Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 16 R 6037/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 43/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Während ein Eilverfahren betrieben wird, kann keine Frist bezüglich einer fiktiven Rücknahme der Hauptsache in Gang gesetzt werden.
2. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid setzt voraus, dass den Beteiligten vorher die Schriftsätze der jeweils anderen Seite eröffnet wurden.
3. Eine Zurückverweisung ist auch dann zulässig, wenn notwendig Beizuladende nicht beigeladen wurden.
2. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid setzt voraus, dass den Beteiligten vorher die Schriftsätze der jeweils anderen Seite eröffnet wurden.
3. Eine Zurückverweisung ist auch dann zulässig, wenn notwendig Beizuladende nicht beigeladen wurden.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2014 aufgehoben.
II. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Bayreuth zurückverwiesen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren wird auf 35.527,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Versicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen durch die Beklagte.
Mit Bescheid vom 08.12.2011 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2008 Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und darauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 51.801,21 EUR nach. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Bescheid mit Datum vom 22.08.2013, worin die Gesamthöhe der Nachforderung auf 35.527,85 EUR reduziert wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2014 wurde der Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 05.03.2014 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Die Klägerin begründete mit Schreiben vom 02.05.2014 ihre Klage in der Hauptsache und stellte gleichzeitig Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Im Rahmen des Klageverfahrens setzte der Vorsitzende der Kammer der Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2014 Frist, sich zur Klageerwiderung der Beklagten vom 28.05.2014 zu äußern, was auch nach wiederholter Aufforderung nicht geschah. Die notwendigen Beiladungen nahm das Sozialgericht nicht vor.
Mit Beschluss vom 06.06.2014 lehnte das Sozialgericht Bayreuth den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unbegründet ab. An der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehe nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde zum Bay. Landessozialgericht ein.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 18.08.2014, der Klägerin per Fax am 18.08.2014 zugegangen, mahnte der Vorsitzende der Kammer Erledigung des gerichtlichen Schreibens vom 02.06.2014 bis 14.09.2014 an. Gleichzeitig wurde die Klägerin im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 02.06.2014 darauf hingewiesen, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betrieben würde. Des Weiteren wurde die Klägerin auf die Kostenfolgen hingewiesen.
Mit Beschluss vom 12.09.2014 wies das Bayer. Landessozialgericht unter Az.: L 16 R 632/14 B ER die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 06.06.2014 zurück. Zutreffend habe das SG festgestellt, dass keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.
Mit Schreiben vom 24.11.2014 teilte das Sozialgericht Bayreuth den Beteiligten mit, dass die Klage als zurückgenommen gelte gemäß § 102 Abs. 2 SGG; die Klägerin habe das Verfahren trotz gerichtlicher Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben. Mit Beschluss vom 24.11.2014 setzte das Sozialgericht den Streitwert auf 35.527,28 EUR fest ohne die Beteiligten hierzu vorher anzuhören.
Mit Schreiben vom 25.11.2014 erhob die Klägerin Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG gegen den Beschluss des Sozialgerichts, über die, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht entschieden wurde. Gleichzeitig beantragte die Klägerin Feststellung, dass der Rechtsstreit durch die fiktive Klagerücknahme nicht beendet wurde, da die Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme nicht vorgelegen hätten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.12.2014 teilte das Sozialgericht den Beteiligten mit, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Hierzu bestünde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 17.12.2012.
Mit Schreiben vom 08.12.2014 äußerte sich die Beklagte dahingehend, dass gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keine Bedenken bestünden. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass die Beitragsnachforderung 35.527,85 und nicht - wie im Streitwertbeschluss festgesetzt - 35.527,28 EUR betrage; der Beschluss vom 24.11.2014 sei insoweit zu korrigieren. Der Vorsitzende der Kammer vermerkte auf dem Schreiben der Beklagten "I. Kenntnis genommen und II. Wiedervorlage 17.12.", ohne das Schreiben des Beklagten an die Klägerseite weiterzuleiten.
Mit Schreiben vom 17.12.2014, eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am 17.12.2014, teilte die Klägerseite dem Gericht mit, dass einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt werde, da große Teile der Forderung bezahlt seien. Dieses Schreiben wurde der Beklagten nicht zur Kenntnis gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 stellte das Sozialgericht Bayreuth fest, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage erledigt sei. Das Schreiben der Klägerin vom 17.12.2014 wurde weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt. Gleichzeitig wurde der Streitwert im Urteil korrigiert, ohne dass der Beschluss vom 24.11.2014 insoweit im Gerichtsbescheid erwähnt wurde. In den Entscheidungsgründen legte das Sozialgericht dar, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid möglich sei, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise, der Sachverhalt geklärt sei, die Beteiligten vorher gehört worden seien und die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2014 auch zugestimmt habe. In der Sache selbst sei festzustellen, dass die Fiktion der Klagerücknahme eingetreten sei. Die Klägerin habe sich trotz mehrmaliger richterlicher Aufforderung nicht geäußert. Nach Fristsetzung und Hinweis auf § 102 Abs. 2 SGG habe sich die Klägerseite länger als drei Monate nicht geäußert.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Gerichtsbescheid verletze ihr rechtliches Gehör. Darüber hinaus hätten die Voraussetzungen für die Annahme einer Fiktion der Klagerücknahme nicht vorgelegen. Daher sei der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Bescheide der Beklagten vom 08.12.2011 und 22.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2014 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2014 aufzuheben, hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.
Unabhängig vom Zustandekommen des Gerichtsbescheides und dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme könne die Berufung in der Sache selbst keinen Erfolg haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch begründet im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache nach eigenem Ermessen an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entschieden (159 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. dazu unten unter 1.) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, der eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erfordert (159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, vgl. dazu unten unter 2.).
1. Es liegt ein Zurückverweisungsgrund nach §159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor, da das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Sozialgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgelegen hätten, obwohl dies nicht der Fall war.
Die Fiktion der Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG tritt grundsätzlich ein, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Dabei ist aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings zu beachten (Bundesverfassungsgericht NVwZ 1994, S. 62), dass die Rücknahmefiktion nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, insbesondere wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen. Unter welchen Umständen ein solcher Wegfall angenommen werden kann, hängt vom Einzelfall ab (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014 § 102 Rz. 8a). Allein mangelndes Interesse, das etwa durch unzureichende Mitwirkung oder Fernbleiben bei Terminen reicht noch nicht aus; vielmehr ist eine Gesamtwürdigung von Betreibensaufforderung und Verhalten des Klägers notwendig (Leitherer a.a.O.).
Der Gerichtsbescheid lässt nicht erkennen, dass das Sozialgericht derartig weitgehende Überlegungen angestellt hat; es hat lediglich auf seine Betreibensaufforderung abgestellt, die allerdings auch für sich alleine genommen nicht den Voraussetzungen des § 102 SGG entspricht. Die Fristsetzung ist unklar. Durch die doppelte Fristsetzung - zum einen eine erneute Äußerungsfrist zum Schreiben vom 02.06.2014 bis zum 14.09.2014, zum anderen eine Drei-Monatsfrist, deren Beginn schon im Hinblick auf den Zugang des Schreibens vom 18.08.2014 bei der Klägerin nicht hinreichend definiert ist - wurde den Anforderungen des § 102 SGG an eine präzise Fristsetzung nicht Genüge getan. Zudem hat die Klägerin das Verfahren während der gesetzten Frist betrieben. Die Klägerin hat das Verfahren nach dem 18.08.2014 schon allein dadurch betrieben, dass zur Hauptsache noch eine Beschwerde im Rahmen des Eilantrags der Klägerseite beim Landessozialgericht bis zur Zustellung des Beschlusses des LSG vom 12.09.2014 anhängig war. Solange ein Kläger noch ein Eilverfahren zur Hauptsache betreibt, verbietet es sich, ein mangelndes Rechtsschutzinteresse der Klägerseite anzunehmen und die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Bezug auf die Hauptsache überhaupt in Gang zu setzen.
2. Soweit darüber hinaus wesentliche Verfahrensmängel i.S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen, kommt es hierauf nicht weiter an, da bereits - wie unter 1. dargelegt - § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Zurückverweisung ermöglicht.
Anzumerken ist insoweit jedoch, dass der Kammervorsitzende vom Schreiben der Beklagten vom 08.12.2014, mit der diese ihre Stellungnahme zur Entscheidung durch Gerichtsentscheid abgab und darüber hinaus die Fehlerhaftigkeit des Streitwertbeschlusses rügte, lediglich Kenntnis genommen und dieses Schreiben nicht der Klägerin übermittelt hat. Damit hat die Klägerin nicht Kenntnis vom Vortrag der Gegenseite erhalten hat, was notwendig gewesen wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Auflage 2014 § 105 Rz. 13).
Des Weiteren hat der Kammervorsitzende den Schriftsatz der Klägerin, der fristgemäß am 17.12.2014 eingegangen ist, der Beklagten nicht zugeleitet. Zudem hat der Kammervorsitzende dieses Scheiben im Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 nicht einmal erwähnt.
Auch hat der Kammervorsitzende den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid einfach geändert, ohne hierzu die Beteiligten vorher nochmals zu hören. Die Änderung des Streitwertbeschlusses vom 24.11.2014 wurde im Gerichtsbescheid vorgenommen, ohne den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid zu erwähnen bzw. aufzuheben bzw. abzuändern.
Das Sozialgericht hat es darüber hinaus unterlassen, die betroffenen Sozialversicherungsträger notwendig beizuladen, § 75 Abs. 2 SGG (vgl. BayLSG Urteil vom 07.10.2014, L 5 571/14 R).
3. Der Senat macht von dem ihm in § 159 Abs. 1 SGG eröffneten Ermessen, die Sache zurückzuverweisen, Gebrauch, weil von Seiten des Sozialgerichts aufgrund der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen von § 102 SGG auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Klägerbegehren verzichtet wurde (vgl. BayLSG Urteil vom 05.02.2014, L 2 U 406/13 Rz. 26). Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass im Berufungsverfahren erstmals inhaltliche Überlegungen und gegebenenfalls Ermittlungen zum Sachverhalt vorgenommen würden, zumindest aber erstmals die notwendig Beizuladenden sich äußern könnten. Darin liegt eine erhebliche faktische Verkürzung des Rechtsschutzes zu Lasten der Klägerin und auch der Beigeladenen, dem durch die Zurückverweisung begegnet werden kann.
Das die Sache zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung, da diese Entscheidung dem Sozialgericht vorbehalten bleibt, BayLSG Urteil vom 05.04.2014, L 2 U 406/13 Rz. 27.
Auch wenn bei der Zurückverweisung keine Kostenentscheidung erfolgt, ist doch für das Berufungsverfahren bezüglich der Zurückverweisung ein Streitwert festzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 30/13 R). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit Gerichtskostengesetz, wobei der Streitwert sich aus der Höhe der verbliebenen Gesamtforderung der Beklagten ergibt, die 35.527,85 EUR beträgt.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Bayreuth zurückverwiesen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren wird auf 35.527,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Versicherungsbeiträgen samt Säumniszuschlägen durch die Beklagte.
Mit Bescheid vom 08.12.2011 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2008 Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und darauf entfallende Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 51.801,21 EUR nach. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte einen Bescheid mit Datum vom 22.08.2013, worin die Gesamthöhe der Nachforderung auf 35.527,85 EUR reduziert wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2014 wurde der Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 05.03.2014 Klage zum Sozialgericht Bayreuth. Die Klägerin begründete mit Schreiben vom 02.05.2014 ihre Klage in der Hauptsache und stellte gleichzeitig Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Im Rahmen des Klageverfahrens setzte der Vorsitzende der Kammer der Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2014 Frist, sich zur Klageerwiderung der Beklagten vom 28.05.2014 zu äußern, was auch nach wiederholter Aufforderung nicht geschah. Die notwendigen Beiladungen nahm das Sozialgericht nicht vor.
Mit Beschluss vom 06.06.2014 lehnte das Sozialgericht Bayreuth den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unbegründet ab. An der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehe nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Zweifel. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde zum Bay. Landessozialgericht ein.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 18.08.2014, der Klägerin per Fax am 18.08.2014 zugegangen, mahnte der Vorsitzende der Kammer Erledigung des gerichtlichen Schreibens vom 02.06.2014 bis 14.09.2014 an. Gleichzeitig wurde die Klägerin im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 02.06.2014 darauf hingewiesen, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gelte, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betrieben würde. Des Weiteren wurde die Klägerin auf die Kostenfolgen hingewiesen.
Mit Beschluss vom 12.09.2014 wies das Bayer. Landessozialgericht unter Az.: L 16 R 632/14 B ER die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 06.06.2014 zurück. Zutreffend habe das SG festgestellt, dass keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.
Mit Schreiben vom 24.11.2014 teilte das Sozialgericht Bayreuth den Beteiligten mit, dass die Klage als zurückgenommen gelte gemäß § 102 Abs. 2 SGG; die Klägerin habe das Verfahren trotz gerichtlicher Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben. Mit Beschluss vom 24.11.2014 setzte das Sozialgericht den Streitwert auf 35.527,28 EUR fest ohne die Beteiligten hierzu vorher anzuhören.
Mit Schreiben vom 25.11.2014 erhob die Klägerin Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG gegen den Beschluss des Sozialgerichts, über die, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht entschieden wurde. Gleichzeitig beantragte die Klägerin Feststellung, dass der Rechtsstreit durch die fiktive Klagerücknahme nicht beendet wurde, da die Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme nicht vorgelegen hätten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.12.2014 teilte das Sozialgericht den Beteiligten mit, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Hierzu bestünde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 17.12.2012.
Mit Schreiben vom 08.12.2014 äußerte sich die Beklagte dahingehend, dass gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keine Bedenken bestünden. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass die Beitragsnachforderung 35.527,85 und nicht - wie im Streitwertbeschluss festgesetzt - 35.527,28 EUR betrage; der Beschluss vom 24.11.2014 sei insoweit zu korrigieren. Der Vorsitzende der Kammer vermerkte auf dem Schreiben der Beklagten "I. Kenntnis genommen und II. Wiedervorlage 17.12.", ohne das Schreiben des Beklagten an die Klägerseite weiterzuleiten.
Mit Schreiben vom 17.12.2014, eingegangen beim Sozialgericht Bayreuth am 17.12.2014, teilte die Klägerseite dem Gericht mit, dass einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht zugestimmt werde, da große Teile der Forderung bezahlt seien. Dieses Schreiben wurde der Beklagten nicht zur Kenntnis gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 stellte das Sozialgericht Bayreuth fest, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Klage erledigt sei. Das Schreiben der Klägerin vom 17.12.2014 wurde weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen erwähnt. Gleichzeitig wurde der Streitwert im Urteil korrigiert, ohne dass der Beschluss vom 24.11.2014 insoweit im Gerichtsbescheid erwähnt wurde. In den Entscheidungsgründen legte das Sozialgericht dar, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid möglich sei, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweise, der Sachverhalt geklärt sei, die Beteiligten vorher gehört worden seien und die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2014 auch zugestimmt habe. In der Sache selbst sei festzustellen, dass die Fiktion der Klagerücknahme eingetreten sei. Die Klägerin habe sich trotz mehrmaliger richterlicher Aufforderung nicht geäußert. Nach Fristsetzung und Hinweis auf § 102 Abs. 2 SGG habe sich die Klägerseite länger als drei Monate nicht geäußert.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Gerichtsbescheid verletze ihr rechtliches Gehör. Darüber hinaus hätten die Voraussetzungen für die Annahme einer Fiktion der Klagerücknahme nicht vorgelegen. Daher sei der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Bescheide der Beklagten vom 08.12.2011 und 22.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2014 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2014 aufzuheben, hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Rechtssache an das Sozialgericht Bayreuth unter Aufhebung des Gerichtsbescheids zurückzuverweisen.
Unabhängig vom Zustandekommen des Gerichtsbescheides und dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Klagerücknahme könne die Berufung in der Sache selbst keinen Erfolg haben.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch begründet im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache nach eigenem Ermessen an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entschieden (159 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. dazu unten unter 1.) oder das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, der eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erfordert (159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, vgl. dazu unten unter 2.).
1. Es liegt ein Zurückverweisungsgrund nach §159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vor, da das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Sozialgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgelegen hätten, obwohl dies nicht der Fall war.
Die Fiktion der Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG tritt grundsätzlich ein, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Dabei ist aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings zu beachten (Bundesverfassungsgericht NVwZ 1994, S. 62), dass die Rücknahmefiktion nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, insbesondere wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers vorliegen. Unter welchen Umständen ein solcher Wegfall angenommen werden kann, hängt vom Einzelfall ab (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Auflage 2014 § 102 Rz. 8a). Allein mangelndes Interesse, das etwa durch unzureichende Mitwirkung oder Fernbleiben bei Terminen reicht noch nicht aus; vielmehr ist eine Gesamtwürdigung von Betreibensaufforderung und Verhalten des Klägers notwendig (Leitherer a.a.O.).
Der Gerichtsbescheid lässt nicht erkennen, dass das Sozialgericht derartig weitgehende Überlegungen angestellt hat; es hat lediglich auf seine Betreibensaufforderung abgestellt, die allerdings auch für sich alleine genommen nicht den Voraussetzungen des § 102 SGG entspricht. Die Fristsetzung ist unklar. Durch die doppelte Fristsetzung - zum einen eine erneute Äußerungsfrist zum Schreiben vom 02.06.2014 bis zum 14.09.2014, zum anderen eine Drei-Monatsfrist, deren Beginn schon im Hinblick auf den Zugang des Schreibens vom 18.08.2014 bei der Klägerin nicht hinreichend definiert ist - wurde den Anforderungen des § 102 SGG an eine präzise Fristsetzung nicht Genüge getan. Zudem hat die Klägerin das Verfahren während der gesetzten Frist betrieben. Die Klägerin hat das Verfahren nach dem 18.08.2014 schon allein dadurch betrieben, dass zur Hauptsache noch eine Beschwerde im Rahmen des Eilantrags der Klägerseite beim Landessozialgericht bis zur Zustellung des Beschlusses des LSG vom 12.09.2014 anhängig war. Solange ein Kläger noch ein Eilverfahren zur Hauptsache betreibt, verbietet es sich, ein mangelndes Rechtsschutzinteresse der Klägerseite anzunehmen und die Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG in Bezug auf die Hauptsache überhaupt in Gang zu setzen.
2. Soweit darüber hinaus wesentliche Verfahrensmängel i.S. von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen, kommt es hierauf nicht weiter an, da bereits - wie unter 1. dargelegt - § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Zurückverweisung ermöglicht.
Anzumerken ist insoweit jedoch, dass der Kammervorsitzende vom Schreiben der Beklagten vom 08.12.2014, mit der diese ihre Stellungnahme zur Entscheidung durch Gerichtsentscheid abgab und darüber hinaus die Fehlerhaftigkeit des Streitwertbeschlusses rügte, lediglich Kenntnis genommen und dieses Schreiben nicht der Klägerin übermittelt hat. Damit hat die Klägerin nicht Kenntnis vom Vortrag der Gegenseite erhalten hat, was notwendig gewesen wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Auflage 2014 § 105 Rz. 13).
Des Weiteren hat der Kammervorsitzende den Schriftsatz der Klägerin, der fristgemäß am 17.12.2014 eingegangen ist, der Beklagten nicht zugeleitet. Zudem hat der Kammervorsitzende dieses Scheiben im Gerichtsbescheid vom 18.12.2014 nicht einmal erwähnt.
Auch hat der Kammervorsitzende den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid einfach geändert, ohne hierzu die Beteiligten vorher nochmals zu hören. Die Änderung des Streitwertbeschlusses vom 24.11.2014 wurde im Gerichtsbescheid vorgenommen, ohne den Streitwertbeschluss vom 24.11.2014 im Gerichtsbescheid zu erwähnen bzw. aufzuheben bzw. abzuändern.
Das Sozialgericht hat es darüber hinaus unterlassen, die betroffenen Sozialversicherungsträger notwendig beizuladen, § 75 Abs. 2 SGG (vgl. BayLSG Urteil vom 07.10.2014, L 5 571/14 R).
3. Der Senat macht von dem ihm in § 159 Abs. 1 SGG eröffneten Ermessen, die Sache zurückzuverweisen, Gebrauch, weil von Seiten des Sozialgerichts aufgrund der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen von § 102 SGG auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Klägerbegehren verzichtet wurde (vgl. BayLSG Urteil vom 05.02.2014, L 2 U 406/13 Rz. 26). Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass im Berufungsverfahren erstmals inhaltliche Überlegungen und gegebenenfalls Ermittlungen zum Sachverhalt vorgenommen würden, zumindest aber erstmals die notwendig Beizuladenden sich äußern könnten. Darin liegt eine erhebliche faktische Verkürzung des Rechtsschutzes zu Lasten der Klägerin und auch der Beigeladenen, dem durch die Zurückverweisung begegnet werden kann.
Das die Sache zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung, da diese Entscheidung dem Sozialgericht vorbehalten bleibt, BayLSG Urteil vom 05.04.2014, L 2 U 406/13 Rz. 27.
Auch wenn bei der Zurückverweisung keine Kostenentscheidung erfolgt, ist doch für das Berufungsverfahren bezüglich der Zurückverweisung ein Streitwert festzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 02.09.2014, B 1 KR 30/13 R). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit Gerichtskostengesetz, wobei der Streitwert sich aus der Höhe der verbliebenen Gesamtforderung der Beklagten ergibt, die 35.527,85 EUR beträgt.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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