung eine Re-Traumatisierung erfahren habe).
Die Beklagte hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. Gi. vom 26. November 2010 vorgelegt. Er hat den Ausführungen von Dr. So. vom 4. Februar 2006 einen hohen Aussagewert beigemessen. Dr. So. habe bereits seinerzeit nicht mehr von einer PTBS, sondern inzwischen von einer Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung als im Vordergrund stehend gesprochen. Gegenüber dem Befund von 2006 und den später beschriebenen Auffälligkeiten, insbesondere auch in den Bescheinigungen von Dr. Jo. vom 1. Juli und 1. August 2010 sei eine wesentliche Änderung nicht erkennbar, auch nicht aus dessen Bescheinigung vom 13. Oktober 2010, in der dieser von einer Verschlimmerung im April 2009 ausgegangen ist. Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Schi. vom 24. September 2009 sei eine Verschlimmerung seit der Untersuchung durch Dr. So. nicht nachvollziehbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Leistungsfall der Erwerbsminderung sei spätestens am 4. Februar 2006 und damit vor Erfüllung der Wartezeit eingetreten. Dies ergebe sich aus dem Bericht von Dr. So ... Den Angaben von Dr. Jo. sei demgegenüber nicht zu folgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Gegen den am 10. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. September 2014 Berufung eingelegt.
Das SG hat eine dort noch eingegangene "Stellungnahme zur Vorlage beim Sozialgericht Stuttgart" des Dr. Jo. vom 8. Oktober 2014 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, die Entscheidung des SG sei aus psychotherapeutischer bzw. traumatherapeutischer Sicht nicht nachvollziehbar. Er kenne den Kläger, der damals noch einer Beschäftigung als Lagerarbeiter nachgegangen sei, seit 2006. Die Arbeit sei ihm im Laufe der Monate immer schwerer gefallen und er habe sie schließlich auf Grund der psychischen Folgen seiner schweren Traumatisierung aufgeben müssen, vornehmlich wegen der dissoziativen Zustände (bei unterschiedlichen Anlässen einschießende Flashbacks, also wahnhafte mit Panik verbundene psychische Zustände), die zunehmend auch während der Arbeit aufgetreten seien. Trotz langjähriger intensiver Bemühungen in der ambulanten Traumatherapie und trotz zwei mehrwöchigen stationären psychotherapeutischen Behandlungen in Bad M. vom 8. Dezember 2010 bis 19. Januar 2011 und 2. Februar bis 11. März 2014 habe sich der Zustand nicht gebessert, sondern eindeutig wieder verschlechtert. Die Konzentrationsfähigkeit sei extrem eingeschränkt, der Kläger könne einen längeren englischen oder arabischen Text überhaupt nicht mehr lesen und verstehen. Wenn er uniformierten Menschen begegne, gerate er in Panik. So sei er im letzten Jahr vom Fahrrad gestürzt, als er von weitem ein Polizeiauto gesehen habe. Auch führe er in Anwesenheit anderer laute Selbstgespräche und könne sich nur auf den Kontakt mit wenigen, ihm vertrauten Personen einlassen. Die Traumatisierung bewirke bei bestimmten Anlässen immer wiederkehrende Gewaltausbrüche. Dr. Schi. sei vermutlich nicht qualifiziert, über die Traumastörungen des Klägers zu urteilen. Hierzu hat er die Berichte des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. vom 7. Februar 2011 und 13. März 2014 (der Kläger habe nach seiner Flucht nach Deutschland zwischenzeitlich als Lagerarbeiter gearbeitet und in dieser Zeit viele Probleme auf Grund von dissoziativen Zuständen gehabt, der Versuch bei der Firma D. zu arbeiten, sei misslungen, da er auf Grund der dissoziativen Symptomatik keine zuverlässige Arbeitsleistung habe bieten können und Fugue-Episoden, Zustände von Orientierungslosigkeit und Weinanfälle sowie Angstzuständen durch dissoziative Realitätsverkennung gehabt habe) vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des Jobcenters und des Versorgungsamtes beigezogen und Kopien von den Unterlagen über Beschäftigungen des Klägers sowie von den ärztlichen Äußerungen aus der Zeit ab 25. Oktober 2009 zu den Akten genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. September 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2010 zu verurteilen, ihm ab 1. August 2009 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält daran fest, dass der Leistungsfall spätestens im Februar 2006 eingetreten und damit die Wartezeit nicht erfüllt sei. Hierzu hat sie Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Bu. vom 21. November 2014 und vom 1. April 2015 vorgelegt. Darin ist zu den Äußerungen des Dr. Jo. vom 8. Oktober 2014 und zu den vom Jobcenter und vom Versorgungsamt beigezogenen Unterlagen ausgeführt, an der bisherigen Sichtweise einer seit spätestens Februar 2006 bestehenden quantitativen Leistungsminderung änderten die Unterlagen nichts, im Gegenteil werde sie durch die vorgelegten medizinischen Berichte noch gestärkt. Dafür, dass zwischenzeitlich eine Verbesserung von leistungsrelevantem Ausmaß eingetreten sein sollte, spreche in der Tat nicht viel. Vielmehr ergebe sich aus den Ausführungen von Dr. Jo., dass sich der psychische Zustand über Jahre hinweg insgesamt zunehmend verschlechtert habe. Auch der aktuelle Behandlungsbericht aus Bad M. bestätige noch einmal die bereits von Dr. Gi. angeführte anhaltende Persönlichkeitsänderung des Klägers nach Extrembelastung, ein psychisches Störungsbild, das in Gesamtschau mit den weiteren gestellten Diagnosen letztendlich eine ungünstige Prognose impliziere. Auch aus den Akten des Versorgungsamts und des Jobcenters ergebe sich nichts anderes. Soweit Dr. Jo. darauf hingewiesen habe, dass der Kläger täglich acht Stunden bis April 2009 vollschichtig gearbeitet und nebenher noch Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt habe und dass sich die psychische und somatische Symptomatik etwa ab April 2008 verschlechtert habe, sei - so der Arzt Bu. - zunächst unzweifelhaft von einem aktuell unter dreistündigen Leistungsvermögen auszugehen. Auf der anderen Seite habe Dr. Jo. selbst in seinen vorliegenden Berichten darauf hingewiesen, dass schon zu Beginn der Behandlung auch bei der Arbeit erhebliche Probleme aufgetreten seien und zwar auf Grund seiner psychischen Beeinträchtigungen, Weinattacken, Selbstgespräche und dem "Chaos im Kopf". Wenn man dann auch den Beschäftigungsverlauf ansehe, ergebe sich, dass sich der Kläger beruflich nicht dauerhaft habe etablieren können. Dies sei gut damit vereinbar, dass schon seit Februar 2006 das erwerbsbezogene Leistungsvermögen zeitlich eingeschränkt gewesen sei, damals drei bis unter sechs Stunden täglich, und sich die sozialmedizinische Situation seit diesem Zeitpunkt zunehmend verschlechtert habe. Wenn der Kläger in diesem Zeitraum auch vollschichtig gearbeitet habe, sei in diesem Fall eine vollschichtige Tätigkeit zu Lasten der Restgesundheit durchgeführt worden. Hierzu passten auch die Schilderungen von Dr. Jo., wonach der Kläger während der Arbeit zum Weinen auf die Toilette habe gehen müssen. Es sei weiterhin von einem seit Februar 2006 quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen.
Der Senat hat Arbeitgeberauskünfte eingeholt. Die Firma p.s. AG & Co. KG hat am 7. Juli 2015 mitgeteilt, der Kläger sei dort (von vorneherein befristet) vom 6. bis 21. Dezember 2007 als Anlernkraft (acht Stunden täglich und 40 Stunden pro Woche) beschäftigt gewesen und habe die geforderte Arbeitsleistung außer einer Arbeitsunfähigkeitszeit am 18. und 19. Dezember 2007 immer voll erbracht. Die Firma Lo. GmbH hat am 16. Juli 2015 angegeben, der Kläger sei vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 als Lagerfachhelfer (Kommissionieren und Lackieren) eingestellt gewesen und habe sieben Stunden je Arbeitstag und 35 Stunden pro Woche, ab 1. Februar 2009 wegen der damaligen Auftragslage 25 Stunden wöchentlich, gearbeitet und - abgesehen von einer Abwesenheit am Vormittag des 14. Januar 2009 für eine ärztliche Untersuchung sowie einer Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis 26. Januar 2009 - immer die volle Arbeitsleistung erbracht. Das Arbeitsverhältnis sei von ihr wegen nicht (mehr) bestehender Arbeitserlaubnis beendet worden.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen und die genannten beigezogenen Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässig eingelegte Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Dem Kläger ist Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017 zu gewähren.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Voraussetzung ist demnach - neben dem Vorliegen von Erwerbsminderung - u.a. auch, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der rentenberechtigenden Leistungsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt ist, die für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fünf Jahre bzw. 60 Monate beträgt (§ 33 Abs. 3 SGB VI und § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit liegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).
Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind Zeiten, für die Beiträge entrichtet wurden und gesetzliche Versicherungspflicht nach §§ 1 bis 3 SGB VI (oder Versicherungspflicht auf Antrag) bestand. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten schließlich auch Zeiten, fürt die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten (wegen Kindererziehung, vgl. § 70 Abs. 2 SGB VI) vorliegen.
Versicherungspflicht besteht gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI in der bis 3. Dezember 2010 geltenden Fassung sind versicherungspflichtig außerdem Personen in der Zeit, für die sie von dem jeweils zuständigen Träger Arbeitslosengeld II beziehen. Seit 1. Januar 2011 stellen Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II Anrechnungszeiten dar (§ 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI).
Hiervon ausgehend sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - hier die Erfüllung der erforderlichen Wartezeit von fünf Jahren und drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung - beim Kläger, der im Januar 2003 in die Versicherung eingetreten ist und zuletzt Pflichtbeiträge auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im März 2009 entrichtet hat, erfüllt, wenn der Leistungsfall nach dem 30. November 2007 und vor dem 1. Mai 2011 eingetreten ist. Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 26. Oktober 2011 hat der am 17. Januar 2003 in die Versicherung eingetretene Kläger im Dezember 2007 fünf Jahre auf die Anrechnungszeit anrechenbare Versicherungsmonate zurückgelegt, so dass die Wartezeit für eine Rente wegen Erwerbsminderung bei Eintritt des Leistungsfalles im Dezember 2007 erfüllt ist. Ab Dezember 2007 hat der Kläger ohne Unterbrechung weitere Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II sowie auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigungen vom 6. bis 21. Dezember 2007 bei der Firma p.s. AG & Co. KG als Anlernkraft und vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 bei der Firma Lo. GmbH als Lagerfachhelfer zurückgelegt. Wegen der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird insoweit auf den von der Beklagten erstellten und vorgelegten Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 2011, dessen Richtigkeit anzuzweifeln der Senat keine Veranlassung hat, verwiesen. Damit sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt, wenn der Leistungsfall bis 30. April 2011 eingetreten ist.
Diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind jeweils erfüllt, denn der Leistungsfall der Erwerbsminderung, dessen Eintritt vollbeweislich nachzuweisen ist, ist zur Überzeugung des Senats nicht vor Dezember 2007, aber vor Mai 2011 eingetreten.
Hierzu stellt der Senat fest, dass der Kläger derzeit weniger als drei Stunden arbeitstäglich in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus den Berichten des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. vom 7. Februar 2011 und 13. März 2014 (der Kläger habe nach seiner Flucht nach Deutschland zwischenzeitlich als Lagerarbeiter gearbeitet und in dieser Zeit viele Probleme auf Grund von dissoziativen Zuständen gehabt, der Versuch bei der Firma D. zu arbeiten, sei misslungen, da er auf Grund der dissoziativen Symptomatik keine zuverlässige Arbeitsleistung habe bieten können, Fugue-Episoden gehabt habe, Zustände von Orientierungslosigkeit und Weinanfälle sowie Angstzuständen durch dissoziative Realitätsverkennung) und den Stellungnahmen des Dr. Gi. und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Bu. vom 21. November 2014 und vom 1. April 2015 sowie den Aussagen des behandelnden Arztes Dr. Jo ...
Danach leidet der Kläger im Wesentlichen unter den Folgen der mit seinem Gefängnisaufenthalt im Irak verbundenen Traumatisierung. Dr. Jo. hat insofern die Diagnosen schwere PTBS (F 43.1), dissoziative Störungen (F 44.7), Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastungen (F 62.0), längere depressive Reaktion (F 43.1), Erschöpfungssyndrom (F 48.0) und Somatisierungsstörung (F 45.0) gestellt. Im Psychotherapeutischen Zentrum der K.-Klinik in Bad M. wurden die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere Episode (ICD-10 GM. F 33.2), PTBS (ICD-10 GM: F 43.1), anhaltende Persönlichkeitsstörung (ICD-10 GM: F 62.0), Übelkeit (ICD-10 GM: F R 11) und Spannungskopfschmerz (ICD-10 GM: G 44.2) gestellt. Maßgebend und für die Entscheidung erheblich sind jedoch nicht die Diagnosen per se, sondern die Auswirkungen der Erkrankungen auf die berufliche Leistungfähigkeit.
Auf Grund seiner Erkrankungen ist das berufliche Leistungsvermögen auch insofern eingeschränkt, als der Kläger einer beruflichen Tätigkeit - zur Überzeugung des Senats auch noch aktuell - nur weniger als drei Stunden arbeitstäglich nachgehen kann. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beratungsarztes Bu ... Soweit hiervon abweichend Dr. Schi. im September 2009 noch ein sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hat, ist dessen Einschätzung unter Berücksichtigung der später zu den Akten gelangten ärztlichen Äußerungen, insbesondere auch dem Bericht des Dr. So. vom Februar 2006, nicht mehr haltbar, da er die Folgen der Inhaftierung nicht hinreichend gewürdigt hat und zu Unrecht Verdeutlichungstendenzen und einen Versorgungswunsch angenommen bzw. in den Vordergrund gerückt hat. Allerdings ist auch von einer Besserungsmöglichkeit auszugehen, was sich für den Senat sowohl aus den Einschätzungen von Dr. Jo., als auch von den Ärzten des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. ergibt.
Nachgewiesen ist die Einschränkung des Leistungsvermögen auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich - entgegen der Auffassung der Beklagten - allerdings erst im März 2009.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, das Leistungsvermögen sei bereits ab Februar 2006 und damit vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit auf weniger als sechs Stunden dauerhaft eingeschränkt, vermag der Senat dies nicht festzustellen. Befunde, die dies mit der erforderlichen Gewissheit belegen würden, liegen nicht vor. Insbesondere hat auch Dr. Jo. dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers ab 2008 weiter verschlechtert hat, nachdem er einräumen musste, dass er unter falschem Namen und mit falscher Angabe seines Geburtsdatums eingereist war, und ab diesem Zeitpunkt ernsthaft eine Ausweisung befürchtete, wodurch es zu einer Re-Traumatisierung kam. Dies führte schließlich so weit, dass er wegen der vorübergehenden Aberkennung der Befugnis zu arbeiten bzw. des entsprechenden amtlichen Schriftstückes, von dem der Arbeitgeber Kenntnis erlangte, dass er letztlich auch seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung im März 2009 verloren hat.
Zweifel, dass das Leistungsvermögen jedenfalls bis März 2009 dauerhaft auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich gesunken war, ergeben sich auch daraus, dass der Kläger versicherungspflichtige Beschäftigungen vom 29. März bis 12. Oktober 2007 bei der P. GmbH (Lagerarbeiter) sowie vom 15. bis 26. Oktober 2007 bei der Firma W. GmbH (Produktionshelfer) ausgeübt hat. Er ist ferner nach der Auskunft der Firma p.s. AG & Co. KG vom 7. Juli 2015 dort (von vorneherein befristet) vom 6. bis 21. Dezember 2007 als Anlernkraft (acht Stunden täglich und 40 Stunden pro Woche) beschäftigt gewesen und hat die geforderte Arbeitsleistung, außer einer Arbeitsunfähigkeitszeit am 18. und 19. Dezember 2007, immer voll erbracht. Bei der Firma Lo. GmbH war er gemäß deren Auskunft vom 16. Juli 2015 vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 als Lagerfachhelfer (Kommissionieren und Lackieren) beschäftigt. Er hat sieben Stunden je Arbeitstag und 35 Stunden pro Woche, ab 1. Februar 2009 wegen der damaligen Auftragslage 25 Stunden wöchentlich, gearbeitet und - abgesehen von einer Abwesenheit am Vormittag des 14. Januar 2009 für eine ärztliche Untersuchung sowie einer Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis 26. Januar 2009 - immer die volle Arbeitsleistung erbracht. Das Arbeitsverhältnis ist - wie schon ausgeführt - von der Firma Lo. GmbH auch wegen der nach deren damaligem Informationsstand nicht (mehr) bestehender Arbeitserlaubnis beendet worden und nicht auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen des Klägers. Außerdem absolvierte der Kläger im Zeitraum vom 14. April bis 12. September 2008 eine Ausbildung bei der L. GmbH (Einstiegsmodul 21. April bis 2. Mai 2008, Basismodul 13. Mai bis 4. Juli 2008, Vertiefungsmodul 7. Juli bis 12. September 2008, mit betrieblichem Praktikum bei eine Firma in B.). Damit ergeben sich bezüglich des von der Beklagten angenommenen Zeitpunktes der Leistungsminderung (Februar 2006) nicht nur Zweifel an einem dauerhaften Herabsinken des Leistungsvermögen vor März 2009 auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich, vielmehr sprechen diese Umstände eindeutig dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine dauerhafte rentenrechtlich relevante Leistungsminderung noch nicht vorgelegen hat.
Soweit der Beratungsarzt Bu. die Auffassung vertritt, die Ausübung dieser beruflichen Tätigkeiten sei zu Lasten der Restgesundheit des Klägers gegangen, handelt es sich um für den Senat nicht belegbare Mutmaßungen, die den insoweit erforderlichen Vollbeweis des früheren Eintritts der Leistungseinschränkung nicht erbringen. Keiner der behandelnden Ärzte hat eine durch Arbeit bedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers gesehen oder gar bestätigt. Dafür, dass dem Kläger die bis 10. März 2009 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen wären, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte.
Somit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers (erst) im März 2009, zu einem Zeitpunkt in welchem die Wartezeit und die weiteren o.g. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, eingetreten ist
Der Kläger hat - ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalles im März 2009 und der Rentenantragstellung vom 23. August 2009 - jedoch nur Anspruch auf eine Rente für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017
Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI kann die Rente verlängert werden, wobei es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wobei hiervon nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen ist (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).
Nach § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.
Gemessen daran ist die Rente des Klägers wegen Erwerbsminderung zu befristen, da eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit auch der Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht unwahrscheinlich ist, nachdem der Kläger sich inzwischen zu einer schon im Jahr 2006 für erforderlich erachteten stationären Behandlung entschlossen hat, die mit der nachfolgenden ambulanten Weiterbehandlung allerdings bisher noch nicht dazu geführt hat, dass das Leistungsvermögen schon so weit gebessert ist, dass der Kläger einer Erwerbstätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich nachgehen könnte.
Nachdem der Termin für die nach 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vorzunehmende Befristung von drei Jahren am 30. September 2012 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abgelaufen ist und die Erwerbsminderung darüber hinaus fortbesteht und die befristete Rente gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB VI auch wiederholt - in der Regel bei wiederholter Befristung bis zu neun Jahren - verlängert werden kann, ist die Beklagte, nachdem auch der zweite Drei-Jahres-Zeitraum am 30. September 2015 abläuft und eine hinreichende Besserung der quantitativen Leistungseinschränkung noch nicht eingetreten und noch nicht absehbar, aber aus Sicht des Senats bei konsequenter Weiterbehandlung binnen eines Jahres möglich ist, wobei auch an die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe zu denken sein dürfte, zur Gewährung der Rente bis 30. September 2017 zu verurteilen.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 5. September 2014 war deshalb aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017 zu gewähren.
Der Antrag des Klägers, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren ist deshalb nicht begründet. Die Berufung war deshalb insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, wobei hier insbesondere strittig ist, ob ein Leistungsfall nach Erfüllung der für die Gewährung dieser Rente erforderlichen Wartezeit eingetreten ist.
Der im Irak geborene Kläger, der nach seinen Angaben im Rentenantrag am 4. April 2001 nach Deutschland zugezogen ist, hatte beim Zuzug und auch bei seiner Anmeldung zur Rentenversicherung seinen Namen mit S. al S. und als Geburtsdatum den XX. XX 1957 angegeben. Später erfolgten eine Änderung des Namens in R. M. sowie des Geburtsdatums auf XX. XX 1958. Im Irak hatte der Kläger nach seiner Schulzeit ein Studium absolviert und war anschließend bis 1999 als Englischlehrer tätig gewesen. Er übte nach seiner Flucht und seinem Asylantrag in Deutschland zunächst keine Berufstätigkeit aus und bezog vom 4. April 2001 bis 16. Januar 2003 Sozialhilfe. Vom 17. Januar 2003 bis 16. Februar 2004 war der Kläger - unterbrochen durch Bezug von Sozialleistungen (21. bis 24. August 2003) - versicherungspflichtig beschäftigt (gemäß seinen Angaben als Umzugshelfer). Vom 17. Februar bis 6. Dezember 2004 bezog er Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (AFG, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Vom 1. Januar 2005 bis 28. März 2007 bezog er Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit), wobei er am 20. Juli 2005 einen Lehrgang als Pflegediensthelfer und im Zeitraum von November bis Dezember 2005 einen Lehrgang zum Dünnblechschweißer machte und vom 6. Juni bis 20. Juli 2006 bei einer Flaschnerei auf Grund einer Trainingsmaßnahme des Arbeitsamtes tätig war. Ferner liegen Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen vom 29. März bis 12. Oktober 2007 bei der P. GmbH (Lagerarbeiter) sowie vom 15. bis 26. Oktober 2007 bei der Firma W. GmbH (Produktionshelfer) vor. In der Folge bezog der Kläger vom 1. November bis 5. Dezember 2007 wieder Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Anschließend war der Kläger vom 6. bis 21. Dezember 2007 bei der Firma p.s. AG & Co. KG versicherungspflichtig beschäftigt. Danach bezog er vom 22. Dezember 2007 bis 14. September 2008 Arbeitslosengeld II (ohne Arbeitslosigkeit, anerkannte Pflichtbeitragszeit). Außerdem machte er im Zeitraum vom 14. April bis 12. September 2008 eine Ausbildung bei der L. GmbH (Einstiegsmodul 21. April bis 2. Mai 2008, Basismodul 13. Mai bis 4. Juli 2008, Vertiefungsmodul 7. Juli bis 12. September 2008, mit betrieblichem Praktikum bei einer Firma in B.). Vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 stand er dann bei der Firma Lo. GmbH wiederum in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis (Lagerfachhelfer). Vom 1. bis 30. April 2009, vom 1. Juni 2009 bis 28. Februar 2010 und über den 1. April 2010 hinaus übte der Kläger auch geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen (Gebäudereinigung Kr. GmbH) aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 2011 verwiesen.
Den Rentenantrag vom 23. August 2009, den der Kläger mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Anpassungsstörungen sowie einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (Inhaftierung und Misshandlung im Irak) begründete und mit welchem er geltend machte, seit 11. März 2009 erwerbsgemindert zu sein, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 und Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2010 ab, da der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne und damit nicht erwerbsgemindert sei.
Grundlage der Entscheidung waren der Beklagten vorgelegte Äußerungen des Facharztes für Innere Medizin, Kardiologie, Psychotherapeutische Medizin, Dr. Jo. Im Schreiben an das Ausländeramt der Stadt He. vom 4. Dezember 2007 hatte dieser ausgeführt, der Kläger sei seit August 2006 in psychotherapeutischer Behandlung und leide an einer schweren PTBS mit einer gravierenden psychischen und psychosomatischen Symptomatik auf Grund von schweren Misshandlungen in irakischen Gefängnissen Anfang der neunziger Jahre. Im Arztbrief vom 18. Februar 2008 war dargelegt, der Kläger sei nach regimekritischen Äußerungen im Irak von der Geheimpolizei abgeholt und zwei Jahre im Gefängnis "behandelt" worden und leide unter dem Vollbild einer schweren PTBS mit dissoziativen Bewusstseinsstörungen. Er sei seit August 2006 in seiner Behandlung und zu manchen Zeiten auf Grund seiner psychischen Störung kaum in der Lage, zu sprechen. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine wirksame Behandlung nur möglich sei, wenn am Anfang eine intensive und ausreichend lange stationäre Behandlung stehe, wozu sich der Kläger bisher allerdings nicht entschieden habe. Er, Dr. Jo., habe den Sinn seiner bisherigen Behandlungen hauptsächlich darin gesehen, den Kläger für eine stationäre Behandlung zu motivieren und dieser sei nun bereit, ein Vorgespräch im Hinblick auf eine stationäre Behandlung zu führen. Der Kläger habe eine feste Arbeitsstelle, die Familie sei aber trotzdem von der Abschiebung bedroht. Im Schreiben an die AOK vom 5. August 2009 hatte Dr. Jo. ausgeführt, der Kläger sei seit 2006 in seiner psychotherapeutischen Behandlung und leide an einer schweren PTBS. Die Symptome seien so gravierend, dass er im privaten und beruflichen Leben ganz bedeutend eingeschränkt sei. Seit längerer Zeit stehe fest, dass eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht ausreiche.
Weitere Grundlage der Entscheidung der Beklagten war ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Schi. vom 24. September 2009 (Angaben des Klägers und seiner Ehefrau u.a.: seit der zweijährigen Inhaftierung im Irak leide der Kläger unter einer PTBS, sei vergesslich geworden und bringe häufig falsche Sachen vom Einkauf mit, sei ständig nervös und gereizt und schreie mit den Kindern herum, gehe regelmäßig zur Psychotherapie, mache aber dort keine Fortschritte mehr; er leide unter Angstzuständen und fange dann vor allem mit der rechten Hand an zu zittern; in Deutschland sei er als Lagerarbeiter tätig gewesen, habe im Beruf aber ähnlich wie zu Hause viel falsch gemacht, weswegen man ihn seit März 2009 nicht weiterbeschäftigt habe; Diagnosen [D]: Psychogene Belastungsreaktion nach Inhaftierung und Misshandlung im Herkunftsland Irak, Prolongation der psychischen Haftfolgen mit Verdeutlichungstendenzen bei Versorgungswunsch; trotz der bestehenden, teils aus Traumatisierungsfolge und teils als psychogene Fixierung bei Rentenwunsch zu verstehenden Beschwerden sei der Kläger in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Lagerarbeiters weiter vollschichtig zu verrichten, ebenso körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes). Dieser Leistungsbeurteilung hatte sich Dr. Gi. in der Stellungnahme vom 7. Oktober 2009 angeschlossen. Im Widerspruchsverfahren war eine Bescheinigung des Dr. Jo. vom 25. Oktober 2009 eingegangen, der ausgeführt hatte, der Kläger leide seit den Misshandlungen im Gefängnis am Vollbild einer schweren PTBS mit dissoziativen Bewusstseinsstörungen, einem schweren depressiven Erschöpfungssyndrom mit depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, Erschöpfung, Angstgefühlen, Schwindel, Reizbarkeit, Appetitstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Sexualstörungen, Gefühlen des gestörten inneren Gleichgewichts, funktionellen Magen-Darm-Beschwerden, ständigen quälenden Kopfschmerzen sowie muskulären Verspannungssymptomen. Er sei seit August 2006 in seiner Behandlung und zu manchen Zeiten auf Grund seiner psychischen Störung kaum in der Lage, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, was auf die dissoziative Störung zurückzuführen sei. Bisher sei eine niederfrequent-tiefenpsychologische Behandlung erfolgt, wobei eine intensive Anwendung der Trauma-Techniken aber leider nicht möglich gewesen sei, da der Kläger die Konfrontation mit den leidvollen traumatischen Erinnerungen nicht ausgehalten habe. Auf Grund des schlechten Befindens sei es nicht möglich gewesen, die Therapie intensiver zu gestalten, vereinbarte Termine hätten immer wieder ausfallen müssen. Von Anfang an sei klar gewesen, dass eine wirksame psychotherapeutische Behandlung nur möglich sei, wenn am Anfang eine intensive und ausreichend lange stationäre Behandlung stehe, wozu sich der Kläger allerdings bis vor einigen Monaten nicht habe entscheiden können, der Kläger sei zur Zeit arbeitsunfähig und "voll erwerbsunfähig". Trotz laufender Therapie habe sich der Zustand in den letzten drei Jahren kontinuierlich verschlimmert. In einer Stellungnahme vom 25. November 2009 des Medizinischen Dienstes der Beklagten (Bo.) war an der bisherigen Leistungsbeurteilung festgehalten worden.
Wegen der die Gewährung der Rente ablehnenden Entscheidung hat der Kläger am 16. März 2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, er könne keine drei Stunden mehr arbeiten. Das Gutachten von Dr. Schi. stehe in krassem Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. Jo. vom 5. August und 25. Oktober 2009. Auf Grund der Inhaftierung und der Misshandlungen sei er schwerstens traumatisiert. Er wache wegen Albträumen nahezu jede Nacht schreiend auf, stehe dann auf und sei mehrere Stunden wach. Morgens sei er entsprechend unausgeschlafen und unkonzentriert. Im Haushalt seien nur geringfügige Arbeiten möglich. Die Kinder könne er nicht versorgen und auch nicht mit ihnen spielen. Schon ein Spielplatzbesuch überfordere ihn. Bei kleiner Aufregung und Anspannung komme es zu einem starken Zittern der linken Hand und des Unterarms. Arbeiten mit Tragen und Festhalten seien erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich.
Das SG hat hierauf behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt.
Der Allgemeinmediziner Dr. Wer. hat am 8. Juni 2010 über die ab August 2009 erhobenen Befunde berichtet und u.a. als Dauerdiagnosen eine PTBS mit Depression, eine Somatisierungsstörung mit chronischen HWS-BWS-Schmerzen, eine Pollinose, ein Asthma Bronchiale und eine chronisch polypöse Panusitis genannt und den Kläger außerstande gesehen, sich auf eine Arbeit zu konzentrieren. Hierzu hat er den (mit seiner Vorlage am 10. Juni 2010 erstmals bekannt gewordenen) Bericht des Dr. So., S. Akademie für Tiefenpsychologie und Psychoanalyse e.V., Trauma Ambulanz S., vom 4. Februar 2006 vorgelegt. Nach diesem sind Untersuchungen am 13. Oktober 2005 sowie 12. Januar und 2. Februar 2006 erfolgt. Trotz oberflächlich ordentlich erscheinender Deutschkenntnisse - so Dr. So. - sei die Verständigung immer wieder schwierig, hauptsächlich, weil sich der Kläger in Momenten emotionaler Betroffenheit und auftauchender schmerzhafter Erinnerungen Schwierigkeiten habe, zuzuhören und sich zu konzentrieren. Er scheine einen inneren Dialog zu führen, der von den Äußerungen des Gegenübers nur zeitweise unterbrochen werde. Der Kläger sei bei allen Terminen in Tränen ausgebrochen und es seien immer wieder Phasen von heftigen Weinkrämpfen aufgetreten, weswegen in diesen Momenten eine klare Verständigung nicht möglich gewesen sei. Bei der Begrüßung habe er noch korrekt-freundlich gewirkt. Innerhalb weniger Minuten sei dann eine völlige Veränderung mit Weinkrämpfen, unkontrollierter Bewegung aufgetreten. Kurzzeitgedächtnis und Konzentration seien stark beeinträchtigt. Der Kläger habe u.a. über Affektdurchbrüche, geistige Abwesenheit und Vergesslichkeit berichtet. Dr. So. hat die Diagnosen Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung mit schwerer Depression mit paranoiden Symptomen und gemischter dissoziativer Störung sowie chronische Kopfschmerzen gestellt. Es bestehe offensichtlich eine schwere psychische Erkrankung, wobei symptomatisch im Vordergrund eine Affektinstabilität, ein Kontrollverlust, paranoide und assoziative Reaktionen sowie eine depressive Grundstimmung stünden. Hinzu kämen erhebliche Einschränkungen der kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Es handle sich offensichtlich um eine chronifizierte Symptomatik. Akutsymptome fielen nicht auf. Angesichts der Schwere und Dauer der Erkrankung seien die Aussichten für eine vollständige Wiederherstellung der psychischen Struktur eher ungünstig. Unbehandelt sei mit einer weiteren Verschlechterung und zunehmendem Verlust kognitiver, sozialer und affektiver Fähigkeiten bis zu einer psychischen Invalidisierung zu rechnen. Für den Fall einer Re-Traumatisierung (erneute Konfrontation mit spezifischen krankheitsauslösenden Reizen) sei mit einer akuten und heftigen Verschlimmerung zu rechnen. Im Falle einer adäquaten psychotherapeutischen und adjuvanten medikamentösen Behandlung könne angenommen werden, dass sich das Ausmaß des Leidens erheblich verringere und der Verlust psychischer Funktionen sich zumindest aufhalten lasse. Neben anderen Arztberichten hat Dr. Wer. ferner auch eine "Bescheinigung zur Vorlage bei der Rentenversicherung" des Dr. Jo. vom 24. November 2009 vorgelegt.
Außerdem haben über die von ihnen erhobenen Befunde der Internist Dr. Hö. am 15. Juni 2010 (Reizdarm), der HNO-Arzt Dr. Ro. am 9. Juli 2010 und Dr. Jo. wiederum am 1. August 2010 berichtet. Dr. Jo. hat u.a. ausgeführt, seit 1. August 2006 seien 33 Sitzungen erfolgt, eine höhere Frequenz wäre medizinisch nötig, aber auf Grund des schlechten Befindens nicht möglich gewesen. Der Kläger sei "bis heute" in ständigem physiologischen Alarmzustand. Es träten Panikzustände und dissoziative Empfindungsstörungen sowie dissoziative Bewusstseinsstörungen auf und der Kläger sei dann nicht in der Lage, sein Handeln bewusst zu steuern. Dr. Jo. hat die Diagnosen schwere PTBS (F 43.1), dissoziative Störungen (F 44.7), Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastungen (F 62.0), längere depressive Reaktion (F 43.1), Erschöpfungssyndrom (F 48.0) und Somatisierungsstörung (F 45.0) gestellt. Derzeit sei der Kläger nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als er Arbeit gehabt habe, habe sich der Kläger von seinen Kollegen völlig zurückgezogen und sei durch Selbstgespräche aufgefallen. Hierzu hat Dr. Jo. und seine "Bescheinigung zur Vorlage bei Gericht" vom 1. Juli 2010 vorgelegt, die im Wesentlichen inhaltsgleich ist.
Nach Auswertung der Unterlagen, insbesondere des nun auch bekannt gewordenen Berichtes des Dr. So. vom Februar 2006 ist die Beklagte dann von einer quantitativen Leistungsminderung auf drei bis unter sechs Stunden seit 4. Februar 2006, dem Bericht von Dr. So., ausgegangen. Für einen Rentenanspruch sei die Wartezeit nicht erfüllt. Der Leistungsfall müsste spätestens am 30. April 2011 und dürfte frühestens am 1. Dezember 2007 eingetreten sein, weil ansonsten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären. Dies sei nicht der Fall. Hierzu hat sie eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Gi. vom 2. September 2010 vorgelegt (nach nochmaliger Wertung aller Unterlagen sei von einer schwergradigen psychischen Störung und einer relevanten Leistungsminderung auszugehen, die seit der Untersuchung durch Dr. So. gesichert sei; es sei von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auszugehen und eine Besserung in zwei Jahren sei möglich).
Der Kläger hat hierauf geltend gemacht, die Leistungseinschränkung sei zur Zeit der Untersuchung bei Dr. So. am 4. Februar 2006 noch nicht so stark gewesen. Hierzu hat er eine Stellungnahme von Dr. Jo. vom 13. Oktober 2010 vorgelegt (die Symptomatik der PTBS mit bedeutenden psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen habe schon zu Beginn der Behandlung bestanden, allerdings deutlich weniger ausgeprägt, als jetzt; der Kläger habe z.B. damals auch bei der Arbeit Selbstgespräche geführt und die Arbeit des Öfteren unterbrechen müssen, um zum Weinen auf die Toilette zu gehen, und er habe auch immer wieder über ein Chaos in seinem Kopf berichtet, er sei aber bis April 2009 "vollzeitig arbeitsfähig" und täglich acht Stunden als Lagerarbeiter tätig gewesen und habe Qualifizierungsmaßnahmen [Gabel-Stapler-Schein] gemacht sowie eine Ausbildung zum Schweißer geplant; die Befindlichkeit und die gesamte psychosomatische Symptomatik habe sich im April 2008 verschlechtert, als er seine Einreise mit falschem Namen habe einräumen müssen und Angst vor einer Ausweisung gehabt habe und durch diese Bedrohung eine Re-Traumatisierung erfahren habe).
Die Beklagte hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. Gi. vom 26. November 2010 vorgelegt. Er hat den Ausführungen von Dr. So. vom 4. Februar 2006 einen hohen Aussagewert beigemessen. Dr. So. habe bereits seinerzeit nicht mehr von einer PTBS, sondern inzwischen von einer Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung als im Vordergrund stehend gesprochen. Gegenüber dem Befund von 2006 und den später beschriebenen Auffälligkeiten, insbesondere auch in den Bescheinigungen von Dr. Jo. vom 1. Juli und 1. August 2010 sei eine wesentliche Änderung nicht erkennbar, auch nicht aus dessen Bescheinigung vom 13. Oktober 2010, in der dieser von einer Verschlimmerung im April 2009 ausgegangen ist. Auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Schi. vom 24. September 2009 sei eine Verschlimmerung seit der Untersuchung durch Dr. So. nicht nachvollziehbar.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Leistungsfall der Erwerbsminderung sei spätestens am 4. Februar 2006 und damit vor Erfüllung der Wartezeit eingetreten. Dies ergebe sich aus dem Bericht von Dr. So ... Den Angaben von Dr. Jo. sei demgegenüber nicht zu folgen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Gegen den am 10. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26. September 2014 Berufung eingelegt.
Das SG hat eine dort noch eingegangene "Stellungnahme zur Vorlage beim Sozialgericht Stuttgart" des Dr. Jo. vom 8. Oktober 2014 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, die Entscheidung des SG sei aus psychotherapeutischer bzw. traumatherapeutischer Sicht nicht nachvollziehbar. Er kenne den Kläger, der damals noch einer Beschäftigung als Lagerarbeiter nachgegangen sei, seit 2006. Die Arbeit sei ihm im Laufe der Monate immer schwerer gefallen und er habe sie schließlich auf Grund der psychischen Folgen seiner schweren Traumatisierung aufgeben müssen, vornehmlich wegen der dissoziativen Zustände (bei unterschiedlichen Anlässen einschießende Flashbacks, also wahnhafte mit Panik verbundene psychische Zustände), die zunehmend auch während der Arbeit aufgetreten seien. Trotz langjähriger intensiver Bemühungen in der ambulanten Traumatherapie und trotz zwei mehrwöchigen stationären psychotherapeutischen Behandlungen in Bad M. vom 8. Dezember 2010 bis 19. Januar 2011 und 2. Februar bis 11. März 2014 habe sich der Zustand nicht gebessert, sondern eindeutig wieder verschlechtert. Die Konzentrationsfähigkeit sei extrem eingeschränkt, der Kläger könne einen längeren englischen oder arabischen Text überhaupt nicht mehr lesen und verstehen. Wenn er uniformierten Menschen begegne, gerate er in Panik. So sei er im letzten Jahr vom Fahrrad gestürzt, als er von weitem ein Polizeiauto gesehen habe. Auch führe er in Anwesenheit anderer laute Selbstgespräche und könne sich nur auf den Kontakt mit wenigen, ihm vertrauten Personen einlassen. Die Traumatisierung bewirke bei bestimmten Anlässen immer wiederkehrende Gewaltausbrüche. Dr. Schi. sei vermutlich nicht qualifiziert, über die Traumastörungen des Klägers zu urteilen. Hierzu hat er die Berichte des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. vom 7. Februar 2011 und 13. März 2014 (der Kläger habe nach seiner Flucht nach Deutschland zwischenzeitlich als Lagerarbeiter gearbeitet und in dieser Zeit viele Probleme auf Grund von dissoziativen Zuständen gehabt, der Versuch bei der Firma D. zu arbeiten, sei misslungen, da er auf Grund der dissoziativen Symptomatik keine zuverlässige Arbeitsleistung habe bieten können und Fugue-Episoden, Zustände von Orientierungslosigkeit und Weinanfälle sowie Angstzuständen durch dissoziative Realitätsverkennung gehabt habe) vorgelegt.
Der Senat hat die Akten des Jobcenters und des Versorgungsamtes beigezogen und Kopien von den Unterlagen über Beschäftigungen des Klägers sowie von den ärztlichen Äußerungen aus der Zeit ab 25. Oktober 2009 zu den Akten genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. September 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2010 zu verurteilen, ihm ab 1. August 2009 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält daran fest, dass der Leistungsfall spätestens im Februar 2006 eingetreten und damit die Wartezeit nicht erfüllt sei. Hierzu hat sie Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Bu. vom 21. November 2014 und vom 1. April 2015 vorgelegt. Darin ist zu den Äußerungen des Dr. Jo. vom 8. Oktober 2014 und zu den vom Jobcenter und vom Versorgungsamt beigezogenen Unterlagen ausgeführt, an der bisherigen Sichtweise einer seit spätestens Februar 2006 bestehenden quantitativen Leistungsminderung änderten die Unterlagen nichts, im Gegenteil werde sie durch die vorgelegten medizinischen Berichte noch gestärkt. Dafür, dass zwischenzeitlich eine Verbesserung von leistungsrelevantem Ausmaß eingetreten sein sollte, spreche in der Tat nicht viel. Vielmehr ergebe sich aus den Ausführungen von Dr. Jo., dass sich der psychische Zustand über Jahre hinweg insgesamt zunehmend verschlechtert habe. Auch der aktuelle Behandlungsbericht aus Bad M. bestätige noch einmal die bereits von Dr. Gi. angeführte anhaltende Persönlichkeitsänderung des Klägers nach Extrembelastung, ein psychisches Störungsbild, das in Gesamtschau mit den weiteren gestellten Diagnosen letztendlich eine ungünstige Prognose impliziere. Auch aus den Akten des Versorgungsamts und des Jobcenters ergebe sich nichts anderes. Soweit Dr. Jo. darauf hingewiesen habe, dass der Kläger täglich acht Stunden bis April 2009 vollschichtig gearbeitet und nebenher noch Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt habe und dass sich die psychische und somatische Symptomatik etwa ab April 2008 verschlechtert habe, sei - so der Arzt Bu. - zunächst unzweifelhaft von einem aktuell unter dreistündigen Leistungsvermögen auszugehen. Auf der anderen Seite habe Dr. Jo. selbst in seinen vorliegenden Berichten darauf hingewiesen, dass schon zu Beginn der Behandlung auch bei der Arbeit erhebliche Probleme aufgetreten seien und zwar auf Grund seiner psychischen Beeinträchtigungen, Weinattacken, Selbstgespräche und dem "Chaos im Kopf". Wenn man dann auch den Beschäftigungsverlauf ansehe, ergebe sich, dass sich der Kläger beruflich nicht dauerhaft habe etablieren können. Dies sei gut damit vereinbar, dass schon seit Februar 2006 das erwerbsbezogene Leistungsvermögen zeitlich eingeschränkt gewesen sei, damals drei bis unter sechs Stunden täglich, und sich die sozialmedizinische Situation seit diesem Zeitpunkt zunehmend verschlechtert habe. Wenn der Kläger in diesem Zeitraum auch vollschichtig gearbeitet habe, sei in diesem Fall eine vollschichtige Tätigkeit zu Lasten der Restgesundheit durchgeführt worden. Hierzu passten auch die Schilderungen von Dr. Jo., wonach der Kläger während der Arbeit zum Weinen auf die Toilette habe gehen müssen. Es sei weiterhin von einem seit Februar 2006 quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen.
Der Senat hat Arbeitgeberauskünfte eingeholt. Die Firma p.s. AG & Co. KG hat am 7. Juli 2015 mitgeteilt, der Kläger sei dort (von vorneherein befristet) vom 6. bis 21. Dezember 2007 als Anlernkraft (acht Stunden täglich und 40 Stunden pro Woche) beschäftigt gewesen und habe die geforderte Arbeitsleistung außer einer Arbeitsunfähigkeitszeit am 18. und 19. Dezember 2007 immer voll erbracht. Die Firma Lo. GmbH hat am 16. Juli 2015 angegeben, der Kläger sei vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 als Lagerfachhelfer (Kommissionieren und Lackieren) eingestellt gewesen und habe sieben Stunden je Arbeitstag und 35 Stunden pro Woche, ab 1. Februar 2009 wegen der damaligen Auftragslage 25 Stunden wöchentlich, gearbeitet und - abgesehen von einer Abwesenheit am Vormittag des 14. Januar 2009 für eine ärztliche Untersuchung sowie einer Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis 26. Januar 2009 - immer die volle Arbeitsleistung erbracht. Das Arbeitsverhältnis sei von ihr wegen nicht (mehr) bestehender Arbeitserlaubnis beendet worden.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen und die genannten beigezogenen Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässig eingelegte Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Dem Kläger ist Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017 zu gewähren.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Voraussetzung ist demnach - neben dem Vorliegen von Erwerbsminderung - u.a. auch, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der rentenberechtigenden Leistungsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt ist, die für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fünf Jahre bzw. 60 Monate beträgt (§ 33 Abs. 3 SGB VI und § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI), und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit liegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).
Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind Zeiten, für die Beiträge entrichtet wurden und gesetzliche Versicherungspflicht nach §§ 1 bis 3 SGB VI (oder Versicherungspflicht auf Antrag) bestand. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten schließlich auch Zeiten, fürt die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten (wegen Kindererziehung, vgl. § 70 Abs. 2 SGB VI) vorliegen.
Versicherungspflicht besteht gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI in der bis 3. Dezember 2010 geltenden Fassung sind versicherungspflichtig außerdem Personen in der Zeit, für die sie von dem jeweils zuständigen Träger Arbeitslosengeld II beziehen. Seit 1. Januar 2011 stellen Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II Anrechnungszeiten dar (§ 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI).
Hiervon ausgehend sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - hier die Erfüllung der erforderlichen Wartezeit von fünf Jahren und drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung - beim Kläger, der im Januar 2003 in die Versicherung eingetreten ist und zuletzt Pflichtbeiträge auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im März 2009 entrichtet hat, erfüllt, wenn der Leistungsfall nach dem 30. November 2007 und vor dem 1. Mai 2011 eingetreten ist. Ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 26. Oktober 2011 hat der am 17. Januar 2003 in die Versicherung eingetretene Kläger im Dezember 2007 fünf Jahre auf die Anrechnungszeit anrechenbare Versicherungsmonate zurückgelegt, so dass die Wartezeit für eine Rente wegen Erwerbsminderung bei Eintritt des Leistungsfalles im Dezember 2007 erfüllt ist. Ab Dezember 2007 hat der Kläger ohne Unterbrechung weitere Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II sowie auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigungen vom 6. bis 21. Dezember 2007 bei der Firma p.s. AG & Co. KG als Anlernkraft und vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 bei der Firma Lo. GmbH als Lagerfachhelfer zurückgelegt. Wegen der Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten wird insoweit auf den von der Beklagten erstellten und vorgelegten Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 2011, dessen Richtigkeit anzuzweifeln der Senat keine Veranlassung hat, verwiesen. Damit sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt, wenn der Leistungsfall bis 30. April 2011 eingetreten ist.
Diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind jeweils erfüllt, denn der Leistungsfall der Erwerbsminderung, dessen Eintritt vollbeweislich nachzuweisen ist, ist zur Überzeugung des Senats nicht vor Dezember 2007, aber vor Mai 2011 eingetreten.
Hierzu stellt der Senat fest, dass der Kläger derzeit weniger als drei Stunden arbeitstäglich in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies ergibt sich schlüssig und überzeugend aus den Berichten des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. vom 7. Februar 2011 und 13. März 2014 (der Kläger habe nach seiner Flucht nach Deutschland zwischenzeitlich als Lagerarbeiter gearbeitet und in dieser Zeit viele Probleme auf Grund von dissoziativen Zuständen gehabt, der Versuch bei der Firma D. zu arbeiten, sei misslungen, da er auf Grund der dissoziativen Symptomatik keine zuverlässige Arbeitsleistung habe bieten können, Fugue-Episoden gehabt habe, Zustände von Orientierungslosigkeit und Weinanfälle sowie Angstzuständen durch dissoziative Realitätsverkennung) und den Stellungnahmen des Dr. Gi. und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Bu. vom 21. November 2014 und vom 1. April 2015 sowie den Aussagen des behandelnden Arztes Dr. Jo ...
Danach leidet der Kläger im Wesentlichen unter den Folgen der mit seinem Gefängnisaufenthalt im Irak verbundenen Traumatisierung. Dr. Jo. hat insofern die Diagnosen schwere PTBS (F 43.1), dissoziative Störungen (F 44.7), Persönlichkeitsveränderungen nach Extrembelastungen (F 62.0), längere depressive Reaktion (F 43.1), Erschöpfungssyndrom (F 48.0) und Somatisierungsstörung (F 45.0) gestellt. Im Psychotherapeutischen Zentrum der K.-Klinik in Bad M. wurden die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere Episode (ICD-10 GM. F 33.2), PTBS (ICD-10 GM: F 43.1), anhaltende Persönlichkeitsstörung (ICD-10 GM: F 62.0), Übelkeit (ICD-10 GM: F R 11) und Spannungskopfschmerz (ICD-10 GM: G 44.2) gestellt. Maßgebend und für die Entscheidung erheblich sind jedoch nicht die Diagnosen per se, sondern die Auswirkungen der Erkrankungen auf die berufliche Leistungfähigkeit.
Auf Grund seiner Erkrankungen ist das berufliche Leistungsvermögen auch insofern eingeschränkt, als der Kläger einer beruflichen Tätigkeit - zur Überzeugung des Senats auch noch aktuell - nur weniger als drei Stunden arbeitstäglich nachgehen kann. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beratungsarztes Bu ... Soweit hiervon abweichend Dr. Schi. im September 2009 noch ein sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen hat, ist dessen Einschätzung unter Berücksichtigung der später zu den Akten gelangten ärztlichen Äußerungen, insbesondere auch dem Bericht des Dr. So. vom Februar 2006, nicht mehr haltbar, da er die Folgen der Inhaftierung nicht hinreichend gewürdigt hat und zu Unrecht Verdeutlichungstendenzen und einen Versorgungswunsch angenommen bzw. in den Vordergrund gerückt hat. Allerdings ist auch von einer Besserungsmöglichkeit auszugehen, was sich für den Senat sowohl aus den Einschätzungen von Dr. Jo., als auch von den Ärzten des Psychotherapeutischen Zentrums der K.-Klinik in Bad M. ergibt.
Nachgewiesen ist die Einschränkung des Leistungsvermögen auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich - entgegen der Auffassung der Beklagten - allerdings erst im März 2009.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, das Leistungsvermögen sei bereits ab Februar 2006 und damit vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit auf weniger als sechs Stunden dauerhaft eingeschränkt, vermag der Senat dies nicht festzustellen. Befunde, die dies mit der erforderlichen Gewissheit belegen würden, liegen nicht vor. Insbesondere hat auch Dr. Jo. dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers ab 2008 weiter verschlechtert hat, nachdem er einräumen musste, dass er unter falschem Namen und mit falscher Angabe seines Geburtsdatums eingereist war, und ab diesem Zeitpunkt ernsthaft eine Ausweisung befürchtete, wodurch es zu einer Re-Traumatisierung kam. Dies führte schließlich so weit, dass er wegen der vorübergehenden Aberkennung der Befugnis zu arbeiten bzw. des entsprechenden amtlichen Schriftstückes, von dem der Arbeitgeber Kenntnis erlangte, dass er letztlich auch seine letzte versicherungspflichtige Beschäftigung im März 2009 verloren hat.
Zweifel, dass das Leistungsvermögen jedenfalls bis März 2009 dauerhaft auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich gesunken war, ergeben sich auch daraus, dass der Kläger versicherungspflichtige Beschäftigungen vom 29. März bis 12. Oktober 2007 bei der P. GmbH (Lagerarbeiter) sowie vom 15. bis 26. Oktober 2007 bei der Firma W. GmbH (Produktionshelfer) ausgeübt hat. Er ist ferner nach der Auskunft der Firma p.s. AG & Co. KG vom 7. Juli 2015 dort (von vorneherein befristet) vom 6. bis 21. Dezember 2007 als Anlernkraft (acht Stunden täglich und 40 Stunden pro Woche) beschäftigt gewesen und hat die geforderte Arbeitsleistung, außer einer Arbeitsunfähigkeitszeit am 18. und 19. Dezember 2007, immer voll erbracht. Bei der Firma Lo. GmbH war er gemäß deren Auskunft vom 16. Juli 2015 vom 15. September 2008 bis 10. März 2009 als Lagerfachhelfer (Kommissionieren und Lackieren) beschäftigt. Er hat sieben Stunden je Arbeitstag und 35 Stunden pro Woche, ab 1. Februar 2009 wegen der damaligen Auftragslage 25 Stunden wöchentlich, gearbeitet und - abgesehen von einer Abwesenheit am Vormittag des 14. Januar 2009 für eine ärztliche Untersuchung sowie einer Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis 26. Januar 2009 - immer die volle Arbeitsleistung erbracht. Das Arbeitsverhältnis ist - wie schon ausgeführt - von der Firma Lo. GmbH auch wegen der nach deren damaligem Informationsstand nicht (mehr) bestehender Arbeitserlaubnis beendet worden und nicht auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen des Klägers. Außerdem absolvierte der Kläger im Zeitraum vom 14. April bis 12. September 2008 eine Ausbildung bei der L. GmbH (Einstiegsmodul 21. April bis 2. Mai 2008, Basismodul 13. Mai bis 4. Juli 2008, Vertiefungsmodul 7. Juli bis 12. September 2008, mit betrieblichem Praktikum bei eine Firma in B.). Damit ergeben sich bezüglich des von der Beklagten angenommenen Zeitpunktes der Leistungsminderung (Februar 2006) nicht nur Zweifel an einem dauerhaften Herabsinken des Leistungsvermögen vor März 2009 auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich, vielmehr sprechen diese Umstände eindeutig dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine dauerhafte rentenrechtlich relevante Leistungsminderung noch nicht vorgelegen hat.
Soweit der Beratungsarzt Bu. die Auffassung vertritt, die Ausübung dieser beruflichen Tätigkeiten sei zu Lasten der Restgesundheit des Klägers gegangen, handelt es sich um für den Senat nicht belegbare Mutmaßungen, die den insoweit erforderlichen Vollbeweis des früheren Eintritts der Leistungseinschränkung nicht erbringen. Keiner der behandelnden Ärzte hat eine durch Arbeit bedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers gesehen oder gar bestätigt. Dafür, dass dem Kläger die bis 10. März 2009 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen wären, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte.
Somit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers (erst) im März 2009, zu einem Zeitpunkt in welchem die Wartezeit und die weiteren o.g. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, eingetreten ist
Der Kläger hat - ausgehend vom Eintritt des Leistungsfalles im März 2009 und der Rentenantragstellung vom 23. August 2009 - jedoch nur Anspruch auf eine Rente für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017
Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI kann die Rente verlängert werden, wobei es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wobei hiervon nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen ist (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).
Nach § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.
Gemessen daran ist die Rente des Klägers wegen Erwerbsminderung zu befristen, da eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit auch der Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht unwahrscheinlich ist, nachdem der Kläger sich inzwischen zu einer schon im Jahr 2006 für erforderlich erachteten stationären Behandlung entschlossen hat, die mit der nachfolgenden ambulanten Weiterbehandlung allerdings bisher noch nicht dazu geführt hat, dass das Leistungsvermögen schon so weit gebessert ist, dass der Kläger einer Erwerbstätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich nachgehen könnte.
Nachdem der Termin für die nach 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI vorzunehmende Befristung von drei Jahren am 30. September 2012 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abgelaufen ist und die Erwerbsminderung darüber hinaus fortbesteht und die befristete Rente gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB VI auch wiederholt - in der Regel bei wiederholter Befristung bis zu neun Jahren - verlängert werden kann, ist die Beklagte, nachdem auch der zweite Drei-Jahres-Zeitraum am 30. September 2015 abläuft und eine hinreichende Besserung der quantitativen Leistungseinschränkung noch nicht eingetreten und noch nicht absehbar, aber aus Sicht des Senats bei konsequenter Weiterbehandlung binnen eines Jahres möglich ist, wobei auch an die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe zu denken sein dürfte, zur Gewährung der Rente bis 30. September 2017 zu verurteilen.
Der Gerichtsbescheid des SG vom 5. September 2014 war deshalb aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 30. September 2017 zu gewähren.
Der Antrag des Klägers, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren ist deshalb nicht begründet. Die Berufung war deshalb insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved