L 1 KR 291/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 211/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 291/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Juli 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Vater-Kind-Maßnahme.

Der 1977 geborene Kläger zu 1) ist der Vater der 2002 geborenen Klägerin zu 2). Beide sind bei der Beklagten versichert. Die Ehefrau des Klägers zu 1) ist die Mutter der Klägerin zu 2). Die Familie lebt zusammen. Der Kläger zu 1) übt eine Tätigkeit als DV-Kundenbetreuer im Umfang von 39 Stunden in der Woche aus, seine Ehefrau ist geringfügig beschäftigt.

Am 8. Juli 2011 beantragten die Kläger unter Vorlage einer Verordnung für den Kläger zu 1) und eines ärztlichen Attestes für die Klägerin zu 2) die Gewährung einer Vater-Kind-Kur. Die Verordnung nennt als Diagnosen Adipositas und ein rez. Thorakalsyndrom, als vorsorgerelevante Gesundheitsstörungen mehrfache Arbeitsunfähigkeiten und als relevante Schwierigkeiten und negative Kontextfaktoren die Doppelbelastung durch Beruf und Familie. Die Beklagte befragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieser befand am 12. Juli 2011, dass die beantragte Maßnahme nicht medizinisch indiziert und sinnvoll sei, um die beschriebenen Vorsorge-/Lehrziele zu erreichen. Stattdessen solle sich der Kläger zu 1) in fachärztliche Behandlung begeben, an einer Raucherentwöhnung teilnehmen, Ernährungsberatungen in Anspruch nehmen, sportliche Aktivitäten entfalten und Heilmittel anwenden. Die Hauptlast der Erziehung trage die Mutter. Eine besondere Belastung des Klägers zu 1) durch Erziehungsarbeit sei nicht ersichtlich. Entsprechend lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Juli 2011 die Gewährung einer Vater-Kind-Kur ab.

Der Kläger zu 1) erhob Widerspruch und legte dazu ein Attest seiner behandelnden Ärztin Dr. G (Fachärztin für Allgemeinmedizin) vor, wonach er an einem Erschöpfungssyndrom, einem Thorakalsyndrom, Adipositas und Schlafstörungen leidet. Bei der Klägerin zu 2) bestünden Infektanfälligkeit und Adipositas. Wiederkehrende Belastungsreaktionen würden zu einer Überforderung des Klägers zu 1) führen. Haushalt und Kindererziehung würden Mutter und Vater zu gleichen Teilen leisten. Eine Herausnahme aus dem häuslichen und sozialen Umfeld könne eine weitere Chronifizierung verhindern. Ambulante Maßnahmen seien nicht möglich. Der Kläger ergänzte, dass durch die häufigen Krankheiten seiner Tochter ein erheblicher Teil der Erziehungslast auf ihn falle. Bei seiner Frau würden betreuungsbedingte Arbeitsausfälle zu Einkommenseinbußen führen. Nach Feierabend und am Wochenende sei er in den Haushalt eingebunden, was seine Freizeit beschneide. Es fehle auch die Freizeit für eine gesunde Ernährung, was zu einem belastenden Übergewicht führe. Es bestünden Partnerschaftsprobleme, finanzielle Sorgen und Belastungen in seinem Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Schwester. Die konsequente Wahrnehmung ambulanter Behandlungen sei ihm nicht möglich.

Nach nochmaliger Befragung des MDK wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2011 zurück. Die beantragte Leistung sei für den Kläger zu 1) nicht medizinisch notwendig. Das habe der MDK bestätigt. Es seien keine außergewöhnlichen vaterspezifischen Überlastungsfaktoren oder eine familiäre Konfliktsituation erkennbar. Anwendungen und Präventionsangebote am Wohnort seien ausreichend. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1) die Hauptverantwortung der Haushaltsführung und Kindererziehung trage.

Dagegen richtet sich die am 7. November 2011 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat bei der behandelnden Ärztin Dr. G einen Befundbericht eingeholt. Es hat den Arzt für Psychiatrie und Neurologie Prof. Dr. H-G T mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens über die Kläger beauftragt. Für die Inhalte des Befundberichtes vom 13. November 2012 und des Gutachtens vom 17. August 2013 wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage durch Urteil vom 11. Juli 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe den Antrag auf Gewährung einer stationären Kur zu Recht abgelehnt. Ein Anspruch auf Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung setze voraus, dass die Maßnahmen medizinisch erforderlich seien. Die Gesundheitsrisiken oder Krankheiten müssten gerade auch auf der besonderen Belastung des Klägers zu 1) als Vater beruhen. Denn die Vorsorgemaßnahmen gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und die Rehabilitationsmaßnahmen nach § 41 SGB V verfolgten einen spezifischen Zweck. Sie dienten der Minderung von Belastungen, die in wesentlicher Hinsicht durch die Stellung der Versicherten als Mutter/Vater eines oder mehrerer Kinder verursacht oder aufrechterhalten wurden. Solche Belastungen fehlten hier aber. Das ergebe sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Professor Dr. T, die schlüssig und für das Gericht nachvollziehbar seien. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers zu 1) lediglich als leichte Gesundheitsschwächung einzuordnen seien, eine manifeste Erkrankung bestehe nicht. Die festgestellten Gesundheitsstörungen könnten durch Maßnahmen der gesunden Lebensführung, insbesondere durch Optimierung der Ernährung und durch körperliche Betätigung einschließlich ambulanter psychotherapeutischer Anleitung behandelt werden. Es liege nur eine leichte Schwächung der Gesundheit, keine behandlungsbedürftige Krankheit vor. Auch bei der Klägerin zu 2) seien derzeit keine behandlungsbedürftigen Krankheiten festzustellen. Die beim Kläger zu 1) aufgetretenen Gesundheitsstörungen seien nach dem Gutachten des Sachverständigen Folge der nicht optimalen Lebensführung und nicht durch die Eltern-Kind-Beziehung bzw. die Vaterrolle bedingt. Besondere Belastungen für den Kläger zu 1) würden sich aus der Übernahme der Betreuung und Versorgung der Klägerin zu 2) als Vater nicht ergeben. Die Klägerin zu 2) neige lediglich häufiger zu Infekten. Eine medizinisch begründete Notwendigkeit für die begehrte Vater-Kind-Kur habe der Sachverständige nicht zu erkennen vermocht. Ambulante Maßnahmen zur Stabilisierung des geschwächten, aber nicht krankhaften Gesundheitszustandes des Klägers zu 1) könnten am Wohnort bzw. wohnortnah realisiert werden.

Gegen das ihnen am 22. Juli 2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts richtet sich die am 4. August 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Kläger. Anspruchsgrundlage für die beantragte Leistung seien die §§ 24, 41 SGB V. Nicht nachzuvollziehen sei der Einwand der Beklagten, dass eine spezifische Vater-Kind-Problematik nicht bestehe. In den Begutachtungsrichtlinien für die Vorsorgeleistung "Mutter-Kind-Kur" fänden sich anerkannte Indikationen, welche der Kläger erfülle, da er unter anderem an einem Erschöpfungssyndrom, Thorakalsyndrom, Adipositas und Schlafstörungen leide. Als relevante Kontextfaktoren ließen sich feststellen: gesundheitliche Probleme der Klägerin zu 2), die zu einer Gesundheitsgefährdung des Klägers zu 1) führen könnten, die Verantwortung für die Pflege von Familienangehörigen, Schwierigkeiten bei der Problembewältigung, insbesondere denen des Alltags, ständiger Zeitdruck, finanzielle Sorgen und soziale Isolation. Auf das Vorliegen einer spezifischen Vater-Kind-Problematik könne es daneben nicht ankommen. Die klassischen Risikofaktoren wie übermäßiger Alkohol-, Nikotin- und Medikamentenkonsum, Bewegungsmangel und Adipositas würden die gesundheitlichen Probleme fördern und seien deshalb ebenfalls zu berücksichtigen. Maßgebend für die Erbringung von Leistungen nach § 24 SGB V sei das Vorliegen einer Indikation für die Mutter bzw. den Vater. Vater-Kind-Maßnahmen Leistungen könnten dann (u.a.) schon in Betracht kommen, wenn das Kind während der Leistungsinanspruchnahme durch den Vater nicht anderweitig betreut und versorgt werden und die Durchführung der Leistung für den Vater daran scheitern könne, sofern die Mitaufnahme des Kindes den Erfolg der Vorsorgemaßnahme nicht gefährdet. Das Bestehen ambulanter Behandlungsmöglichkeiten vor Ort könne die Versagung der beantragten Leistung nicht rechtfertigen. Der Grundsatz "ambulant vor stationär" gelte im Bereich der Mutter-Kind-Kuren gerade nicht. Das ergebe sich direkt aus dem Gesetz. Das vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten sei aus fachlichen Gründen nicht geeignet, zur Überzeugungsbildung beizutragen. Es gehe in rechtlicher Hinsicht von falschen Voraussetzungen aus und komme zu falschen Schlussfolgerungen. Der Gutachter sei der irrigen Auffassung, dass ambulante Maßnahmen ausgeschöpft werden müssten, bevor an eine stationäre Maßnahme zu denken sei. Er verkenne damit die rechtlichen Voraussetzungen des § 24 SGB V. Auch sei bereits erstinstanzlich gerügt worden, dass nach den einschlägigen Begutachtungsrichtlinien Vorsorge und Rehabilitation und dem dort zu findenden Begutachtungsalgorithmus ein Kausalzusammenhang und somit eine väterspezifische Problemsituation gegeben sei. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot sei ein Vorrang der ambulanten vor den stationären Leistungen nicht zu rechtfertigen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot enthalte unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen richterlichen Überprüfung zugänglich seien. Die Beklagte trage jedoch keinen konkreten Sachverhalt vor, dass die Mutter-Kind-Kur nicht ausreichend, zweckmäßig oder wirtschaftlich sei, sondern verweise lediglich auf ambulante Behandlungsmöglichkeiten. Sie lege auch nicht dar, ob die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten in ihrer Gesamtheit und Dauer im Vergleich mit einer im Regelfall dreiwöchigen Kur nicht deutlich teurer und unwirtschaftlicher seien. Der spezialgesetzlich ausgeschlossene Vorrang der ambulanten vor den stationären Leistungen im Bereich der §§ 24, 41 SGB V dürfe nicht im Wege einer Auslegung des § 12 SGB V wieder zum Leben erweckt werden. Soweit sich die Gegenseite darauf berufe, dass das Vorsorge- und Rehabilitationsziel auch mit ambulanten Maßnahmen erreichbar sei, sei in Erinnerung zu rufen, dass der Kläger zu 1) in überwiegender Erziehungsverantwortung für seine Kinder stehe und eine Vollzeitberufstätigkeit ausübe. Dies nicht aus Langeweile, sondern weil er damit die Existenz der Familie sichere. Neben der psychisch und physisch belastenden Berufstätigkeit müsse der klagende Vater den nächsten Berufstag vor- und nachbereiten, den Haushalt führen, die Einkäufe tätigen, die Hausaufgabenbetreuung übernehmen, Arztbesuche tätigen, Fahrdienste für das Kind übernehmen, Verwaltungsaufgaben erledigen und irgendwo dazwischen auch noch soziale Kontakte knüpfen, was tatsächlich zurzeit aber nicht möglich sei. Auch sollte er die Möglichkeit haben, sich irgendwann auch um sich selbst zu kümmern. Seine bisherigen Pflichtaufgaben zusammengezählt, würden leicht eine 70-Stunden-Woche ergeben. Dies reiche der Beklagten aber nicht aus, die zusätzlich noch die Inanspruchnahme ambulanter Behandlungen draufsatteln wolle. Zu dieser Frage habe das Sozialgericht Karlsruhe in einer aktuellen Entscheidung vom 28. Oktober 2010 – S 3 KR 2544/09 ausgeführt, dass in Bezug auf den möglichen Vorrang ambulanter Leistungen nicht ausschließlich die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung selbst zu beurteilen seien, sondern auch, ob die Versicherten dem gesundheitlich belastenden Einfluss ihrer Kinder in ihrer spezifischen Rolle als Erziehender weiter ausgesetzt blieben oder ob sie in dieser Rolle jedenfalls für die Dauer der Vorsorgemaßnahme Entlastung erführen. Das Sozialgericht Karlsruhe habe in dem von ihm entschiedenen Fall nicht feststellen können, dass durch intensivierte ambulante Behandlungsmaßnahme eine entlastende Wirkung für die dortige Klägerin in ihrer besonderen Rolle als allein erziehende berufstätige Mutter erreicht würde. Für die beabsichtige Wirkung hätten dem Sozialgericht Karlsruhe daher ambulante Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgereicht.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Juli 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die beantragte Vater Kind Kurmaßnahme zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ist das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht habe berücksichtigt, dass der Vorrang ambulanter vor stationären Leistungen im Bereich der Vater-Kind-Kuren nicht gelte und vor dem Hintergrund des maßgeblichen Wirtschaftlichkeitsgebotes entschieden. Auch das Schleswig-Holsteinische LSG habe unter dem Az. L 5 KR 94/14 B ER ausgeführt, aus § 12 SGB V ergebe sich, dass eine Vorsorgemaßnahme medizinisch notwendig sein müsse und ein Erreichen des mit der Maßnahme angestrebten Vorsorgeziel nicht mit anderen wirtschaftlicheren und zweckmäßigeren Maßnahmen möglich sein dürfe. Das Sozialgericht habe die rechtlichen Voraussetzungen des § 24 SGB V nicht verkannt. Mit Recht habe es sich auf das Sachverständigengutachten gestützt. Die gesundheitliche Situation des Klägers zu 1) sei als leichte Schwächung der Gesundheit einzuordnen, die Folge einer nicht optimalen Lebensführung und nicht die der Vater-Kind-Beziehung sei. Das sei vom Sachverständigen schlüssig dargelegt und vom Sozialgericht gewürdigt worden. Ziel einer Maßnahme nach § 24 SGB V sei die Minderung von gesundheitlichen Belastungen, die im Wesentlichen aus der Stellung als Vater eines Kindes verursacht bzw. aufrechterhalten würden. Derartige Belastungen seien beim Kläger zu 1) nicht nachzuweisen. Das in Bezug genommene Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 2010 - S3 KR 2544/09 sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, da der Kläger zu 1) nicht alleinerziehend sei. Im Übrigen sei auch nach dem Sozialgericht Karlsruhe Zweck der Leistung die Reduzierung von gesundheitlichen Belastungen, die im Wesentlichen aus der Eltern-Kind-Beziehung herrührten. Diese väterspezifische Problematik sei vorliegend nicht zu sehen. Auch sei ihr – der Beklagten – der Alltag des Klägers zu 1) sehr wohl verständlich. Sie halte aber für realitätsfern, dass der Kläger zu 1) neben seiner Vollzeitberufstätigkeit, der Führung des Haushaltes und der Wahrnehmung von Verwaltungs- und anderen Aufgaben auch noch die überwiegende Erziehungsverantwortung für sein Kind trage, während seine Ehefrau nur einer 400 EUR-Tätigkeit nachgehe.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat die Berufung durch Beschluss zurückweisen. Er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise angehört worden.

Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf die Gewährung einer stationären Leistung.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V haben Versicherte unter den in § 23 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Vater-Kind-Maßnahme erbracht werden. § 23 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln haben, wenn diese notwendig sind, (1.) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, (2.) einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, (3.) Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden oder (4.) Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Bei dem Kläger zu 1) liegt zwar eine Schwächung der Gesundheit vor, die in absehbarer Zeit zu einer Krankheit führen könnte. Das ergibt sich aus den Ausführungen des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen. Dieser hat festgestellt, dass bei dem Kläger zu 1) eine leichte Schwächung der Gesundheit besteht, die Risikofaktoren für die Entwicklung echter organischer Krankheiten am Haltungs- und Bewegungsapparat und am Herz-Kreislaufsystem darstellen. Aus einem Abgleich mit dem von der behandelnden Ärztin Dr. G erstellten Befundbericht ergibt sich, dass der Sachverständige die bei dem Kläger zu 1) vorhandenen Beschwerden sämtlich berücksichtigt hat. Der Senat lässt ausdrücklich dahingestellt, ob das Risiko des Eintritts einer Erkrankung bei dem Kläger zu 1) so groß ist, dass die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannte Voraussetzung, wonach eine bestehende Gesundheitsgefährdung voraussichtlich in absehbarer Zeit zu einer Erkrankung führen muss, als erfüllt anzusehen ist. Darauf kommt es nicht an, weil der Kläger zu 1) bereits aus anderen Gründen keinen Anspruch auf die Gewährung einer Leistung nach § 24 SGB V hat. Demnach ist auch nicht entscheidend, ob der Kläger zu 1) die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erfüllt.

Weitere für die Bewilligung einer Leistung nach § 24 SGB V erforderliche Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck, mit den besonderen Vorsorgemaßnahmen die Belastungen zu mindern, die wesentlich im Zusammenhang mit der Stellung der Versicherten als Eltern eines oder mehrerer Kinder stehen. Ein Anspruch auf (stationäre) Vorsorgeleistungen nach § 24 SGB V kann nur bestehen, wenn die Gesundheitsstörungen gerade auf den mit der Elternschaft einhergehenden besonderen Belastungen beruhen (LSG Berlin-Brandenburg v. 24. September 2012 –L 9 KR 312/12 B ER – juris Rn 2; SG Karlsruhe v 28. Oktober 2010 – S 3 KR 2544/09 – juris Rn 16). Der Kläger zu 1) kann Vorsorgeleistungen nach § 24 SGB V nicht für Gesundheitsstörungen in Anspruch nehmen, die ihre Ursache nicht in seiner Belastung aus dem Eltern-Kind-Verhältnis haben, sondern aus seiner Lebensführung und/oder seiner beruflichen Situation herrühren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation. Abgesehen davon, dass diese Richtlinie den Senat rechtlich nicht zu binden vermag, weil sie entsprechend § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V lediglich die Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und den Medizinischen Diensten zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung regelt, verkennen die Kläger auch ihren Inhalt. Insbesondere enthält sie keinen Algorithmus, nach dem aus dem Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen zwingend auf die Indikation für eine Vorsorgeleistung geschlossen werden könnte. Auf Seite 29 der Richtlinie (Stand: Februar 2012) werden lediglich beispielhaft bestimmte Gesundheitsstörungen angegeben, aus denen sich die Indikation für eine Vorsorgeleistung ergeben kann. Der Umstand, dass bei dem Kläger zu 1) bestimmte Gesundheitsstörungen vorliegen, welche der Art nach auch bei dem Bestehen einer familiären Belastungssituation eintreten können, belegt noch nicht, dass sie gerade bei dem Kläger zu 1) ihre Ursache in der Vater-Tochter-Beziehung haben. Im Übrigen stellt auch die Richtlinie für die Indikation einer Vorsorgemaßnahme darauf ab, ob die Gesundheitsstörungen ihre Ursache im familiären Bereich bzw. im Zusammenhang mit der Erziehungsverantwortung stehen (Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation, Stand: Februar 2012, S. 30/31).

Der Senat kann nicht feststellen, dass die bei dem Kläger zu 1) bestehenden Gesundheitsstörungen durch Belastungen hervorgerufen worden sind, die ihre Ursache gerade in dem Vater-Tochter-Verhältnis haben. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige hat einen solchen Zusammenhang ausdrücklich verneint. Der Senat hält diese Einschätzung für nachvollziehbar und zutreffend. Sie steht insbesondere in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Sachverständigen zu den Lebensumständen des Klägers zu 1). Dass diese Feststellungen unrichtig sein könnten, ist nicht ersichtlich; auch der Kläger zu 1) hat dafür nichts vorgetragen. Der Sachverständige referiert, dass der Kläger zu 1) nach eigenen Angaben um 4:45 Uhr die Familienwohnung verlässt, um zur Arbeit zu fahren, und um 17:15 Uhr wieder zurückkehrt. Um 22:30 Uhr geht er zu Bett, hat aber dreimal wöchentlich eine Musikprobe. Diese Tageseinteilung erhellt, dass der Kläger zu 1) nicht die meiste Zeit des Tages mit seiner Tochter verbringt, sondern dass seine berufliche bedingte Aushäusigkeit zeitlich weit überwiegt. Das würde zwar abstrakt noch nicht ausschließen, dass sich für ihn im Zusammenhang mit der Betreuung und Erziehung seiner Tochter weitere erhebliche Belastungsfaktoren ergeben. Der Senat vermag dafür indessen keine konkreten Anhaltspunkte zu erkennen. Vielmehr spricht alles dafür, dass die von der Rolle als Vater ausgehende Belastung des Klägers zu 1) nicht das für Eltern Übliche übersteigt.

Für eine im unteren bis durchschnittlichen Bereich des Üblichen verbleibende Belastung ist an erster Stelle anzuführen, dass der Kläger zu 1) nicht alleinerziehend ist, sondern im Familienverbund mit seiner Ehefrau zusammenlebt. Zwar ist seine Ehefrau ebenfalls berufstätig, dies aber nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung. Das rechtfertigt die Annahme, dass sie sich stärker bei der Betreuung der gemeinsamen Tochter engagiert, als dies bei dem Kläger zu 1) der Fall ist. Gegenteilige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Der Kläger zu 1) hat insbesondere nicht vorgetragen, in welchem zeitlichen Umfang er sich im Vergleich zu seiner Ehefrau um die Erziehung und Betreuung der gemeinsamen Tochter gekümmert hat, obwohl schon die Beklagte nachdrücklich auf die lediglich geringfügige Beschäftigung der Ehefrau und die daraus für den Betreuungsaufwand zu ziehenden Schlüsse hingewiesen hat. Für eine eher geringe Belastung des Klägers zu 1) in seiner Vaterrolle spricht auch, dass seine Tochter ein Einzelkind ist und sie bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der hier streitigen Leistungen im Schulkindalter war. Das Baby- und Kleinkindalter, in welchen Kinder die meiste Betreuung durch ihre Eltern benötigen, war schon damals verstrichen. Nach den Feststellungen des vom Sozialgericht bestellten Gutachters ist die Klägerin zu 2) ein "normal" entwickeltes Mädchen ohne Schwierigkeiten in der Schule oder sonstige soziale oder psychische Auffälligkeiten. Auch die Vater-Kind-Beziehung ist nicht gestört. Als besonderer Belastungsfaktor kommt allein die vom Gutachter beschriebene erhöhte Infektanfälligkeit des Kindes in Betracht. Insoweit ist aber darauf zu verweisen, dass sich aus ihr nach den Feststellungen des Sachverständigen bislang keine nachteiligen Folgen mit Gefahren für die Entwicklung der Klägerin zu 2) ergeben haben, die durch erhöhten elterlichen Einsatz aufgefangen werden müssten.

Auch soweit der Kläger zu 1) weitere Belastungsfaktoren geltend macht, wie gesundheitliche Probleme des Kindes, die zu einer Gesundheitsgefährdung des Vaters führen können, Verantwortung für die Pflege von Familienangehörigen, Schwierigkeiten bei der Problembewältigung, insbesondere denen des Alltags, ständiger Zeitdruck, finanzielle Sorgen und soziale Isolation, kann sich der Senat von deren Vorliegen nicht überzeugen. So hat der vom Sozialgericht gehörte Sachverständige nicht bestätigt, dass die gehäuften Infekte der Tochter auf den Vater übergehen und bei ihm eine Gesundheitsgefährdung auslösen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1) Pflegeleistungen (im Sinne des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch) für ein Familienmitglied erbringt, der Kläger zu 1) hat dazu jedenfalls nichts vorgetragen. Es fehlt auch näherer Vortrag zu den behaupteten finanziellen Schwierigkeiten und zur sozialen Isolation. Dass der Kläger zu 1), wie er in seinem Widerspruch angibt, der Hauptverdiener in der Familie ist, begründet noch keine finanzielle Notlage. Das Fehlen jeglicher sozialer Kontakte scheint dem Senat insbesondere deswegen fragwürdig zu sein, weil der Kläger zu 1) bei dem vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen angegeben hat, dreimal wöchentlich an Musikproben teilzunehmen. Im Übrigen hat er mit der Widerspruchsbegründung auf noch bestehende Kontakte mit seiner Verwandtschaft hingewiesen. Die Lösung welcher Probleme ihm Schwierigkeiten bereitet, hat der Kläger zu 1) nicht weiter ausgeführt. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass er zeitlich stärker belastet ist, als es für einen in Vollzeit berufstätigen Arbeitnehmer üblich ist. Dass der Kläger zu 1) sich nach Feierabend und insbesondere an den Wochenenden um seine Tochter kümmert, entspricht einer normalen familiären Beziehung und vermag ebenfalls keine besondere Belastung zu begründen.

Die Einschätzung der behandelnden Ärztin Dr. G überzeugt den Senat nicht. Dr. G hatte in ihrem Befundbericht auf die Frage nach der Kausalität von Belastungen im Vater-Tochter-Verhältnis für die Gesundheitsstörungen ausgeführt, dass die Erkrankungen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) nach ihrer Einschätzung durch ungelöste häusliche Konflikte bedingt seien. Welche Konflikte sie damit meint, erläutert die Ärztin aber nicht weiter. Auch von Seiten der Kläger gibt es dazu keinen weiteren Vortrag aus dem Klageverfahren. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger zu 1) dagegen vorgetragen, es gebe Schwierigkeiten in der Beziehung zu seiner Ehefrau und in seinem Verhältnis mit seiner Schwester und seinen Eltern. Konflikte zwischen dem Kläger zu 1) und seiner Ehefrau bzw. zwischen ihm und seiner Ursprungsfamilie sind aber keine Belastungen, die ihre Ursache in der Vater-Tochter-Beziehung haben.

Liegen danach schon die Voraussetzungen für eine stationäre Maßnahme nach § 24 SGB V nicht vor, kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob es dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen würde, dem Kläger zu 1) statt ihm eine solche Maßnahme zu bewilligen auf die ambulante Versorgung zu verweisen. Die dazu von den Klägern aufgeworfene Frage, ob eine ambulante Behandlung nicht deswegen ausscheidet, weil sie zeitlich neben der Kinderziehung nicht möglich ist und sie auch die aus der Erziehung herrührenden Belastungen nicht auffängt, stellt sich hier nicht, weil der Kläger zu 1) nach den Feststellungen des Senats keiner besonderen Belastung durch das Vater-Kind-Verhältnis unterliegt.

Hat der Kläger zu 1) damit keinen Anspruch auf medizinische Vorsorgeleistungen, scheidet auch ein Anspruch der Klägerin zu 2) auf Teilnahme im Rahmen einer Vater-Kind-Maßnahme aus. Dieser setzt nämlich das Bestehen eines Vorsorgeanspruchs des Vaters voraus.

Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 41 SGB V im Rahmen einer Vater-Kind-Maßnahme in Einrichtungen des Müttergenesungswerkes oder einer vergleichbaren Einrichtung. Voraussetzung dafür wäre, wie der Verweis der Vorschrift auf § 27 SGB V ergibt, das Vorliegen einer Krankheit bei dem Kläger zu 1). Daran fehlt es aber. Der Kläger zu 1) leidet lediglich an Gesundheitsstörungen, die noch nicht das Ausmaß einer Krankheit erreicht haben. Dafür bezieht sich der Senat wieder auf die Feststellungen des vom Sozialgericht beauftragten Sachverständigen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved