Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3225/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2369/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente und einer höheren Altersrente für Schwerbehinderte auf Grund der Berücksichtigung fiktiver Beiträge wegen eines Unfalles vom 5. Juli 1993.
Der Kläger ist am 1940 geboren. Am 5. Juli 1993 erlitt er einen Verkehrsunfall, in dessen Nachgang gesundheitliche Beeinträchtigungen auftraten, deren Verursachung durch den Unfall zwischen dem Kläger und dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners strittig blieben. Der Kläger beanspruchte vom Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer die Zahlung von DM 900.000,00. Der frühere Rechtsanwalt des Klägers schloss mit dem Haftpflichtversicherer einen Vergleich, nach dem der Versicherer einen Betrag von DM 30.000,00 an den Kläger zu zahlen hatte. Der Kläger nahm später zivilgerichtlich seinen früheren Rechtsanwalt wegen des Abschlusses dieses Vergleichs aus Anwaltshaftung in Anspruch. Dieses zivilgerichtliche Verfahren endete damit, dass die Versicherung seines früheren Rechtsanwaltes dem Kläger einen Betrag von EUR 50.000,00 zahlte.
Die Beklagte forderte von dem Haftpflichtversicherer Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 238.350,37 gemäß § 119 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie schloss mit dem Haftpflichtversicherer einen Vergleich dahingehend, dass der Versicherer einen pauschalen Betrag von insgesamt EUR 55.000,00 für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2002 zugunsten des Versicherungskontos des Klägers zahlte.
Am 30. August 1995 beantragte der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und begründete dies mit einem Tinnitus aurium und einer Schwerhörigkeit beidseits sowie einer psychovegetativen Erschöpfung mit depressiver Stimmungslage. Diese Gesundheitsstörungen seien auf den Verkehrsunfall vom 5. Juli 1993 zurückzuführen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20. März 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 28. Juli 1995 bis zum 30. November 1997. Mit Bescheiden vom 26. Juni 1996 und vom 17. Dezember 1996 wurde die Rente neu berechnet. Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 30. Juli 1997 hin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 22. August 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 30. November 2000. Schließlich wurde die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 2. August 2000 mit Bescheid vom 11. September 2000 auf unbestimmte Zeit gewährt. Beiträge nach § 119 Abs. 1 SGB X wurden dabei jeweils nicht berücksichtigt.
Am 27. Mai 2004 beantragte der Kläger Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als schwerbehinderte Menschen nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) anerkannt sind oder die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. Juli 2004 diese Rente ab dem 1. Mai 2004, womit die Rente wegen Erwerbsminderung wegfiel. Mit Bescheid vom 27. September 2005 berechnete die Beklagte die Altersrente neu. Bei der Altersrente war für die Zeit vom 26. August bis 22. Dezember 1993 zusätzlich zur Beitragszeit wegen des Bezugs einer Sozialleistung eine Beitragszeit aufgrund eines Beitragsregresses berücksichtigt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2006 mit, dass infolge des Unfalles vom 5. Juli 1993 bei ihm ein Beitragsausfall bzw. eine Beitragsminderung entstanden sei und dass die sich daraus ergebenden Ansprüche gemäß § 119 SGB X auf sie – die Beklagte – übergegangen seien. Sie habe diese Beitragsansprüche gegenüber dem zivilrechtlich Haftenden bzw. seiner Haftpflichtversicherung geltend gemacht und würde seinem Versicherungskonto entsprechende Pflichtbeitragszeiten gutschreiben.
Mit Bescheid vom 14. August 2006 stellte die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen des Klägers neu fest. Berücksichtigt wurden Beitragszeiten aufgrund des Beitragsregresses vom 12. Juni bis 31. Dezember 1994 und vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002. Hiergegen erhob der Kläger am 14. September 2006 Widerspruch. Es müssten auch die Jahre 1995 und 1996 bei der Rentenneuberechnung berücksichtigt werden. Für diese Jahre seien keine zusätzlichen Entgelte festgestellt worden. Zudem beantragte er, unabhängig von dem Altersrentenbescheid auch die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der zusätzlichen Entgelte neu zu berechnen.
Mit Bescheid vom 17. November 2006 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und mit Bescheid vom 23. November 2006 die Altersrente neu. Bei der Altersrente wurden nun zusätzlich aufgrund des Beitragsregresses Beitragszeiten vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1996 berücksichtigt, so dass nun alle seitens des Haftpflichtversicherers gezahlten Beiträge zu Gunsten des Klägers berücksichtigt worden waren. Gegen diese Bescheide erhob der Kläger am 18. Dezember bzw. 22. Dezember 2006 Widerspruch. Die Bruttorentenerhöhung erscheine zu niedrig. Die Jahre 2003 bis 2005 seien zudem überhaupt nicht berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Entgelte lediglich bis zum 31. Dezember 2002 hätten gespeichert werden können, da sie nicht habe beweisen können, dass der Beitragsausfall wie auch die Rentenzahlung wegen Erwerbsunfähigkeit und eine Reha-Maßnahme von 1995 unfallbedingt gewesen seien. Der private Unfallversicherer sei dennoch bereit gewesen, den Anspruch bis zum 31. Dezember 2002 pauschal zu regulieren.
Mit Bescheid vom 12. April 2008 stellte die Beklagte die Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest. Hierbei berücksichtigte sie nun alle Beitragszahlungen der Haftpflichtversicherers (wegen des zum 28. April 1994 angenommenen Eintritt des Leistungsfalls) bis 30. April 1994.
Mit Schreiben vom 18. April 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass in dem Bescheid vom 12. April 2008 alle bekannten Beitragszeiten auf Grund des Schadensersatzanspruches gemäß § 119 SGB X berücksichtigt worden seien. Geänderte Entgeltpunkte gegenüber dem Bescheid vom 17. November 2006 hätten sich nicht ergeben, da nur ein neuer (längerer) Nachzahlungszeitraum, aber keine weiteren Beitragszeiten zu berücksichtigen gewesen seien. Die Berücksichtigung der Beitragszeiten bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 sei bereits in dem Rentenbescheid vom 17. November 2006 erfolgt. Bei der Berechnung der Altersrente am 23. November 2006 seien bereits alle Beitragszeiten und die Entgeltpunkte der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit berücksichtigt worden. Eine erneute Neufeststellung der Altersrente sei somit nicht erforderlich, da keine geänderten Beitragszeiten bzw. Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seitens des gegnerischen Haftpflichtversicherers ein Zusammenhang zwischen dem Unfall des Klägers vom 5. Juli 1993 und dem seit November 1993 festgestellten beidseitigen Tinnitus bei psychovegetativer Erschöpfung und depressiver Stimmungslage bestritten worden sei. Nach Stellungnahme des beratenden Abteilungsarztes Dr. Luber vom 24. März 1998 sei der Unfallzusammenhang zwischen den geklagten Hörbeschwerden und dem Unfall nicht zweifelsfrei nachweisbar, vielmehr überwögen die Zweifel an einer psychischen Überlagerung, da das Ohrgeräusch anfangs leiser und erst später lauter geworden sei. Die Gegenseite habe sich bereit erklärt, EUR 55.000,00 zu zahlen, was ca. 23 Prozent der bis 31. Dezember 2002 aufgelaufenen Ansprüche entsprochen habe. Auf Basis dieser Realisierungsquote seien die Entgelte gemäß § 119 SGB X im Konto des Klägers gespeichert worden. Gemessen am Ergebnis der eigenen Anspruchsrealisierung des Klägers (DM 30.000,00 pauschal) sei ihr Verhandlungsergebnis deutlich besser, auch wenn die Ansprüche zum größten Teil hätten fallengelassen werden müssten. Letztlich hätte Sie Ansprüche gegenüber der Gegenseite einklagen müssen und dabei die Unfallbedingtheit der geklagten Beschwerden nachweisen müssen, was angesichts der wenigen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und dem ärztlichen Votum (des Dr. Luber) kaum gelungen wäre. Sie sei berechtigt, die eigenen Ansprüche beliebig fallen zu lassen oder zu vergleichen. Dies gelte auch für Ansprüche gemäß § 119 SGB X. Sie sei allerdings verpflichtet, die Ansprüche möglichst weitgehend zu realisieren. Dies sei angesichts der schwierigen Beweislage im hiesigen Fall auch gut gelungen. Es habe ein deutlich höherer Betrag durchgesetzt werden können, als ihn der Kläger selbst erhalten habe.
Der Kläger teilte daraufhin mit, dass er einem Vergleich mit dem Haftpflichtversicherer weder zugestimmt noch einen Vergleich unterschrieben habe. Es sei ihm unverständlich, dass die Beklagte ohne sein Wissen einem Vergleich zugestimmt habe, obwohl nicht einmal die Mindestforderung erfüllt worden seien. Seine unfallbedingte Forderung an den Haftpflichtversicherer hätte ca. DM 900.000,00 betragen. Der geringe Vergleichs- und Abfindungsvorschlag von DM 30.000,00 habe in keinem Verhältnis zur Höhe des Schadensanspruches gestanden.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14. August 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück, soweit ihm nicht mit Bescheid vom 23. November 2006 bezüglich der Berücksichtigung der Entgelte gemäß § 119 SGB X in den Jahren 1995 und 1996 abgeholfen worden sei. Eine Berücksichtigung von höheren Entgelten gemäß § 119 SGB X oder von Entgelten über den 31. Dezember 2002 hinaus sei nicht möglich.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17. November 2006 mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 12. April 2008 abgeholfen worden sei. Weitere Beitragszeiten/Entgelte gemäß § 119 SGB X seien nicht anzuerkennen, da gemäß § 75 Abs. 2 SGB VI Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht zu ermitteln seien und die weiteren Zeiten erst ab dem 12. Juni 1994 (somit nach dem Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit) zu berücksichtigen seien. Die Berücksichtigung weitere bzw. höherer Entgelte gemäß § 119 SGB X sei nicht möglich.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies schließlich den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23. November 2006 mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück. Die Neufeststellung der Altersrente sei aufgrund der zusätzlich anzuerkennenden Beitragszeiten gemäß § 119 SGB X im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1996 erfolgt. Die Berücksichtigung weitere bzw. höherer Entgelte gemäß § 119 SGB X sei nicht möglich.
Der Kläger erhob am 13. November 2009 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage gegen den Bescheid vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5055/09), gegen den Bescheid vom 14. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5056/09) sowie gegen den Bescheid vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5057/09). Das SG verband die Verfahren mit Beschluss vom 12. Januar 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren S 12 R 5055/09. Am 8. April 2010 ordnete das SG das Ruhen der verbundenen Verfahren an. Die Beklagte rief das Verfahren am 16. September 2013 wieder an (neues Az.: S 12 R 3225/13).
Der Kläger verwies auf das im Zivilrechtsstreit beim Landgericht Karlsruhe (LG) gegen seinen früheren Bevollmächtigten erstattete Gutachten des Arztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Prof. Dr. R. und dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung des LG. Die Beklagte trat dem entgegen.
Das SG wies die Klage[n] mit Urteil vom 22. April 2015 ab. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden die Rentenhöhe unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte sowie des Rentenartfaktors zutreffend bewilligt. Es seien alle Pflichtbeiträge, die gezahlt worden seien, bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden. Auch die nach § 119 SGB X übergegangenen Beiträge seien, soweit sie tatsächlich eingegangen seien, als Pflichtbeiträge berücksichtigt worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, dass durch das Verhaltungshandeln der Beklagten (Unterlassen des Beitragsregresses) ein Nachteil zu seinen Lasten eingetreten sei, könne dieser nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden. Die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten nach § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB X setze voraus, dass durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung der nach § 119 Abs. 1 SGB X übergegangene Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen erfüllt werde. Eine solche Beitragsentrichtung sei auf Grund der vergleichsweisen Zahlung in Höhe von EUR 55.000,00 durchgeführt worden. Weitere Beiträge durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer seien nicht entrichtet worden. Die Tragung der Beiträge durch die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin sei im Gesetz nicht vorgesehen. Ohne eine tatsächliche Beitragszahlung könne die Beklagte dem Versicherungskonto des Klägers nicht Pflichtbeiträge hinsichtlich des erstrittenen Verdienstausfalles gutschreiben. Die erforderliche Handlung (tatsächliche Beitragszahlung), um einen eventuellen Nachteil für den Kläger auszugleichen, läge mithin außerhalb des Einfluss- und Zuständigkeitsbereichs der Beklagten. Schließlich widerspreche auch die geltend gemachte Gutschrift fiktiver Beiträge der Struktur des Rentenrechts, die grundsätzlich die Bezahlung der Beiträge als Voraussetzung für die Anerkennung als Beitragszeit verlange.
Gegen das ihm am 4. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juni 2015 Berufung eingelegt. Der von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners abgeschlossene Vergleich habe dem erlittenen Schaden und den wechselseitigen Risiken in keiner Weise Rechnung getragen. Er habe deshalb seinen früheren Prozessbevollmächtigten auf Anwaltshaftung in Anspruch genommen. Die Versicherung der früheren Prozessbevollmächtigten habe daraufhin eine Regresszahlung in Höhe von EUR 50.000,00 an ihn gezahlt. Die Beklagte habe in Anlehnung an den seitens seines früheren Bevollmächtigten abgeschlossenen Vergleich ihrerseits über die zu ersetzende Rentenbeitragszahlung einen Vergleich abgeschlossen. Auch dieser Vergleich habe in keinem Verhältnis zu den tatsächlich eingetretenen Schäden gestanden. Sie hätte keinesfalls den tatsächlich abgeschlossenen Vergleich schließen dürfen. Die Beklagte habe nicht einmal versucht, den Kausalitätsnachweis zu führen, obwohl dieser – wie das Anwaltshaftungsverfahren gezeigt habe – ohne Weiteres zu führen gewesen sei. Das SG habe sich mit eigentlichen Problematik, ob die Beklagte ihre Pflichten aus dem Treuhandverhältnis verletzt habe, nicht befasst, da etwaige hieraus resultierende Ansprüche nach Auffassung des SG nicht vor den Sozialgerichten – auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches – geltend gemacht werden könnten, sondern die Beklagte gegebenenfalls im Wege der Amtshaftung in Anspruch genommen werden müsste. Die Beklagte habe demgegenüber außergerichtlich jedwede Amtshaftungsansprüche von sich gewiesen und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 – VI ZR 243/02 – in juris) ausgeführt, etwaige Ansprüche des Klägers seien vor den Sozialgerichten geltend zu machen. Er verfolge seine Ansprüche auf höhere Rentenzahlung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs weiter. Dies sei zum einen auf Grund der nicht abschließend geklärten Rechtslage und der von der Beklagten selbst vertretenen Rechtsauffassung erforderlich. Die einschlägigen Regelungen des SGB VI stünden einer fiktiven Berücksichtigung von Beitragszahlungen nicht entgegen.
Der Kläger beantragt sachgerecht gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 14. August 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2006 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009, des Bescheides vom 17. November 2006 in der Fassung des Bescheides vom 12. April 2008 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 und des Bescheides vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 zu verurteilen, ihm eine höhere Erwerbsminderungsrente bis zum 30. April 2004 und eine höhere Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. Mai 2004 unter Berücksichtigung fiktiver Beiträge aus einem auf Grund des Unfalls vom 5. Juli 1993 von der Haftpflichtversicherung des Schädigers gezahlten Verdienstausfalls in Höhe von EUR 238.350,37 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorlägen. Es fehle schon an einer Pflichtverletzung aus einem Sozialleistungsverhältnis. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern sie Beratungs-, Auskunfts- und Hinweispflichten gegenüber dem Kläger verletzt haben solle. Eine solche Pflichtverletzung sei durch ein Beitragsregressverfahren nicht möglich. Vielmehr habe sie im Rahmen des § 119 Abs. 1 SGB X einen Beitragsregress durchgeführt und auf Grund der Tatsachenlage einen Vergleich abgeschlossen, welcher zu Gunsten des Klägers ausgefallen sei. Hätte sie es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen, hätte diese auch zu Lasten des Klägers ausgehen können. Somit liege keine Pflichtverletzung vor. Im Übrigen hat sich die Beklagte den Entscheidungsgründen des SG angeschlossen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat daraufhin an seiner Auffassung festgehalten. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Senats sowie die Akten des SG und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. August 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2006 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009, der Bescheid vom 17. November 2006 in der Fassung des Bescheides vom 12. April 2008 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 und der Bescheid vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente vom 28. Juli 1995 bis zum 30. April 2004 und einer höheren Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. Mai 2004 unter Berücksichtigung fiktiver Beiträge auf Grund des Unfalles vom 5. Juli 1993.
a) Die Beklagte hat der Berechnung der Renten die Pflichtbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend und vollständig zu Grunde gelegt. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge scheitert schon daran, dass nur solche Pflichtbeiträge bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähig sind, die tatsächlich wirksam entrichtet worden sind.
aa) Sedes materiae des Begehrens des Klägers auf höhere Erwerbsminderungsrente und Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des – vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) – Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs. 1 SGB VI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 162 Nr. 1 SGB VI) und bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Diesen gesetzlichen Grundlagen der Rentenberechnung entsprechend berechnete die Beklagte die Entgeltpunkte für die hier streitigen Zeiträume. Dies bestreitet auch der Kläger nicht.
Vielmehr macht der Kläger geltend, die Entgeltpunkte für die streitigen Beitragszeiten hätten unter Berücksichtigung eines höheren (fiktiven) Arbeitsentgeltes berechnet werden müssen. Dies ist indessen nicht der Fall.
Wie bereits ausgeführt ergibt sich der Monatsbetrag der Rente unter Berücksichtigung u.a. persönlicher Entgeltpunkte (§ 64 Nr. 1 SGB VI), die sich nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI u.a. aus Beitragszeiten errechnen, also von Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge bezahlt worden sind (Pflichtbeitragszeiten, § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend orientiert sich die Berechnung der Rente an der Zahlung von Beiträgen, im vorliegenden Fall also an der vom Arbeitgeber bzw. in Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld den von der Arbeitsverwaltung entrichteten Pflichtbeiträgen. Erhoben werden Beiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 SGB VI), im Falle von Beschäftigten das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, im Fall von Beziehern von Arbeitslosengeld wiederum 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass die Höhe zu entrichtender Pflichtbeiträge einerseits und die Berechnung der Rente andererseits korrespondiert. Dementsprechend kann in die Beitragsbemessungsgrundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) – von hier nicht einschlägigen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – kein höheres oder niedrigeres Entgelt einfließen als für die Ermittlung der Beiträge selbst.
Für die Ermittlung von Entgeltpunkten aus Pflichtbeitragszeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergibt sich darüber hinaus aus §§ 55, 197 Abs. 1 SGB VI, dass das bloße Vorliegen eines Versicherungspflichttatbestandes (z.B. abhängige Beschäftigung § 1 Nr. 1 SGB VI) in einem bestimmten Zeitraum zur Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Prüfung rentenrechtlicher Ansprüche, hier auf höhere Rente, nicht ausreicht. Denn nach § 197 Abs. 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist oder ausnahmsweise eine spätere Zahlung zulässig ist (s. beispielsweise § 197 Abs. 3 SGB VI). Auch dies und die in diesem Zusammenhang geregelten Sonderfälle (vgl. u.a. §§ 199, 201 SGB VI), die alle auf die Zahlung der Beiträge abstellen, zeigen, dass nur für Pflichtbeitragszeiten tatsächlich gezahlte Beiträge bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt im Übrigen für freiwillige Beiträge (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI).
Schon aus diesem Grund kann der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringen. Denn es ist unstreitig, dass für die in Rede stehenden Zeiträume keine höheren Beiträge gezahlt wurden. Soweit § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Berücksichtigung als gezahlt geltender Pflichtbeiträge im Falle entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vorsieht, sind die Voraussetzungen der entsprechenden Ausnahmeregelungen (s. z.B. § 203 SGB VI) nicht erfüllt.
bb) Auch die Regelung des § 119 SGB X, auf die sich der Kläger beruft, ändert hieran nichts, sondern bestätigt die vorstehenden Ausführungen.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht der Schadensersatzanspruch eines Versicherten, soweit jener den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignis bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird. § 119 SGB X verpflichtet demnach den Schädiger in Fällen eines Beitragsausfalles Schadensersatz in Form von Beitragszahlungen an den Rentenversicherungsträger zu leisten (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 31. Januar 2002 – B 13 RJ 23/01 R – in juris, Rn. 26 m.w.N. – auch zum Folgenden). Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, die soziale Sicherheit des Versicherten nach Eintritt des Schadensfalls zu verbessern. Ist der Schaden durch Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung ausgleichbar, soll sichergestellt werden, dass der Versicherte später Sozialleistungen erhält, deren Berechnung auch die Zeit nach der Verletzung umfasst. Dementsprechend sieht § 119 Abs. 3 SGB X vor, dass die eingegangenen Beiträge in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge gelten. Damit überträgt § 119 SGB X die Aktivlegitimation für den Anspruch auf Ersatz des dem Versicherten entstandenen Beitragsschadens treuhänderisch auf den Sozialversicherungsträger, der die Beitragsforderung (in fremden Interesse) einziehen und nach deren Eingang als Pflichtbeiträge verbuchen muss.
Allerdings sieht auch § 119 SGB X – entsprechend dem oben dargelegten allgemeinen Grundsatz – vor, dass derartige Beiträge nur berücksichtigt werden, wenn sie – so ausdrücklich Abs. 3 der Regelung – "eingegangen" sind, also tatsächlich geleistet wurden (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 30 m.w.N.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 4 R 266/11 – in juris, Rn. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2005 – L 13 RA 44/04 – in juris, Rn. 30). Im Hinblick auf den Unfall vom 5. Juli 1993 wurden jedoch unstreitig keine weiteren, von der Beklagten nicht bereits berücksichtigten Beiträge tatsächlich entrichtet. Damit scheidet die Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge von vornherein aus.
Soweit der Kläger einen von der Beklagten nicht hinreichend durchgeführten Beitragsregress behauptet, also einen der Höhe nach unzureichenden Beitragseinzug, ergibt sich – selbst wenn man insoweit ein Versäumnis der Beklagten unterstellt würde – nichts anderes. § 119 SGB X selbst enthält keine Regelung darüber, welche Konsequenzen die Unterlassung oder nicht hinreichende Durchführung eines vom Versicherten für geboten gehaltenen Beitragsregresses durch den Versicherungsträger hat (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 4 R 266/11 – in juris, Rn. 38; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 31 m.w.N.). Insbesondere ist weder eine Tragung der Beiträge durch die Beklagte als für den Beitragsregress und für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zuständiger Leistungsträger in solchen Fällen noch eine Regelung vorgesehen, wonach solche Beiträge als gezahlt gelten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 28).
b) Aber auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger kein für ihn günstigeres Ergebnis erreichen.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat einen im Wesentlichen dreigliedrigen Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – in juris, Rn. 39). Dabei ist zu beachten, dass der Herstellungsanspruch einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten kann, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also – abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung –, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene, zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – in juris, Rn. 24 m.w.N.). Der Herstellungsanspruch findet nur in denjenigen Fällen Anwendung, in denen der Leistungsträger mit seinem Instrumentarium durch eine an sich zulässige Amtshandlung zur Naturalrestitution in der Lage ist. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist deshalb u. a. dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte selbst tatsächliche Handlungen vorzunehmen hatte (BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – in juris, Rn. 24, 27) oder wenn die erforderliche Handlung von einer Stelle außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Leistungsträgers vorzunehmen war.
Selbst wenn also zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass durch ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln der Beklagten (unzureichende Durchführung des Beitragsregresses) ein Nachteil zu seinen Lasten (niedrigere bzw. fehlende Pflichtbeiträge) eingetreten ist und dass dieses pflichtwidrige Verwaltungshandeln einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch grundsätzlich auszulösen vermag – dies kann der Senat offen lassen –, kann dieser Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 33 – auch zum Folgenden). Wie bereits dargelegt, setzt die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X gerade voraus, dass durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung der nach § 119 Abs. 1 SGB X übergegangene Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen erfüllt wird. Eine solche, über den berücksichtigten Betrag hinausgehende Beitragsentrichtung durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung ist tatsächlich nicht erfolgt. Die Tragung der Beiträge durch die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. §§ 168 ff. SGB VI). Ohne eine tatsächliche Beitragszahlung kann die Beklagte dem Versicherungskonto des Klägers nicht Pflichtbeiträge hinsichtlich des erstrittenen Verdienstausfallschadens gutschreiben. Die erforderliche Handlung (tatsächliche Beitragszahlung), um einen eventuellen Nachteil bei dem Kläger auszugleichen, liegt mithin außerhalb des Einfluss- und Zuständigkeitsbereichs der Beklagten. Schließlich widerspricht auch die geltend gemachte Gutschrift fiktiver Beiträge der dargestellten Struktur des Rentenrechts, die grundsätzlich die Bezahlung der Beiträge als Voraussetzung für die Anerkennung als Beitragszeit verlangt. Der nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausdrücklich vom Gesetz vorgesehene Beitragseingang kann mithin nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente und einer höheren Altersrente für Schwerbehinderte auf Grund der Berücksichtigung fiktiver Beiträge wegen eines Unfalles vom 5. Juli 1993.
Der Kläger ist am 1940 geboren. Am 5. Juli 1993 erlitt er einen Verkehrsunfall, in dessen Nachgang gesundheitliche Beeinträchtigungen auftraten, deren Verursachung durch den Unfall zwischen dem Kläger und dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners strittig blieben. Der Kläger beanspruchte vom Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer die Zahlung von DM 900.000,00. Der frühere Rechtsanwalt des Klägers schloss mit dem Haftpflichtversicherer einen Vergleich, nach dem der Versicherer einen Betrag von DM 30.000,00 an den Kläger zu zahlen hatte. Der Kläger nahm später zivilgerichtlich seinen früheren Rechtsanwalt wegen des Abschlusses dieses Vergleichs aus Anwaltshaftung in Anspruch. Dieses zivilgerichtliche Verfahren endete damit, dass die Versicherung seines früheren Rechtsanwaltes dem Kläger einen Betrag von EUR 50.000,00 zahlte.
Die Beklagte forderte von dem Haftpflichtversicherer Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 238.350,37 gemäß § 119 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie schloss mit dem Haftpflichtversicherer einen Vergleich dahingehend, dass der Versicherer einen pauschalen Betrag von insgesamt EUR 55.000,00 für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2002 zugunsten des Versicherungskontos des Klägers zahlte.
Am 30. August 1995 beantragte der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und begründete dies mit einem Tinnitus aurium und einer Schwerhörigkeit beidseits sowie einer psychovegetativen Erschöpfung mit depressiver Stimmungslage. Diese Gesundheitsstörungen seien auf den Verkehrsunfall vom 5. Juli 1993 zurückzuführen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20. März 1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 28. Juli 1995 bis zum 30. November 1997. Mit Bescheiden vom 26. Juni 1996 und vom 17. Dezember 1996 wurde die Rente neu berechnet. Auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 30. Juli 1997 hin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 22. August 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 30. November 2000. Schließlich wurde die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf den Weiterzahlungsantrag des Klägers vom 2. August 2000 mit Bescheid vom 11. September 2000 auf unbestimmte Zeit gewährt. Beiträge nach § 119 Abs. 1 SGB X wurden dabei jeweils nicht berücksichtigt.
Am 27. Mai 2004 beantragte der Kläger Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als schwerbehinderte Menschen nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) anerkannt sind oder die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. Juli 2004 diese Rente ab dem 1. Mai 2004, womit die Rente wegen Erwerbsminderung wegfiel. Mit Bescheid vom 27. September 2005 berechnete die Beklagte die Altersrente neu. Bei der Altersrente war für die Zeit vom 26. August bis 22. Dezember 1993 zusätzlich zur Beitragszeit wegen des Bezugs einer Sozialleistung eine Beitragszeit aufgrund eines Beitragsregresses berücksichtigt.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2006 mit, dass infolge des Unfalles vom 5. Juli 1993 bei ihm ein Beitragsausfall bzw. eine Beitragsminderung entstanden sei und dass die sich daraus ergebenden Ansprüche gemäß § 119 SGB X auf sie – die Beklagte – übergegangen seien. Sie habe diese Beitragsansprüche gegenüber dem zivilrechtlich Haftenden bzw. seiner Haftpflichtversicherung geltend gemacht und würde seinem Versicherungskonto entsprechende Pflichtbeitragszeiten gutschreiben.
Mit Bescheid vom 14. August 2006 stellte die Beklagte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen des Klägers neu fest. Berücksichtigt wurden Beitragszeiten aufgrund des Beitragsregresses vom 12. Juni bis 31. Dezember 1994 und vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002. Hiergegen erhob der Kläger am 14. September 2006 Widerspruch. Es müssten auch die Jahre 1995 und 1996 bei der Rentenneuberechnung berücksichtigt werden. Für diese Jahre seien keine zusätzlichen Entgelte festgestellt worden. Zudem beantragte er, unabhängig von dem Altersrentenbescheid auch die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der zusätzlichen Entgelte neu zu berechnen.
Mit Bescheid vom 17. November 2006 berechnete die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und mit Bescheid vom 23. November 2006 die Altersrente neu. Bei der Altersrente wurden nun zusätzlich aufgrund des Beitragsregresses Beitragszeiten vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1996 berücksichtigt, so dass nun alle seitens des Haftpflichtversicherers gezahlten Beiträge zu Gunsten des Klägers berücksichtigt worden waren. Gegen diese Bescheide erhob der Kläger am 18. Dezember bzw. 22. Dezember 2006 Widerspruch. Die Bruttorentenerhöhung erscheine zu niedrig. Die Jahre 2003 bis 2005 seien zudem überhaupt nicht berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Entgelte lediglich bis zum 31. Dezember 2002 hätten gespeichert werden können, da sie nicht habe beweisen können, dass der Beitragsausfall wie auch die Rentenzahlung wegen Erwerbsunfähigkeit und eine Reha-Maßnahme von 1995 unfallbedingt gewesen seien. Der private Unfallversicherer sei dennoch bereit gewesen, den Anspruch bis zum 31. Dezember 2002 pauschal zu regulieren.
Mit Bescheid vom 12. April 2008 stellte die Beklagte die Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest. Hierbei berücksichtigte sie nun alle Beitragszahlungen der Haftpflichtversicherers (wegen des zum 28. April 1994 angenommenen Eintritt des Leistungsfalls) bis 30. April 1994.
Mit Schreiben vom 18. April 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass in dem Bescheid vom 12. April 2008 alle bekannten Beitragszeiten auf Grund des Schadensersatzanspruches gemäß § 119 SGB X berücksichtigt worden seien. Geänderte Entgeltpunkte gegenüber dem Bescheid vom 17. November 2006 hätten sich nicht ergeben, da nur ein neuer (längerer) Nachzahlungszeitraum, aber keine weiteren Beitragszeiten zu berücksichtigen gewesen seien. Die Berücksichtigung der Beitragszeiten bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 sei bereits in dem Rentenbescheid vom 17. November 2006 erfolgt. Bei der Berechnung der Altersrente am 23. November 2006 seien bereits alle Beitragszeiten und die Entgeltpunkte der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit berücksichtigt worden. Eine erneute Neufeststellung der Altersrente sei somit nicht erforderlich, da keine geänderten Beitragszeiten bzw. Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seitens des gegnerischen Haftpflichtversicherers ein Zusammenhang zwischen dem Unfall des Klägers vom 5. Juli 1993 und dem seit November 1993 festgestellten beidseitigen Tinnitus bei psychovegetativer Erschöpfung und depressiver Stimmungslage bestritten worden sei. Nach Stellungnahme des beratenden Abteilungsarztes Dr. Luber vom 24. März 1998 sei der Unfallzusammenhang zwischen den geklagten Hörbeschwerden und dem Unfall nicht zweifelsfrei nachweisbar, vielmehr überwögen die Zweifel an einer psychischen Überlagerung, da das Ohrgeräusch anfangs leiser und erst später lauter geworden sei. Die Gegenseite habe sich bereit erklärt, EUR 55.000,00 zu zahlen, was ca. 23 Prozent der bis 31. Dezember 2002 aufgelaufenen Ansprüche entsprochen habe. Auf Basis dieser Realisierungsquote seien die Entgelte gemäß § 119 SGB X im Konto des Klägers gespeichert worden. Gemessen am Ergebnis der eigenen Anspruchsrealisierung des Klägers (DM 30.000,00 pauschal) sei ihr Verhandlungsergebnis deutlich besser, auch wenn die Ansprüche zum größten Teil hätten fallengelassen werden müssten. Letztlich hätte Sie Ansprüche gegenüber der Gegenseite einklagen müssen und dabei die Unfallbedingtheit der geklagten Beschwerden nachweisen müssen, was angesichts der wenigen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und dem ärztlichen Votum (des Dr. Luber) kaum gelungen wäre. Sie sei berechtigt, die eigenen Ansprüche beliebig fallen zu lassen oder zu vergleichen. Dies gelte auch für Ansprüche gemäß § 119 SGB X. Sie sei allerdings verpflichtet, die Ansprüche möglichst weitgehend zu realisieren. Dies sei angesichts der schwierigen Beweislage im hiesigen Fall auch gut gelungen. Es habe ein deutlich höherer Betrag durchgesetzt werden können, als ihn der Kläger selbst erhalten habe.
Der Kläger teilte daraufhin mit, dass er einem Vergleich mit dem Haftpflichtversicherer weder zugestimmt noch einen Vergleich unterschrieben habe. Es sei ihm unverständlich, dass die Beklagte ohne sein Wissen einem Vergleich zugestimmt habe, obwohl nicht einmal die Mindestforderung erfüllt worden seien. Seine unfallbedingte Forderung an den Haftpflichtversicherer hätte ca. DM 900.000,00 betragen. Der geringe Vergleichs- und Abfindungsvorschlag von DM 30.000,00 habe in keinem Verhältnis zur Höhe des Schadensanspruches gestanden.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14. August 2006 mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück, soweit ihm nicht mit Bescheid vom 23. November 2006 bezüglich der Berücksichtigung der Entgelte gemäß § 119 SGB X in den Jahren 1995 und 1996 abgeholfen worden sei. Eine Berücksichtigung von höheren Entgelten gemäß § 119 SGB X oder von Entgelten über den 31. Dezember 2002 hinaus sei nicht möglich.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17. November 2006 mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 12. April 2008 abgeholfen worden sei. Weitere Beitragszeiten/Entgelte gemäß § 119 SGB X seien nicht anzuerkennen, da gemäß § 75 Abs. 2 SGB VI Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht zu ermitteln seien und die weiteren Zeiten erst ab dem 12. Juni 1994 (somit nach dem Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit) zu berücksichtigen seien. Die Berücksichtigung weitere bzw. höherer Entgelte gemäß § 119 SGB X sei nicht möglich.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies schließlich den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23. November 2006 mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurück. Die Neufeststellung der Altersrente sei aufgrund der zusätzlich anzuerkennenden Beitragszeiten gemäß § 119 SGB X im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1996 erfolgt. Die Berücksichtigung weitere bzw. höherer Entgelte gemäß § 119 SGB X sei nicht möglich.
Der Kläger erhob am 13. November 2009 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage gegen den Bescheid vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5055/09), gegen den Bescheid vom 14. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5056/09) sowie gegen den Bescheid vom 17. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 (S 12 R 5057/09). Das SG verband die Verfahren mit Beschluss vom 12. Januar 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren S 12 R 5055/09. Am 8. April 2010 ordnete das SG das Ruhen der verbundenen Verfahren an. Die Beklagte rief das Verfahren am 16. September 2013 wieder an (neues Az.: S 12 R 3225/13).
Der Kläger verwies auf das im Zivilrechtsstreit beim Landgericht Karlsruhe (LG) gegen seinen früheren Bevollmächtigten erstattete Gutachten des Arztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Prof. Dr. R. und dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung des LG. Die Beklagte trat dem entgegen.
Das SG wies die Klage[n] mit Urteil vom 22. April 2015 ab. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden die Rentenhöhe unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte sowie des Rentenartfaktors zutreffend bewilligt. Es seien alle Pflichtbeiträge, die gezahlt worden seien, bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden. Auch die nach § 119 SGB X übergegangenen Beiträge seien, soweit sie tatsächlich eingegangen seien, als Pflichtbeiträge berücksichtigt worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, dass durch das Verhaltungshandeln der Beklagten (Unterlassen des Beitragsregresses) ein Nachteil zu seinen Lasten eingetreten sei, könne dieser nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden. Die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten nach § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB X setze voraus, dass durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung der nach § 119 Abs. 1 SGB X übergegangene Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen erfüllt werde. Eine solche Beitragsentrichtung sei auf Grund der vergleichsweisen Zahlung in Höhe von EUR 55.000,00 durchgeführt worden. Weitere Beiträge durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer seien nicht entrichtet worden. Die Tragung der Beiträge durch die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin sei im Gesetz nicht vorgesehen. Ohne eine tatsächliche Beitragszahlung könne die Beklagte dem Versicherungskonto des Klägers nicht Pflichtbeiträge hinsichtlich des erstrittenen Verdienstausfalles gutschreiben. Die erforderliche Handlung (tatsächliche Beitragszahlung), um einen eventuellen Nachteil für den Kläger auszugleichen, läge mithin außerhalb des Einfluss- und Zuständigkeitsbereichs der Beklagten. Schließlich widerspreche auch die geltend gemachte Gutschrift fiktiver Beiträge der Struktur des Rentenrechts, die grundsätzlich die Bezahlung der Beiträge als Voraussetzung für die Anerkennung als Beitragszeit verlange.
Gegen das ihm am 4. Mai 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juni 2015 Berufung eingelegt. Der von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners abgeschlossene Vergleich habe dem erlittenen Schaden und den wechselseitigen Risiken in keiner Weise Rechnung getragen. Er habe deshalb seinen früheren Prozessbevollmächtigten auf Anwaltshaftung in Anspruch genommen. Die Versicherung der früheren Prozessbevollmächtigten habe daraufhin eine Regresszahlung in Höhe von EUR 50.000,00 an ihn gezahlt. Die Beklagte habe in Anlehnung an den seitens seines früheren Bevollmächtigten abgeschlossenen Vergleich ihrerseits über die zu ersetzende Rentenbeitragszahlung einen Vergleich abgeschlossen. Auch dieser Vergleich habe in keinem Verhältnis zu den tatsächlich eingetretenen Schäden gestanden. Sie hätte keinesfalls den tatsächlich abgeschlossenen Vergleich schließen dürfen. Die Beklagte habe nicht einmal versucht, den Kausalitätsnachweis zu führen, obwohl dieser – wie das Anwaltshaftungsverfahren gezeigt habe – ohne Weiteres zu führen gewesen sei. Das SG habe sich mit eigentlichen Problematik, ob die Beklagte ihre Pflichten aus dem Treuhandverhältnis verletzt habe, nicht befasst, da etwaige hieraus resultierende Ansprüche nach Auffassung des SG nicht vor den Sozialgerichten – auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches – geltend gemacht werden könnten, sondern die Beklagte gegebenenfalls im Wege der Amtshaftung in Anspruch genommen werden müsste. Die Beklagte habe demgegenüber außergerichtlich jedwede Amtshaftungsansprüche von sich gewiesen und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 – VI ZR 243/02 – in juris) ausgeführt, etwaige Ansprüche des Klägers seien vor den Sozialgerichten geltend zu machen. Er verfolge seine Ansprüche auf höhere Rentenzahlung im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs weiter. Dies sei zum einen auf Grund der nicht abschließend geklärten Rechtslage und der von der Beklagten selbst vertretenen Rechtsauffassung erforderlich. Die einschlägigen Regelungen des SGB VI stünden einer fiktiven Berücksichtigung von Beitragszahlungen nicht entgegen.
Der Kläger beantragt sachgerecht gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. April 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 14. August 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2006 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009, des Bescheides vom 17. November 2006 in der Fassung des Bescheides vom 12. April 2008 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 und des Bescheides vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 zu verurteilen, ihm eine höhere Erwerbsminderungsrente bis zum 30. April 2004 und eine höhere Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. Mai 2004 unter Berücksichtigung fiktiver Beiträge aus einem auf Grund des Unfalls vom 5. Juli 1993 von der Haftpflichtversicherung des Schädigers gezahlten Verdienstausfalls in Höhe von EUR 238.350,37 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorlägen. Es fehle schon an einer Pflichtverletzung aus einem Sozialleistungsverhältnis. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern sie Beratungs-, Auskunfts- und Hinweispflichten gegenüber dem Kläger verletzt haben solle. Eine solche Pflichtverletzung sei durch ein Beitragsregressverfahren nicht möglich. Vielmehr habe sie im Rahmen des § 119 Abs. 1 SGB X einen Beitragsregress durchgeführt und auf Grund der Tatsachenlage einen Vergleich abgeschlossen, welcher zu Gunsten des Klägers ausgefallen sei. Hätte sie es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen, hätte diese auch zu Lasten des Klägers ausgehen können. Somit liege keine Pflichtverletzung vor. Im Übrigen hat sich die Beklagte den Entscheidungsgründen des SG angeschlossen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat daraufhin an seiner Auffassung festgehalten. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Senats sowie die Akten des SG und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. August 2006 in der Fassung des Bescheides vom 23. November 2006 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009, der Bescheid vom 17. November 2006 in der Fassung des Bescheides vom 12. April 2008 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 und der Bescheid vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente vom 28. Juli 1995 bis zum 30. April 2004 und einer höheren Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. Mai 2004 unter Berücksichtigung fiktiver Beiträge auf Grund des Unfalles vom 5. Juli 1993.
a) Die Beklagte hat der Berechnung der Renten die Pflichtbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum zutreffend und vollständig zu Grunde gelegt. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge scheitert schon daran, dass nur solche Pflichtbeiträge bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähig sind, die tatsächlich wirksam entrichtet worden sind.
aa) Sedes materiae des Begehrens des Klägers auf höhere Erwerbsminderungsrente und Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des – vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) – Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs. 1 SGB VI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 162 Nr. 1 SGB VI) und bei Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Diesen gesetzlichen Grundlagen der Rentenberechnung entsprechend berechnete die Beklagte die Entgeltpunkte für die hier streitigen Zeiträume. Dies bestreitet auch der Kläger nicht.
Vielmehr macht der Kläger geltend, die Entgeltpunkte für die streitigen Beitragszeiten hätten unter Berücksichtigung eines höheren (fiktiven) Arbeitsentgeltes berechnet werden müssen. Dies ist indessen nicht der Fall.
Wie bereits ausgeführt ergibt sich der Monatsbetrag der Rente unter Berücksichtigung u.a. persönlicher Entgeltpunkte (§ 64 Nr. 1 SGB VI), die sich nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI u.a. aus Beitragszeiten errechnen, also von Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge bezahlt worden sind (Pflichtbeitragszeiten, § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend orientiert sich die Berechnung der Rente an der Zahlung von Beiträgen, im vorliegenden Fall also an der vom Arbeitgeber bzw. in Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld den von der Arbeitsverwaltung entrichteten Pflichtbeiträgen. Erhoben werden Beiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 SGB VI), im Falle von Beschäftigten das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, im Fall von Beziehern von Arbeitslosengeld wiederum 80 v.H. des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass die Höhe zu entrichtender Pflichtbeiträge einerseits und die Berechnung der Rente andererseits korrespondiert. Dementsprechend kann in die Beitragsbemessungsgrundlage für die Ermittlung der Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) – von hier nicht einschlägigen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – kein höheres oder niedrigeres Entgelt einfließen als für die Ermittlung der Beiträge selbst.
Für die Ermittlung von Entgeltpunkten aus Pflichtbeitragszeiten nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergibt sich darüber hinaus aus §§ 55, 197 Abs. 1 SGB VI, dass das bloße Vorliegen eines Versicherungspflichttatbestandes (z.B. abhängige Beschäftigung § 1 Nr. 1 SGB VI) in einem bestimmten Zeitraum zur Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Prüfung rentenrechtlicher Ansprüche, hier auf höhere Rente, nicht ausreicht. Denn nach § 197 Abs. 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist oder ausnahmsweise eine spätere Zahlung zulässig ist (s. beispielsweise § 197 Abs. 3 SGB VI). Auch dies und die in diesem Zusammenhang geregelten Sonderfälle (vgl. u.a. §§ 199, 201 SGB VI), die alle auf die Zahlung der Beiträge abstellen, zeigen, dass nur für Pflichtbeitragszeiten tatsächlich gezahlte Beiträge bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt im Übrigen für freiwillige Beiträge (vgl. § 197 Abs. 2 SGB VI).
Schon aus diesem Grund kann der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringen. Denn es ist unstreitig, dass für die in Rede stehenden Zeiträume keine höheren Beiträge gezahlt wurden. Soweit § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Berücksichtigung als gezahlt geltender Pflichtbeiträge im Falle entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vorsieht, sind die Voraussetzungen der entsprechenden Ausnahmeregelungen (s. z.B. § 203 SGB VI) nicht erfüllt.
bb) Auch die Regelung des § 119 SGB X, auf die sich der Kläger beruft, ändert hieran nichts, sondern bestätigt die vorstehenden Ausführungen.
Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht der Schadensersatzanspruch eines Versicherten, soweit jener den Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung umfasst, auf den Versicherungsträger über, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignis bereits Pflichtbeitragszeiten nachweist oder danach pflichtversichert wird. § 119 SGB X verpflichtet demnach den Schädiger in Fällen eines Beitragsausfalles Schadensersatz in Form von Beitragszahlungen an den Rentenversicherungsträger zu leisten (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 31. Januar 2002 – B 13 RJ 23/01 R – in juris, Rn. 26 m.w.N. – auch zum Folgenden). Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, die soziale Sicherheit des Versicherten nach Eintritt des Schadensfalls zu verbessern. Ist der Schaden durch Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung ausgleichbar, soll sichergestellt werden, dass der Versicherte später Sozialleistungen erhält, deren Berechnung auch die Zeit nach der Verletzung umfasst. Dementsprechend sieht § 119 Abs. 3 SGB X vor, dass die eingegangenen Beiträge in der Rentenversicherung als Pflichtbeiträge gelten. Damit überträgt § 119 SGB X die Aktivlegitimation für den Anspruch auf Ersatz des dem Versicherten entstandenen Beitragsschadens treuhänderisch auf den Sozialversicherungsträger, der die Beitragsforderung (in fremden Interesse) einziehen und nach deren Eingang als Pflichtbeiträge verbuchen muss.
Allerdings sieht auch § 119 SGB X – entsprechend dem oben dargelegten allgemeinen Grundsatz – vor, dass derartige Beiträge nur berücksichtigt werden, wenn sie – so ausdrücklich Abs. 3 der Regelung – "eingegangen" sind, also tatsächlich geleistet wurden (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 30 m.w.N.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 4 R 266/11 – in juris, Rn. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2005 – L 13 RA 44/04 – in juris, Rn. 30). Im Hinblick auf den Unfall vom 5. Juli 1993 wurden jedoch unstreitig keine weiteren, von der Beklagten nicht bereits berücksichtigten Beiträge tatsächlich entrichtet. Damit scheidet die Berücksichtigung höherer Pflichtbeiträge von vornherein aus.
Soweit der Kläger einen von der Beklagten nicht hinreichend durchgeführten Beitragsregress behauptet, also einen der Höhe nach unzureichenden Beitragseinzug, ergibt sich – selbst wenn man insoweit ein Versäumnis der Beklagten unterstellt würde – nichts anderes. § 119 SGB X selbst enthält keine Regelung darüber, welche Konsequenzen die Unterlassung oder nicht hinreichende Durchführung eines vom Versicherten für geboten gehaltenen Beitragsregresses durch den Versicherungsträger hat (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Januar 2012 – L 4 R 266/11 – in juris, Rn. 38; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 31 m.w.N.). Insbesondere ist weder eine Tragung der Beiträge durch die Beklagte als für den Beitragsregress und für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zuständiger Leistungsträger in solchen Fällen noch eine Regelung vorgesehen, wonach solche Beiträge als gezahlt gelten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 28).
b) Aber auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger kein für ihn günstigeres Ergebnis erreichen.
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat einen im Wesentlichen dreigliedrigen Tatbestand. Dieser fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sei. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wieder hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – in juris, Rn. 39). Dabei ist zu beachten, dass der Herstellungsanspruch einen Versicherungsträger nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten kann, das rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist also – abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung –, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene, zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden kann (BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – in juris, Rn. 24 m.w.N.). Der Herstellungsanspruch findet nur in denjenigen Fällen Anwendung, in denen der Leistungsträger mit seinem Instrumentarium durch eine an sich zulässige Amtshandlung zur Naturalrestitution in der Lage ist. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist deshalb u. a. dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte selbst tatsächliche Handlungen vorzunehmen hatte (BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R – in juris, Rn. 24, 27) oder wenn die erforderliche Handlung von einer Stelle außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Leistungsträgers vorzunehmen war.
Selbst wenn also zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, dass durch ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln der Beklagten (unzureichende Durchführung des Beitragsregresses) ein Nachteil zu seinen Lasten (niedrigere bzw. fehlende Pflichtbeiträge) eingetreten ist und dass dieses pflichtwidrige Verwaltungshandeln einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch grundsätzlich auszulösen vermag – dies kann der Senat offen lassen –, kann dieser Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 10 R 2689/12 – in juris, Rn. 31; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Januar 2014 – L 7 R 4417/11 – in juris, Rn. 33 – auch zum Folgenden). Wie bereits dargelegt, setzt die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X gerade voraus, dass durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung der nach § 119 Abs. 1 SGB X übergegangene Schadensersatzanspruch des Geschädigten durch die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen erfüllt wird. Eine solche, über den berücksichtigten Betrag hinausgehende Beitragsentrichtung durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung ist tatsächlich nicht erfolgt. Die Tragung der Beiträge durch die Beklagte als Rentenversicherungsträgerin ist im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. §§ 168 ff. SGB VI). Ohne eine tatsächliche Beitragszahlung kann die Beklagte dem Versicherungskonto des Klägers nicht Pflichtbeiträge hinsichtlich des erstrittenen Verdienstausfallschadens gutschreiben. Die erforderliche Handlung (tatsächliche Beitragszahlung), um einen eventuellen Nachteil bei dem Kläger auszugleichen, liegt mithin außerhalb des Einfluss- und Zuständigkeitsbereichs der Beklagten. Schließlich widerspricht auch die geltend gemachte Gutschrift fiktiver Beiträge der dargestellten Struktur des Rentenrechts, die grundsätzlich die Bezahlung der Beiträge als Voraussetzung für die Anerkennung als Beitragszeit verlangt. Der nach § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausdrücklich vom Gesetz vorgesehene Beitragseingang kann mithin nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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