L 6 KR 31/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KR 620/11 WA
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 31/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 2/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. März 2013 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung von Fahrtkosten für die Fahrt zu ambulanten Behandlungen, insbesondere Kontrolluntersuchungen wegen der Folgen einer Nierentransplantation, hat.

Der 1945 geborene Kläger wurde 1999 mit einer Nierentransplantation versorgt. Er war Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit der Bescheinigung eines Grades der Behinderung von 100 und dem Merkzeichen RF. Mit einem Schreiben vom 30. März 2004 wandte er sich an die Beklagte und teilte mit, er unterziehe sich 4-mal pro Jahr einer ambulanten Behandlung in der Universitätsklinik H. Er beantrage die (weitere) Übernahme der Fahrtkosten. Beigefügt war ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. R. vom Vortag, wonach die Fahrten nach H. aus medizinischen Gründen notwendig seien.

Mit Schreiben vom 14. April 2004 wandten sich die Ärzte des Transplantationszentrums der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie in H. an die Beklagte und führten aus, bei dem Kläger müsse eine Immunsuppression zur Verhinderung einer Abstoßung der Transplantatniere durchgeführt werden. Daraus ergebe sich eine deutlich erhöhte Infektionsanfälligkeit. Die Abstoßungsgefahr bestehe auf unbestimmte Zeit fort. Zur Früherkennung von Veränderungen im Transplantat sei die Einrichtung mit besonderen diagnostischen Mitteln ausgestattet. Einige der Untersuchungen seien ausschließlich im dortigen Forschungslabor durchführbar. Das Ergebnis der Untersuchungen werde in enger Zusammenarbeit und Beratung eines Teams von transplantationserfahrenen Klinikern, Laborärzten und Naturwissenschaftlern gewonnen. Deren Erfahrung sei für das Langzeit-Management unerlässlich, während die mitbetreuenden niedergelassenen Ärzte eine wichtige Kontrollfunktion am Wohnort des Patienten ausübten. Durch das Zusammenwirken von Nephrologen und Urologen am Transplantationszentrum würden zudem doppelte Fahrten und Arztvorstellungen vermieden. Da viele Patienten die Fahrtkosten nicht aufbringen könnten, bestünde die Gefahr, dass die optimale Therapiesteuerung durch ein spezialisiertes Zentrum nicht aufrecht erhalten werden könne. Mittelfristig sei dann eine Verkürzung der Funktionsdauer der transplantierten Niere möglich. Die Kriterien für eine Kostenübernahme sollten denjenigen bei Dialysepatienten entsprechen.

In einem Bericht vom 23. Juni 2004 teilte der Nephrologe Dr. R. von der genannten Einrichtung mit, der Kläger stelle sich alle vier Monate in der Einrichtung vor. Der Kläger unterziehe sich einem Therapieschema in Form der Steuerung der immunsuppressiven Behandlung mit Nachkontrollen zur Früherkennung von pathologischen Veränderungen im Nierentransplantat. Der Kläger sei deutlich infektionsgefährdet.

Mit Stellungnahme vom 14. Juli 2004 vertrat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Auffassung, ein Ausnahmefall für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung liege hier nicht vor. Der Versicherte sei nicht in einer Weise beeinträchtigt, bei der die Beförderung zur Vermeidung von Schäden an Leib und Leben unerlässlich sei. Eine Übernahme der Fahrtkosten komme nicht in Betracht.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2004 führte die Beklagte aus, Fahrtkosten könnten zukünftig nicht mehr übernommen werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen insbesondere nach den Krankentransport-Richtlinien nicht vor. Es fehle beim Kläger an einer hohen Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum i. S. v. § 8 Abs. 2 dieser Richtlinien. Dieses Merkmal sei erfüllt, wenn ärztliche Behandlungen etwa wöchentlich notwendig seien. Die lebenslange Einnahme von Medikamenten, die das Immunsystem schwächten, betreffe alle von einer Transplantation Betroffenen. Gleichwohl nähmen diese – auch unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – am gesellschaftlichen Leben teil. Die Rechnung vom April 2004 werde als letzte übernommen.

Der Kläger legte am 20. August 2004 gegen den Bescheid Widerspruch ein und verwies auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie eine jüngst verschlechterte Schwerhörigkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Die Beklagte führte aus, ein Ausnahmefall im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 4 SGB V liege beim Kläger nicht vor. Durch die ambulante Behandlung würde keine stationäre oder teilstationäre Krankenbehandlung vermieden, weil eine solche nicht notwendig sei. Es handele sich auch nicht um einen Ausnahmefall im Sinne der Krankentransport-Richtlinien.

Mit der noch am gleichen Monat beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er könne die Fahrt nach H. wegen des frühen Untersuchungsbeginns und aus gesundheitlichen Gründen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Ein Fahrzeug besitze er nicht.

Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 13 - 20 d. A. Bezug genommen wird.

Das zuständige Sozialgericht Magdeburg hat nach Verweisung der Streitsache mit Urteil vom 22. März 2013 die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, dem Kläger auf den Antrag vom 30. März 2004 die Fahrtkosten für die Untersuchungen im Transplantationszentrum in H. zu erstatten. Es hat ausgeführt, der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Es handele sich um eine nachstationäre Behandlung i. S. v. § 115 a SGB V. Nach § 9 des Transplantationsgesetzes könnten auch über einen Zeitraum von 3 Monaten nach einer Operation hinaus in medizinisch begründeten Einzelfällen nachstationäre Leistungen erbracht werden. Kontrolluntersuchungen könnten zudem auch nach deren Beendigung fortgeführt werden, um die weitere Krankenbehandlung oder Maßnahme der Qualitätssicherung wissenschaftlich zu begleiten oder zu unterstützen. Um eine solche Maßnahme handele es sich hier. Aus der Einbeziehung der Kontrolluntersuchungen nach Organübertragungen in § 115 a SGB V folge deren Gleichsetzung mit vor- und nachstationären Behandlungen i. S. des § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Damit seien sie von den in § 60 Abs. 1 SGB V geregelten ambulanten Behandlungen zu trennen. Im Übrigen hätten auch Organspender Anspruch auf Fahrtkostenerstattung, was erst recht für Organempfänger gelten müsse.

Gegen das ihr am 19. April 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Mai 2013 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Fahrtkostenanspruch lasse sich nicht auf § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 115 a Abs. 2 Satz 4 SGB V stützen. Es fehle schon an Ausführungen zu der Voraussetzung, wonach eine an sich gebotene voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung letztlich nicht durchgeführt wird. Diese Voraussetzung sei auch nicht erfüllt. Das Transplantationszentrum habe selbst auf den Fall des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V verwiesen. Um einen solchen handele es sich aber nicht, weil die Voraussetzungen der Transportrichtlinien nicht erfüllt seien. Die durchgeführten Behandlungen fänden in der dafür vorgesehenen Ambulanz des Klinikums statt. Im Übrigen erfülle der Kläger auch die persönlichen Voraussetzungen einer Fahrtkostenerstattung nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 8 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinien nicht. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Höhe nach ggf. nur ein Anspruch auf eine Kilometerpauschale von 0,20 EUR/km, höchstens 130,- EUR pro Reise, bestünde. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf Bl. 101- 112, 153 f. d. A., Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. März 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erstattung für zurückliegende Fahrten in Höhe von insgesamt 1218,- EUR erfolgen soll und zukünftige Fahrtkosten zur Universitätsklinik H. nach einer Kilometerpauschale von 0,30 EUR bei 140 km pro Hin- und Rückfahrt zu erstatten sind.

Zur Erläuterung seines Antrages weist er darauf hin, dass er eine Kostenerstattung für 29 zurückliegende Fahrten zur Universitätsklinik H. nach den im Antrag genannten Größen geltend macht. Er vertritt die Auffassung, die Kontrollbehandlungen dienten der Vermeidung eines stationären Krankenhausaufenthaltes. Das lasse sich bereits allein daraus schließen, dass die vorgenommenen Untersuchungen auch nur dort durchgeführt werden könnten. Insofern verweise er auf ein Attest der Universitätsklinik vom 14. August 2013, Bl. 132 f. d. A.

Der Kläger hat in einem Erörterungstermin am Entscheidungstag mitgeteilt, er nehme außer den Behandlungen, die unmittelbar der Transplantationsnachsorge gälten, weitere regelmäßige Behandlungen wahr bzw. habe dies zeitweise getan. So habe er bis etwa zum Jahreswechsel 2014/15 durchschnittlich zweimal jährlich die Medizinische Hochschule H. aufgesucht. Dort seien Untersuchungen bezüglich einer Hepatitis durchgeführt worden, weil diese zur Vermeidung einer Zerstörung des Transplantats nicht auf herkömmliche Weise behandelt werden könne. Weiterhin suche er einmal jährlich die Praxis Dr. M. in St. auf, wo er auf Hautkrebs untersucht werde. Insoweit habe die eingeschränkte Nierenfunktion auch Auswirkungen auf die Haut. Über einen Zeitraum hinweg, der schon vor 2004 zurückreiche, habe er die Zuzahlungsgrenze ausgeschöpft und sei jeweils von weiteren Zuzahlungen befreit gewesen. Er verfüge weiterhin über einen Schwerbehindertenausweis mit dem alleinigen Merkzeichen RF, wohingegen die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens aG abgelehnt worden sei. Pflegebedürftig sei er nicht.

Das Gericht hat einen Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin/Nephrologie Dr. R. am 20. Juli 2015, Bl. 175 – 177 d. A., eingeholt. Dr. R. hat mitgeteilt, der Kläger befinde sich seit 1999 in etwa vierwöchentlichem Abstand in ihrer Sprechstunde.

Die Akte der Beklagten – Az. 047 553 458 000 – hat bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zumindest gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat Erfolg.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtmäßig ist.

Darüber kann der Senat entscheiden, ohne dass zuvor weitere Träger als denkbar leistungspflichtig im Sinne von § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen gewesen wären. Für die Vergangenheit kommt eine Erstattung von Fahrtkosten durch einen Sozialhilfeträger schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die Fahrten zu den Kontrolluntersuchungen selbst organisiert und deren Kosten getragen hat. Insofern besteht der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII – G. v. 27.12.2003, BGBl. I S. 3022). Für die Gegenwart und Zukunft ist zunächst Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers schon nach dessen eigenem Vortrag und eigener Einschätzung nicht erkennbar, da er über laufende Einnahmen in Form von Sozialleistungen von insgesamt knapp 1200,- EUR netto monatlich verfügt und zudem Eigentümer zweier Grundstücke ist, die er aktuell zu veräußern versucht. Zudem kommt jedenfalls ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten in der geltend gemachten pauschalierten Form gegen einen Sozialhilfeträger nicht in Betracht, weil die Kosten allenfalls als konkreter Bedarf zur Grundsicherung im Alter nach § 42 Nr. 1 SGB XII als deren Teil zu tragen wären und gegenüber einer Fahrtkostenübernahme eine andere Leistung darstellten. Leistungen einer Fahrtkostenübernahme in Form der Hilfe zur Gesundheit im Sinne des Fünften Kapitels des SGB XII sind ebenso wenig vorgesehen, zumal die Leistungserbringung wesentlich unter Verweisung auf das SGB V erfolgt.

Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Abs. 1, 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V – i. d. F. d. G. v. 14.11.03, BGBl. I S. 2190). Vielmehr unterliegt er dem grundsätzlichen Ausschluss von Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung in § 60 Abs. 1 S. 2 SGB V.

Es geht beim Kläger schon dem Ansatz nach nicht um Fahrten im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, nicht um Rettungsfahrten im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 3 SGB V und nicht um Fahrten, während denen eine besondere Betreuung oder Ausstattung des Transportmittels erforderlich ist im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V.

Es handelt sich aber auch nicht um Fahrten im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, weil durch die Behandlungen im Transplantationszentrum der Universitätsklinik H. nicht eine gebotene stationäre Krankenhausbehandlung ersetzt wird. Sowohl der voll- als auch der teilstationären Behandlung ist eigen, dass sie nicht auf eine Erledigung innerhalb eines Tages angelegt sind (BSG, Urt. v. 4.3.2004 – B 3 KR 4/03 R – Juris, Rn. 28). Gerade dies ist aber bei den Kontrolluntersuchungen des Klägers in der Universitätsklinik H. der Fall. Der Kläger hält sich nicht für eine vorab festgelegte Abfolge von Behandlungen in kurzen Zeitabständen dort auf, sondern für eine jeweils einzelne, auf einen Tag angelegte Nachuntersuchung, die jeweils zu einem abgeschlossenen Ergebnis führt. Selbst wenn der nächste Termin für eine Kontrolluntersuchung im Wesentlichen feststehen sollte, ist nicht eine besondere Verdichtung der Behandlungsmaßnahmen im Krankenhaus das damit verfolgte Ziel, sondern ist die Wahrung des stets eingehaltenen größeren Zeitabstandes erforderlich, bevor die alten Untersuchungsergebnisse überholt sein können und einer erneuten Überprüfung bedürfen. Dies ergibt sich aus der weitmaschigen Terminvergabe, die nach den entsprechenden Auskünften der Universitätsklinik H. medizinisch bedingt ist.

Auch für vor- oder nachstationäre Behandlungen nach §§ 115 a SGB V gilt im Übrigen, dass die Fahrkostenerstattung nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V nur für den Fall möglich ist, dass sie gebotene stationäre Behandlungen ersetzen. Das ist – wie dargelegt – nicht der Fall. Schon deshalb kann sich der Senat der Begründung des Sozialgerichts nicht anschließen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die in § 115 a Abs. 2 S. 4 SGB V geregelten Kontrolluntersuchungen Teil der nachstationären Behandlung sein sollen. Der Wortlaut der Vorschrift, wobei es sich um Untersuchungen "nach Beendigung der nachstationären Behandlung" handelt, spricht im Übrigen deutlich dagegen.

Der geltend gemachte Anspruch auf Fahrkostenerstattung lässt sich auch nicht im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 SGB V stützen.

Der ambulante Operationen betreffende Anspruch aus § 7 Abs. 2 Buchst. c der Krankentransport-Richtlinien (i.d.F. v. 22.1.2004, BAnz S. 1342 bzw. der letzten Änderung v. 21.12.2004, BAnz 2005, S. 2937) ist schon thematisch nicht berührt.

Der Kläger wird auch nicht im Sinne von § 8 Abs. 2 Krankentransport-Richtlinien in einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Ein Therapieschema in diesem Sinne stellt das Zusammenwirken der Kontrolluntersuchungen an der Universitätsklinik H. und der immunsuppressiven Behandlung in einer Praxis niedergelassener Ärzte dar, die der Transplantationsnachsorge dienen. Demgegenüber betreffen weder die Hepatitisbehandlung in H. noch die Hautkrebsvorsorge bei Dr. M. ein Therapieschema, das durch die Grunderkrankung vorgegeben ist. Dass die Grunderkrankung auch andere Krankheitsbilder möglicherweise behandlungsbedürftig mitbeeinflusst, reicht dazu nicht aus.

Die sich aus der Transplantationsnachsorge ergebende Häufigkeit von Behandlungen stellt keine hohe Behandlungsfrequenz dar. Es handelt sich insgesamt im Höchstfall um 17 Behandlungen jährlich, verteilt auf 13 Behandlungen in der Gemeinschaftspraxis in A., die sich aus einem ca. vierwöchentlichen Abstand nach dem Bericht von Dr. R. ergibt, und bis zu vier – zuletzt zwei – Behandlungen in der Universitätsklinik, die der Kläger aufgelistet hat. Eine hohe Behandlungsfrequenz wird auch im Falle – wie hier – unbegrenzter Behandlungsdauer jedenfalls nicht erreicht, wenn sie in einem Jahr 18 Fälle unterschreitet (vgl. schon Urt. des Senats v. 16.4.2015 – L 6 KR 49/14 – Juris, mit Nachweis weiterer Rechtsprechung der Landessozialgerichte, Rn. 43), die durchschnittlich als Arztkontakte Versicherter anfallen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.1.2013 – L 4 KR 17/10 – Juris, Rn. 49 mit Quellennachweis).

Worin eine hohe Behandlungsfrequenz im Sinne der Krankentransportrichtlinien zu sehen ist, ist im Vergleich mit den Regelbeispielen in Anl. 2 der Krankentransport-Richtlinien zu ermitteln. Dabei lässt die notwendige Häufigkeit der dort aufgezählten Strahlentherapien mit mehrmals wöchentlich keinen Schluss auf diejenige bei unbegrenzt andauernden Behandlungen zu, weil diese Therapie zeitlich überschaubar begrenzt durchgeführt wird (BSG, Urt. v. 28.7.2008 – B 1 KR 27/07 R – Juris, Rn. 31). Eine Behandlungsfrequenz, die die durchschnittliche Zahl von Arztkontakten Versicherter nicht erreicht, kann umgekehrt das Merkmal besonderer Ausnahmefälle in § 8 Abs. 1 Krankentransport-Richtlinien nicht ausfüllen. Dieses Merkmal verbietet es nach Auffassung des Senats auch, die Chemotherapie mit Behandlungsabfolgen von drei bis vier Wochen innerhalb einer Zeit von bis zu acht Monaten (vgl. hierzu BSG, a.a.O.) allein in den Mittelpunkt einer vergleichenden Betrachtung zu stellen. Vielmehr vermitteln die Regelbeispiele allein keine ausreichende Orientierung, weil sie teils eine hohe Behandlungsfrequenz bei unbegrenzter Dauer – Dialyse – und teils eine niedrigere Behandlungsfrequenz bei begrenzter Dauer – Chemotherapie – zum Gegenstand haben, eine hohe Behandlungsfrequenz im Vorschriftensinne aber schon mit umso größerem Abstand einzelner Behandlungen erreicht wird, je länger die vorhersehbare Gesamtdauer zu veranschlagen ist (BSG, a.a.O.).

Die in § 8 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinien genannten Anspruchsvoraussetzungen bestimmter Merkzeichen nach dem Schwerbehindertenrecht oder die Feststellung der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung erfüllt der Kläger nicht. Auch eine den genannten Voraussetzungen vergleichbare Einschränkung der Mobilität hat der Kläger nicht. Weder aus den eingeholten Befundberichten noch aus dem Vortrag des Klägers selbst ergeben sich insoweit Einschränkungen seiner Fähigkeit, Wege zurückzulegen. So nennt er auch als einzigen Grund, weshalb er die Universitätsklinik in H. mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichen kann, die unzureichende Verbindung, um rechtzeitig zum üblichen Bestelltermin dort anzukommen. Seiner Selbsteinschätzung zur Pflegebedürftigkeit folgt das Gericht ebenfalls, da der Kläger ausweislich seiner Mitteilung des Todes Angehöriger allein lebt.

Zudem bestand im vorliegenden Fall für die Beklagte kein Anlass, einer vergleichbaren Mobilitätseinschränkung durch Begutachtungen nachzugehen. Stehen rechtliche Hindernisse den vorausgesetzten Feststellungshandlungen auf den Gebieten des Schwerbehindertenrechts oder der Pflegepflichtversicherung nicht entgegen, ist es Angelegenheit des Versicherten, diese zu erwirken. Es bedarf eines besonderen Feststellungsinteresses, wenn der Versicherte sich außerhalb dieser Obliegenheit auf vergleichbare Tatbestände berufen will. Beim Kläger liegen keine Einschränkungen vor, auf Grundlage des festgestellten Grades der Behinderung von 100 die Voraussetzungen eines jedweden Merkzeichens feststellen zu lassen oder als gesetzlich Pflegeversicherter Feststellungen zu einer Pflegestufe treffen zu lassen, soweit die Voraussetzungen vorlägen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG und folgt hier dem Unterliegen des Klägers.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da er die Frage nach einer Mindestgrenze einer hohen Behandlungsfrequenz für den Fall einer unbegrenzten Behandlungsdauer für klärungsbedürftig hält.
Rechtskraft
Aus
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