L 3 AL 1658/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 3952/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1658/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2015 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Ablehnung einer Kostenübernahme für eine fachlich geschulte Integrationskraft zur Begleitung der Teilnahme im Berufsbildungsbereich (BBB) einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) rechtswidrig war.

Der Kläger wurde am 16.03.1995 geboren. Er leidet an frühkindlichem Autismus. Sein Vater ist zu seinem rechtlichen Betreuer bestellt, unter anderem für den gesamten Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten einschließlich der Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche.

Der Kläger erhielt bis zum 31.07.2013 Eingliederungshilfe als Leistung des beigeladenen örtlichen Trägers der Sozialhilfe. Zu jenem Datum endete seine Schulausbildung. Am 29.04.2013 hatte er bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Auf Grund mehrerer Gutachten und Stellungnahmen, die umfangreiche kognitive Fähigkeiten, aber auch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion beschrieben und eine individuelle Assistenz an einem Arbeitsplatz für notwendig hielten, beschloss der Fachausschuss der Einrichtung T. Ende Juli 2013, den Kläger zunächst - von September bis November 2013 - in den Eingangsbereich und sodann - von Dezember 2013 bis November 2015 - in den BBB der dortigen WfbM aufzunehmen. Diese Maßnahme wurde zu Lasten der Beklagten durchgeführt.

Am 09.10.2013 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für eine fachlich geschulte Integrationskraft, die ihn in der WfbM so lange betreuen sollte, bis er in der Einrichtung ohne fremde Hilfe bestehen könne. Die WfbM berichtete hierzu unter dem 14.10.2013 über den Kläger und teilte unter anderem mit, es beständen Verhaltensweisen, die einen Übergang in den BBB unmöglich machten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Am 22.10.2013 entschied der Fachausschuss der WfbM, dass beim Kläger unter Zugrundelegung der Betreuungsschlüssel von 1:6 im BBB oder gar 1:12 im Arbeitsbereich keine Werkstattfähigkeit bestehe. Auch eine Übernahme in den Förderbereich mit dem dortigen Personalschlüssel von 1:3 scheide aus näher genannten Gründen aus.

Mit Bescheid vom 28.10.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Es bestehe keine Werkstattfähigkeit. Ein Anspruch auf höhere (zusätzliche) Leistungen bestehe nicht. Den Widerspruch des Klägers vom 30.10.2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013 zurück. Auf die dortige Begründung wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 29.11.2013 beendete die Beklagte die Betreuung des Klägers im Eingangsbereich der WfbM zum 01.12.2013. Entsprechend wurde der Kläger am 01.12.2013 aus der WfbM entlassen. Diese Entscheidung der Beklagten ist bestandskräftig.

Zwischen den Beteiligten schwebte im Dezember 2013 ein - erfolgloses - Eilverfahren (S 7 AL 3951/13 ER).

Am 09.12.2013 hat der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat dort vorgetragen, er habe einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Einzelbetreuung im BBB einer WfbM, weil nur so seine Rechte als behinderter Mensch, vor allem aus der UN-Behindertenkonvention, verwirklicht werden könnten.

Das SG hat mit Beschluss vom 29.09.2014 den genannten Sozialhilfeträger beigeladen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13.03.2015 erklärt, er strebe weiterhin die Aufnahme in eine WfbM an.

Mit Urteil von jenem Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei - nur - als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil sich die Frage der Kostenübernahme für eine Einzelbetreuung im BBB der Einrichtung T. erledigt habe, nachdem der Kläger diese Einrichtung nicht mehr besuche. Insoweit, so das SG, bestehe ein ausreichendes Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Sofern der Kläger erneut in eine WfbM aufgenommen werde, bestehe eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine gleichgelagerte Entscheidung der Beklagten. In der Sache, so das SG, sei die Klage nicht begründet. Die Ablehnung der Kostenübernahme sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Begründung hierfür wird wiederum auf das angegriffene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil, das seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 27.03.2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 22.04.2015 bei dem SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er vertieft sein rechtliches Vorbringen, insbesondere im Hinblick auf die genannte Konvention.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. März 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Ablehnung der Kostenübernahme für eine fachlich geschulte Integrationskraft für eine Einzelbetreuung anlässlich der Teilnahme im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen durch den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2013 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er trägt vor, er sei für die beantragte Leistung nicht zuständig.

Mit Beschluss vom 23.06.2015 hat der Senat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt, weil die Klage auch als Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig sei. Auf die Ausführungen in jenem Beschluss wird Bezug genommen. Weitere Hinweise zur Rechtslage hat der Berichterstatter mit Schreiben vom 30.06.2015 gegeben.

In jenem Schreiben hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zurückzuweisen, und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis zum 31.07.2015 gegeben.

II.

1. Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung zwar für zulässig, aber - einstimmig - für unbegründet. Der Rechtsstreit weist - in Bezug auf die Zulässigkeit der erhobenen Klage - nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

a) Dem SG ist darin beizupflichten, dass eine Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) unzulässig wäre. Die Entscheidung der Beklagten bezog sich allein auf die Übernahme von Kosten für eine Einzelbetreuung im BBB der WfbM in der Einrichtung T., die der Kläger zur Zeit der Entscheidung besuchte. Sein Begehren hat sich daher mit Ablauf des 01.12.2013 erledigt, nachdem er diese Einrichtung nicht mehr besucht.

b) Im Ergebnis hat das SG auch die Fortsetzungsfeststellungklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) des Klägers zu Recht abgewiesen. Anders als das SG hält der Senat diese Klage jedoch ebenfalls schon für unzulässig und nicht erst für unbegründet. Es fehlt das notwendige Interesse an der begehrten Feststellung, dass die Ablehnung der Kostenübernahme für eine Einzelbetreuung im BBB der WfbM in der Einrichtung in T. rechtswidrig war.

aa) Für ein - ausreichendes - Rehabilitationsinteresse oder die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses ist nichts ersichtlich.

bb) Anders als das SG sieht der Senat auch keine ausreichende Wiederholungsgefahr.

Eine Wiederholungsgefahr begründet nur dann das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn sie hinreichend bestimmt und außerdem konkret ist. Konkret ist die Gefahr nur, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit besteht, dass sich dieselbe Rechtsfolge zwischen denselben Parteien (bzw. ihren Rechtsnachfolgern oder anderen Prozessbeteiligten) erneut stellen wird (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 131 Rn. 10b m.w.N.).

Die hier geltend gemachte Wiederholungsgefahr ist zwar hinreichend bestimmt. Insbesondere ist anzunehmen, dass die Beklagte und ggfs. der Beigeladene erneut ablehnen würden, wenn der Kläger wiederum Kostenerstattung für eine Einzelbetreuung im BBB einer WfbM beantragte.

Diese Gefahr ist jedoch nicht ausreichend konkret. Der Kläger hat hierzu lediglich - in der mündlichen Verhandlung vor dem SG - vorgetragen, er strebe weiterhin die Aufnahme in den BBB einer WfbM an. Bereits diese Aussage lag eineinhalb Jahre nach der Entlassung aus der WfbM in der Einrichtung T. Konkrete Bemühungen, eine andere WfbM zu finden, die den Kläger in ihren BBB aufnimmt, hat es nicht gegeben. Insbesondere liegt keine Zusage einer anderen WfbM vor, den Kläger - ggfs. mit der begehrten Einzelbetreuung - aufzunehmen. Auch die übrigen Umstände lassen es eher als unwahrscheinlich erscheinen, dass der Kläger in näherer Zukunft eine solche Zusage erhalten kann. Der Fachausschuss der bislang besuchten WfbM hatte am 22.10.2013 eine Übernahme in den BBB abgelehnt und sich dabei nicht allein auf den dort geltenden Personalschlüssel von 1 zu 6 gestützt, sondern auch auf die fehlende Gemeinschaftsfähigkeit und Fremdgefährdungen. Dies sind Umstände, die der Aufnahme in eine WfbM generell entgegenstehen und die nicht ohne Weiteres mit einer Einzelbetreuung überwunden werden können.

In diesem Punkt unterscheidet sich die Lage des Klägers auch von der Situation, die dem Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 27.11.2014 (L 2 AL 41/14 B ER) zu Grunde lag. Der dortigen Klägerin war die Aufnahme in den BBB bereits zugesagt worden, zumindest für das erste Ausbildungsjahr (a.a.O., Juris Rn. 7, 20), weil sie von den dort zuständigen Rehabilitationsträgern und der dortigen WfbM als "gerade noch werkstattfähig" eingestuft worden war (a.a.O., Rn. 16). In jenem Verfahren war daher die Frage, ob eine Einzelbetreuung für den BBB bewilligt werden müsse, relevant.

c) Auch gegenüber dem Beigeladenen kann der Kläger keine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage erheben. Selbst wenn es nicht ausgeschlossen erscheint, § 75 Abs. 5 SGG hier für anwendbar zu halten (vgl. BSG, Urt. v. 02.12.2004, B 12 KR 23/04 R, Juris Rn. 13 zur Anwendbarkeit auf allgemeine Feststellungsklagen nach § 55 SGG), obwohl der Beigeladene keinen Bescheid erlassen hat, der sich hätte erledigen können, so besteht doch auch gegenüber dem Beigeladenen keine ausreichend konkrete Wiederholungsgefahr.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere haben die für diesen Beschluss relevanten Rechtsfragen zur Zulässigkeit von Fortsetzungsfeststellungsklagen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved