L 11 VE 15/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 41 VE 185/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 VE 15/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 2013 abgeändert. Der Beklagte wird unter entsprechender Änderung seines Bescheides vom 4. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 dazu verurteilt, der Klägerin ab dem 1. Oktober 2004 Berufsschadensausgleich zu gewähren und zwar für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2005 nach dem Höchstbetrag der Grundvergütung in Vergütungsgruppe Ib des Bundesangestellten-Tarifvertrages erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und die Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 in der jeweils geltenden Fassung und für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 nach dem Betrag der jeweils höchsten Stufe in Entgeltgruppe 14 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst. Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für den gesamten Rechtsstreit zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe eines Berufsschadensausgleichs (BSA).

Die 1946 geborene Klägerin machte in der ehemaligen DDR nach Besuch der Grundschule, eines Gymnasiums und ab November 1961 einer allgemeinen Berufsschule für Mädchen im Jahr 1966 das Abitur an der Abendoberschule. Daneben war sie von Dezember 1961 bis Juli 1966 im Haupttelegrafenamt von Ost-Berlin in Ausbildungen zur Telegrafistin und zur Mechanikerin, ehe sie ab August 1966 als Studentin in einem Pädagogischen Institut eingeschrieben war. Von Mai bis August 1967 war sie Mitarbeiterin im Postfuhramt der Deutschen Post. Seit dem 1. September 1967 war sie an der Theaterhochschule in L als Studentin der Theaterwissenschaft eingeschrieben. Sie schloss das Studium mit Diplom vom 29. November 1973 ab. Im September 1971 nahm sie eine Beschäftigung als Rettungsfahrerin im Rettungsamt B auf. Seit dem 17. September 1973 war sie an der K O in B als Dramaturgieassistentin und Sachbearbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit tätig.

Ab dem 8. Mai 1978 war die Klägerin in Ost-Berlin und H inhaftiert, nachdem sie ihrer Schwester bei deren versuchter Flucht in die Bundesrepublik Deutschland geholfen hatte. Sie wurde durch Urteil des Stadtgerichts B vom 31. Oktober 1978 wegen staatsfeindlicher Verbindungen, Beihilfe zu staatsfeindlichen Verbindungen sowie zu Vorbereitungen zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall und Beihilfe zum versuchten ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihre Haftzeit endete am 3. Dezember 1979. Anschließend war sie ausweislich ihres Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung wieder bei der K O in B als Dramaturgieassistentin tätig. Nach ihren Angaben übte sie nach der Haftentlassung Hilfsarbeiten in der Bibliothek aus. Am 30. April 1981 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland nach West-Berlin aus. Über die Haftzeit erteilte ihr der Beklagte unter dem 21. September 1981 eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG). Mit Beschluss vom 4. Februar 1993 hob das Landgericht Berlin das Urteil des Stadtgerichts B vom 31. Oktober 1978 als rechtsstaatswidrig auf, rehabilitierte die Klägerin und entschied, die Klägerin habe vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten (Az. ). Die Klägerin war nach ihrer Ausreise vom 1. Oktober 1982 bis zum 31. März 2005 an der C - im Studiengang Zahnmedizin immatrikuliert. Das Studium beendete sie ohne Abschluss. Im Übrigen lebte sie jedenfalls seit dem 1. Oktober 2004 von Unterstützungsleistungen nach § 18 StrRehaG, Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Grundsicherungsleistungen bei voller Erwerbsminderung.

Nachdem ihr Antrag auf Versorgung nach dem HHG durch den Beklagten bereits mit Bescheid vom 5. Mai 1983 bestandskräftig abgelehnt worden war, beantragte die Klägerin am 22. April 2004 bei dem Beklagten Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).

Der Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 24. Februar 2005 eine Rehabilitierungsbescheinigung gemäß § 17 in Verbindung mit § 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG), mit der er feststellte, die Klägerin sei politisch verfolgte Schülerin im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und politisch Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BerRehaG gewesen, wobei die Verfolgungszeit vom 8. Mai 1978 bis zum 30. April 1981 gedauert habe. In den Bescheidgründen hieß es, als Zeit der verfolgungsbedingten Unterbrechung der Ausbildung werde der Zeitraum vom 1. September 1960 bis 1. September 1962 festgesetzt, weil die Klägerin zum 1. September 1960 nicht zur erweiterten Oberschule zugelassen worden sei. Infolge ihres Gewahrsams aus politischen Gründen habe sie ihre berufliche Tätigkeit an der K O nicht ausüben können. Die Dauer des Gewahrsams vom 8. Mai 1978 bis 3. Dezember 1979 werde als Verfolgungszeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG anerkannt. Darüber hinaus werde die Zeit bis zum 30. April 1981 als Verfolgungszeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG anerkannt, weil die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt aus politischen Gründen keine ihrer beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit habe aufnehmen können. Zwar habe sie nach der Haftentlassung wieder an der K O arbeiten können, dies jedoch nur in der Bibliothek. Im Hinblick auf die Neuberechnung der Rente der Klägerin ordnete der Beklagte die Klägerin aufgrund deren Abschlusses als Diplom-Theaterwissenschaftlerin der Qualifikationsgruppe 1 zu.

Einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 7. März 2007 ab, weil die Klägerin zwar seit dem 28. Oktober 2004 voll erwerbsgemindert sei, aber nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle. Grundlage für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin war ein für die Deutsche Rentenversicherung erstelltes neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Fachärztin für Psychotherapie Dr. P von September 2006, das diese nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 8. September 2006 erstellt hatte und in dem sie zu der Einschätzung gelangt war, bei der Klägerin bestünden eine posttraumatische Belastungsstörung und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die Klägerin sei aufgrund ihrer psychischen Besonderheiten nicht integrierbar, obwohl sie geistig gut leistungsfähig sei. Denn sie sei affektgesteuert und sachlich schwer zu fixieren auch auf Frageinhalte. Gleichfalls würde ihr Misstrauen jegliche zwischenmenschliche Einbindung verhindern.

Der Beklagte ermittelte auch medizinisch und zwar insbesondere durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 11. Juni 2007, die aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin zu der Einschätzung gelangte, bei der Klägerin liege schädigungs-, also haftbedingt, eine posttraumatische Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen vor, die mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v. H. zu bewerten sei. Zusammen mit weiteren Gesundheitsstörungen, unter anderem einem schädigungsunabhängigen seelischen Leiden, das die Gutachterin mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 bewertete, schätzte Dr. W den Gesamt-GdB mit 70 ein. Im Gutachten heißt es unter anderem, das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung habe von September 1981 bis zu seinem Abklingen im April 1982 bestanden. Die Klägerin sei dann leistungsfähig gewesen. Das aufgenommene Studium der Zahnmedizin habe sie schädigungsunabhängig wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind nur verzögert vorangetrieben

Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 26. Mai 2008 als durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG hervorgerufene Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen an und bewertete den daraus resultierenden Grad der Schädigungsfolgen (GdS) mit 40. Die Versorgung erkannte der Beklagte der Klägerin ab dem 1. April 2004 zu. Ob ihr ein BSA zustehe, werde noch geprüft. Im den BSA betreffenden Verfahren gab die Klägerin an, sie habe schädigungsbedingt den Beruf einer Regisseurin nicht ausüben können.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin einen BSA ab dem 1. Oktober 2004 nach einem Vergleichseinkommen eines Durchschnittseinkommens einer Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe IV B/Entgeltstufe 10. Grundlage für die Entscheidung war unter anderem ein interner Vermerk vom 22. Dezember 2009, in dem insbesondere auf die Feststellung der vollen Erwerbsminderung ab dem 28. Oktober 2004 abgestellt wurde. Unter Maßgabe, dass die posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anerkannt sei, sei davon auszugehen, dass das Versorgungsleiden eine annähernd gleichwertige Ursache für die Erwerbsunfähigkeit darstelle. In der Bescheidbegründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe nach Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Das Studium der Zahnmedizin habe seit einem Verkehrsunfall im Jahr 1987 geruht. Dass die Klägerin die Erlangung des Berufs eines "Regisseurs" nicht weiterverfolgt, sondern ein vollkommen neues, sozial gleichwertiges Studium aufgenommen habe, sei nicht mit der anerkannten Schädigungsfolge zu begründen. Die Klägerin sei ausweislich der Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung seit Oktober 2004 voll erwerbsgemindert. Im Hinblick auf das heranzuziehende Vergleichseinkommen könne kein Hochschulstudium, sondern nur das Abitur 1966 berücksichtigt werden.

Gegen den Bescheid vom 4. Mai 2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und wendete sich dabei gegen die Einstufung in die Vergütungsgruppe des gehobenen Dienstes, demgegenüber die Vergütungsgruppe des höheren Dienstes hier einschlägig sei. Ihr Hochschulabschluss im Fach Theaterwissenschaften sei durch den Westberliner Senat als vollwertiger Hochschulabschluss anerkannt worden. Für die Tätigkeit als Dramaturgie-Assistentin an DDR- Schauspiel- und Opernhäusern sei ein Hochschulabschluss zwingend notwendig gewesen. Die Klägerin fügte ihrer Widerspruchsbegründung eine Bescheinigung der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin vom 22. Juni 1989 bei, nach der das von der Klägerin erworbene Diplom gleichwertig mit der Magisterprüfung (im Hauptfach Theaterwissenschaft, Nebenfach Literaturgeschichte und einem dem Nebenfachstudium gleichwertigen Studium in (wahlweise) zwei Studienelementen aus dem Bereich der wissenschaftlichen und künstlerischen Ergänzungsfächer) an einer wissenschaftlichen Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland sei.

Auf Anfrage des Beklagten erklärte die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin mit Schreiben vom 2. August 2010, die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung vom 22. Juni 1989 beinhalte, dass es sich bei dem Abschluss der Klägerin um einen Hochschulabschluss handele.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 4. Mai 2010 zurück. Entgegen dem von der Klägerin geltend gemachten Berufsziel einer Regisseurin habe sie ihr Studium nicht einfach fortgesetzt, sondern im Alter von 36 Jahren ein völlig neues Studium begonnen, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen habe. Daher sei es nicht wahrscheinlich, dass die Schädigungsfolge für das Nichterreichen des Berufsziels ursächlich gewesen sei; hier spielten eher schädigungsunabhängige und familiäre Ursachen eine wesentliche Rolle. Da die Klägerin ihre Tätigkeit als Dramaturgie-Assistentin bereits am 17. September 1973 aufgenommen habe, obwohl das Diplom als Theaterwissenschaftlerin erst am 29. November 1973 ausgestellt worden sei, treffe es auch nicht zu, dass ein Hochschulabschluss für die Tätigkeit einer Dramaturgie-Assistentin zwingend notwendig gewesen sei. Letztgenannte Tätigkeit habe die Klägerin bis April 1981 ausgeübt, so dass eine gesundheitliche berufliche Beeinträchtigung aufgrund der Haft nicht erkennbar sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Dezember 2010 Klage erhoben, die bei dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 41 VE 185/10 geführt worden ist.

Parallel zum Klageverfahren hat die Klägerin am 23. November 2010 bei dem Beklagten einen Verschlimmerungsantrag gestellt. Nach medizinischen Ermittlungen, insbesondere durch Einholung eines psychologischen Untersuchungsberichts bei dem klinischen Neuropsychologen Dr. M vom 3. Juni 2011, und nach Anhörung der Klägerin hat der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 27. Februar 2012 einerseits den Verschlimmerungsantrag vom 23. November 2010 abgelehnt und den Bescheid vom 26. Mai 2008 (Anerkennung der Schädigungsfolge nach einem GdS von 40) mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 zurückgenommen und andererseits auch den Bescheid vom 4. Mai 2010 (Bewilligung BSA) mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 zurückgenommen. Beide Bescheide hat der Beklagte in Bezug auf die Rücknahmeverfügung auf § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Die Bewilligungen seien jeweils von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil eine haftbedingte Schädigungsfolge nicht vorliege. Der den Bescheid vom 4. Mai 2010 (Bewilligung BSA) betreffende Bescheid vom 27. Februar 2012 ist von den Beteiligten und dem Sozialgericht als Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens behandelt worden.

Den Widerspruch gegen den den Bescheid vom 26. Mai 2008 betreffenden Rücknahmebescheid vom 27. Februar 2012 hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 30. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben, die bei dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 192 VE 95/12 geführt worden ist.

Die Klägerin hat des Weiteren im Eilverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den den Bescheid vom 26. Mai 2008 betreffenden Rücknahmebescheid vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 anzuordnen (Az. beim Sozialgericht S 192 VE 95/12 ER) und mit diesem Antrag im Beschwerdeverfahren Erfolg gehabt (Beschluss des 13. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Oktober 2012 (L 13 VE 36/12 B ER)).

Mit Beschluss vom 7. Mai 2013 hat das Sozialgericht die Verfahren S 41 VE 185/10 und S 192 VE 95/12 unter Führung des erstgenannten Verfahrens miteinander verbunden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 3. Dezember 2013 hat das Sozialgericht die Klägerin persönlich angehört.

Der auf Aufhebung der Bescheide vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 gerichteten Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 3. Dezember 2013 stattgegeben. Die auf Abänderung des Bescheides vom 4. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 und auf Gewährung eines höheren BSA ab dem 1. Oktober 2004 gerichtete Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 3. Dezember 2013 abgewiesen. Zur Begründung der Klagestattgabe hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien nicht nachgewiesen. Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass die Anerkennung von Schädigungsfolgen und eines GdS von 40 sowie die Bewilligung eines BSA von Anfang an rechtswidrig gewesen seien. Dass insoweit von dem Beklagten eingeholte Gutachten von Dr. M sei nicht verwertbar. Zur Klageabweisung in Bezug auf die Gewährung eines höheren BSA hat das Sozialgericht ausgeführt, die Kammer habe nicht feststellen können, dass die Klägerin, die seit Einreise in West-Berlin 1981 nicht erwerbstätig gewesen sei, schädigungsbedingt an der Ausübung ihrer zuletzt in der ehemaligen DDR an der K O ausgeübten Tätigkeit als Dramaturgieassistentin oder durch beruflichen Aufstieg als Dramaturgin gehindert gewesen sei. Die Qualifikation als Dramaturgieassistentin habe die Klägerin nach den in West-Berlin geltenden Maßstäben 1981 nicht erfüllt. Vielmehr sei, wie sie in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben habe, ihr Status dem einer Studentin der Theaterwissenschaft im sechsten Semester vergleichbar gewesen. Um den in der ehemaligen DDR innegehabten Status zu erreichen, das heißt die Voraussetzungen des Abschlusses eines Hochschulstudiums im Fach Theaterwissenschaft nach den 1981 geltenden Anforderungen zu erfüllen, hätte die Klägerin das mehrjährige Studium neu beginnen und dann abschließen müssen. Stattdessen habe sie das Studium der Zahnmedizin aufgenommen. Dies habe sie getan, weil sie nicht ein völlig neues Studium habe aufnehmen wollen, um weiter im Bereich Theaterwissenschaft/Kultur qualifiziert zu arbeiten. Auch habe sie Kontakte mit ehemals in der DDR tätigen Kulturschaffenden, denen allgemeine Stasi-Kontakte unterstellt worden seien, vermeiden wollen. Damit aber habe sich die Klägerin nicht aus schädigungsbedingten Gründen von ihrem Beruf als Dramaturgieassistentin bzw. Dramaturgin abgewendet.

Gegen das ihr am 12. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. März 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus, maßgebend für die Berechnung des BSA sei die Berufs- und Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Zur Ermittlung des Einkommensverlustes und Feststellung des Vergleichsberufs müsse der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg des Beschädigten von der Zeit an nachgezeichnet werden, in der die Schädigung stattgefunden habe. Danach hätte die Klägerin ohne die Schädigung wahrscheinlich eine Tätigkeit als Dramaturgin/Regisseurin/Theaterwissenschaftlerin ausgeübt, für die ein Hochschulabschluss vorausgesetzt werde. Denn selbst für die im Zeitpunkt der Schädigung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Dramaturgieassistentin sei ein förmlicher Hochschulabschluss nicht nur erwartet, sondern gefordert gewesen. In diesem Zusammenhang nimmt die Klägerin eine Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen vom 30. Januar 1992 in Bezug, die die Klägerin dem Senat in Kopie überlassen hat. Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass der Beklagte sie in seinem Bescheid vom 24. Februar 2005 nach dem BerRehaG in die Qualifikationsgruppe 1 für Hochschulabsolventen eingestuft habe. Auch habe die zuständige Senatsverwaltung des Landes Berlin ausdrücklich erklärt, der von der Klägerin am 29. November 1973 an der Theaterhochschule "" in L erreichte Studienabschluss der Theaterwissenschaften sei in jedem Fall einem Hochschulabschluss gleichwertig.

Die Klägerin beantragt schriftlich,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 2013 abzuändern und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 4. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Oktober 2004 einen höheren Berufsschadensausgleich zu gewähren und zwar für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2005 nach dem Höchstbetrag der Grundvergütung in Vergütungsgruppe Ib des Bundesangestellten-Tarifvertrages erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und die Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 in der jeweils geltenden Fassung und für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 nach dem Betrag der jeweils höchsten Stufe in Entgeltgruppe 14 der jeweils für Arbeitnehmer des Bundes geltenden Tarifregelung.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das Urteil in dem angefochtenen Umfang für zutreffend. Zu einem ausführlichen Hinweis des Berichterstatters mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Juni 2015 hat der Beklagte erklärt, das Studium der Klägerin sei nach ihrer Ausreise im Jahr 1981 nur teilweise anerkannt worden. Die Klägerin habe sich aus persönlichen, schädigungsunabhängigen Gründen von der Theaterwissenschaft abgewandt und sich entschlossen, Zahnmedizin zu studieren. Im Hinblick auf diesen beruflichen Werdegang habe als Vergleichseinkommen kein Hochschulabschluss berücksichtigt werden können. Soweit die zuständige Senatsverwaltung die Gleichwertigkeit des von der Klägerin erworbenen Studienabschlusses mit einem Hochschulabschluss bescheinigt habe, bedinge ein in der ehemaligen DDR absolviertes Hochschulstudium nicht zwangsläufig eine Einstufung in den höheren Dienst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gerichtsakten S 192 VE 95/12 und S 192 VE 95/12 ER (= L 13 VE 36/12 B ER) und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten zu dieser Entscheidungsform ihr Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 155 Abs. 4 und Abs. 3 SGG.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im angegriffenen Umfang unzutreffend. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage auf Gewährung eines höheren BSA abgewiesen. Der Bescheid vom 4. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 ist im streitigen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Ihr steht ab dem 1. Oktober 2004 ein BSA in der von ihr geltend gemachten Höhe zu.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Die Klägerin hat unstreitig eine Freiheitsentziehung vom 8. Mai 1978 bis zum 3. Dezember 1979 im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erlitten. Die Klägerin hat auch infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten. Dabei sind die von dem Versorgungsträger als Schädigungsfolgen bestandskräftig anerkannten Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen; an diese rechtlich selbständigen Feststellungen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R – juris) ist der Beklagte ebenso gebunden wie der Senat; auf deren Rechtmäßigkeit kommt es insoweit nicht an (vgl. dazu u. a. BSG, Urteile vom 29. August 1990 – 9a/9 RV 32/88 – und vom 15. Dezember 1999 – B 9 V 26/98 R –; jeweils juris). Hier ist durch den Beklagten mit Bescheid vom 26. Mai 2008 als durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 21 StrRehaG hervorgerufene Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung mit verstärktem Misstrauen festgestellt und mit einem GdS von 40 bewertet worden. Der diesen Bescheid mit Wirkung ab dem 1. Mai 2012 zurücknehmende Bescheid vom 27. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 ist durch das Sozialgericht mit dem insoweit rechtskräftigen Urteil vom 3. Dezember 2013 aufgehoben worden, so dass der Bescheid vom 26. Mai 2008 wirksam und zu beachten ist.

Schließlich hat der Beklagte mit Bescheid vom 4. Mai 2010 der Klägerin dem Grunde nach auch den BSA mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2004 zuerkannt. Auch der diesen Bescheid betreffende Rücknahmebescheid vom 27. Februar 2012 ist durch das Sozialgericht rechtskräftig aufgehoben worden. Inwieweit bei dieser Bescheidlage bei der Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf einen höheren BSA ihr Anspruch auf BSA dem Grunde nach zu überprüfen ist (so für die Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 7 AL 24/04 R – juris), kann der Senat offen lassen. Denn der Anspruch der Klägerin auf BSA dem Grunde nach wird nicht nur von den Beteiligten nicht (mehr) angezweifelt, er ergibt sich auch aus dem Gesetz (vgl. zu den Voraussetzungen grundlegend das Urteil des Senats vom 5. Dezember 2013 – L 11 VE 57/09 – juris).

Die Klägerin hat ab dem 1. Oktober 2004 einen Anspruch auf Gewährung eines BSA. Anspruchsgrundlage insoweit ist § 30 Abs. 3 BVG in seinen jeweiligen bis zum 20. Dezember 2007 und ab dem 21. Dezember 2007 geltenden Fassungen. Danach erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten (ab dem 21. Dezember 2007: auf volle Euro aufgerundeten) Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG). Das Vergleichseinkommen errechnet sich gemäß § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG nach § 30 Abs. 5 Satz 2 bis 6 BVG aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der die Beschädigten ohne die Schädigung nach ihren Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätten.

Der BSA wird hier nicht gemäß § 30 Abs. 10 BVG ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, weil der Antrag der Klägerin deutlich vor dem in dieser Vorschrift genannten Stichtag (21. Dezember 2007) gestellt worden ist. Aufgrund dieser frühen Antragstellung durch die Klägerin sind auch die grundlegenden Änderungen des BSA mit Wirkung zum 1. Juli 2011 (vgl. §&8201;30 Abs.&8201;5 BVG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom&8201;20. Juni 2011 (BGBl.&8201;I S. 1114) und die Verordnung zur Durchführung des §&8201;30 Absatz 3 bis 12 und des §&8201;40&8198;a Absatz 1 und 5 des Bundesversorgungsgesetzes vom &8201;28. Juni 2011 (BGBl.&8201;I S. 1273)) gemäß der Übergangsvorschrift des § 87 Abs. 1 BVG für den vorliegenden Fall unmaßgeblich (vgl. Dau in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 30, Rn. 26).

Somit ist nach § 30 Abs. 3 BVG nicht individuell festzustellen, wie sich das Einkommen eines Beschädigten wahrscheinlich gestaltet hätte, und es ist nicht dieses wahrscheinliche Einkommen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit (zuzüglich der Ausgleichsrente) gegenüberzustellen; vielmehr ist von der generalisierenden (pauschalen) Betrachtungsweise auszugehen, die in § 30 Abs. 4 BVG für die Ermittlung des Vergleichseinkommens vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. Juli 1971 - 9 RV 514/68 - juris).

Welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, hat die vom Gesetzgeber in § 30 Abs. 14 BVG ermächtigte Bundesregierung in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden und hier maßgeblichen Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40a Abs. 1 bis 5 des Bundesversorgungsgesetzes - Berufsschadensausgleichsverordnung - (BSchAV) bestimmt. Das Durchschnittseinkommen nach § 30 Abs. 5 BVG wird gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BSchAV ermittelt, wenn der Beschädigte

1. unselbständig in der privaten Wirtschaft tätig wäre, nach § 3 BSchAV; 2. im öffentlichen Dienst tätig wäre, nach § 4 BSchAV; 3. selbständig tätig wäre, nach § 5 BSchAV.

Ist die Schädigung vor Abschluss der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten, wird das Durchschnittseinkommen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BSchAV nach § 7 ermittelt. Nach § 2 Abs. 3 BSchAV gelten die Absätze 1 und 2 auch, wenn der Beschädigte die nach diesen Vorschriften in Betracht kommende Tätigkeit ausübt (Satz 1). Ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf ist zu berücksichtigen (Satz 2).

Maßgeblich ist also die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Allerdings muss zur Ermittlung des Einkommensverlustes und Feststellung des Vergleichsberufes der schädigende Vorgang insgesamt weggedacht und der wahrscheinliche Berufsweg des Beschädigten von der Zeit an nachgezeichnet werden, in der die Schädigung stattgefunden hat (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Dezember 1996 - L 4 V 16/96 - juris). Festzustellen ist danach unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht. Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass so viel mehr für als gegen die behauptete berufliche Entwicklung spricht, dass sich hierauf die Überzeugung des Senats gründen kann. Unter Berücksichtigung aller den Beschädigten betreffenden Lebensumstände ist somit zu beurteilen, ob mehr für als gegen den hypothetischen, geltend gemachten Berufserfolg spricht. Zu prüfen ist also, welchen Beruf die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen ausüben würde und ob sie infolge ihrer anerkannten Schädigung seit dem Zeitpunkt der Antragstellung einen Einkommensverlust hat (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 8. Juli 1970 - 10 RV 189/68 – juris). Wie bei einem Schadensersatzanspruch kann dieser wirtschaftliche Schaden allein aus der Gegenüberstellung desjenigen Zustandes, der ohne die Schädigung vorhanden wäre, mit demjenigen ermittelt werden, der durch die Schädigung vorhanden ist. Diesen Grundsatz bringt auch § 30 Abs. 4 BVG zum Ausdruck, wenn er vorsieht, dass bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das derzeitige Einkommen des Beschädigten - zuzüglich der Ausgleichsrente - dem Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe gegenüberzustellen ist, das der Beschädigte "ohne die Schädigung [ ] voraussichtlich erhalten würde". Damit scheiden bei der Betrachtung diejenigen Berufe aus, die ein Beschädigter ohne die Schädigung nicht ergriffen hätte; hierzu zählen aber gerade diejenigen Berufe, die ein Beschädigter unter normalen Umständen und Lebensverhältnissen nicht ergriffen hätte, denen er sich gerade wegen seiner Schädigung zugewandt hat.

Denkt man vorliegend den schädigenden Vorgang insgesamt weg und zeichnet den wahrscheinlichen Berufsweg der Klägerin von der Zeit an nach, in der die Schädigung stattgefunden hat, ergibt sich, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung über ein abgeschlossenen Studium im Fach Theaterwissenschaften verfügt hatte und als Dramaturgieassistentin an der KO in B tätig war. Dass sich die Klägerin ohne ihre Inhaftierung von diesem Berufszweig gelöst hätte, ist nicht erkennbar. Vielmehr ist überwiegend wahrscheinlich, dass sie im künstlerischen Bereich verblieben wäre und weiterhin solche Tätigkeiten ausgeübt hätte – sei es als Dramaturgieassistentin, als Regisseurin oder allgemein als Theaterwissenschaftlerin -, für die eine Hochschulausbildung Voraussetzung gewesen wäre. Ob das in der DDR abgeschlossene Studium der Klägerin im Jahr 1981 in West-Berlin nur teilweise anerkannt worden ist und ob die Klägerin tatsächlich (nur) als Studentin im 6. Fachsemester "eingruppiert" worden ist oder wäre, kann dahinstehen. Denn darauf kommt es nicht an, weil sich die Frage der Anerkennung eines in der DDR abgeschlossenen Studienganges in der Bundesrepublik Deutschland bei Wegdenken des schädigenden Ereignisses hier nicht gestellt hätte, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Klägerin ohne die Inhaftierung im Jahr 1981 in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist wäre. Auch ist die berufliche Umorientierung nach der Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland weg vom Bereich Kultur/Theater hin zum Bereich Zahnmedizin insoweit schädigungsbedingt, als die Klägerin nach den Feststellungen des Beklagten jedenfalls von September 1981 bis April 1982 am Vollbild einer haftbedingten posttraumatischen Belastungsstörung gelitten hatte. Sie selbst hat auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht glaubhaft und nachvollziehbar bekundet, sie habe den Kontakt mit Kulturschaffenden der ehemaligen DDR, die in den Westen ausgereist waren, vermeiden wollen, weil einige von ihnen möglicherweise durch Stasikontakte belastet waren. Bei Wegdenken des schädigenden Vorgangs insgesamt haben alle diese Aspekte außer Betracht zu bleiben. Vielmehr wäre die Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit in der ehemaligen DDR weiterhin im Kulturbereich tätig gewesen, dies mindestens als Dramaturgieassistentin. Nach der Wiedervereinigung ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der Bescheinigung der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin vom 22. Juni 1989 das von der Klägerin erworbene Diplom gleichwertig mit der Magisterprüfung an einer wissenschaftlichen Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland war, was ausweislich eines Schreibens der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin vom 2. August 2010 nicht anders zu verstehen ist, als dass die Klägerin damit über einen Hochschulabschluss verfügte. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin keine ihrem Bildungsstand entsprechende Tätigkeit ausgeübt hätte, hat der Senat nicht.

Dass die Klägerin im Kulturbereich möglicherweise jedenfalls nach zwischenzeitlichem Abklingen ihres psychischen Leidens im April 1982 hätte tätig sein können, ist nach dem Gesagten unmaßgeblich. Entscheidend ist, dass sie jedenfalls im hier streitigen Zeitraum ab dem 1. Oktober 2004 schädigungsbedingt im Kulturbereich nicht mehr tätig sein konnte. Dass sie generell voll erwerbsgemindert war und ist, ergibt sich aus den entsprechenden medizinischen Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung. Dass diese volle Erwerbsminderung gerade auch auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen ist, ergibt sich ebenfalls aus diesen medizinischen Feststellungen und wird durch die Bewertung des Beklagten in seinem Vermerk vom 22. Dezember 2009 bestätigt, nach der das Versorgungsleiden eine annähernd gleichwertige Ursache für die Erwerbsunfähigkeit darstelle.

Dass die Klägerin ohne die Schädigung als Angestellte im öffentlichen Dienst tätig gewesen wäre, nehmen die Beteiligten zu Recht an. Damit ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSchAV § 4 BSchAV, hier dessen Absatz 5, einschlägig. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 BSchAV in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung ist im hier allein streitigen Umfang Durchschnittseinkommen

- bei Angestellten mit Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen Vb (soweit mit der Besoldungsgruppe A 9 des gehobenen Dienstes vergleichbar), Va, IVb, IVa, III sowie IIb und IIa (soweit mit der Besoldungsgruppe A 13 des gehobenen Dienstes vergleichbar) der Höchstbetrag der Grundvergütung in Vergütungsgruppe IVb, was der Beklagte hier annimmt und

- bei Angestellten mit Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen IIb und IIa (soweit mit der Besoldungsgruppe A 13 des höheren Dienstes vergleichbar), Ib, Ia und I der Höchstbetrag der Grundvergütung in Vergütungsgruppe Ib, was die Klägerin annimmt.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 2 BSchAV in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung ist die ermittelte Grundvergütung um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und die Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982 in der jeweils geltenden Fassung zu erhöhen.

Seit dem 1. Oktober 2005 bestimmt § 4 Abs. 5 BSchAV, dass Durchschnittseinkommen

- bei Arbeitnehmern mit Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen 9, 10, 11 und 12 der Betrag der jeweils höchsten Stufe in Entgeltgruppe 10 der jeweils für Arbeitnehmer des Bundes geltenden Tarifregelung ist, was der Beklagte meint und

- bei Arbeitnehmern mit Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen 13, 14 und 15 der Betrag der jeweils höchsten Stufe in Entgeltgruppe 14 der jeweils für Arbeitnehmer des Bundes geltenden Tarifregelung ist, was die Klägerin annimmt.

Die jeweiligen Fassungen der BSchAV markieren den Wechsel vom Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) zum Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) zum 1. Oktober 2005.

Im Wesentlichen geht es hier demnach darum, ob die Klägerin in ihrem "Hätte-Beruf" wenigstens der Entgeltgruppe 13 (vormals Vergütungsgruppe IIb und IIa, soweit mit der Besoldungsgruppe A 13 des höheren Dienstes vergleichbar) oder höchstens der Entgeltgruppe 12 (vormals Vergütungsgruppe IIb und IIa, soweit mit der Besoldungsgruppe A 13 des gehobenen Dienstes vergleichbar) zuzuordnen gewesen wäre. Insoweit kann der Senat auf die entsprechenden Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Vergütungs- und Entgeltgruppen zurückgreifen, wie sie etwa in einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 24. März 2014 (Az.: D 5 - 31003/24) niedergelegt sind (abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/RundschreibenDB/DE/RdSchr 20140324.pdf? blob=publicationFile). Der Entgeltgruppe 13 und der entsprechenden Vergütungsgruppe sind Beschäftigte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, zuzuordnen. Im Kern grenzen sich die Entgeltgruppen 13 bis 15 und 9 bis 12 also dadurch voneinander ab, dass Voraussetzung für eine Tätigkeit, die nach den Entgeltgruppen 13 bis 15 vergütet wird, regelmäßig ein Hochschulabschluss ist, während für die Entgeltgruppen 9 bis 12 regelmäßig ein Fachhochschulstudium ausreicht. Dass Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit im "Hätte-Beruf" als Dramaturgieassistentin, Dramaturgin oder als Regisseurin ein Hochschulabschluss ist, hat die Klägerin durch die von ihr im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen, insbesondere auch die von ihr vorgelegten Stellenanzeigen, nachvollziehbar belegt. Dieser Befund wird auch bestätigt durch den Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) vom 5. September 2013, zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 1. April 2014 (abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED Verwaltung/Oeffentlicher Dienst/TVoeD/Tarifvertraege/entgO.pdf? blob=publicationFile). Unter Teil IV. Nr. 9, der besondere Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte im Bereich Film-Bild-Ton im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschreibt, sind Dramaturgen der Entgeltgruppe 14 und Regisseure der Entgeltgruppe 13 zugeordnet.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Berechnung des BSA durch den Beklagten auch vorliegend schon deshalb wenig überzeugend ist, weil er den beruflichen Werdegang der Klägerin unter Einschluss des schädigenden Vorgangs in den Blick nimmt und damit keinen "Hätte-Beruf" im Sinne eines fiktiven Werdegangs bestimmt, wie es im Recht des BSA eigentlich vorgesehen ist. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig stimmig, wenn der Beklagte den schulischen Abschluss "Abitur" bei der Klägerin berücksichtigt. Denn "Abitur" ist weder ein Beruf, noch lässt dieser schulische Abschluss allein Rückschlüsse auf den fiktiven beruflichen Werdegang zu. Das von dem Beklagten in Bezug genommene Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Juni 2014 (L 6 VU 2236/13 ZVW – juris) ist unabhängig davon, ob es zutreffend ist, auf den vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht nicht zu übertragen. Zum war in dem dortigen Fall die Einstufung der dortigen Klägerin als Beamtin nach § 4 Abs. 1 BSchAV und nicht als Angestellte gemäß § 4 Abs. 5 BSchAV streitig. Zum anderen hatte die dortige Klägerin nur die erste, nicht aber auch die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt und – ganz entscheidend – die Klägerin hätte nach der Einschätzung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg die zweite juristische Staatsprüfung auch ohne das schädigende Ereignis nicht bestanden. Deshalb hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg fiktiv eine Laufbahn des gehobenen, nicht aber des höheren Dienstes zugrunde gelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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