Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 21/15 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
L 37 SF 274/12 EK AS - B 10 ÜG 9/13
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.000,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 04. Dezember 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 40 %, die Klägerin zu 60 % zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 17. April 2007 beantragte die Klägerin beim später beklagten Jobcenter die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Nachdem dieses die Gewährung unter Hinweis auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft und die nicht mögliche Prüfung der Hilfebedürftigkeit mangels Vorlage aktueller Einkommensnachweise des Mitbewohners abgelehnt hatte, erhob die bereits seinerzeit durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertretene Klägerin am 03. August 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin.
Auf richterliche Verfügung vom 17. August 2007 bestätigte das Sozialgericht Berlin unter dem 21. August 2007 den Eingang der unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 registrierten Klage. Am 22. Oktober 2007 ging - nach zwischenzeitlicher Erinnerung durch das Gericht am 02. Oktober 2007 - die erbetene Stellungnahme des damaligen Beklagten ein. Dieser teilte insbesondere mit, dass er bereits mit Bescheid vom 09. August 2007 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und dem klägerischen Begehren damit entsprochen habe. Mit neun Tage später, also am 31. Oktober 2007 eingegangenem Schriftsatz wies er schließlich darauf hin, dass sich die Hauptsache nur teilweise erledigt habe. Die Bevollmächtigte der Klägerin erklärte in einem ebenfalls am 31. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz auf die gerichtliche Bitte vom 24. Oktober 2007 um Abgabe einer das Verfahren abschließenden Erklärung, dass die Klägerin weiterhin keine Leistungen erhalte. Vielmehr sei sie inzwischen erneut aufgefordert worden, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen und Unterlagen des Mitbewohners vorzulegen. Nachdem sie dies abgelehnt hätte, habe der Beklagte am 28. August 2007 einen Versagungsbescheid erlassen, gegen den Widerspruch eingelegt werde. Nachdem das Gericht den damaligen Beklagten am 05. November 2007 gebeten hatte, den Widerspruchsbescheid zu gegebener Zeit zu übersenden, und ihm die Leistungsakten wieder zur Verfügung gestellt hatte, erklärte dieser mit am 13. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz, keinen Widerspruchsbescheid erlassen zu können, da der Versagungsbescheid trotz anderslautender Rechtsbehelfsbelehrung Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Der Schriftsatz wurde der Bevollmächtigten auf richterliche Verfügung vom 20. Dezember 2007 unter dem 16. Januar 2008 mit dem Hinweis übersandt, dass die Auffassung des Jobcenters wohl zutreffen würde, woraufhin diese postwendend (Eingang am 21. Januar 2008) um Terminierung der Sache bat. Das Gericht verwies daraufhin unter dem 29. Januar 2008 auf die Vielzahl vorrangig zu bearbeitender Verfahren, die eine Terminierung unmöglich machten, und verfristete die Sache für drei Monate.
Nachdem es zwischenzeitlich zu einem Wechsel im Kammervorsitz gekommen war, äußerte der neue Kammervorsitzende im Mai 2008 (Verfügung vom 14. Mai, ausgeführt am 27. Mai 2008) unter Bezugnahme auf einen Bericht des Prüfdienstes des Jobcenters Zweifel am Vortrag der Klägerin bzgl. des Nichtbestehens einer Bedarfsgemeinschaft und bat um Stellungnahme. Nachdem ihr unter dem 16. Juni 2008 wunschgemäß vom Gericht der genannte Bericht übersandt worden war, trug die Bevollmächtigte mit am 29. Juli 2008 eingegangenem Schriftsatz nochmals zur Sache vor. Hierzu nahm der damalige Beklagte mit am 19. August 2008 eingegangenem Schriftsatz Stellung, woraufhin der Kammervorsitzende die Sache schließlich am 07. Januar 2009 in das so genannte Entscheidungsfach verfügte.
Auf richterliche Verfügung vom 18. August 2009 wurde zwei Tage später für den 10. September 2009 ein Erörterungstermin anberaumt. Der streitgegenständliche Zeitraum wurde dort auf die Zeit vom 07. Juli 2007 bis Ende Februar 2008 eingegrenzt, da die Klägerin nach eigenem Bekunden zum 01. März 2008 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 16. September 2009 forderte das Gericht umfangreiche Belege zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit an. Am 03. November 2009 wurden Unterlagen vorgelegt, auf umgehende gerichtliche Nachfrage unter dem 23. November sowie 15. Dezember 2009 ergänzende Stellungnahmen abgegeben und weitere Belege eingereicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Dezember 2009 wurde der Beklagte des Ausgangsverfahrens um Stellungnahme gebeten; die Verwaltungsakten wurden ihm mitgeschickt. Der zuständige Richter setzte sich eine Wiedervorlagefrist von einem Monat. Unter dem 26. Januar und 18. Februar 2010 wurde der Beklagte des Ausgangsverfahrens jeweils schriftlich erinnert; der Richter setzte sich Wiedervorlagefristen von drei Wochen bzw. einem Monat. Nachdem ihm der Vorgang am 26. März 2010 wieder vorgelegt worden war, rief er die zuständige Sachbearbeiterin beim damaligen Beklagten am 31. März 2010 an, die ausweislich des Aktenvermerks eine Erledigung "nach Ostern" zusagte. In dem schließlich am 15. April 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz stellte das Job-center diverse Rückfragen, die der Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 26. April 2010 zur Stellungnahme zugeleitet wurden. Die Erwiderung ging am 14. Juni 2010 bei Gericht ein. Der Rechtsstreit wurde als entscheidungsreif angesehen.
Unter dem 09. September 2010 sowie dem 28. Januar 2011 wurde seitens der Klägerin um eine alsbaldige Entscheidung gebeten. Auf ihre telefonische Anfrage vom 21. Februar 2011 wurde schließlich mit am 16. März 2011 gefertigtem Schreiben ein Termin für den Sommer in Aussicht gestellt. Das Schreiben musste zwei Wochen später erneut abgesandt werden, da es zuvor - aufgrund nicht deutlich angezeigter Verlegung des Kanzleisitzes - mit dem Hinweis, dass der Empfänger nicht zu ermitteln sei, zurückgelangt war.
Unter dem 20. September 2011 bat der Vorsitzende der Kammer in Vorbereitung der Sitzung um die Angabe von Anschriften verschiedener als Zeugen in Betracht kommender Personen. Weiter gab er Gelegenheit mitzuteilen, wann die Klägerin und die Zeugen nicht für einen Termin zur Verfügung stehen würden. Die Antwort ging am 05. Oktober 2011 bei Gericht ein. Anstehende Urlaube wurden nicht mitgeteilt.
Mit richterlicher Verfügung vom 20. Dezember 2011 wurde der Rechtsstreit schließlich unter dem 27. Dezember 2011 auf den 26. Januar 2012 terminiert. Dieser Termin wurde aufgrund einer urlaubsbedingten Verhinderung der Klägerin am 04. Januar 2012 wieder aufgehoben. Am selben Tage wurde seitens der Klägerin Verzögerungsrüge erhoben. Am 29. Februar 2012 verfügte der Kammervorsitzende eine Neuterminierung nunmehr auf den 22. März 2012. Dieser Termin wurde wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin Anfang März 2012 aufgehoben. Nachdem es in der für die Bearbeitung des Verfahrens zuständigen Kammer zwischenzeitlich erneut einen Wechsel im Vorsitz gegeben hatte, wurde auf richterliche Verfügung vom 14. Juni 2012 ein Erörterungstermin zur Beweisaufnahme auf den 04. September 2012 anberaumt. Dieser Termin wurde infolge einer Verhinderung der Klägerin unter dem 06. Juli 2012 aufgehoben. Auf richterliche Verfügung vom 03. August 2012 (ausgeführt am 16. August 2012) wurde die Sache dann schließlich auf den 25. September 2012 angesetzt. Im Erörterungstermin am 25. September 2012 verwies die Kammervorsitzende darauf, dass der Versagungsbescheid vom 28. August 2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, allerdings rechtswidrig und aufzuheben sein und das Jobcenter den Antrag der Klägerin vom 17. April 2007 auf Gewährung von Leistungen noch zu bescheiden haben dürfte. Nachdem seitens des damaligen Beklagten eine möglichst rasche Bescheidung zugesagt worden war, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 04. Dezember 2012 hat die Klägerin eine Entschädigungsklage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht, dass noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung in der Sache hätte gerechnet werden können, da sie mittellos und auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen sei. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei einfach und übersichtlich gewesen. Sie hätte alle erforderlichen Angaben gemacht. Das Sozialgericht hätte lediglich die Rechtsfrage zu entscheiden gehabt, ob die angefochtenen Bescheide nach den vorliegenden Tatsachenfeststellungen rechtswidrig gewesen seien oder nicht. Diese Frage sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2012 erörtert worden. Der zeitnahen Entscheidung sei erhebliche Bedeutung zugekommen. Einerseits sei sie - die Klägerin - gezwungen gewesen, sich existentielle Mittel auf andere Art zu besorgen. Andererseits habe die lange Verfahrensdauer nicht nur sie, sondern auch die Familie, von der sie sich Geld geborgt hätte, belastet. Nicht zuletzt habe der Rechtsstreit auch über Jahre hinweg eine Belastung für die Gestaltung des Untermietverhältnisses bedeutet. Sie hätte damit rechnen müssen, dass der Untermieter ausziehe und sie die sichere Untermiete als Einnahmequelle verliere.
Der Senat hat mit unter dem Aktenzeichen L 37 SF 274/12 EK AS ergangenem Urteil vom 02. August 2013 festgestellt, dass die Dauer des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens unangemessen gewesen sei. Im Übrigen hat er die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er seinerzeit im Wesentlichen ausgeführt, dass das vom 03. August 2007 bis zum 25. September 2012 beim Sozialgericht Berlin anhängige und damit insgesamt fünf Jahre und einen Monat dauernde Verfahren zwar eine unangemessene Dauer aufgewiesen, die Klägerin jedoch keinen Anspruch gegen den passivlegitimierten Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens habe. Denn das Verfahren sei bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) am 03. Dezember 2011 überlang gewesen. Zwar sei der Auffassung der Bevollmächtigten, es hätte noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung über die Klage gerechnet werden können, nicht zu folgen. Allerdings sei es während des Ausgangsverfahrens, das von durchschnittlicher Schwierigkeit und für die Klägerin von nur begrenzter wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei und dem – nach nicht erfolgter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes - nicht im Nachhinein besondere Eilbedürftigkeit beigemessen werden könne, zwischen August 2007 und August 2008 einmal zu einer dreimonatigen Verfristung sowie zwischen August 2008 und August 2009 zu einer einjährigen Untätigkeit gekommen. Das Warten auf eine Stellungnahme des damaligen Beklagten zwischen Mitte Dezember 2009 und Mitte April 2010 sei nicht als eine dem Gericht anzulastende entschädigungsrelevante Verzögerung anzusehen, wohl aber die Phase zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011. Angesichts der damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV bereits festzustellenden Verzögerung hätte es einer unverzüglichen Verzögerungsrüge bedurft. Die am 04. Januar 2012 bei Gericht eingegangene Verzögerungsrüge sei jedoch nicht als unverzüglich anzusehen. Nach Eingang der Verzögerungsrüge sei es hingegen nicht mehr zu entschädigungsrelevanten Verzögerungen im Ausgangsverfahren gekommen.
Das Bundessozialgericht hat das Urteil auf die vom Senat zugelassene Revision mit Urteil vom 03. September 2014 (B 10 ÜG 9/13 R) abgeändert und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Entschädigungszahlung zu-rückverwiesen. Nicht nur habe die Klägerin rechtzeitig Verzögerungsrüge erhoben. Auch hielten die Ausführungen des Senats zur Angemessenheit der Verfahrensdauer revisionsgerichtlicher Überprüfung nur zum Teil Stand. So würden die Feststellungen des Landessozialgerichts seinen Schluss, das Ausgangsverfahren und dessen zügige Erledigung seien für die Klägerin nur von beschränkter Bedeutung gewesen, nicht tragen. Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht habe die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II geltend gemacht. Allein dieser Umstand spreche schon gegen eine untergeordnete Bedeutung. Denn die im Ausgangsverfahren geltend gemachte, besonders schützenswerte Grundrechtsposition schließe es regelmäßig aus, den Rechtsstreit als weniger bedeutsam anzusehen. Dies gelte im Fall der Klägerin jedenfalls deshalb, weil ein Zeitraum von immerhin acht Monaten im Streit stand und der Senat keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob während dieser Zeit das Recht der Klägerin auf ein men-schenwürdiges Existenzminimum ohne weiteres auf andere Weise gesichert gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Senats sei das Ausgangsverfahren auch nicht deshalb als weniger bedeutsam und dringlich anzusehen gewesen, weil die Klägerin sich nicht um einstweiligen Rechtsschutz bemüht habe. Dies könne viele Gründe haben, darunter ein aus Erfahrung geringes Vertrauen in einen zügigen Gang der Justiz; ein solcher Verzicht erlaube jedenfalls nicht zwingend den Schluss, das Begehren des Klägers sei weniger dringend. Ohnehin hätten die Beteiligten den Streitgegenstand des Verfahrens bereits im Erörterungstermin im September 2009 auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begrenzt. Ihr Rechtsschutzbegehren mit einem Eilantrag zu verfolgen, habe für die Klägerin daher spätestens in diesem Zeitpunkt mangels Rechtsschutzbedürfnisses keinen Erfolg mehr gehabt. Auch soweit der Senat bei der Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts eine viermonatige Verlängerung des Verfahrens wegen einer zunächst ausbleibenden Stellungnahme des im Ausgangsverfahren beklagten Jobcenters allein deshalb nicht als Zeitraum der Verzögerung dem beklagten Land zugerechnet habe, weil das Ausgangsgericht alles Mögliche getan habe, um das Verfahren zu beschleunigen, würden seine Feststellungen diesen Schluss nicht tragen. Angesichts der bereits verstrichenen Zeit von mehr als zwei Jahren und der damit verbundenen besonderen Prozessförderungspflicht des Ausgangsgerichts hätte er form- und folgenlose schriftliche sowie telefonische Erinnerungen des Ausgangsgerichts an das beklagte Jobcenter nicht mehr ohne weiteres als ausreichend ansehen dürfen. Die Verantwortung des Ausgangsgerichts und damit des beklagten Landes für die genannte Verlängerung des Verfahrens lasse sich vielmehr nur dann verneinen, wenn das Ausgangsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Prozessordnung ausgeschöpft habe, um das beklagte Jobcenter zur zügigen Stellungnahme anzuhalten. Dazu könne es gehören, unverzüglich einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts oder zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und dazu nach § 111 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der beklagten Behörde die Entsendung eines ausreichend informierten Vertreters aufzugeben. Je nach Lage der Dinge hätte das Ausgangsgericht zudem eine Fristsetzung nach § 106a Abs. 2 SGG in Erwägung ziehen können. Ob das Sozialgericht im Ausgangsverfahren alle von der Prozessordnung eröffneten Beschleunigungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe, werde der Senat im wieder eröffneten Klageverfahren über die Entschädigung noch festzustellen haben. Weiter werde er zu erwägen haben, ob die vom Bundessozialgericht regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen sei, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen des in Streit stehenden Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen, nicht ausnahmsweise eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen sei.
Die Klägerin meint, aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts sei davon auszugehen, dass ihr die begehrte Entschädigung zustehe.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 EUR pro Jahr seit 2008 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der nach § 201 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie § 202 Satz 2 SGG, jeweils in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung der Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin hat nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.000,00 EUR, da sie infolge unangemessener Dauer ihres vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens einen immateriellen Nachteil erlitten hat, der nicht auf andere Weise wieder gut gemacht werden kann (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Soweit sie hingegen offenbar weiterhin meint, das Verfahren hätte noch im Laufe des Jahres 2007 zum Abschluss gebracht werden müssen und sei dementsprechend seit Beginn des Jahres 2008 als überlang anzusehen, folgt der Senat ihr nicht. Das Verfahren weist lediglich im Umfang von 20 Monaten eine unangemessene Dauer auf.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Ob ein Verfahren als unangemessen lang zu bewerten ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten an.
Auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts steht für den Senat bindend fest, dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren für die Klägerin nicht nur von beschränkter Bedeutung gewesen ist. Indes vermag der Senat diesem weiterhin keine mehr als durchschnittliche Bedeutung beizumessen, auch wenn es um Grundsicherungsleistungen für acht Monate ging. Die für die Beurteilung der Verfahrensdauer maßgebliche Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers bzw. der Klägerin und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine/ihre weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 – Rn. 29, – B 10 ÜG 9/13 R –, Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 35, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 38, jeweils zitiert nach juris).
Im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren ist es mit Aufnahme der - die bis dahin möglicherweise bestehende Hilfebedürftigkeit beendenden – selbständigen Tätigkeit der Klägerin im März 2008, und damit bereits ein gutes halbes Jahr nach Klageerhebung - zu einer deutlichen Zäsur gekommen. Dass das Sozialgericht seinerzeit hiervon nichts wusste, vermag daran im hier fraglichen Kontext der Bedeutung der Sache für die Klägerin nichts zu ändern. Bis einschließlich Februar 2008 kam dem Verfahren mit Blick auf den Charakter der geltend gemachten Leistungen zweifelsohne eine höhere Bedeutung zu. Allerdings konnte das Sozialgericht zur Überzeugung des Senats selbst damals vernünftigerweise – und dies ohne weitere Ermittlungen - davon ausgehen, dass die Klägerin einen Weg gefunden hatte, ihr Existenzminimum zu sichern, da sie den gerade zur Abwehr einer akuten Notlage gesetzlich vorgesehe-nen einstweiligen Rechtsschutz nicht in Anspruch genommen hat. Nicht hingegen musste das Sozialgericht annehmen, dass die Klägerin hiervon mangels Vertrauens in einen zügigen Gang der Justiz abgesehen hatte, zugleich aber ein besonders zügiges Agieren ebendieser Justiz in ihrem Hauptsachverfahren erwartete. So wenig wie für die Klägerin sodann ab März 2008 noch die Möglichkeit bestanden haben mag, ihr Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen, so wenig stand von diesem Zeitpunkt an noch die Sicherung ihres vom Gegenwärtig-keitsprinzip geprägten Existenzminimums im Raum. Vielmehr ging es zu diesem Zeitpunkt und damit bereits in einem frühen Verfahrensstadium nur noch um die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit. Dass hingegen für die Klägerin ab März 2008 noch im Interesse der Abwehr einer (weiterhin) gegenwärtigen Notlage ein Bedürfnis an einer besonders zügigen Entscheidung über die für die Vergangenheit geltend gemachten Ansprüche bestanden haben sollte, hat die Klägerin selbst im Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht und musste sich für das Sozialgericht ebenso wenig wie für das Entschädigungsgericht aufdrängen. Allein der Umstand, dass die Klägerin – wie im Entschädigungsverfahren vorgetragen – sich privat geliehenes Geld zurückzuzahlen hatte, rechtfertigte diese Annahme jedenfalls ebenso wenig wie die Behauptung, sie hätte mit einem Auszug ihres Untermieters rechnen müssen. Da weiter nicht ersichtlich ist, dass sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition der Klägerin und ihre weiteren geschützten Interessen ausgewirkt haben könnte, sieht der Senat die Sache insgesamt als von durchschnittlicher Be-deutung an.
Das Verfahren, das – wie bindend feststeht - eine durchschnittliche Schwierigkeit aufwies, gestaltete sich als überlang, nicht jedoch in dem von der Klägerin beklagten Umfang. Mit Blick auf die für eine Verletzung des Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch den Beklagten wesentliche Frage, ob diesem zure-chenbare Verhaltensweisen des Ausgangsgerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben, sind maßgeblich allein Verzögerungen, d.h. sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 41). Vor diesem Hintergrund sind die während des Verfahrens aufgetretenen aktiven und inaktiven Zeiten der Bearbeitung konkret zu ermitteln. Kleinste relevante Zeiteinheit ist im Geltungsbereich des GRüGV dabei stets der Monat (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris) im Sinne des Kalendermonats (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34). Zu beachten ist dabei, dass keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 57).
Gemessen daran ist der Einschätzung der Klägerin, über den Rechtsstreit hätte noch im Laufe des Jahres 2007 entschieden sein müssen, nicht zu folgen. Zu einer Phase gerichtlicher Inaktivität ist es vielmehr erstmals gekommen, nachdem der Beklagte des Ausgangsverfahrens mit am 13. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz mitgeteilt hatte, keinen Widerspruchsbescheid erlassen zu können, der damalige Kammervorsitzende sich dieser Einschätzung angeschlossen (Verfügung vom 20. Dezember 2007, Ausführung am 16. Januar 2008) und die Bevollmächtigte daraufhin um Terminierung gebeten hatte. Denn erst im Mai 2008 ist es dann wieder zu gerichtlicher Aktivität gekommen (Verfügung vom 14. Mai, ausgeführt am 27. Mai 2008). Der Senat geht insoweit vom Beginn der gerichtlichen Inaktivität am 21. Dezember 2007, dem Tag nach der letzten richterlichen Verfügung, bis zur Anforderung der Stellungnahme im Mai 2008 aus.
Im Folgenden ist es zu einer weiteren Verzögerung ab dem 20. August 2008 gekommen. Denn nachdem am 19. August 2008 eine Stellungnahme des Beklagten eingegangen war, ist dem Verfahren bis zur Ladung zu einem Erörterungstermin (Verfügung vom 18. August 2009, die zwei Tage später ausgeführt wurde) kein Fortgang gewährt worden.
Soweit nach Durchführung des Erörterungstermins am 10. September 2009, dem Austausch verschiedener Schriftsätze und nach gerichtlicher Anforderung einer Stellungnahme beim Beklagten des Ausgangsverfahrens unter dem 17. Dezember 2009 letztlich bis zum Eingang derselben am 15. April 2010 knapp vier Monate vergingen, vermag der Senat darin keine dem Beklagten anzulastende Verzögerung zu erkennen. Denn das Sozialgericht hat hier alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Prozessordnung, die sich im fraglichen Zeitraum aus seiner exakten Sicht im Interesse der sachgerechten Verfahrensförderung als vernünftig darstellten, ausgeschöpft. Es ging seinerzeit um die Klärung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in einem inzwischen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Die Klägerin hatte hierzu auf ge-richtliche Anforderung diverse Unterlagen vorgelegt, die dem Beklagten des Ausgangsverfahrens samt Verwaltungsakten zur Prüfung zugeleitet worden waren. Dass diese Prüfung auch auf Seiten des Beklagten eine gewisse Zeit erfordern würde, war vorherzusehen. Gleichwohl – und im Übrigen trotz der anstehenden Weihnachtsfeiertage sowie des Jahreswechsels - hat das Sozialgericht sich intern eine nur einmonatige Wiedervorlagefrist gesetzt und nach erfolgter Wiedervorlage unter dem 26. Januar 2010 schriftlich erinnert, was nicht zu beanstanden ist und im Übrigen bereits zeigt, dass es hier keinesfalls um das "Schieben" der Sache ging. Dies wird durch das weitere Vorgehen nachdrücklich bestätigt. Denn nachdem auf die erste Mahnung keine Reaktion erfolgt war, wurde bereits am 18. Februar 2010 – und damit etwa drei Wochen später – nochmals erinnert. Dass es für das Verfahren förderlich gewesen wäre, stattdessen einen – nicht nur mit Blick auf die einzuhaltende Ladungsfrist einen zeitlichen Vorlauf erfordernden und im Übrigen mangels Vorliegens der Verwaltungsakten auch nicht sinnvoll durch das Gericht vorzubereitenden - Erörterungstermin anzuberaumen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie das Sozialgericht das Verfahren mit einem Vorgehen nach § 106a Abs. 2 SGG hätte fördern können. Letztlich wäre dies im fraglichen Verfahrensabschnitt im Ergebnis gleichbedeutend damit gewesen, auf die Berechnungen des damaligen Beklagten zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu verzichten. Damit hätte deren Hilfebedürftigkeit jedoch nicht einfach unterstellt werden können, sondern wäre vom Gericht – und dies dann ohne datenbasierte Unterstützung – selbst rechnerisch zu ermitteln gewesen. Auch bei einem zum fraglichen Zeitpunkt seit etwa zweieinhalb Jahren anhängigen Verfahren war es – unter Berücksichtigung, dass es ausschließlich noch um Leistungen für die Vergangenheit ging – daher ausreichend, zunächst noch ein zweites Mal schriftlich zu mahnen und nach weiterem Ausbleiben der Stellungnahme den telefonischen Kontakt zur Sachbearbeiterin zu suchen, die die Erledigung für die Zeit nach Ostern sodann auch zusagte. Diesem Versprechen wurde im Folgenden – bei vom 31. März 2010 bis zum 11. April 2010 andauernden Osterferien in Berlin – Folge geleistet.
Wohl aber ist es wieder zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen, nachdem die Sache am 14. Juni 2010 in das Entscheidungsfach verfügt worden war. Denn erst unter dem 20. September 2011 wurden wieder das Verfahren fördernde Schritte in Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung eingeleitet. Dass seitens der Klägerin zwischendurch wiederholt um Terminierung gebeten worden war, rechtfertigt hingegen nicht die Annahme, dass hierdurch gerichtliche Aktivität ausgelöst worden wäre. Nachdem sodann die Antwort seitens der Klägerin am 05. Oktober 2011 eingegangen war, vergingen letztlich gut zwei Monate, bevor auf richterliche Verfügung vom 20. Dezember 2011 unter dem 27. Dezember 2011 geladen wurde. Auch dies stellt sich als Phase der gerichtlichen Inaktivität dar, selbst wenn jede Terminierung eines gewissen Vorlaufes bedarf. Gleiches gilt, soweit nach der Anfang März 2012 erfolgten erneuten Abladung der Sache wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin eine Neuterminierung erst unter dem 4. Juni 2012 erfolgte. Im Folgenden sind dann keine weiteren Verzögerungen mehr ersichtlich.
Insgesamt ist es damit während des Verfahrens zu folgenden Phasen der gerichtlichen Inaktivität gekommen:
vom bis zum Dauer der Verzögerung nach Kalendermonaten
21. Dezember 2007 (Tag nach richterlicher Verfügung) 14./27. Mai 2008 (Anforderung einer Stellungnahme) 4 Kalendermonate 20. August 2008 (Tag nach Eingang der Stellungnahme des damaligen Beklagten) 18./20. August 2009 (Ladung/-sverfügung) 11 Kalendermonate 15. Juni 2010 (Tag nach Verfügung in das Sit-zungsfach) 20. September 2011 (Anfrage bzgl. Zeugen und Verhinderungszeitpunkten) 14 Kalendermonate 06. Oktober 2011 (Tag nach Eingang des Antwortschreibens) 20./27. Dezember 2011 (Ladung/-sverfügung) 1 Kalendermonat 6./7. März 2012 (Tag nach Abladung) 14. Juni 2012 (Neuterminierung) 2 Kalendermonate insgesamt 32 Kalendermonate
Bei der Bestimmung der Dauer der jeweiligen Verzögerung hat der Senat – der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend – auf den Kalendermonat als kleinste maßgebliche Einheit abgestellt.
Dies heißt jedoch nicht, dass der Klägerin für 32 Kalendermonate eine Entschädigung zu gewähren ist. Denn die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbe-sondere mit Blick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien erfolgen. Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Denn es ist zu beachten, dass einem Rechtschutzsuchenden - je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels sowie abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits und von seinem eigenen Verhalten - gewisse Wartezeiten zuzumuten sind, da grundsätzlich jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 52). Allerdings muss die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte einerseits so beschaffen sowie die ge-richtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) andererseits so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 53, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 46, jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund sind - vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können, und können in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f., – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 47 f.). Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 56). Derartige Kriterien vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Auch wenn es im streitgegenständlichen Rechtsstreit um Grundsicherungsleistungen ging, hatte das Verfahren – wie schon oben ausgeführt - bereits ab März 2008 – und damit lediglich ein gutes halbes Jahr nach Klageeingang – keine derartige Bedeutung mehr, dass es einer bevorzugten Erledigung zuzuführen gewesen wäre. Vielmehr handelte es sich um ein seiner Schwierigkeit sowie seiner Bedeutung nach durchschnittliches Verfahren, sodass weder Anlass besteht, die von der Klägerin entschädigungslos hinzunehmende Vorbereitungs- und Bedenkzeit zu reduzieren noch diese umgekehrt zu verlängern. Es verbleiben damit abzüglich der dem Gericht zustehenden zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung letztlich 20 Monate als entschädigungsrelevant.
Durch diese überlange Verfahrensdauer hat die Klägerin einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.
Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist zur Überzeugung des Senats nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 und Art. 41 EMRK, nach der eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens nur ausnahmsweise in Betracht kommt, besteht vorliegend kein Anlass, von der gesetzlich als Normalfall vor-gesehenen Zahlung einer Entschädigung abzusehen. Entsprechende Gründe hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht.
Ausgehend von der im Umfang von 20 Monaten überlangen Dauer des gerichtlichen Verfahrens und dem in § 198 Abs. 2 S. 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die der Klägerin zustehende angemessene Entschädigung auf 2.000,00 EUR. Raum, in Anwendung des § 198 Abs. 2 S. 4 GVG einen höheren Betrag anzusetzen, besteht nicht. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG erlaubt eine Abweichung nur bei Unbilligkeit "nach den Umständen des Einzelfalls". Dabei kann es nur um atypische Einzelfälle gehen (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – juris, Rn. 51, Roderfeld, a.a.O., § 198 Rn. 82). Denn die Pauschalierung dient gerade dazu, unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung möglichst zu vermeiden und damit eine zügige Abwicklung des Entschädigungsverfahrens zu gewährleisten (vgl. BT-Drucksache 17/3802, Seite 20). Derartige besondere Umstände, sind weder von der Klägerin nachvollziehbar geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Da derEntschädigungsanspruch nach § 198 GVG außerhalb des Systems der sozial-rechtlichen Ansprüche steht, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 52, – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 61 und – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 54, alle zitiert nach juris), war der Beklagte weiter gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB analog zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu verurteilen. Diese sind ab Rechtshängigkeit, d.h. nach § 94 SGG ab Klageerhebung am 04. Dezember 2012 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 ZPO war im Hinblick auf die Regelungen der §§ 202, 198 Abs. 1 SGG nicht auszusprechen.
Gründe, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestanden nicht.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 17. April 2007 beantragte die Klägerin beim später beklagten Jobcenter die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Nachdem dieses die Gewährung unter Hinweis auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft und die nicht mögliche Prüfung der Hilfebedürftigkeit mangels Vorlage aktueller Einkommensnachweise des Mitbewohners abgelehnt hatte, erhob die bereits seinerzeit durch ihre jetzige Bevollmächtigte vertretene Klägerin am 03. August 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin.
Auf richterliche Verfügung vom 17. August 2007 bestätigte das Sozialgericht Berlin unter dem 21. August 2007 den Eingang der unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 registrierten Klage. Am 22. Oktober 2007 ging - nach zwischenzeitlicher Erinnerung durch das Gericht am 02. Oktober 2007 - die erbetene Stellungnahme des damaligen Beklagten ein. Dieser teilte insbesondere mit, dass er bereits mit Bescheid vom 09. August 2007 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und dem klägerischen Begehren damit entsprochen habe. Mit neun Tage später, also am 31. Oktober 2007 eingegangenem Schriftsatz wies er schließlich darauf hin, dass sich die Hauptsache nur teilweise erledigt habe. Die Bevollmächtigte der Klägerin erklärte in einem ebenfalls am 31. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz auf die gerichtliche Bitte vom 24. Oktober 2007 um Abgabe einer das Verfahren abschließenden Erklärung, dass die Klägerin weiterhin keine Leistungen erhalte. Vielmehr sei sie inzwischen erneut aufgefordert worden, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen und Unterlagen des Mitbewohners vorzulegen. Nachdem sie dies abgelehnt hätte, habe der Beklagte am 28. August 2007 einen Versagungsbescheid erlassen, gegen den Widerspruch eingelegt werde. Nachdem das Gericht den damaligen Beklagten am 05. November 2007 gebeten hatte, den Widerspruchsbescheid zu gegebener Zeit zu übersenden, und ihm die Leistungsakten wieder zur Verfügung gestellt hatte, erklärte dieser mit am 13. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz, keinen Widerspruchsbescheid erlassen zu können, da der Versagungsbescheid trotz anderslautender Rechtsbehelfsbelehrung Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Der Schriftsatz wurde der Bevollmächtigten auf richterliche Verfügung vom 20. Dezember 2007 unter dem 16. Januar 2008 mit dem Hinweis übersandt, dass die Auffassung des Jobcenters wohl zutreffen würde, woraufhin diese postwendend (Eingang am 21. Januar 2008) um Terminierung der Sache bat. Das Gericht verwies daraufhin unter dem 29. Januar 2008 auf die Vielzahl vorrangig zu bearbeitender Verfahren, die eine Terminierung unmöglich machten, und verfristete die Sache für drei Monate.
Nachdem es zwischenzeitlich zu einem Wechsel im Kammervorsitz gekommen war, äußerte der neue Kammervorsitzende im Mai 2008 (Verfügung vom 14. Mai, ausgeführt am 27. Mai 2008) unter Bezugnahme auf einen Bericht des Prüfdienstes des Jobcenters Zweifel am Vortrag der Klägerin bzgl. des Nichtbestehens einer Bedarfsgemeinschaft und bat um Stellungnahme. Nachdem ihr unter dem 16. Juni 2008 wunschgemäß vom Gericht der genannte Bericht übersandt worden war, trug die Bevollmächtigte mit am 29. Juli 2008 eingegangenem Schriftsatz nochmals zur Sache vor. Hierzu nahm der damalige Beklagte mit am 19. August 2008 eingegangenem Schriftsatz Stellung, woraufhin der Kammervorsitzende die Sache schließlich am 07. Januar 2009 in das so genannte Entscheidungsfach verfügte.
Auf richterliche Verfügung vom 18. August 2009 wurde zwei Tage später für den 10. September 2009 ein Erörterungstermin anberaumt. Der streitgegenständliche Zeitraum wurde dort auf die Zeit vom 07. Juli 2007 bis Ende Februar 2008 eingegrenzt, da die Klägerin nach eigenem Bekunden zum 01. März 2008 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 16. September 2009 forderte das Gericht umfangreiche Belege zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit an. Am 03. November 2009 wurden Unterlagen vorgelegt, auf umgehende gerichtliche Nachfrage unter dem 23. November sowie 15. Dezember 2009 ergänzende Stellungnahmen abgegeben und weitere Belege eingereicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Dezember 2009 wurde der Beklagte des Ausgangsverfahrens um Stellungnahme gebeten; die Verwaltungsakten wurden ihm mitgeschickt. Der zuständige Richter setzte sich eine Wiedervorlagefrist von einem Monat. Unter dem 26. Januar und 18. Februar 2010 wurde der Beklagte des Ausgangsverfahrens jeweils schriftlich erinnert; der Richter setzte sich Wiedervorlagefristen von drei Wochen bzw. einem Monat. Nachdem ihm der Vorgang am 26. März 2010 wieder vorgelegt worden war, rief er die zuständige Sachbearbeiterin beim damaligen Beklagten am 31. März 2010 an, die ausweislich des Aktenvermerks eine Erledigung "nach Ostern" zusagte. In dem schließlich am 15. April 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz stellte das Job-center diverse Rückfragen, die der Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 26. April 2010 zur Stellungnahme zugeleitet wurden. Die Erwiderung ging am 14. Juni 2010 bei Gericht ein. Der Rechtsstreit wurde als entscheidungsreif angesehen.
Unter dem 09. September 2010 sowie dem 28. Januar 2011 wurde seitens der Klägerin um eine alsbaldige Entscheidung gebeten. Auf ihre telefonische Anfrage vom 21. Februar 2011 wurde schließlich mit am 16. März 2011 gefertigtem Schreiben ein Termin für den Sommer in Aussicht gestellt. Das Schreiben musste zwei Wochen später erneut abgesandt werden, da es zuvor - aufgrund nicht deutlich angezeigter Verlegung des Kanzleisitzes - mit dem Hinweis, dass der Empfänger nicht zu ermitteln sei, zurückgelangt war.
Unter dem 20. September 2011 bat der Vorsitzende der Kammer in Vorbereitung der Sitzung um die Angabe von Anschriften verschiedener als Zeugen in Betracht kommender Personen. Weiter gab er Gelegenheit mitzuteilen, wann die Klägerin und die Zeugen nicht für einen Termin zur Verfügung stehen würden. Die Antwort ging am 05. Oktober 2011 bei Gericht ein. Anstehende Urlaube wurden nicht mitgeteilt.
Mit richterlicher Verfügung vom 20. Dezember 2011 wurde der Rechtsstreit schließlich unter dem 27. Dezember 2011 auf den 26. Januar 2012 terminiert. Dieser Termin wurde aufgrund einer urlaubsbedingten Verhinderung der Klägerin am 04. Januar 2012 wieder aufgehoben. Am selben Tage wurde seitens der Klägerin Verzögerungsrüge erhoben. Am 29. Februar 2012 verfügte der Kammervorsitzende eine Neuterminierung nunmehr auf den 22. März 2012. Dieser Termin wurde wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin Anfang März 2012 aufgehoben. Nachdem es in der für die Bearbeitung des Verfahrens zuständigen Kammer zwischenzeitlich erneut einen Wechsel im Vorsitz gegeben hatte, wurde auf richterliche Verfügung vom 14. Juni 2012 ein Erörterungstermin zur Beweisaufnahme auf den 04. September 2012 anberaumt. Dieser Termin wurde infolge einer Verhinderung der Klägerin unter dem 06. Juli 2012 aufgehoben. Auf richterliche Verfügung vom 03. August 2012 (ausgeführt am 16. August 2012) wurde die Sache dann schließlich auf den 25. September 2012 angesetzt. Im Erörterungstermin am 25. September 2012 verwies die Kammervorsitzende darauf, dass der Versagungsbescheid vom 28. August 2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, allerdings rechtswidrig und aufzuheben sein und das Jobcenter den Antrag der Klägerin vom 17. April 2007 auf Gewährung von Leistungen noch zu bescheiden haben dürfte. Nachdem seitens des damaligen Beklagten eine möglichst rasche Bescheidung zugesagt worden war, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 04. Dezember 2012 hat die Klägerin eine Entschädigungsklage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht, dass noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung in der Sache hätte gerechnet werden können, da sie mittellos und auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen sei. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei einfach und übersichtlich gewesen. Sie hätte alle erforderlichen Angaben gemacht. Das Sozialgericht hätte lediglich die Rechtsfrage zu entscheiden gehabt, ob die angefochtenen Bescheide nach den vorliegenden Tatsachenfeststellungen rechtswidrig gewesen seien oder nicht. Diese Frage sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2012 erörtert worden. Der zeitnahen Entscheidung sei erhebliche Bedeutung zugekommen. Einerseits sei sie - die Klägerin - gezwungen gewesen, sich existentielle Mittel auf andere Art zu besorgen. Andererseits habe die lange Verfahrensdauer nicht nur sie, sondern auch die Familie, von der sie sich Geld geborgt hätte, belastet. Nicht zuletzt habe der Rechtsstreit auch über Jahre hinweg eine Belastung für die Gestaltung des Untermietverhältnisses bedeutet. Sie hätte damit rechnen müssen, dass der Untermieter ausziehe und sie die sichere Untermiete als Einnahmequelle verliere.
Der Senat hat mit unter dem Aktenzeichen L 37 SF 274/12 EK AS ergangenem Urteil vom 02. August 2013 festgestellt, dass die Dauer des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens unangemessen gewesen sei. Im Übrigen hat er die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er seinerzeit im Wesentlichen ausgeführt, dass das vom 03. August 2007 bis zum 25. September 2012 beim Sozialgericht Berlin anhängige und damit insgesamt fünf Jahre und einen Monat dauernde Verfahren zwar eine unangemessene Dauer aufgewiesen, die Klägerin jedoch keinen Anspruch gegen den passivlegitimierten Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens habe. Denn das Verfahren sei bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) am 03. Dezember 2011 überlang gewesen. Zwar sei der Auffassung der Bevollmächtigten, es hätte noch im Jahre 2007 mit einer Entscheidung über die Klage gerechnet werden können, nicht zu folgen. Allerdings sei es während des Ausgangsverfahrens, das von durchschnittlicher Schwierigkeit und für die Klägerin von nur begrenzter wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei und dem – nach nicht erfolgter Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes - nicht im Nachhinein besondere Eilbedürftigkeit beigemessen werden könne, zwischen August 2007 und August 2008 einmal zu einer dreimonatigen Verfristung sowie zwischen August 2008 und August 2009 zu einer einjährigen Untätigkeit gekommen. Das Warten auf eine Stellungnahme des damaligen Beklagten zwischen Mitte Dezember 2009 und Mitte April 2010 sei nicht als eine dem Gericht anzulastende entschädigungsrelevante Verzögerung anzusehen, wohl aber die Phase zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011. Angesichts der damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV bereits festzustellenden Verzögerung hätte es einer unverzüglichen Verzögerungsrüge bedurft. Die am 04. Januar 2012 bei Gericht eingegangene Verzögerungsrüge sei jedoch nicht als unverzüglich anzusehen. Nach Eingang der Verzögerungsrüge sei es hingegen nicht mehr zu entschädigungsrelevanten Verzögerungen im Ausgangsverfahren gekommen.
Das Bundessozialgericht hat das Urteil auf die vom Senat zugelassene Revision mit Urteil vom 03. September 2014 (B 10 ÜG 9/13 R) abgeändert und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Entschädigungszahlung zu-rückverwiesen. Nicht nur habe die Klägerin rechtzeitig Verzögerungsrüge erhoben. Auch hielten die Ausführungen des Senats zur Angemessenheit der Verfahrensdauer revisionsgerichtlicher Überprüfung nur zum Teil Stand. So würden die Feststellungen des Landessozialgerichts seinen Schluss, das Ausgangsverfahren und dessen zügige Erledigung seien für die Klägerin nur von beschränkter Bedeutung gewesen, nicht tragen. Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht habe die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II geltend gemacht. Allein dieser Umstand spreche schon gegen eine untergeordnete Bedeutung. Denn die im Ausgangsverfahren geltend gemachte, besonders schützenswerte Grundrechtsposition schließe es regelmäßig aus, den Rechtsstreit als weniger bedeutsam anzusehen. Dies gelte im Fall der Klägerin jedenfalls deshalb, weil ein Zeitraum von immerhin acht Monaten im Streit stand und der Senat keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob während dieser Zeit das Recht der Klägerin auf ein men-schenwürdiges Existenzminimum ohne weiteres auf andere Weise gesichert gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Senats sei das Ausgangsverfahren auch nicht deshalb als weniger bedeutsam und dringlich anzusehen gewesen, weil die Klägerin sich nicht um einstweiligen Rechtsschutz bemüht habe. Dies könne viele Gründe haben, darunter ein aus Erfahrung geringes Vertrauen in einen zügigen Gang der Justiz; ein solcher Verzicht erlaube jedenfalls nicht zwingend den Schluss, das Begehren des Klägers sei weniger dringend. Ohnehin hätten die Beteiligten den Streitgegenstand des Verfahrens bereits im Erörterungstermin im September 2009 auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begrenzt. Ihr Rechtsschutzbegehren mit einem Eilantrag zu verfolgen, habe für die Klägerin daher spätestens in diesem Zeitpunkt mangels Rechtsschutzbedürfnisses keinen Erfolg mehr gehabt. Auch soweit der Senat bei der Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts eine viermonatige Verlängerung des Verfahrens wegen einer zunächst ausbleibenden Stellungnahme des im Ausgangsverfahren beklagten Jobcenters allein deshalb nicht als Zeitraum der Verzögerung dem beklagten Land zugerechnet habe, weil das Ausgangsgericht alles Mögliche getan habe, um das Verfahren zu beschleunigen, würden seine Feststellungen diesen Schluss nicht tragen. Angesichts der bereits verstrichenen Zeit von mehr als zwei Jahren und der damit verbundenen besonderen Prozessförderungspflicht des Ausgangsgerichts hätte er form- und folgenlose schriftliche sowie telefonische Erinnerungen des Ausgangsgerichts an das beklagte Jobcenter nicht mehr ohne weiteres als ausreichend ansehen dürfen. Die Verantwortung des Ausgangsgerichts und damit des beklagten Landes für die genannte Verlängerung des Verfahrens lasse sich vielmehr nur dann verneinen, wenn das Ausgangsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Prozessordnung ausgeschöpft habe, um das beklagte Jobcenter zur zügigen Stellungnahme anzuhalten. Dazu könne es gehören, unverzüglich einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts oder zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und dazu nach § 111 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der beklagten Behörde die Entsendung eines ausreichend informierten Vertreters aufzugeben. Je nach Lage der Dinge hätte das Ausgangsgericht zudem eine Fristsetzung nach § 106a Abs. 2 SGG in Erwägung ziehen können. Ob das Sozialgericht im Ausgangsverfahren alle von der Prozessordnung eröffneten Beschleunigungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe, werde der Senat im wieder eröffneten Klageverfahren über die Entschädigung noch festzustellen haben. Weiter werde er zu erwägen haben, ob die vom Bundessozialgericht regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen sei, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen des in Streit stehenden Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen, nicht ausnahmsweise eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen sei.
Die Klägerin meint, aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts sei davon auszugehen, dass ihr die begehrte Entschädigung zustehe.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 EUR pro Jahr seit 2008 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der nach § 201 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie § 202 Satz 2 SGG, jeweils in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554) für die Entscheidung der Entschädigungsklage zuständige Senat konnte über diese nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 202 Satz 2, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt hatten.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klägerin hat nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.000,00 EUR, da sie infolge unangemessener Dauer ihres vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Verfahrens einen immateriellen Nachteil erlitten hat, der nicht auf andere Weise wieder gut gemacht werden kann (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Soweit sie hingegen offenbar weiterhin meint, das Verfahren hätte noch im Laufe des Jahres 2007 zum Abschluss gebracht werden müssen und sei dementsprechend seit Beginn des Jahres 2008 als überlang anzusehen, folgt der Senat ihr nicht. Das Verfahren weist lediglich im Umfang von 20 Monaten eine unangemessene Dauer auf.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Ob ein Verfahren als unangemessen lang zu bewerten ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten an.
Auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts steht für den Senat bindend fest, dass das streitgegenständliche Ausgangsverfahren für die Klägerin nicht nur von beschränkter Bedeutung gewesen ist. Indes vermag der Senat diesem weiterhin keine mehr als durchschnittliche Bedeutung beizumessen, auch wenn es um Grundsicherungsleistungen für acht Monate ging. Die für die Beurteilung der Verfahrensdauer maßgebliche Bedeutung des Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zum anderen trägt zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers bzw. der Klägerin und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine/ihre weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 2/13 – Rn. 29, – B 10 ÜG 9/13 R –, Rn. 31, - B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 35, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 38, jeweils zitiert nach juris).
Im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren ist es mit Aufnahme der - die bis dahin möglicherweise bestehende Hilfebedürftigkeit beendenden – selbständigen Tätigkeit der Klägerin im März 2008, und damit bereits ein gutes halbes Jahr nach Klageerhebung - zu einer deutlichen Zäsur gekommen. Dass das Sozialgericht seinerzeit hiervon nichts wusste, vermag daran im hier fraglichen Kontext der Bedeutung der Sache für die Klägerin nichts zu ändern. Bis einschließlich Februar 2008 kam dem Verfahren mit Blick auf den Charakter der geltend gemachten Leistungen zweifelsohne eine höhere Bedeutung zu. Allerdings konnte das Sozialgericht zur Überzeugung des Senats selbst damals vernünftigerweise – und dies ohne weitere Ermittlungen - davon ausgehen, dass die Klägerin einen Weg gefunden hatte, ihr Existenzminimum zu sichern, da sie den gerade zur Abwehr einer akuten Notlage gesetzlich vorgesehe-nen einstweiligen Rechtsschutz nicht in Anspruch genommen hat. Nicht hingegen musste das Sozialgericht annehmen, dass die Klägerin hiervon mangels Vertrauens in einen zügigen Gang der Justiz abgesehen hatte, zugleich aber ein besonders zügiges Agieren ebendieser Justiz in ihrem Hauptsachverfahren erwartete. So wenig wie für die Klägerin sodann ab März 2008 noch die Möglichkeit bestanden haben mag, ihr Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen, so wenig stand von diesem Zeitpunkt an noch die Sicherung ihres vom Gegenwärtig-keitsprinzip geprägten Existenzminimums im Raum. Vielmehr ging es zu diesem Zeitpunkt und damit bereits in einem frühen Verfahrensstadium nur noch um die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit. Dass hingegen für die Klägerin ab März 2008 noch im Interesse der Abwehr einer (weiterhin) gegenwärtigen Notlage ein Bedürfnis an einer besonders zügigen Entscheidung über die für die Vergangenheit geltend gemachten Ansprüche bestanden haben sollte, hat die Klägerin selbst im Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht und musste sich für das Sozialgericht ebenso wenig wie für das Entschädigungsgericht aufdrängen. Allein der Umstand, dass die Klägerin – wie im Entschädigungsverfahren vorgetragen – sich privat geliehenes Geld zurückzuzahlen hatte, rechtfertigte diese Annahme jedenfalls ebenso wenig wie die Behauptung, sie hätte mit einem Auszug ihres Untermieters rechnen müssen. Da weiter nicht ersichtlich ist, dass sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition der Klägerin und ihre weiteren geschützten Interessen ausgewirkt haben könnte, sieht der Senat die Sache insgesamt als von durchschnittlicher Be-deutung an.
Das Verfahren, das – wie bindend feststeht - eine durchschnittliche Schwierigkeit aufwies, gestaltete sich als überlang, nicht jedoch in dem von der Klägerin beklagten Umfang. Mit Blick auf die für eine Verletzung des Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch den Beklagten wesentliche Frage, ob diesem zure-chenbare Verhaltensweisen des Ausgangsgerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben, sind maßgeblich allein Verzögerungen, d.h. sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13 R, juris, Rn. 41). Vor diesem Hintergrund sind die während des Verfahrens aufgetretenen aktiven und inaktiven Zeiten der Bearbeitung konkret zu ermitteln. Kleinste relevante Zeiteinheit ist im Geltungsbereich des GRüGV dabei stets der Monat (BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 29, - B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 25, - B 10 ÜG 2/13 – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris) im Sinne des Kalendermonats (BSG, Urteil vom 12.02.2015 – B 10 ÜG 11/13 R – 2. Leitsatz und Rn. 34). Zu beachten ist dabei, dass keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 57).
Gemessen daran ist der Einschätzung der Klägerin, über den Rechtsstreit hätte noch im Laufe des Jahres 2007 entschieden sein müssen, nicht zu folgen. Zu einer Phase gerichtlicher Inaktivität ist es vielmehr erstmals gekommen, nachdem der Beklagte des Ausgangsverfahrens mit am 13. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz mitgeteilt hatte, keinen Widerspruchsbescheid erlassen zu können, der damalige Kammervorsitzende sich dieser Einschätzung angeschlossen (Verfügung vom 20. Dezember 2007, Ausführung am 16. Januar 2008) und die Bevollmächtigte daraufhin um Terminierung gebeten hatte. Denn erst im Mai 2008 ist es dann wieder zu gerichtlicher Aktivität gekommen (Verfügung vom 14. Mai, ausgeführt am 27. Mai 2008). Der Senat geht insoweit vom Beginn der gerichtlichen Inaktivität am 21. Dezember 2007, dem Tag nach der letzten richterlichen Verfügung, bis zur Anforderung der Stellungnahme im Mai 2008 aus.
Im Folgenden ist es zu einer weiteren Verzögerung ab dem 20. August 2008 gekommen. Denn nachdem am 19. August 2008 eine Stellungnahme des Beklagten eingegangen war, ist dem Verfahren bis zur Ladung zu einem Erörterungstermin (Verfügung vom 18. August 2009, die zwei Tage später ausgeführt wurde) kein Fortgang gewährt worden.
Soweit nach Durchführung des Erörterungstermins am 10. September 2009, dem Austausch verschiedener Schriftsätze und nach gerichtlicher Anforderung einer Stellungnahme beim Beklagten des Ausgangsverfahrens unter dem 17. Dezember 2009 letztlich bis zum Eingang derselben am 15. April 2010 knapp vier Monate vergingen, vermag der Senat darin keine dem Beklagten anzulastende Verzögerung zu erkennen. Denn das Sozialgericht hat hier alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Prozessordnung, die sich im fraglichen Zeitraum aus seiner exakten Sicht im Interesse der sachgerechten Verfahrensförderung als vernünftig darstellten, ausgeschöpft. Es ging seinerzeit um die Klärung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in einem inzwischen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Die Klägerin hatte hierzu auf ge-richtliche Anforderung diverse Unterlagen vorgelegt, die dem Beklagten des Ausgangsverfahrens samt Verwaltungsakten zur Prüfung zugeleitet worden waren. Dass diese Prüfung auch auf Seiten des Beklagten eine gewisse Zeit erfordern würde, war vorherzusehen. Gleichwohl – und im Übrigen trotz der anstehenden Weihnachtsfeiertage sowie des Jahreswechsels - hat das Sozialgericht sich intern eine nur einmonatige Wiedervorlagefrist gesetzt und nach erfolgter Wiedervorlage unter dem 26. Januar 2010 schriftlich erinnert, was nicht zu beanstanden ist und im Übrigen bereits zeigt, dass es hier keinesfalls um das "Schieben" der Sache ging. Dies wird durch das weitere Vorgehen nachdrücklich bestätigt. Denn nachdem auf die erste Mahnung keine Reaktion erfolgt war, wurde bereits am 18. Februar 2010 – und damit etwa drei Wochen später – nochmals erinnert. Dass es für das Verfahren förderlich gewesen wäre, stattdessen einen – nicht nur mit Blick auf die einzuhaltende Ladungsfrist einen zeitlichen Vorlauf erfordernden und im Übrigen mangels Vorliegens der Verwaltungsakten auch nicht sinnvoll durch das Gericht vorzubereitenden - Erörterungstermin anzuberaumen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie das Sozialgericht das Verfahren mit einem Vorgehen nach § 106a Abs. 2 SGG hätte fördern können. Letztlich wäre dies im fraglichen Verfahrensabschnitt im Ergebnis gleichbedeutend damit gewesen, auf die Berechnungen des damaligen Beklagten zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu verzichten. Damit hätte deren Hilfebedürftigkeit jedoch nicht einfach unterstellt werden können, sondern wäre vom Gericht – und dies dann ohne datenbasierte Unterstützung – selbst rechnerisch zu ermitteln gewesen. Auch bei einem zum fraglichen Zeitpunkt seit etwa zweieinhalb Jahren anhängigen Verfahren war es – unter Berücksichtigung, dass es ausschließlich noch um Leistungen für die Vergangenheit ging – daher ausreichend, zunächst noch ein zweites Mal schriftlich zu mahnen und nach weiterem Ausbleiben der Stellungnahme den telefonischen Kontakt zur Sachbearbeiterin zu suchen, die die Erledigung für die Zeit nach Ostern sodann auch zusagte. Diesem Versprechen wurde im Folgenden – bei vom 31. März 2010 bis zum 11. April 2010 andauernden Osterferien in Berlin – Folge geleistet.
Wohl aber ist es wieder zu einer Phase der gerichtlichen Inaktivität gekommen, nachdem die Sache am 14. Juni 2010 in das Entscheidungsfach verfügt worden war. Denn erst unter dem 20. September 2011 wurden wieder das Verfahren fördernde Schritte in Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung eingeleitet. Dass seitens der Klägerin zwischendurch wiederholt um Terminierung gebeten worden war, rechtfertigt hingegen nicht die Annahme, dass hierdurch gerichtliche Aktivität ausgelöst worden wäre. Nachdem sodann die Antwort seitens der Klägerin am 05. Oktober 2011 eingegangen war, vergingen letztlich gut zwei Monate, bevor auf richterliche Verfügung vom 20. Dezember 2011 unter dem 27. Dezember 2011 geladen wurde. Auch dies stellt sich als Phase der gerichtlichen Inaktivität dar, selbst wenn jede Terminierung eines gewissen Vorlaufes bedarf. Gleiches gilt, soweit nach der Anfang März 2012 erfolgten erneuten Abladung der Sache wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin eine Neuterminierung erst unter dem 4. Juni 2012 erfolgte. Im Folgenden sind dann keine weiteren Verzögerungen mehr ersichtlich.
Insgesamt ist es damit während des Verfahrens zu folgenden Phasen der gerichtlichen Inaktivität gekommen:
vom bis zum Dauer der Verzögerung nach Kalendermonaten
21. Dezember 2007 (Tag nach richterlicher Verfügung) 14./27. Mai 2008 (Anforderung einer Stellungnahme) 4 Kalendermonate 20. August 2008 (Tag nach Eingang der Stellungnahme des damaligen Beklagten) 18./20. August 2009 (Ladung/-sverfügung) 11 Kalendermonate 15. Juni 2010 (Tag nach Verfügung in das Sit-zungsfach) 20. September 2011 (Anfrage bzgl. Zeugen und Verhinderungszeitpunkten) 14 Kalendermonate 06. Oktober 2011 (Tag nach Eingang des Antwortschreibens) 20./27. Dezember 2011 (Ladung/-sverfügung) 1 Kalendermonat 6./7. März 2012 (Tag nach Abladung) 14. Juni 2012 (Neuterminierung) 2 Kalendermonate insgesamt 32 Kalendermonate
Bei der Bestimmung der Dauer der jeweiligen Verzögerung hat der Senat – der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folgend – auf den Kalendermonat als kleinste maßgebliche Einheit abgestellt.
Dies heißt jedoch nicht, dass der Klägerin für 32 Kalendermonate eine Entschädigung zu gewähren ist. Denn die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbe-sondere mit Blick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien erfolgen. Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Denn es ist zu beachten, dass einem Rechtschutzsuchenden - je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels sowie abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits und von seinem eigenen Verhalten - gewisse Wartezeiten zuzumuten sind, da grundsätzlich jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen muss (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 52). Allerdings muss die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte einerseits so beschaffen sowie die ge-richtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) andererseits so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – Rn. 53, – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 46, jeweils zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund sind - vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls - Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können, und können in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f., – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 47 f.). Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen (BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 56). Derartige Kriterien vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Auch wenn es im streitgegenständlichen Rechtsstreit um Grundsicherungsleistungen ging, hatte das Verfahren – wie schon oben ausgeführt - bereits ab März 2008 – und damit lediglich ein gutes halbes Jahr nach Klageeingang – keine derartige Bedeutung mehr, dass es einer bevorzugten Erledigung zuzuführen gewesen wäre. Vielmehr handelte es sich um ein seiner Schwierigkeit sowie seiner Bedeutung nach durchschnittliches Verfahren, sodass weder Anlass besteht, die von der Klägerin entschädigungslos hinzunehmende Vorbereitungs- und Bedenkzeit zu reduzieren noch diese umgekehrt zu verlängern. Es verbleiben damit abzüglich der dem Gericht zustehenden zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung letztlich 20 Monate als entschädigungsrelevant.
Durch diese überlange Verfahrensdauer hat die Klägerin einen Nachteil nicht vermögenswerter Art erlitten. Dies folgt bereits aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet wird, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen, sind nicht erkennbar und auch von dem Beklagten nicht vorgebracht worden.
Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Absatz 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist zur Überzeugung des Senats nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 und Art. 41 EMRK, nach der eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens nur ausnahmsweise in Betracht kommt, besteht vorliegend kein Anlass, von der gesetzlich als Normalfall vor-gesehenen Zahlung einer Entschädigung abzusehen. Entsprechende Gründe hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht.
Ausgehend von der im Umfang von 20 Monaten überlangen Dauer des gerichtlichen Verfahrens und dem in § 198 Abs. 2 S. 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die der Klägerin zustehende angemessene Entschädigung auf 2.000,00 EUR. Raum, in Anwendung des § 198 Abs. 2 S. 4 GVG einen höheren Betrag anzusetzen, besteht nicht. § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG erlaubt eine Abweichung nur bei Unbilligkeit "nach den Umständen des Einzelfalls". Dabei kann es nur um atypische Einzelfälle gehen (vgl. BSG, Urteil vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – juris, Rn. 51, Roderfeld, a.a.O., § 198 Rn. 82). Denn die Pauschalierung dient gerade dazu, unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung möglichst zu vermeiden und damit eine zügige Abwicklung des Entschädigungsverfahrens zu gewährleisten (vgl. BT-Drucksache 17/3802, Seite 20). Derartige besondere Umstände, sind weder von der Klägerin nachvollziehbar geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Da derEntschädigungsanspruch nach § 198 GVG außerhalb des Systems der sozial-rechtlichen Ansprüche steht, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 03.09.2014 – B 10 ÜG 9/13 R – Rn. 52, – B 10 ÜG 12/13 R –, Rn. 61 und – B 10 ÜG 2/14 R – Rn. 54, alle zitiert nach juris), war der Beklagte weiter gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB analog zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu verurteilen. Diese sind ab Rechtshängigkeit, d.h. nach § 94 SGG ab Klageerhebung am 04. Dezember 2012 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 ZPO war im Hinblick auf die Regelungen der §§ 202, 198 Abs. 1 SGG nicht auszusprechen.
Gründe, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestanden nicht.
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