Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 32 AS 5651/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 588/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 24. Februar 2015 aufgehoben. Der Antragstellerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht ab dem 26. November 2013 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung oder Beiträge aus dem Vermögen bewilligt und Rechtsanwältin Heinrich beigeordnet. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem die Antragstellerin den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2013 anficht.
Die Antragstellerin lebte mit ihrer Mutter mindestens bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 16. Mai 2011 in Bedarfsgemeinschaft. Die Beklagte hat die Bewilligung von Sozialgeld für die Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2007 vollständig zurückgenommen und die Erstattung eines Betrages von 767,49 EUR verfügt. Sie stützte dies auf die vorsätzlich unterbliebene Angabe von erheblichem bei der Mutter der Antragstellerin und der Antragstellerin selbst im Bewilligungszeitraum vorhandenem Vermögen oberhalb der Freibeträge, das aus der Erbschaft (Versicherung) des Vaters der Antragstellerin herrührte. Daraus hatte die Mutter der Klägerin im Juni 2006 u.a. für ihre beiden Töchter Depots jeweils mit einem Wert von ca. 18.200 EUR einrichten lassen. Das Depot der Antragstellerin mit einem Wert von 16.6466,35 EUR wurde am 28. Mai 2010 aufgelöst (Bl 679 VA) und der Erlös am 1. Juni 2010 dem Konto der Schwester der Antragstellerin gutgeschrieben (Bl 684 VA). Das Sparkonto der Antragstellerin wies am 16. Mai 2011 ein Guthaben von 59,86 EUR aus (Bl 527 VA), Das Geldmarktkonto wurde am 22. April 2011 gelöscht (Bl 598 VA).
Nach Klageerhebung am 8. November 2013 hat die Antragstellerin am 26. November 2013 Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Sie verweist zur Begründung der Klage darauf, dass sie bei Eintritt der Volljährigkeit über kein relevantes Vermögen verfügt habe.
Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 24. Februar 2015 den Antrag abgelehnt und zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Antragstellerin habe sich das Fehlverhalten ihrer Mutter zurechnen zu lassen. Bei Annahme der gegenteiligen Ansicht der Antragstellerin wäre der Rechtsverstoß, den die gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin für diese begangen habe, mit der Folge sanktionslos, dass die Antragstellerin im dauerhaften Genuss der rechtswidrig erlangten Vorteile verbleiben könnte.
Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren mit der Beschwerde vom 2. März 2015 weiter. Sie stützt sich auf § 1629a BGB und dessen entsprechende Anwendbarkeit im Grundsicherungsrecht des SGB II.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.
Über die Beschwerde kann der Senat gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG allein durch seinen Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben und die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Die rechtlichen, einschließlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der vorliegende Fall wirft, an diesen Maßstäben gemessen, keine neuen rechtlichen Fragen auf.
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.
Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG liegt nicht vor. Die Vorschrift lautet: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedürfte bei voller Klageabweisung nicht der Zulassung, weil allein wegen des konkreten subjektiven Anspruchs der Antragstellerin zu 1) über sechs Monate der Beschwerdewert von 750 EUR überschritten wird.
Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der bedürftigen Antragstellerin war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes ist auch im Sinne von §§ 73a Abs 1 SGG, 121 Abs 2 ZPO erforderlich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheintHinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 29) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 73a, RdNr. 7a). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer ebd. mwN); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei Klagenhäufung in Betracht. Einerseits dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358 - JURIS-RdNr 27). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG ebd. JURIS-RdNr 26). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, bzw hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr 7a). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern auf eine allgemeine Betrachtung an. Ein Rechtsschutzbegehren hat daher auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358f - JURIS-RdNr 28 mwN). Nach diesen Maßstäben ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klage der Antragstellerin zulässig und der angefochtene Verwaltungsakt über die Erstattungsforderung rechtswidrig ist, anzunehmen. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist auszugehen. Nicht zu prüfen ist, ob die Rechtsauffassung des Sozialgerichts überhaupt vertretbar ist, sondern ob es die der Antragstellerin ist. Das ist anzunehmen. Diese kann sich auf die inzwischen ständige Rechtsprechung des BSG zur sozialrechtlichen Einwendung entsprechend § 1629a BGB auf Erstattungsansprüche der Sozialverwaltung im Grundsicherungsrecht des SGB II berufen. Dieser Rechtsprechung ist Vertretbarkeit zuzugestehen. Vorbehaltlich weiterer Aufklärung der Vermögenssituation der Antragstellerin am 16. Mai 2011 erscheint es bei Anwendung der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr gut möglich, dass der Erstattungsverwaltungsakt teilweise aufzuheben ist, weil die Erstattungsforderung im Hinblick auf die genannte sozialrechtliche Einwendung nicht in voller Höhe geltend gemacht werden darf.
Streitentscheidende Norm ist hier § 50 Abs 1 S 1 SGB X. Nach dieser Regelung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der angefochtene Bescheid enthält den Rücknahmebescheid über die bereits erbrachten Leistungen. Für eine daraus entstehende Erstattungspflicht kann eine Begrenzung aus der sozialrechtlichen Einwendung entsprechend § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB (in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl I 42) folgen. Hiernach beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes.
Unter ausdrücklichem Anschluss an die Rechtsprechung des 14. BSG-Senats hat der 4 Senat des BSG in seinem Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 12/14 R, RdnR 13, ausgeführt, der Rechtsgrundsatz des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB gelte gleichermaßen für die auf § 50 Abs 1 S 1 SGB X beruhenden Ansprüche auf Erstattung der an einen Minderjährigen erbrachten SGB II-Leistungen gemäß den §§ 20 bis 22 SGB II und sei von Amts wegen zu beachten. Er stellt also keine Einrede, sondern ein Einwendung dar. Der 14. Senat des BSG hatte zuvor bereits entschieden, dass dem Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsträgers gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X gegen einen Minderjährigen die Haftungsbeschränkung aus § 1629a BGB entgegenstehen kann (BSG Urteil vom 07.07.2011; B 14 AS 153/10 R). Unter Hinweis auf die der Einführung des § 1629a BGB vorausgehende Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13.05.1986, 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) hatte der 14. Senat ausgeführt, dass das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung berührt werde, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) über erlangtes Vermögen hinaus finanziell verpflichten könnten. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte Regelung des § 1629a BGB gelte mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend. Hiervon sei auch der Gesetzgeber ausgegangen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II (idF des Gesetzes vom 24.03.2011, BGBl I 453). Hierin habe der Gesetzgeber betont, dass die Regelung des neuen § 34a SGB II dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung trage, weil insbesondere bei der Leistungserbringung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen könne. Im Übrigen gelte bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, sodass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein könne (vgl BT-Drucks 17/3404, S 113).
Nach diesen Maßgaben lässt sich nach Aktenlage feststellen, dass das aus der Erbschaft erlangte Vermögen der Antragstellerin bei Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin nicht mehr bei ihr vorhanden war. Sparvermögen hatte die Antragstellerin lediglich in Höhe von 59,86 EUR. Inwieweit weiteres Vermögen vorhanden war, etwa auf einem Girokonto, bedarf weiterer Aufklärung. Insoweit besteht nach dem bestehenden Aktenmaterial indes keine höhere Wahrscheinlichkeit für ein Vermögen, das die Erstattungsforderung erreichen könnte. Da eine teilweise Erfolgsaussicht für einen vollen Anspruch auf Prozesskostenhilfe ausreicht (s.o.), kommt es auf die Erfolgsaussichten der Anfechtung gegen den Rücknahme-Verwaltungsakt und auf den teilweisen Nichterfolg der Anfechtung gegen den Erstattungsverwaltungsakt nicht an.
Die Antragstellerin ist zur Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage. Prozesskostenhilfe war ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also ab Antragstellung zu gewähren. Anwaltlicher Beistand ist angesichts der rechtlichen Schwierigkeit des Rechtsstreites geboten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem die Antragstellerin den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 11. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2013 anficht.
Die Antragstellerin lebte mit ihrer Mutter mindestens bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 16. Mai 2011 in Bedarfsgemeinschaft. Die Beklagte hat die Bewilligung von Sozialgeld für die Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2007 vollständig zurückgenommen und die Erstattung eines Betrages von 767,49 EUR verfügt. Sie stützte dies auf die vorsätzlich unterbliebene Angabe von erheblichem bei der Mutter der Antragstellerin und der Antragstellerin selbst im Bewilligungszeitraum vorhandenem Vermögen oberhalb der Freibeträge, das aus der Erbschaft (Versicherung) des Vaters der Antragstellerin herrührte. Daraus hatte die Mutter der Klägerin im Juni 2006 u.a. für ihre beiden Töchter Depots jeweils mit einem Wert von ca. 18.200 EUR einrichten lassen. Das Depot der Antragstellerin mit einem Wert von 16.6466,35 EUR wurde am 28. Mai 2010 aufgelöst (Bl 679 VA) und der Erlös am 1. Juni 2010 dem Konto der Schwester der Antragstellerin gutgeschrieben (Bl 684 VA). Das Sparkonto der Antragstellerin wies am 16. Mai 2011 ein Guthaben von 59,86 EUR aus (Bl 527 VA), Das Geldmarktkonto wurde am 22. April 2011 gelöscht (Bl 598 VA).
Nach Klageerhebung am 8. November 2013 hat die Antragstellerin am 26. November 2013 Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Sie verweist zur Begründung der Klage darauf, dass sie bei Eintritt der Volljährigkeit über kein relevantes Vermögen verfügt habe.
Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 24. Februar 2015 den Antrag abgelehnt und zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Antragstellerin habe sich das Fehlverhalten ihrer Mutter zurechnen zu lassen. Bei Annahme der gegenteiligen Ansicht der Antragstellerin wäre der Rechtsverstoß, den die gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin für diese begangen habe, mit der Folge sanktionslos, dass die Antragstellerin im dauerhaften Genuss der rechtswidrig erlangten Vorteile verbleiben könnte.
Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren mit der Beschwerde vom 2. März 2015 weiter. Sie stützt sich auf § 1629a BGB und dessen entsprechende Anwendbarkeit im Grundsicherungsrecht des SGB II.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.
Über die Beschwerde kann der Senat gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG allein durch seinen Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben und die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Die rechtlichen, einschließlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der vorliegende Fall wirft, an diesen Maßstäben gemessen, keine neuen rechtlichen Fragen auf.
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.
Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG liegt nicht vor. Die Vorschrift lautet: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedürfte bei voller Klageabweisung nicht der Zulassung, weil allein wegen des konkreten subjektiven Anspruchs der Antragstellerin zu 1) über sechs Monate der Beschwerdewert von 750 EUR überschritten wird.
Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der bedürftigen Antragstellerin war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes ist auch im Sinne von §§ 73a Abs 1 SGG, 121 Abs 2 ZPO erforderlich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheintHinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 29) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 73a, RdNr. 7a). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer ebd. mwN); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei Klagenhäufung in Betracht. Einerseits dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358 - JURIS-RdNr 27). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG ebd. JURIS-RdNr 26). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, bzw hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr 7a). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern auf eine allgemeine Betrachtung an. Ein Rechtsschutzbegehren hat daher auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358f - JURIS-RdNr 28 mwN). Nach diesen Maßstäben ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klage der Antragstellerin zulässig und der angefochtene Verwaltungsakt über die Erstattungsforderung rechtswidrig ist, anzunehmen. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist auszugehen. Nicht zu prüfen ist, ob die Rechtsauffassung des Sozialgerichts überhaupt vertretbar ist, sondern ob es die der Antragstellerin ist. Das ist anzunehmen. Diese kann sich auf die inzwischen ständige Rechtsprechung des BSG zur sozialrechtlichen Einwendung entsprechend § 1629a BGB auf Erstattungsansprüche der Sozialverwaltung im Grundsicherungsrecht des SGB II berufen. Dieser Rechtsprechung ist Vertretbarkeit zuzugestehen. Vorbehaltlich weiterer Aufklärung der Vermögenssituation der Antragstellerin am 16. Mai 2011 erscheint es bei Anwendung der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr gut möglich, dass der Erstattungsverwaltungsakt teilweise aufzuheben ist, weil die Erstattungsforderung im Hinblick auf die genannte sozialrechtliche Einwendung nicht in voller Höhe geltend gemacht werden darf.
Streitentscheidende Norm ist hier § 50 Abs 1 S 1 SGB X. Nach dieser Regelung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der angefochtene Bescheid enthält den Rücknahmebescheid über die bereits erbrachten Leistungen. Für eine daraus entstehende Erstattungspflicht kann eine Begrenzung aus der sozialrechtlichen Einwendung entsprechend § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB (in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl I 42) folgen. Hiernach beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes.
Unter ausdrücklichem Anschluss an die Rechtsprechung des 14. BSG-Senats hat der 4 Senat des BSG in seinem Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 12/14 R, RdnR 13, ausgeführt, der Rechtsgrundsatz des § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB gelte gleichermaßen für die auf § 50 Abs 1 S 1 SGB X beruhenden Ansprüche auf Erstattung der an einen Minderjährigen erbrachten SGB II-Leistungen gemäß den §§ 20 bis 22 SGB II und sei von Amts wegen zu beachten. Er stellt also keine Einrede, sondern ein Einwendung dar. Der 14. Senat des BSG hatte zuvor bereits entschieden, dass dem Erstattungsanspruch eines Grundsicherungsträgers gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X gegen einen Minderjährigen die Haftungsbeschränkung aus § 1629a BGB entgegenstehen kann (BSG Urteil vom 07.07.2011; B 14 AS 153/10 R). Unter Hinweis auf die der Einführung des § 1629a BGB vorausgehende Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13.05.1986, 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) hatte der 14. Senat ausgeführt, dass das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung berührt werde, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) über erlangtes Vermögen hinaus finanziell verpflichten könnten. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte Regelung des § 1629a BGB gelte mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend. Hiervon sei auch der Gesetzgeber ausgegangen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 34a SGB II (idF des Gesetzes vom 24.03.2011, BGBl I 453). Hierin habe der Gesetzgeber betont, dass die Regelung des neuen § 34a SGB II dem praktischen Bedürfnis nach Inanspruchnahme des Verursachers Rechnung trage, weil insbesondere bei der Leistungserbringung an minderjährige Kinder auch ein Anspruch gegenüber den gesetzlichen Vertretern bestehen könne. Im Übrigen gelte bei Eintritt der Volljährigkeit zugunsten der Schuldner § 1629a BGB, sodass insoweit eine Beschränkung auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen gegeben sein könne (vgl BT-Drucks 17/3404, S 113).
Nach diesen Maßgaben lässt sich nach Aktenlage feststellen, dass das aus der Erbschaft erlangte Vermögen der Antragstellerin bei Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin nicht mehr bei ihr vorhanden war. Sparvermögen hatte die Antragstellerin lediglich in Höhe von 59,86 EUR. Inwieweit weiteres Vermögen vorhanden war, etwa auf einem Girokonto, bedarf weiterer Aufklärung. Insoweit besteht nach dem bestehenden Aktenmaterial indes keine höhere Wahrscheinlichkeit für ein Vermögen, das die Erstattungsforderung erreichen könnte. Da eine teilweise Erfolgsaussicht für einen vollen Anspruch auf Prozesskostenhilfe ausreicht (s.o.), kommt es auf die Erfolgsaussichten der Anfechtung gegen den Rücknahme-Verwaltungsakt und auf den teilweisen Nichterfolg der Anfechtung gegen den Erstattungsverwaltungsakt nicht an.
Die Antragstellerin ist zur Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage. Prozesskostenhilfe war ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also ab Antragstellung zu gewähren. Anwaltlicher Beistand ist angesichts der rechtlichen Schwierigkeit des Rechtsstreites geboten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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