S 45 KR 426/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
45
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 45 KR 426/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Trägerin eines Krankenhauses ist nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht gehindert, innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist die Kodierung eines Behandlungsfalles zu korrigieren und ihren dabei nach dem DRG-System unverändert fortbestehenden Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse ihres Patienten geltend zu machen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese ein Prüfverfahren gemäß § 275 SGB V eingeleitet hat und somit zwischen der Krankenhausträgerin und der Krankenkasse Streit über die Abrechnung besteht.
Die Krankenkasse kann sich nur dann auf Verwirkung berufen, wenn besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer sie davon ausgehen kann, dass die Krankenhausträgerin ihren Vergütungsanspruch nicht mehr geltend machen wird.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 3.623,79 EUR nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 16. Dezember 2010 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird am 3.623,79 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist in der Sache die Abrechnung einer stationären Behandlung des Patienten W. H. streitig.

Der bei der Beklagten versicherte Patient wurde im Klinikum der Klägerin in der Zeit vom 9. bis zum 16. März 2006 vollstationär behandelt.

Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten am 6. April 2006 eine Rechnung in Höhe von 9.563,43 EUR. Aufgrund der von ihr verschlüsselten Diagnosen und Prozeduren ermittelte sie die DRG R12A (andere hämatologische und solide Neubildungen mit großen OR-Prozeduren, mit äußerst schweren CC, ohne komplexe OR-Prozedur).

Die Beklagte glich diese Rechnung zunächst vollständig aus, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankensicherung Sachsen-Anhalt e.V. (MDK) am 11. April 2006 mit einer Prüfung dieses Behandlungsfalles unter dem Gesichtspunkt der korrekten Verschlüsselung.

Dieser kam in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18. September 2006 zu dem Ergebnis, dass diverse Nebendiagnosen nicht hätten verschlüsselt werden dürfen. Hierdurch ergäbe sich lediglich die die DRG R12C.

Aufgrund dessen forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 28. September 2006 auf, die Rechnung bis zum 20. Oktober 2006 zu korrigieren.

Diesem Ansinnen kam die Klägerin jedoch nicht nach und wandte sich gegen das Ergebnis der Prüfung durch den MDK.

In dem daraufhin eingeholten sozialmedizinischen Gutachten vom 6. März 2007, welches aufgrund der Einsicht in die komplette Krankenhausakte des Patienten erstellt wurde, gelangte der MDK zu dem Ergebnis, dass die für den Behandlungsfall erlösrelevante Nebendiagnose Psoriasis-Arthropatie (ICD 10 L40.5) nicht hätte kodiert werden dürfen. Die Voraussetzungen für die Verschlüsselung als Nebendiagnose seien nicht erfüllt, weil der Patientenakte keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Erkrankung zu entnehmen seien. Somit hätte lediglich die DRG R12C abgerechnet werden dürfen.

Nachdem die Beklagte das Universitätsklinikum M. auch über dieses Ergebnis informiert hatte, wandte sich dieses erneut gegen das Begutachtungsergebnis. Es vertrat weiterhin die Auffassung, dass diese Nebendiagnose zu Recht verschlüsselt worden sei.

Auch ein erneutes sozialmedizinisches Gutachten vom 30. November 2007 brachte keine Klärung.

Eine nochmalige Prüfung der Rechnung durch die Klägerin ergab, dass Änderungen in der Verschlüsselung vorzunehmen seien, es jedoch bei der Abrechnung der DRG R12A verbleibe. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung sei zwar nicht die Psoriasis-Arthropatie (L40.5), jedoch eine Linksherzinsuffizienz (ICD 10 I50.12) zu verschlüsseln gewesen.

Die Klägerin informierte die Krankenversicherung hierüber mit Schreiben vom 26. Februar 2008. Gleichwohl sah diese sich nicht veranlasst, den Sachverhalt erneut zu prüfen und rechnete mit einem vermeintlich bestehenden Erstattungsanspruch am 1. April 2008 gegen eine unstreitige Forderung der Klägerin in Höhe von 3.623,79 EUR, deren Ursprung unbekannt ist, auf.

Nachdem diverse Schreiben zwischen den Beteiligten im Dezember 2010 keine Klärung gebracht hatten, hat die Klägerin am 16. Dezember 2010 Klage zum Sozialgericht erhoben.

Die Nebendiagnose Psoriasis-Arthropatie sei tatsächlich von ihr unzutreffend verschlüsselt worden. Der Patient habe jedoch unter einer Linksherzinsuffizienz 2. Grades (ICD 10 I50.12) gelitten, welche abrechnungsrelevant sei. Dies ergäbe sich aus dem Inhalt der Patientenakte. So sei im Anästhesieprotokoll eine entsprechende Linksherzinsuffizienz dokumentiert worden. Eine entsprechende medikamentöse Therapie sei während des stationären Aufenthaltes durchgeführt worden, so dass auch von einem Ressourcenverbrauch auszugehen sei. Die Beschwerdefreiheit resultiere insbesondere aus der umfangreichen medikamentösen Einstellung des Patienten.

Somit seien die Voraussetzungen für die Verschlüsselung dieser Erkrankung als Nebendiagnose erfüllt. In jedem Fall habe jedoch eine Linksherzinsuffizienz 1. Grades (ICD 10 I50.11), d.h. eine Linksherzinsuffizienz ohne Beschwerden, bestanden.

Darüber hinaus seien auch weitere vom MDK beanstandete Nebendiagnosen kodierfähig.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen ihr 3623,79 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 16. Dezember 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt letztlich unter Berufung auf das im Klageverfahren von ihr eingeholte und vorgelegte Gutachten des MDK vom 28. August 2013 die Auffassung, dass eine Linksherzinsuffizienz nicht bestanden habe. Es habe weder eine spezielle kardiologische Diagnostik während des stationären Aufenthaltes stattgefunden, noch sei das Standardvorgehen durch eine Linksherzinsuffizienz beeinflusst worden. Zudem sei der Patient beschwerdefrei gewesen. Es hätten keine Anzeichen für eine Dyspnoe bzw. eine Lungenstauung bestanden. Das sich aus der Patientenakte ergebende Beschwerdebild sowie die weiteren in ihr enthaltenen Angaben würden im Hinblick auf die Herzproblematik lediglich die Verschlüsselung eines nicht näher bezeichneten Vorhofflimmerns (ICD 10 I48.19) und einer Kardiomegalie (ICD 10 I51.7) – wie von der Klägerin verschlüsselt – rechtfertigen. Eine weitergehende Verschlüsselung scheide aus.

Unabhängig davon bestehe der Zahlungsanspruch aus formalen Gründen nicht. Die Klägerin sei nicht berechtigt, erst mehrere Jahre nach Abrechnung einer stationären Behandlung Änderungen der Kodierung vorzunehmen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von Herrn P. Dr. med. K. Sch., Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie, Proktologie und Koloproktologie. In seinem Gutachten vom 10. April 2014 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die Verschlüsselung der DRG R12A durch die Klägerin im Ergebnis zutreffend vorgenommen worden sei.

Er führt aus, dass den sich den in der Patientenakte enthaltenen Unterlagen das Bestehen einer Linksherzinsuffizienz 2. Grades entnehmen lasse, welche mit I50.12 zu verschlüsseln sei. Durch das Röntgenbild sei mit dem dokumentiert vergrößerten Herzen und der betonten Lungengefäßfüllung schon ein Rückstau aus dem linken Herzen bewiesen. Aufgrund der acht Standardmedikamente und der Bedarfsmedikation durch Bereitstellung von Nitrospray müsse auch ohne weitere diagnostische Maßnahmen die Erkrankung des Patienten als Linksherzinsuffizienz 2. Grades bewertet werden. Insbesondere das Nitrospray werde dann eingesetzt, wenn unter bestimmten Bedingungen (Belastung) es zu typischen Herzbelastungsschmerzen (Angina Pectoris) kommen könne. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten nimmt die Kammer Bezug auf Blatt 79-88 der Gerichtsakte.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich vorliegend um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem die Beklagte nicht berechtigt ist, einseitig durch Verwaltungsakt Regelungen zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Aktenzeichen: B 3 KR 33/99 R sowie Urteil vom 16. Dezember 2008, Aktenzeichen: B 1 KN 2/08 KR R jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Vorverfahren war aus diesem Grund nicht erforderlich und eine Klagefrist nicht einzuhalten (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 und BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; st. Rspr.). Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Krankenkasse - wie hier - gegen unstreitige Forderungen der Klägerin mit einem Erstattungsanspruch aus einem früheren Behandlungsfall aufgerechnet hat.

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin stand die von ihr am 6. April 2006 der Beklagten in Rechnung gestellte Vergütung (Rechnungsnummer 90609774) vollumfänglich zu (vgl. zur vorrangigen Prüfung des ursprünglichen Vergütungsanspruchs der Klinik in Verrechnungsfällen, BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az: B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 2/08 KR R). Der Beklagten stand damit kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch im Hinblick auf die von ihr bereits geleistete Vergütung für die stationäre Behandlung des Patienten Wolfgang Haß in der Zeit vom 9. bis 16. März 2006 zu. Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf die volle Vergütung des hier unbekannten – jedoch unstreitigen – Behandlungsfalles.

Die Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ergibt sich aus § 109 Absatz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), da dieser nicht von einer Kostenzusage der jeweiligen Krankenkasse abhängt und unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung des bei einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten entsteht, wenn die Versorgung gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB V medizinisch erforderlich ist. Mit der Versorgungspflicht der Klinik korrespondiert deren Vergütungsanspruch, vgl. § 109 Absatz 4 Satz 2 und 3 SGB V.

Ergänzend beruht der Anspruch in seiner Höhe auch auf §§ 1, 7 und 9 Absatz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der Anlage 1 Teil 1 der Fallpauschalenvereinbarung 2009 sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG).

Gemäß § 1 Absatz 1 KHEntgG werden unter anderem vollstationäre Leistungen der Kliniken nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet. Bei der hier streitigen Behandlung des Patienten handelt es sich um eine solche vollstationäre Krankenhausbehandlung. Die Kammer hat deshalb nicht zu entscheiden, ob es sich hierbei um eine vorrangig zu prüfende Anspruchsvoraussetzung handelt, wie der 3. Senat des BSG meint oder nicht, vgl. zum Meinungsstand, BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 1/07 KR R.

Auf dieser Grundlage gelangte die Klägerin im Rahmen des Groupings im Ergebnis zur zutreffenden DRG (vergleiche hierzu unter 1.). Sie ist auch nicht aus formalen Gründen an der Geltendmachung ihres Anspruchs gehindert (vergleiche hierzu unter 2.).

1. Zwischen den Beteiligten ist – soweit entscheidungserheblich – allein die Verschlüsselung der Nebendiagnose I50.12, Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei stärkerer Belastung streitig.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die DRG R12A aus kodierrechtlicher Sicht durch die Klägerin im Ergebnis zutreffend abgerechnet worden ist, weil die Voraussetzungen für die Kodierung der Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei stärkerer Belastung (I50.12) oder aber zumindest jener einer Linksherzinsuffizienz ohne Beschwerden (I50.11) als Nebendiagnose vorlagen.

Auf die übrigen (streitigen) Nebendiagnosen kommt es angesichts des unstreitig beim Patienten bestehenden nicht näher bezeichneten Vorhofflimmerns (I48.19) sowie der unstreitigen Hauptdiagnose Sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Axilläre Lymphknoten und Lymphknoten der oberen Extremitäten (C77.3) und der durchgeführten Operation einer regionalen Lymphadenektomie (Ausräumung mehrerer Lymphknoten einer Region) als selbstständiger Eingriff: Axillär) nicht an. In beiden Fällen gelangt man (nach dem Webgrouper der Universität Münster) zur Abrechnung der DRG R12A.

Nach den im Behandlungszeitraum gültigen Deutschen Kodierrichtlinien (Version 2006) wird eine Nebendiagnose definiert als eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Die Nebendiagnosen müssen deshalb als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Art und Weise beeinflussen, dass entweder therapeutische oder diagnostische Maßnahmen bzw. ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand erforderlich werden / wird. Krankheiten, die zum Beispiel durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen.

Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die Linksherzinsuffizienz beim Patienten während des stationären Aufenthaltes vom 9. bis 16. März 2006 vor.

Die Kammer folgt dem Gutachten des Herrn P. Dr. K. Sch. vom 10. April 2014, wonach beim Patienten H. eine medikamentös behandelte Linksherzinsuffizienz bestand. Sie hält die Ausführungen des Gutachters für schlüssig und nachvollziehbar. Er gelangt auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung der Behandlungsunterlagen in Bezug auf die Herzproblematik (vergleiche Blatt 85 der Gerichtsakte) überzeugend zu dem Ergebnis, dass durch das Röntgenbild mit dem dokumentiert vergrößerten Herzen und der betonten Lungengefäßfüllung bereits ein Rückstau aus dem linken Herzen bewiesen ist. Zudem wird – worauf der Gutachter zutreffend hinweist – die Bedarfsmedikation (Nitrospray) lediglich dann verordnet, falls es unter bestimmten Bedingungen (Belastung) zum typischen Herzbelastungsschmerz (Angina Pectoris) kommen kann. Diese Bedarfsmedikation wird jedoch nur verordnet, falls auch die Möglichkeit einer solchen Symptomatik besteht, weshalb eine Herzerkrankung vorliegen muss.

Darüber hinaus verweist der Gutachter auch nachvollziehbar auf die sehr umfangreiche Medikation mit acht Standardmedikamenten, aus der sich ein nicht unerheblicher therapeutischer Ressourcenaufwand ergibt.

Zudem bestand auch ein erhöhter Harndrang, welcher ebenfalls in der Gesamtschau des Gesundheitszustandes des Patienten auf eine Herzproblematik hinweist.

Die Kammer folgt damit nicht der Auffassung der Beklagten, wonach eine Linksherzinsuffizienz nicht bestanden habe. Soweit diese sich dabei auf das Gutachten des MDK vom 28. August 2013 stützt, ist bereits darauf hinzuweisen, dass dieser sich nicht mit der Medikation des Patienten auseinandersetzt. Zudem kommt es auf die vom MDK in dem genannten Gutachten benannte Beschwerdefreiheit aus kodierrechtlicher Sicht nicht an. Auch eine Linksherzinsuffizienz 1. Grades (I50.11) führt im Rahmen der Kodierung zur DRG R12A. Es ist somit unerheblich ob der Patient unter Atemnot oder anderen Beschwerden litt. Für die Frage, ob ein Ressourcenverbrauch vorliegt, kommt es entgegen der Ansicht des MDK auch nicht darauf an, ob eine kardiologische Diagnostik durchgeführt wurde oder die Erkrankung das Standardvorgehen im Rahmen der Operation beeinflusste. Allein die Medikamentengabe begründet bereits einen therapeutischen Ressourcenverbrauch im Sinne der 2006 gültigen Deutschen Kodierrichtlinien.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, der Kläger habe im Rahmen der Anamnese die Frage nach dem Vorliegen einer Herzkrankheit mit nein beantwortet, ergibt sich hieraus im Ergebnis keine andere Bewertung. Dieser Angabe misst die Kammer keine entscheidende Bedeutung bei, weil einem medizinischen Laien – je nach Bildungsstand – durchaus unbekannt sein kann, welche Medikamente er zur Behandlung einer bestimmten Erkrankung einnimmt. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass der Patient diese Angabe in Unkenntnis seines tatsächlichen Gesundheitszustandes und insbesondere vor dem Hintergrund seiner subjektiven Beschwerdefreiheit fälschlich gemacht hat.

Aufgrund dessen ist die Kammer davon überzeugt, dass der Behandlungsfall aus kodierrechtlicher Sicht zutreffend mit der DRG R12A abgerechnet worden ist.

2. Die Klägerin ist auch nicht – wie die Beklagte meint – nach Treu und Glauben gemäß § 69 SGB V in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), welcher auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten einwirkt, mit ihrem Anspruch ausgeschlossen (vergleiche zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben Urteile des Bundessozialgerichts vom 14. Oktober 2014, Aktenzeichen: B 1 KR 26/13, Rn. 16 und vom 22. November 2012, Aktenzeichen: B 3 KR 1/12 R, Rn. 12 mit weiteren Nachweisen sowie Urteil des Landessozialgerichts H. vom 20. Februar 2014, Aktenzeichen: L 1 KR 34/12, Rn. 20; zitiert nach juris).

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus dem Urteil des Bundssozialgerichts vom 22. November 2012, Aktenzeichen: B 3 KR 1/12 R (zitiert nach juris) nicht, dass die Klägerin ihre frühere Verschlüsselung nicht korrigieren darf. Das Bundssozialgericht befasste sich in der genannten Entscheidung lediglich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Klinik eine höhere als die ursprünglich geltend gemachte Vergütung von der Krankenkasse ihres Patienten verlangen kann (BSG, aaO., Rn. 1, 11 und 12). Es hatte sich somit nur mit Sachverhalten zu befassen, in denen echte Nachforderungen geltend gemacht wurden.

Diese Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung der Kammer auf den hier vorliegenden Fall, bei der das Krankenhaus an der Abrechnung der ursprünglichen DRG allerdings mit abweichender Begründung festhält, nicht übertragen. Die Klinik macht hier keinen höheren Anspruch, als von ihr ursprünglich in Rechnung gestellt, geltend (so auch Urteil des Landessozialgerichts H. vom 20. Februar 2014, Aktenzeichen: L 1 KR 34/12, Rn. 21; zitiert nach juris).

Die Argumentation des Bundessozialgerichts beruht entscheidend darauf, dass die jeweilige Krankenversicherung, welche die Kosten eines stationären Aufenthaltes im Rahmen des SGB V zu tragen hat, auf den Bestand einer Rechnung und damit den Abschluss eines Abrechnungsfalls vertrauen darf, wenn sie die Rechnung des Krankenhaus vollständig bezahlt und ein Prüfverfahren gemäß § 275 SGB V nicht eingeleitet hat.

Nur in derartig gelagerten Fällen hat sie regelmäßig keinen Anlass, mit späteren Korrekturen durch das Krankenhaus zu rechnen.

Hat sie jedoch selbst die ursprüngliche Rechnung angegriffen und letztlich aufgrund einer erfolgten Aufrechnung faktisch – wenn auch nicht im Rechtssinne – nur einen Teilbetrag für die streitige Behandlung gezahlt, ist ihr bewusst, dass über die korrekte Abrechnung Streit besteht. Andernfalls hätte die Klinik auf die Anforderung der Krankenkasse hin eine Rechnungskorrektur vorgenommen und den überzahlten Betrag zurückgezahlt.

Innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist muss sie deshalb damit rechnen, dass die Klinikträgerin ihren von Anfang an geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt (vergleiche hierzu Urteil des Landessozialgerichts H. vom 20. Februar 2014, Aktenzeichen: L 1 KR 34/12, Rn. 21 ähnlich auch Urteil des Sozialgerichts B. vom 19. September 2014, Aktenzeichen: S 89 KR 1936/11, Rn. 26; zitiert nach juris). Lediglich in besonders gelagerten Fällen, wenn also weitere Umstände hinzutreten, kann sie davon ausgehen, dass der Vergütungsanspruch der Klinik durch diese nicht mehr geltend gemacht wird (vergleiche zum grundsätzlichen Ausschluss der Verwirkung von Ansprüchen einer Klinik auf Vergütung stationärer Behandlungen innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. Juli 2014, Aktenzeichen: B 1 KR 47/12 R, Rn. 10 ff.; zitiert nach juris). Letztlich handelt es sich bei der zeitlichen Beschränkung von nachträglichen Rechnungskorrekturen auch um einen speziellen Fall der Verwirkung (vergleiche hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juli 2013, Aktenzeichen: B 3 KR 22/12 R; zitiert nach juris). Der bloße Zeitablauf als solcher genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch nicht, dem Anspruchsinhaber die Geltendmachung seiner Rechte zu verwehren. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, welche die verspätete Geltendmachung des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Diese liegen regelmäßig nur dann vor, wenn der Verpflichtete aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertraut hat und auch vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vergleiche hierzu auch Urteil des Bundssozialgerichts vom 1. Juli 2014, Aktenzeichen: B 1 KR 47/12 R, Rn. 10; zitiert nach juris).

Weder hat die Beklagte hierfür etwas vorgetragen, noch ergeben sich hierfür Anhaltspunkte aus den vorliegenden Unterlagen. Es lagen somit keine Tatsachen vor, aufgrund derer die Beklagte davon ausgehen konnte, dass die Universitätsklinik ihren Anspruch nicht weiter verfolgen werde. Dabei ist auch die Vorschrift des § 99 Abs. 3 Nummer 1 SGG zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift können tatsächliche und rechtliche Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden, ohne dass dies der Einwilligung der übrigen Beteiligten oder des Gerichts bedarf. Neuer Sach- und Rechtsvortrag ist damit auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigen (vergleiche § 157 Satz 2 SGG). Es gibt somit keinen Vertrauensschutz dahingehend, dass ein Beteiligter während des Verfahrens bei seinem Vortrag bleiben muss (so auch Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Februar 2014, Aktenzeichen: L 6 KR 468/11, Rn. 27; zitiert nach juris).

Wenn es einem Beteiligten jedoch noch im Klageverfahren gestattet ist, seinen Anspruch rechtlich und tatsächlich abweichend zu begründen, so muss dies erst recht für die Zeit vor Klageerhebung gelten. Andernfalls hätte es einer solchen Klarstellung in § 99 Abs. 3 Nummer 1 SGG nicht bedurft.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen.

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Absatz 1 SGG statthaft, da die Berufungssumme von 750,00 EUR überschritten ist.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beklagte vollständig unterlag.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus dem bezifferten Klageantrag, vgl. §§ 197a Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Absatz 2, § 52 Absatz 1 und 3 sowie § 47 Absatz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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