Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 440/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.11.2008 bis 31.12.2011 im Streit.
Die Klägerin schloss am 10.09.2008 mit dem Beigeladenen zu 1 ein Anstellungsver-hältnis mit Beginn zum 01.11.2008. Demnach erhält der Beigeladene zu 1. eine ein-malige Anpassungsprämie in Höhe von 750,- EUR (§ 4 des Arbeitsvertrages [ArbV]). Die Vergütung betrug nach § 5 ArbV 3.664,29 EUR im Monat. In § 5 ArbV heißt es weiter: "Des weiteren kann über ein jährlich abzuschließende Zielvereinbarung eine Ziel-prämie von 3.646,08 EUR hinzu verdient werden". Nach § 6 ArbV erhält der Arbeitneh-mer einen Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 26,59 EUR monatlich. § 10 ArbV lautet: "Für Geschäftsreisen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erstattung der Reisekosten nach den jeweils gültigen betrieblichen bzw. steuerrechtlichen Richtlinien. Übernachtungskosten werden nach Aufwand ver-gütet. Sonstige Zusatzkosten auf Geschäftsreisen werden gegen Beleg erstattet. Zum Nachweis der gefahrenen Kilometer sowie zur Abrechnung der Tagesspesen sind die Abrechnungsformulare des Arbeitgebers zu verwenden".
Mit Bescheid vom 03.06.2013 stellte die Beklagte nach einer Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2012 eine Nachforderung von insgesamt 24.159,97 EURo fest. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit des Beigeladene zu 1. in der gesetzlichen Kranken- und Pfle-geversicherung zu beurteilen gewesen. Am 01.11.2008 sei das Beschäftigungsver-hältnis des Beigeladenen zu 1. im Rahmen eines Betriebsübergangs gem. § 613 BGB auf die Klägerin übergegangen. Aufgrund des Arbeitgeberwechsels sei zu die-sem Zeitpunkt eine neue Beurteilung der Krankenversicherungspflicht vorzunehmen gewesen. Bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses un-terschreite das zu erwartende regelmäßige Arbeitsentgelt nebst Sonderzahlungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG). Für den Zeitraum vom 01.11.2008 bis 31.12.2011 seien daher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachzuerhe-ben.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 21.06.2013 wies die Beklagte mit Wi-derspruchsbescheid vom 03.06.2013 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen am 07.02.2014 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage ver-folgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, bereits in der Zeit vom 08.11.2010 bis 11.11.2010 habe die Beklagte eine Betriebs-prüfung bei der Klägerin durchgeführt. Diese Prüfung habe den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 umfasst. Insoweit berufe sie sich auf Vertrauensschutz. Zudem werde die JAEG überschritten: Die vereinbarte Zielvorgabe sei ebenso zu berücksichtigen wie der jährliche Reisekostenzuschuss in Höhe von 1.800,00 EURo.
Die Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 07.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vertrauensschutz liege nicht vor. Anlässlich der vorangegangenen Betriebsprüfung sei beanstandet worden, mehrere geringfügige Beschäftigte hätten die Geringfügig-keitsgrenzen überschritten und unterlägen daher der Versicherungsfrist. Beanstan-dungen hinsichtlich des nun betroffenen Beigeladenen zu 1. hätten sich nicht erge-ben. Da das Dienstverhältnis bei der Klägerin am 01.11.2008 begonnen habe, sei ab diesem Zeitpunkt die Krankenversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. zu prüfen gewesen. Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Beschäfti-gung übersteige die maßgebliche JAEG nicht. Die jährlich geschlossenen Zielverein-barungen seien dabei ebenso wenig mit heranzuziehen gewesen wie die gezahlten Reisekosten.
Die Beigeladene zu 4. hat sich mit Schreiben vom 21.04.2015, die Beklagte sowie die Beigeladenen zu 2. und 3. haben sich mit Schreiben vom 29.04.2015 und der Beigeladene zu 1. hat sich mit Schreiben vom 08.05.2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die dem Ge-richt vorliegende Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Versiche-rungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversi-cherung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 festgestellt. Die Kammer konnte hierüber aufgrund des zuvor von den Beteiligten jeweils erklärten Einverständnisses ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheiden.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der hier anzuwen-denden, ab 01.04.2007 geltenden Fassung, sind versicherungsfrei, Arbeiter und An-gestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAEG nach den Abs. 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen hat; dies gilt nicht für Seeleute; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt wer-den, bleiben unberücksichtigt. Nach § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V a.F. bleiben Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 1 erfüllen und die am 02.02.2007 wegen Überschreitens der JAEG bei einem privaten Krankenversiche-rungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren oder die vor diesem Tag die Mitgliedschaft bei ihrer Krankenkassen gekündigt hatten, um in ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu wechseln, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllen. Die JAEG nach Abs. 1 Nr. 1 beträgt im Jahr 2003 45.900,- EUR (§ 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V a. F.). Sie ändert sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und Gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen. Die veränderten Beiträge werden nur für das Kalenderjahr, für das die JAEG bestimmt wird, auf das nächsthöhere Vielfache von 450 aufgerundet (§ 6 Abs. 6 Sätze 2 und 3 SGB V a. F.). Nach § 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V a. F. setzt die Bundesregierung die JAEG in der Rechtsverordnung nach § 160 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) fest.
2. Unabhängig davon, ob das Entgelt des Beigeladenen zu 1. in den Jahren 2005 bis 2007 die jeweilige JAEG überstieg, übersteigt das zu erwartende Entgelt die JAEG für das Jahr 2008 nach vorausschauenden Betrachtung nicht.
a. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist legal definiert in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Zu berücksichtigen sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung sie geleistet werden, ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Für die Feststellung der Versiche-rungspflicht gilt im Übrigen das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherung unterliegt, soll bereits bei Aufnahme der Beschäftigung und auch danach zu jeder Zeit mit hin-reichender Sicherheit festgestellt werden können (Felix, in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 6 SGB V, Rn. 15). § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V stellt auf das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt ab. Es handelt sich hierbei um diejenigen Ein-nahmen aus einer Beschäftigung, auf die der Betroffene einen Anspruch hat und die ihm mit hinreichender Sicherheit zufließen werden (Felix, a.a.O., Rn. 16).
b. Im Jahr 2008 betrug die JAEG 48.150,- EUR.
c. Wann das regelmäßig Arbeitsentgelt das JAEG übersteigt, beurteilt sich nicht da-nach, ob am 31.12. des Jahres tatsächlich ein Arbeitsentgelt jenseits der maßgebli-chen Grenze gezogen bzw. beansprucht wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob die aktuelle Entlohnung - hochgerechnet auf einen Zeitraum von 12 Monaten - die maß-gebliche Grenze überschreitet (LSG Baden-Württemberg, U.v. 13.8.2010 - L 4 R 3332/08 - juris; Felix, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 6 SGB V, Rn. 18). Letztlich wird also für das Jahr ein monatlicher Durchschnitt ermittelt (Felix, a.a.O.).
Maßgeblich ist das Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich des Arbeitgeberanteils an den ver-mögenswirksamen Leistungen (Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 6 Rn. 6).
Demnach beträgt das regelmäßig monatliche Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1. im November 2008 insgesamt 3.690,88 EUR (3.664,29 EUR Arbeitsentgelt zuzüglich 26,59 EUR Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen). Hochgerechnet auf zwölf Monate ergibt dies einen Betrag in Höhe von 44.290,56 EUR.
d. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Zielprämien nicht zu berücksichtigen. Zunächst sind Prämien nicht allein aufgrund des tatsächlichen Zuflusses zu berück-sichtigen, da das Entstehungsprinzip gilt (s.o.). Des Weiteren hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages weder einen Anspruch auf eine Zielprämie, noch war der tatsächliche Zufluss einer Zielprämie mit hinreichender Si-cherheit gewährleistet. Der Erhalt einer Prämie hängt hier zum einen davon ab, ob die Beteiligten eine Zielvereinbarung vereinbaren und zum anderen ob die Vorgabe tatsächlich erreicht wird. Ein Anspruch auf eine Zielprämie besteht nach dem Ar-beitsvertrag jedenfalls nicht. Das macht bereits der Wortlaut der Vereinbarung deut-lich. Es "kann" eine Zielprämie hinzuverdient werden.
Auch kann nicht auf die vor dem 01.11.2008 erzielten Einkünfte und Provisionen des Beigeladenen zu 1. beim vorherigen Arbeitgeber abgestellt werden. Bei einem Un-ternehmenswechsel ist stets auf das jeweilige konkrete Unternehmen abzustellen, bei dem der jeweilige Arbeitnehmer aktuell beschäftigt ist, da die Konditionen und Umstände beim ehemaligen Arbeitgeber naturgemäß immer andere waren (vgl. SG Düsseldorf, U.v. 31.05.2011 - S 52 R 1683/10 - juris).
Folglich ergibt sich aufs Jahr gerechnet ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in Höhe von 44.290,56 EUR. Selbst unter Hinzurechnung der Anpassungsprämie in Höhe von 750,- EUR gemäß § 4 des Arbeitsvertrages bleibt der Gesamtbetrag hinter der JAEG zurück.
e. Reisekostenzuschüsse sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
Zwar besteht nach § 10 des Arbeitsvertrages ein Anspruch auf Erstattung der Reise-kosten nach dem jeweils gültigen betrieblichen bzw. steuerrechtlichen Richtlinien. Übernachtungskosten würden nach Aufwand vergütet. Sonstige Zusatzkosten auf Geschäftsreisen gegen Beleg erstattet.
Allerdings handelt es sich bei der gezahlten Fahrtkostenerstattung nicht um Bezüge, die mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können. Sie werden nur bei tatsäch-lichem Anfall geleistet. Folglich handelt es sich bei den Reisekostenzuschüssen nicht um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV. Nur Aufwandspauschalen (z.B. pauschalierte Reisekosten für Fahrten mit dem Kfz des Arbeitnehmers), die nicht nach einem indi-viduellen festgestellten Bedarf bemessen sind und nicht anhand von Einzelbelegen des Arbeitnehmers tatsächlich nachvollzogen werden können, sind Arbeitsentgelt (Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV, Rn. 59). Vorliegend sind nach dem Arbeitsvertrag jedoch keine Pauschalen vereinbart. Viel-mehr sind zum Nachweis der gefahrenen Kilometer die Abrechnungsformulare der Klägerin zu verwenden.
3. Der Klägerin steht auch kein Vertrauensschutz zur Seite.
Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in klei-nen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Ver-hältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und unmittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu all den einzelnen Zweigen der Sozialversiche-rung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle zu verhindern helfen, anderer-seits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsan-sprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Ar-beitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Auch den Prüfberichten und Bescheiden kommt keine andere Bedeutung zu (vgl. BSG, U.v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - juris).
Die Beklagte hatte bereits in der Zeit vom 08.11.2010 bis 11.11.2010 eine Betriebs-prüfung über den Betriebszeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 durchgeführt und eine Nachforderung in Höhe von 1.275,20 EUR geltend gemacht (Bescheid vom 01.12.2010). In der Betriebsprüfung wird beanstandet, mehrere geringfügige Beschäftigte hätten die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten und unterlägen daher der Versicherungs-pflicht. Beanstandungen hinsichtlich des nun betroffenen Beigeladenen zu 1. haben sich jedoch nicht ergeben. Aus dem Beitragsbescheid vom 01.12.2010 geht insbe-sondere eine Überprüfung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht hervor.
4. Auch die Bestandsschutzregel des § 6 Abs. 9 SGB V a.F. kommt der Klägerin nicht zugute.
Der Beigeladene zu 1. war am 02.02.2007 nicht "wegen Überschreitens der JAEG" versicherungsfrei und blieb darauf in der PKV versichert. Auch insoweit sind Prämien nicht zu berücksichtigen gewesen.
5. Der Beklagte ist daher zu Recht von der Versicherungspflicht ab 01.11.2008 und der damit ab diesem Zeitpunkt verbundenen Beitragspflicht ausgegangen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG und § 154 VwGO. Den Beigelade-nen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.11.2008 bis 31.12.2011 im Streit.
Die Klägerin schloss am 10.09.2008 mit dem Beigeladenen zu 1 ein Anstellungsver-hältnis mit Beginn zum 01.11.2008. Demnach erhält der Beigeladene zu 1. eine ein-malige Anpassungsprämie in Höhe von 750,- EUR (§ 4 des Arbeitsvertrages [ArbV]). Die Vergütung betrug nach § 5 ArbV 3.664,29 EUR im Monat. In § 5 ArbV heißt es weiter: "Des weiteren kann über ein jährlich abzuschließende Zielvereinbarung eine Ziel-prämie von 3.646,08 EUR hinzu verdient werden". Nach § 6 ArbV erhält der Arbeitneh-mer einen Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 26,59 EUR monatlich. § 10 ArbV lautet: "Für Geschäftsreisen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erstattung der Reisekosten nach den jeweils gültigen betrieblichen bzw. steuerrechtlichen Richtlinien. Übernachtungskosten werden nach Aufwand ver-gütet. Sonstige Zusatzkosten auf Geschäftsreisen werden gegen Beleg erstattet. Zum Nachweis der gefahrenen Kilometer sowie zur Abrechnung der Tagesspesen sind die Abrechnungsformulare des Arbeitgebers zu verwenden".
Mit Bescheid vom 03.06.2013 stellte die Beklagte nach einer Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2012 eine Nachforderung von insgesamt 24.159,97 EURo fest. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit des Beigeladene zu 1. in der gesetzlichen Kranken- und Pfle-geversicherung zu beurteilen gewesen. Am 01.11.2008 sei das Beschäftigungsver-hältnis des Beigeladenen zu 1. im Rahmen eines Betriebsübergangs gem. § 613 BGB auf die Klägerin übergegangen. Aufgrund des Arbeitgeberwechsels sei zu die-sem Zeitpunkt eine neue Beurteilung der Krankenversicherungspflicht vorzunehmen gewesen. Bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses un-terschreite das zu erwartende regelmäßige Arbeitsentgelt nebst Sonderzahlungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG). Für den Zeitraum vom 01.11.2008 bis 31.12.2011 seien daher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachzuerhe-ben.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 21.06.2013 wies die Beklagte mit Wi-derspruchsbescheid vom 03.06.2013 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen am 07.02.2014 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage ver-folgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, bereits in der Zeit vom 08.11.2010 bis 11.11.2010 habe die Beklagte eine Betriebs-prüfung bei der Klägerin durchgeführt. Diese Prüfung habe den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 umfasst. Insoweit berufe sie sich auf Vertrauensschutz. Zudem werde die JAEG überschritten: Die vereinbarte Zielvorgabe sei ebenso zu berücksichtigen wie der jährliche Reisekostenzuschuss in Höhe von 1.800,00 EURo.
Die Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 07.01.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vertrauensschutz liege nicht vor. Anlässlich der vorangegangenen Betriebsprüfung sei beanstandet worden, mehrere geringfügige Beschäftigte hätten die Geringfügig-keitsgrenzen überschritten und unterlägen daher der Versicherungsfrist. Beanstan-dungen hinsichtlich des nun betroffenen Beigeladenen zu 1. hätten sich nicht erge-ben. Da das Dienstverhältnis bei der Klägerin am 01.11.2008 begonnen habe, sei ab diesem Zeitpunkt die Krankenversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. zu prüfen gewesen. Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Beschäfti-gung übersteige die maßgebliche JAEG nicht. Die jährlich geschlossenen Zielverein-barungen seien dabei ebenso wenig mit heranzuziehen gewesen wie die gezahlten Reisekosten.
Die Beigeladene zu 4. hat sich mit Schreiben vom 21.04.2015, die Beklagte sowie die Beigeladenen zu 2. und 3. haben sich mit Schreiben vom 29.04.2015 und der Beigeladene zu 1. hat sich mit Schreiben vom 08.05.2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die dem Ge-richt vorliegende Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Versiche-rungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversi-cherung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 festgestellt. Die Kammer konnte hierüber aufgrund des zuvor von den Beteiligten jeweils erklärten Einverständnisses ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheiden.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der hier anzuwen-denden, ab 01.04.2007 geltenden Fassung, sind versicherungsfrei, Arbeiter und An-gestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die JAEG nach den Abs. 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren überstiegen hat; dies gilt nicht für Seeleute; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt wer-den, bleiben unberücksichtigt. Nach § 6 Abs. 9 Satz 1 SGB V a.F. bleiben Arbeiter und Angestellte, die nicht die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 1 erfüllen und die am 02.02.2007 wegen Überschreitens der JAEG bei einem privaten Krankenversiche-rungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren oder die vor diesem Tag die Mitgliedschaft bei ihrer Krankenkassen gekündigt hatten, um in ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu wechseln, solange sie keinen anderen Tatbestand der Versicherungspflicht erfüllen. Die JAEG nach Abs. 1 Nr. 1 beträgt im Jahr 2003 45.900,- EUR (§ 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V a. F.). Sie ändert sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und Gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen. Die veränderten Beiträge werden nur für das Kalenderjahr, für das die JAEG bestimmt wird, auf das nächsthöhere Vielfache von 450 aufgerundet (§ 6 Abs. 6 Sätze 2 und 3 SGB V a. F.). Nach § 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V a. F. setzt die Bundesregierung die JAEG in der Rechtsverordnung nach § 160 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) fest.
2. Unabhängig davon, ob das Entgelt des Beigeladenen zu 1. in den Jahren 2005 bis 2007 die jeweilige JAEG überstieg, übersteigt das zu erwartende Entgelt die JAEG für das Jahr 2008 nach vorausschauenden Betrachtung nicht.
a. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist legal definiert in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Zu berücksichtigen sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung sie geleistet werden, ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Für die Feststellung der Versiche-rungspflicht gilt im Übrigen das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherung unterliegt, soll bereits bei Aufnahme der Beschäftigung und auch danach zu jeder Zeit mit hin-reichender Sicherheit festgestellt werden können (Felix, in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 6 SGB V, Rn. 15). § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V stellt auf das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt ab. Es handelt sich hierbei um diejenigen Ein-nahmen aus einer Beschäftigung, auf die der Betroffene einen Anspruch hat und die ihm mit hinreichender Sicherheit zufließen werden (Felix, a.a.O., Rn. 16).
b. Im Jahr 2008 betrug die JAEG 48.150,- EUR.
c. Wann das regelmäßig Arbeitsentgelt das JAEG übersteigt, beurteilt sich nicht da-nach, ob am 31.12. des Jahres tatsächlich ein Arbeitsentgelt jenseits der maßgebli-chen Grenze gezogen bzw. beansprucht wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob die aktuelle Entlohnung - hochgerechnet auf einen Zeitraum von 12 Monaten - die maß-gebliche Grenze überschreitet (LSG Baden-Württemberg, U.v. 13.8.2010 - L 4 R 3332/08 - juris; Felix, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 6 SGB V, Rn. 18). Letztlich wird also für das Jahr ein monatlicher Durchschnitt ermittelt (Felix, a.a.O.).
Maßgeblich ist das Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich des Arbeitgeberanteils an den ver-mögenswirksamen Leistungen (Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 6 Rn. 6).
Demnach beträgt das regelmäßig monatliche Arbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1. im November 2008 insgesamt 3.690,88 EUR (3.664,29 EUR Arbeitsentgelt zuzüglich 26,59 EUR Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen). Hochgerechnet auf zwölf Monate ergibt dies einen Betrag in Höhe von 44.290,56 EUR.
d. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Zielprämien nicht zu berücksichtigen. Zunächst sind Prämien nicht allein aufgrund des tatsächlichen Zuflusses zu berück-sichtigen, da das Entstehungsprinzip gilt (s.o.). Des Weiteren hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages weder einen Anspruch auf eine Zielprämie, noch war der tatsächliche Zufluss einer Zielprämie mit hinreichender Si-cherheit gewährleistet. Der Erhalt einer Prämie hängt hier zum einen davon ab, ob die Beteiligten eine Zielvereinbarung vereinbaren und zum anderen ob die Vorgabe tatsächlich erreicht wird. Ein Anspruch auf eine Zielprämie besteht nach dem Ar-beitsvertrag jedenfalls nicht. Das macht bereits der Wortlaut der Vereinbarung deut-lich. Es "kann" eine Zielprämie hinzuverdient werden.
Auch kann nicht auf die vor dem 01.11.2008 erzielten Einkünfte und Provisionen des Beigeladenen zu 1. beim vorherigen Arbeitgeber abgestellt werden. Bei einem Un-ternehmenswechsel ist stets auf das jeweilige konkrete Unternehmen abzustellen, bei dem der jeweilige Arbeitnehmer aktuell beschäftigt ist, da die Konditionen und Umstände beim ehemaligen Arbeitgeber naturgemäß immer andere waren (vgl. SG Düsseldorf, U.v. 31.05.2011 - S 52 R 1683/10 - juris).
Folglich ergibt sich aufs Jahr gerechnet ein regelmäßiges Arbeitsentgelt in Höhe von 44.290,56 EUR. Selbst unter Hinzurechnung der Anpassungsprämie in Höhe von 750,- EUR gemäß § 4 des Arbeitsvertrages bleibt der Gesamtbetrag hinter der JAEG zurück.
e. Reisekostenzuschüsse sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen.
Zwar besteht nach § 10 des Arbeitsvertrages ein Anspruch auf Erstattung der Reise-kosten nach dem jeweils gültigen betrieblichen bzw. steuerrechtlichen Richtlinien. Übernachtungskosten würden nach Aufwand vergütet. Sonstige Zusatzkosten auf Geschäftsreisen gegen Beleg erstattet.
Allerdings handelt es sich bei der gezahlten Fahrtkostenerstattung nicht um Bezüge, die mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können. Sie werden nur bei tatsäch-lichem Anfall geleistet. Folglich handelt es sich bei den Reisekostenzuschüssen nicht um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV. Nur Aufwandspauschalen (z.B. pauschalierte Reisekosten für Fahrten mit dem Kfz des Arbeitnehmers), die nicht nach einem indi-viduellen festgestellten Bedarf bemessen sind und nicht anhand von Einzelbelegen des Arbeitnehmers tatsächlich nachvollzogen werden können, sind Arbeitsentgelt (Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV, Rn. 59). Vorliegend sind nach dem Arbeitsvertrag jedoch keine Pauschalen vereinbart. Viel-mehr sind zum Nachweis der gefahrenen Kilometer die Abrechnungsformulare der Klägerin zu verwenden.
3. Der Klägerin steht auch kein Vertrauensschutz zur Seite.
Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28 p SGB IV selbst in klei-nen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Ver-hältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und unmittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu all den einzelnen Zweigen der Sozialversiche-rung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle zu verhindern helfen, anderer-seits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsan-sprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Ar-beitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Auch den Prüfberichten und Bescheiden kommt keine andere Bedeutung zu (vgl. BSG, U.v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - juris).
Die Beklagte hatte bereits in der Zeit vom 08.11.2010 bis 11.11.2010 eine Betriebs-prüfung über den Betriebszeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 durchgeführt und eine Nachforderung in Höhe von 1.275,20 EUR geltend gemacht (Bescheid vom 01.12.2010). In der Betriebsprüfung wird beanstandet, mehrere geringfügige Beschäftigte hätten die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten und unterlägen daher der Versicherungs-pflicht. Beanstandungen hinsichtlich des nun betroffenen Beigeladenen zu 1. haben sich jedoch nicht ergeben. Aus dem Beitragsbescheid vom 01.12.2010 geht insbe-sondere eine Überprüfung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der Kranken- und Pflegeversicherung nicht hervor.
4. Auch die Bestandsschutzregel des § 6 Abs. 9 SGB V a.F. kommt der Klägerin nicht zugute.
Der Beigeladene zu 1. war am 02.02.2007 nicht "wegen Überschreitens der JAEG" versicherungsfrei und blieb darauf in der PKV versichert. Auch insoweit sind Prämien nicht zu berücksichtigen gewesen.
5. Der Beklagte ist daher zu Recht von der Versicherungspflicht ab 01.11.2008 und der damit ab diesem Zeitpunkt verbundenen Beitragspflicht ausgegangen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG und § 154 VwGO. Den Beigelade-nen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Rechtskraft
Aus
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