Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 4199/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3873/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und insbesondere die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft streitig.
Der Kläger, der 1949 geboren ist und im Inland wohnt, beantragte am 21.12.2009 erstmals bei dem Landratsamt Q. als Versorgungsamt (LRA) die Feststellung eines GdB. Das LRA zog ärztliche Unterlagen bei, darunter das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), Dr. A., vom 18.12.2011 und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Am Kurpark in Bad C., Prof. Dr. B., vom 23.09.2009 über eine stationäre Behandlung des Klägers im Sommer 2009 Nach einer Auswertung der Unterlagen gab der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten durch Dr. D. am 22.01.2010 folgende gutachtliche Stellungnahme ab: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und des rechten Ellenbogengelenks Teil-GdB 10 - Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwerhörigkeit Teil-GdB 10 - Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom Teil-GdB 10 - Bluthochdruck Teil-GdB 10 Als Gesamt-GdB wurde 30 vorgeschlagen. Gestützt auf diese Stellungnahme stellte das LRA mit Bescheid vom 11.02.2010 einen GdB von 30 seit dem 01.01.2009 fest.
Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes nach erneuter versorgungsärztlicher Würdigung der ärztlichen Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.07.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort vorgetragen, er leide auch an Beschwerden am Sprunggelenk auf Grund einer Trümmerfraktur rechtsseitig mit bleibender Deformierung des Sprunggelenks. Nach einem Unfall mit der Kreissäge bestehe ferner eine Funktionsbeeinträchtigung an drei Fingern mit Gefühlsreduzierung (Teilschädigung der Nerven), erschwertem Fingerfeingriff und auch erheblicher Minderung der Kraft und Beweglichkeit der Hand insgesamt.
Das SG hat, nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses jener Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 10.05.2011 (Reduzierter Bizepssehnen- bzw. Achillessehnenreflex rechts als Hinweis einer leichten Wurzelläsion C6 und Sl rechts; mittelgradige depressive Verstimmung ), des Orthopäden Dr. F. vom 12.05.2011 (Epicondylitis medialis, links ausgeprägter als rechts; HWS-, BWS- und LWS-Syndrom ohne wesentliches Funktionsdefizit, chronisch lumbale Schmerzen und Cervicobrachialgie beidseits) und des Allgemein- und Sportmediziners Dr. G. vom 25.05.2011 (Impingementsyndrom der Schulter sowie Periarthritis humero scapularis rechts; Cervicalsyndrom und NPP C5/6 sowie NP-Protrusio C3/4 mit dauerhafter schmerzhafter Bewegungseinschränkung ohne neurologische Symptomatik ) Bezug genommen.
Ferner hat das SG die von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Auftrag gegebenen Gutachten des Internisten Dr. H.-I. vom 02.03.2010, des Chirurgen Dr. J. vom 16.03.2010 und der Neurologen und Psychiater Dr. K. und Dr. L. vom 31.08.2010 beigezogen.
Ein vom Beklagten angebotener Vergleich über einen GdB von 40 ab dem 01.01.2009 ist nicht zu Stande gekommen.
Im Anschluss hat das SG von Amts wegen den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat nach einer Untersuchung des Klägers am 21.11.2011 schriftlich bekundet, der Kläger leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, welche gegenwärtig als leicht bis mittelgradig einzustufen sei. Was die Höhe des GdB anbetreffe, sei der ursprünglichen Einschätzung des behandelnden Nervenarztes zuzustimmen. Dieser sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.
Sodann hat das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 08.03.2013 auf Grund einer Untersuchung am 17.09.2012 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine rezidivierende depressive Störung, welche zum Untersuchungszeitpunkt leicht bis mittelgradig ausgeprägt gewesen sei. Im psychopathologischen Befund imponierten vorwiegend eine Durchschlafstörung, Stimmungsschwankungen und psychovegetative Beschwerden. Der Schweregrad sei leicht bis mittelgradig. Anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sei der Teil-GdB mit 30 einzuschätzen.
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. O. vom 13.05.2013 an seiner Einschätzung festgehalten.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 28.05.2014 hat das SG unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 40 ab dem 01.01.2009 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kostenquote hat es auf ein Drittel festgesetzt. Es hat die rechtlichen Grundlagen seiner Entscheidung dargelegt und sodann ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein Gesamt-GdB von 40. Im Einzelnen: Im Funktionssystem Rumpf sei ein Teil-GdB von 30 anzusetzen. Der Kläger leide an mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich der Hals- und der Lendenwirbelsäule (HWS, LWS). Nach der Aussage von Dr. F. vom 12.05.2011 beständen an der HWS eine deutliche Bewegungseinschränkung mit Muskelhartspann und an der LWS ein endgradiges Bewegungsdefizit. Für das Funktionssystem der Schultern könne kein Teil-GdB höher als 10 angesetzt werden. Es bestehe zwar nach den Angaben von Dr. M. ein schweres und chronisches Impingementsyndrom mit dauerhafter schmerzhafter Bewegungseinschränkung und eine Periarthritis humero scapulens, die Beweglichkeit sei aber nicht dauerhaft auf unter 90° in der Armhebung eingeschränkt, vielmehr sei nach dem Entlassungsbericht der Rehaklinik Bad C. vom 23.09.2009 eine Abduktion rechts bis 150° möglich gewesen. Weiterhin könne kein gesonderter Teil-GdB vergeben werden. Die von Dr. F. mitgeteilte Epicondylitis medialis schränke die Beweglichkeit nicht ein. Auch die Deformation des 1. und 2. Fingers rechts durch einen Unfall mit der Kreissäge bedinge keinen weiteren Teil-GdB. Der Gesamtverlust zweier Finger ohne den Daumen rechtfertige allenfalls einen GdB von 25. Bei dem Kläger liege kein Verlust vor. Nach dem Reha-Entlas-sungsbericht sei der Fingerfeingriff rechts erschwert, nach den glaubhaften Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung seien darüber hinaus die Empfindungen gestört. Diese Einschränkungen führten nicht zu einem GdB von 20 oder mehr, der allein sich auf die Höhe des Gesamt-GdB auswirken könne. Ein solcher wäre nur bei vollständigem Verlust zweier Finger gerechtfertigt. Für die unteren Gliedmaßen sei ebenfalls kein Teil-GdB zu vergeben. Am rechten Sprunggelenk bestehe eine leichte Deformität und nach der Mitteilung Dr. F.s auch eine posttraumatische Arthrose, dies führe aber zu keinen Schmerzen bei Bewegungen. Auch die Chondromalacia patellae Stadium II am linken Knie verursache keine Bewegungseinschränkungen und keine anhaltenden Reizerscheinungen. Für das Funktionssystem Nerven und Psyche hat das SG einen Teil-GdB von 30 für angemessen erachtet. Es hat ausgeführt, es bestehe eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Es sei insoweit dem Gutachten von Dr. N. zu folgen. Danach bestehe eine rezidivierende depressive Störung, die bei der Begutachtung leicht- bis mittelgradig ausgeprägt gewesen sei. Der Kläger habe auch wegen dieser Erkrankung seine Berufstätigkeit aufgegeben und beziehe Erwerbsminderungsrente. In der mündlichen Verhandlung habe er - nochmals - glaubhaft dargelegt, dass er sich deutlich zurückgezogen habe und einigen Hobbies nicht mehr nachgehe. Insbesondere habe er sportliche Aktivitäten aufgegeben, was allerdings auch auf körperlichen Einschränkungen beruhe. Anderen Hobbies, insbesondere dem Hobby Modelleisenbahn, gehe er weiterhin nach. Ein weiterer Teil-GdB von 10 sei, so das SG, für das Hör- und Gleichgewichtsorgan anzusetzen. Nach dem Befundbericht des HNO-Arztes P. vom 13.01.2010 bestehe eine hochbetonte geringe Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits. Nach seinen Angaben in der Verhandlung fühle sich der Kläger durch die Schwerhörigkeit nicht beeinträchtigt. Der nur zeitweise vorhandene Tinnitus sei nicht gesondert zu bewerten, sondern werde bereits von dem Teil-GdB von 30 für die psychische Erkrankung erfasst. Die Hypertonie des Klägers sei als leicht einzuordnen, da sie allenfalls geringe Leistungsbeeinträchtigungen verursache und der diastolische Wert nach den von mehreren Ärzten mitgeteilten Messungen 100 mmHg nicht mehrfach überschreite. Soweit der Kläger unter Diabetes leide, so das SG weiterhin, sei ein höherer Teil-GdB als 10 ebenfalls nicht zu vergeben, da der Kläger keine Therapie durchführe, die Hypoglykämien auslösen könne. Insgesamt, so das SG abschließend, sei aus den Teil-GdB-Werten von je 30 für die Psyche und den Rumpf - nur - ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden, nachdem die Bewertung der Wirbelsäulenerkrankung am oberen Rand des Beurteilungsspielraums liege. Die weiteren Teil-GdB-Werte von je höchstens 10 wirkten nicht erhöhend.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10.09.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er behauptet, seinem Prozessbevollmächtigten sei jenes Urteil am 11.08.2014 zugestellt worden. In der Sache trägt er vor, die zahlreichen psychischen Beschwerden verstärkten sich wechselseitig und seien auch zusätzlich mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen verbunden. Er - der Kläger - leide auch an beidseitigen Schmerzen ausgehend von der HWS in die Arme sowie einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks sei eingeschränkt. Nachdem ihm bei der OP am 10.02.2009 eine Sehnenplastik im rechten Ellenbogengelenk eingesetzt worden sei, träten Schmerzen im Bereich der Sehnen des medialen Ellenbogens auf und damit zusammenhängend sei die grobe Kraft beider Hände gemindert. Auch unter Berücksichtigung der mehreren weiteren Beeinträchtigungen wegen des Verlusts von Teilen der Finger, wegen des Diabetes und wegen der Folgen der Sprunggelenksfraktur vor Jahrzehnten sei insgesamt ein GdB von 50 gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Mai 2014 abzuändern und den Beklagen unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 11. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2010 zu verurteilen, den Grad der Behinderung ab dem 1. Januar 2009 mit mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er rügt die Zulässigkeit der erhobenen Berufung und teilt mit, ihm sei das Urteil des SG am 22.07.2014 zugestellt worden. In der Sache verteidigt er die angegriffene Entscheidung.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 27.07.2015, der Kläger unter dem 31.07.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, nachdem beide Beteiligte diesem Verfahren zugestimmt haben.
2. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG). Sie war insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger nicht um eine Sozialleistung im Sinne dieser Vorschrift streitet.
3. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht binnen eines Monats (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Das bei der Akte des SG befindliche Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das als Tag der Zustellung den 11.08.2014 ausweist, ist zwar eine private Urkunde, ihre Beweiskraft geht jedoch über die allgemeine Regel des § 416 Zivilprozessordnung (ZPO, hier i.V.m. § 118 Abs. 1 SGG) hinaus und begründet vollen Beweis für die Zustellung (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 174 Rn. 8), weil Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege (vgl. § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung [BRAO]) im Sinne von § 174 Abs. 1 ZPO als Personen gelten, bei denen auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann und weil sie entsprechenden berufsrechtlichen Vorschriften unterliegen, nur zutreffende Empfangsbekenntnisse zu erteilen. Den demnach nur möglichen Vollgegenbeweis (vgl. den Rechtsgedanken des § 418 Abs. 2 ZPO), dass das Urteil des SG vom 28.05.2015 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem 11.08.2015 zugestellt worden sei, hat der Beklagte nicht angetreten und nicht geführt.
4. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Feststellung eines GdB von 40 statt des begehrten von mindestens 50 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auch der Senat hält einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht für begründbar.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die einzelnen medizinischen Anforderungen an die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB sowie die Bildung eines Gesamt-GdB hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Sie beruhen auf den Versorgungsmedizinischen Grund¬sätzen (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Diese gilt auch nach den Neuregelungen in den §§ 69 Abs. 1, 70 Abs. 2, 159 Abs. 7 SGB IX durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl. I S. 15) für die Bemessung des GdB vorläufig weiter. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Auch hinsichtlich der Beurteilung der einzelnen Behinderungen des Klägers schließt sich der Senat den ausführlichen Ausführungen des SG an. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung konnte die Einschätzungen des SG nicht erschüttern.
Die psychische Erkrankung des Klägers hatte der Amtsgutachter Dr. M. noch mit einem Teil-GdB von 20 bewertet und insoweit mit der Beurteilung durch den Beklagten übereingestimmt. Der Wahlgutachter Dr. N. ist insoweit dagegen von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen. Dem kann gefolgt werden. Bei dem Kläger liegt bereits eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (vgl. Teil B Nr. 3.7 VG) vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen Dr. N.s, die das SG durch eine persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung verifiziert hat, ist die soziale Interaktion auch nach der Aufgabe der Berufstätigkeit merklich eingeschränkt, insbesondere im Bereich der sportlichen Hobbies. Ein vollständiger sozialer Rückzug ist allerdings nicht zu verzeichnen. Die psychische Leidensdimension ist ebenfalls vorhanden, allerdings nicht in erheblichem Maße; der Kläger hat bei Dr. N. von Erschöpfung, Ein- und Durchschlafstörungen und einer traurigen Stimmung berichtet, begleitet von Angstzuständen, vor allem wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Familie. Ferner ist auch die physische Ebene betroffen, der Kläger leidet unter Schmerzen, die allerdings überwiegend organisch bedingt sind und daher nur teilweise zur Bewertung der psychischen Erkrankung herangezogen werden können. Diese Befunde und auch das Ergebnis des BDI, den Dr. N. durchgeführt hat (S. 12 Gutachten), stützen die Einschätzung des Sachverständigen, es liege eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode vor. Die Einbußen erreichen aber noch nicht den oberen Wert von 40 für eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Für eine solche Bewertung müssten bereits Ansätze einer starken Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, die bei Vollausprägung nach Teil B Nr. 3.7 VG einen GdB von 50 bedingt. Über Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen aber hat weder der Kläger berichtet, noch haben die Sachverständigen oder das SG nach der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung solche Schwierigkeiten bemerkt.
Ob das Funktionssystem Rumpf mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden kann, wie es das SG angenommen hat, oder ob insoweit nur ein GdB von 20 in Betracht kommt, wie der Beklagte meint, lässt der Senat offen. Der Kläger leidet zwar an Funktionsbeeinträchtigungen vor allem an zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich der HWS und der LWS. Dies ergibt sich nicht nur aus der Zeugenaussage von Dr. F. vom 12.05.2011, auf die sich das SG maßgeblich gestützt hat, sondern z.B. auch aus dem Entlassungsbericht aus Bad C. vom 23.09.2009. Ob diese aber insgesamt bereits mittelgradig sind, wie es für einen GdB von 30 vorausgesetzt wäre, erscheint zweifelhaft. Insbesondere die Ergebnisse des Gutachtens von Dr. J. vom 16.03.2010, das im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund erhoben worden ist, sprechen eher dagegen. Bei der dortigen Untersuchung waren alle drei Wirbelsäulenabschnitte frei beweglich. An der HWS betrug der Kinn-Juglum-Abstand 0 cm, an der LWS lag der FBA - nur - bei 10 cm, und das Schober’sche Zeichen von 10/14 cm zeigte eine nahezu freie Endfaltbarkeit. Dr. J. konnte nur geringe Muskelverspannungen und keine Druck- oder Klopfschmerzen feststellen. Vor diesem Hintergrund bleibt es, wie gesagt, offen, ob ein Teil-GdB von 30 vorliegt. Teil-GdB-Werte sind nur Begründungselemente der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung, nur der Gesamt-GdB erwächst in Bestands- oder Rechtskraft. Auch ein Teil-GdB von 30 würde nicht zu einem Gesamt-GdB von 50 führen; in diesem Punkt kann dem SG gefolgt werden. Die Beweglichkeitseinschränkungen der Wirbelsäule allein bedingen diese Bewertung nicht, und soweit Schmerzempfindungen mit berücksichtigt werden, überschneiden sich die Auswirkungen dieser Behinderung stark mit jenen der psychischen Erkrankung.
Auch hinsichtlich der weiteren Behinderungen hat der Kläger in der Berufungsbegründung keine Einwände erhoben, die die Bewertung durch das SG erschüttern können. Zutreffend sind insbesondere die Ausführungen, dass die Schäden an der Hand nicht dem Verlust zweier Finger gleichkommen und daher nur einen GdB von 10 bedingen können. Die Beweglichkeit der Schultern nach dem Impingement-Syndrom ist nicht derart eingeschränkt, dass ein GdB von mehr als 10 angenommen werden könnte. Nach den Messungen Dr. J.s - bestätigt durch den Entlassungsbericht aus Bad C. - ist die Abduktion mit bis zu 150° deutlich besser als es für einen GdB von 10 (120°) oder gar 20 (90°) notwendig wäre. Daher kann auch nicht dem Vorschlag Dr. G.s gefolgt werden, den GdB für dieses Funktionssystem mit 30 anzunehmen. Dr. G. hat entsprechende Funktionseinbußen nicht beschrieben und keine Messungen durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
6. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und insbesondere die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft streitig.
Der Kläger, der 1949 geboren ist und im Inland wohnt, beantragte am 21.12.2009 erstmals bei dem Landratsamt Q. als Versorgungsamt (LRA) die Feststellung eines GdB. Das LRA zog ärztliche Unterlagen bei, darunter das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), Dr. A., vom 18.12.2011 und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Am Kurpark in Bad C., Prof. Dr. B., vom 23.09.2009 über eine stationäre Behandlung des Klägers im Sommer 2009 Nach einer Auswertung der Unterlagen gab der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten durch Dr. D. am 22.01.2010 folgende gutachtliche Stellungnahme ab: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 30 - Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks und des rechten Ellenbogengelenks Teil-GdB 10 - Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwerhörigkeit Teil-GdB 10 - Psychovegetatives Erschöpfungssyndrom Teil-GdB 10 - Bluthochdruck Teil-GdB 10 Als Gesamt-GdB wurde 30 vorgeschlagen. Gestützt auf diese Stellungnahme stellte das LRA mit Bescheid vom 11.02.2010 einen GdB von 30 seit dem 01.01.2009 fest.
Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes nach erneuter versorgungsärztlicher Würdigung der ärztlichen Unterlagen mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.07.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort vorgetragen, er leide auch an Beschwerden am Sprunggelenk auf Grund einer Trümmerfraktur rechtsseitig mit bleibender Deformierung des Sprunggelenks. Nach einem Unfall mit der Kreissäge bestehe ferner eine Funktionsbeeinträchtigung an drei Fingern mit Gefühlsreduzierung (Teilschädigung der Nerven), erschwertem Fingerfeingriff und auch erheblicher Minderung der Kraft und Beweglichkeit der Hand insgesamt.
Das SG hat, nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses jener Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 10.05.2011 (Reduzierter Bizepssehnen- bzw. Achillessehnenreflex rechts als Hinweis einer leichten Wurzelläsion C6 und Sl rechts; mittelgradige depressive Verstimmung ), des Orthopäden Dr. F. vom 12.05.2011 (Epicondylitis medialis, links ausgeprägter als rechts; HWS-, BWS- und LWS-Syndrom ohne wesentliches Funktionsdefizit, chronisch lumbale Schmerzen und Cervicobrachialgie beidseits) und des Allgemein- und Sportmediziners Dr. G. vom 25.05.2011 (Impingementsyndrom der Schulter sowie Periarthritis humero scapularis rechts; Cervicalsyndrom und NPP C5/6 sowie NP-Protrusio C3/4 mit dauerhafter schmerzhafter Bewegungseinschränkung ohne neurologische Symptomatik ) Bezug genommen.
Ferner hat das SG die von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Auftrag gegebenen Gutachten des Internisten Dr. H.-I. vom 02.03.2010, des Chirurgen Dr. J. vom 16.03.2010 und der Neurologen und Psychiater Dr. K. und Dr. L. vom 31.08.2010 beigezogen.
Ein vom Beklagten angebotener Vergleich über einen GdB von 40 ab dem 01.01.2009 ist nicht zu Stande gekommen.
Im Anschluss hat das SG von Amts wegen den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat nach einer Untersuchung des Klägers am 21.11.2011 schriftlich bekundet, der Kläger leide unter einer rezidivierenden depressiven Störung, welche gegenwärtig als leicht bis mittelgradig einzustufen sei. Was die Höhe des GdB anbetreffe, sei der ursprünglichen Einschätzung des behandelnden Nervenarztes zuzustimmen. Dieser sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.
Sodann hat das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 08.03.2013 auf Grund einer Untersuchung am 17.09.2012 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine rezidivierende depressive Störung, welche zum Untersuchungszeitpunkt leicht bis mittelgradig ausgeprägt gewesen sei. Im psychopathologischen Befund imponierten vorwiegend eine Durchschlafstörung, Stimmungsschwankungen und psychovegetative Beschwerden. Der Schweregrad sei leicht bis mittelgradig. Anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sei der Teil-GdB mit 30 einzuschätzen.
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. O. vom 13.05.2013 an seiner Einschätzung festgehalten.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 28.05.2014 hat das SG unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 40 ab dem 01.01.2009 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kostenquote hat es auf ein Drittel festgesetzt. Es hat die rechtlichen Grundlagen seiner Entscheidung dargelegt und sodann ausgeführt, bei dem Kläger bestehe ein Gesamt-GdB von 40. Im Einzelnen: Im Funktionssystem Rumpf sei ein Teil-GdB von 30 anzusetzen. Der Kläger leide an mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich der Hals- und der Lendenwirbelsäule (HWS, LWS). Nach der Aussage von Dr. F. vom 12.05.2011 beständen an der HWS eine deutliche Bewegungseinschränkung mit Muskelhartspann und an der LWS ein endgradiges Bewegungsdefizit. Für das Funktionssystem der Schultern könne kein Teil-GdB höher als 10 angesetzt werden. Es bestehe zwar nach den Angaben von Dr. M. ein schweres und chronisches Impingementsyndrom mit dauerhafter schmerzhafter Bewegungseinschränkung und eine Periarthritis humero scapulens, die Beweglichkeit sei aber nicht dauerhaft auf unter 90° in der Armhebung eingeschränkt, vielmehr sei nach dem Entlassungsbericht der Rehaklinik Bad C. vom 23.09.2009 eine Abduktion rechts bis 150° möglich gewesen. Weiterhin könne kein gesonderter Teil-GdB vergeben werden. Die von Dr. F. mitgeteilte Epicondylitis medialis schränke die Beweglichkeit nicht ein. Auch die Deformation des 1. und 2. Fingers rechts durch einen Unfall mit der Kreissäge bedinge keinen weiteren Teil-GdB. Der Gesamtverlust zweier Finger ohne den Daumen rechtfertige allenfalls einen GdB von 25. Bei dem Kläger liege kein Verlust vor. Nach dem Reha-Entlas-sungsbericht sei der Fingerfeingriff rechts erschwert, nach den glaubhaften Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung seien darüber hinaus die Empfindungen gestört. Diese Einschränkungen führten nicht zu einem GdB von 20 oder mehr, der allein sich auf die Höhe des Gesamt-GdB auswirken könne. Ein solcher wäre nur bei vollständigem Verlust zweier Finger gerechtfertigt. Für die unteren Gliedmaßen sei ebenfalls kein Teil-GdB zu vergeben. Am rechten Sprunggelenk bestehe eine leichte Deformität und nach der Mitteilung Dr. F.s auch eine posttraumatische Arthrose, dies führe aber zu keinen Schmerzen bei Bewegungen. Auch die Chondromalacia patellae Stadium II am linken Knie verursache keine Bewegungseinschränkungen und keine anhaltenden Reizerscheinungen. Für das Funktionssystem Nerven und Psyche hat das SG einen Teil-GdB von 30 für angemessen erachtet. Es hat ausgeführt, es bestehe eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Es sei insoweit dem Gutachten von Dr. N. zu folgen. Danach bestehe eine rezidivierende depressive Störung, die bei der Begutachtung leicht- bis mittelgradig ausgeprägt gewesen sei. Der Kläger habe auch wegen dieser Erkrankung seine Berufstätigkeit aufgegeben und beziehe Erwerbsminderungsrente. In der mündlichen Verhandlung habe er - nochmals - glaubhaft dargelegt, dass er sich deutlich zurückgezogen habe und einigen Hobbies nicht mehr nachgehe. Insbesondere habe er sportliche Aktivitäten aufgegeben, was allerdings auch auf körperlichen Einschränkungen beruhe. Anderen Hobbies, insbesondere dem Hobby Modelleisenbahn, gehe er weiterhin nach. Ein weiterer Teil-GdB von 10 sei, so das SG, für das Hör- und Gleichgewichtsorgan anzusetzen. Nach dem Befundbericht des HNO-Arztes P. vom 13.01.2010 bestehe eine hochbetonte geringe Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits. Nach seinen Angaben in der Verhandlung fühle sich der Kläger durch die Schwerhörigkeit nicht beeinträchtigt. Der nur zeitweise vorhandene Tinnitus sei nicht gesondert zu bewerten, sondern werde bereits von dem Teil-GdB von 30 für die psychische Erkrankung erfasst. Die Hypertonie des Klägers sei als leicht einzuordnen, da sie allenfalls geringe Leistungsbeeinträchtigungen verursache und der diastolische Wert nach den von mehreren Ärzten mitgeteilten Messungen 100 mmHg nicht mehrfach überschreite. Soweit der Kläger unter Diabetes leide, so das SG weiterhin, sei ein höherer Teil-GdB als 10 ebenfalls nicht zu vergeben, da der Kläger keine Therapie durchführe, die Hypoglykämien auslösen könne. Insgesamt, so das SG abschließend, sei aus den Teil-GdB-Werten von je 30 für die Psyche und den Rumpf - nur - ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden, nachdem die Bewertung der Wirbelsäulenerkrankung am oberen Rand des Beurteilungsspielraums liege. Die weiteren Teil-GdB-Werte von je höchstens 10 wirkten nicht erhöhend.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10.09.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er behauptet, seinem Prozessbevollmächtigten sei jenes Urteil am 11.08.2014 zugestellt worden. In der Sache trägt er vor, die zahlreichen psychischen Beschwerden verstärkten sich wechselseitig und seien auch zusätzlich mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen verbunden. Er - der Kläger - leide auch an beidseitigen Schmerzen ausgehend von der HWS in die Arme sowie einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks sei eingeschränkt. Nachdem ihm bei der OP am 10.02.2009 eine Sehnenplastik im rechten Ellenbogengelenk eingesetzt worden sei, träten Schmerzen im Bereich der Sehnen des medialen Ellenbogens auf und damit zusammenhängend sei die grobe Kraft beider Hände gemindert. Auch unter Berücksichtigung der mehreren weiteren Beeinträchtigungen wegen des Verlusts von Teilen der Finger, wegen des Diabetes und wegen der Folgen der Sprunggelenksfraktur vor Jahrzehnten sei insgesamt ein GdB von 50 gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Mai 2014 abzuändern und den Beklagen unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 11. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2010 zu verurteilen, den Grad der Behinderung ab dem 1. Januar 2009 mit mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er rügt die Zulässigkeit der erhobenen Berufung und teilt mit, ihm sei das Urteil des SG am 22.07.2014 zugestellt worden. In der Sache verteidigt er die angegriffene Entscheidung.
Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 27.07.2015, der Kläger unter dem 31.07.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, nachdem beide Beteiligte diesem Verfahren zugestimmt haben.
2. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG). Sie war insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger nicht um eine Sozialleistung im Sinne dieser Vorschrift streitet.
3. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht binnen eines Monats (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Das bei der Akte des SG befindliche Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers, das als Tag der Zustellung den 11.08.2014 ausweist, ist zwar eine private Urkunde, ihre Beweiskraft geht jedoch über die allgemeine Regel des § 416 Zivilprozessordnung (ZPO, hier i.V.m. § 118 Abs. 1 SGG) hinaus und begründet vollen Beweis für die Zustellung (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 174 Rn. 8), weil Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege (vgl. § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung [BRAO]) im Sinne von § 174 Abs. 1 ZPO als Personen gelten, bei denen auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann und weil sie entsprechenden berufsrechtlichen Vorschriften unterliegen, nur zutreffende Empfangsbekenntnisse zu erteilen. Den demnach nur möglichen Vollgegenbeweis (vgl. den Rechtsgedanken des § 418 Abs. 2 ZPO), dass das Urteil des SG vom 28.05.2015 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem 11.08.2015 zugestellt worden sei, hat der Beklagte nicht angetreten und nicht geführt.
4. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Feststellung eines GdB von 40 statt des begehrten von mindestens 50 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auch der Senat hält einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht für begründbar.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die einzelnen medizinischen Anforderungen an die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB sowie die Bildung eines Gesamt-GdB hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Sie beruhen auf den Versorgungsmedizinischen Grund¬sätzen (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Diese gilt auch nach den Neuregelungen in den §§ 69 Abs. 1, 70 Abs. 2, 159 Abs. 7 SGB IX durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl. I S. 15) für die Bemessung des GdB vorläufig weiter. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Auch hinsichtlich der Beurteilung der einzelnen Behinderungen des Klägers schließt sich der Senat den ausführlichen Ausführungen des SG an. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung konnte die Einschätzungen des SG nicht erschüttern.
Die psychische Erkrankung des Klägers hatte der Amtsgutachter Dr. M. noch mit einem Teil-GdB von 20 bewertet und insoweit mit der Beurteilung durch den Beklagten übereingestimmt. Der Wahlgutachter Dr. N. ist insoweit dagegen von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen. Dem kann gefolgt werden. Bei dem Kläger liegt bereits eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (vgl. Teil B Nr. 3.7 VG) vor. Nach den tatsächlichen Feststellungen Dr. N.s, die das SG durch eine persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung verifiziert hat, ist die soziale Interaktion auch nach der Aufgabe der Berufstätigkeit merklich eingeschränkt, insbesondere im Bereich der sportlichen Hobbies. Ein vollständiger sozialer Rückzug ist allerdings nicht zu verzeichnen. Die psychische Leidensdimension ist ebenfalls vorhanden, allerdings nicht in erheblichem Maße; der Kläger hat bei Dr. N. von Erschöpfung, Ein- und Durchschlafstörungen und einer traurigen Stimmung berichtet, begleitet von Angstzuständen, vor allem wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Familie. Ferner ist auch die physische Ebene betroffen, der Kläger leidet unter Schmerzen, die allerdings überwiegend organisch bedingt sind und daher nur teilweise zur Bewertung der psychischen Erkrankung herangezogen werden können. Diese Befunde und auch das Ergebnis des BDI, den Dr. N. durchgeführt hat (S. 12 Gutachten), stützen die Einschätzung des Sachverständigen, es liege eine leicht- bis mittelgradige depressive Episode vor. Die Einbußen erreichen aber noch nicht den oberen Wert von 40 für eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Für eine solche Bewertung müssten bereits Ansätze einer starken Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, die bei Vollausprägung nach Teil B Nr. 3.7 VG einen GdB von 50 bedingt. Über Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen aber hat weder der Kläger berichtet, noch haben die Sachverständigen oder das SG nach der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung solche Schwierigkeiten bemerkt.
Ob das Funktionssystem Rumpf mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden kann, wie es das SG angenommen hat, oder ob insoweit nur ein GdB von 20 in Betracht kommt, wie der Beklagte meint, lässt der Senat offen. Der Kläger leidet zwar an Funktionsbeeinträchtigungen vor allem an zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich der HWS und der LWS. Dies ergibt sich nicht nur aus der Zeugenaussage von Dr. F. vom 12.05.2011, auf die sich das SG maßgeblich gestützt hat, sondern z.B. auch aus dem Entlassungsbericht aus Bad C. vom 23.09.2009. Ob diese aber insgesamt bereits mittelgradig sind, wie es für einen GdB von 30 vorausgesetzt wäre, erscheint zweifelhaft. Insbesondere die Ergebnisse des Gutachtens von Dr. J. vom 16.03.2010, das im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund erhoben worden ist, sprechen eher dagegen. Bei der dortigen Untersuchung waren alle drei Wirbelsäulenabschnitte frei beweglich. An der HWS betrug der Kinn-Juglum-Abstand 0 cm, an der LWS lag der FBA - nur - bei 10 cm, und das Schober’sche Zeichen von 10/14 cm zeigte eine nahezu freie Endfaltbarkeit. Dr. J. konnte nur geringe Muskelverspannungen und keine Druck- oder Klopfschmerzen feststellen. Vor diesem Hintergrund bleibt es, wie gesagt, offen, ob ein Teil-GdB von 30 vorliegt. Teil-GdB-Werte sind nur Begründungselemente der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung, nur der Gesamt-GdB erwächst in Bestands- oder Rechtskraft. Auch ein Teil-GdB von 30 würde nicht zu einem Gesamt-GdB von 50 führen; in diesem Punkt kann dem SG gefolgt werden. Die Beweglichkeitseinschränkungen der Wirbelsäule allein bedingen diese Bewertung nicht, und soweit Schmerzempfindungen mit berücksichtigt werden, überschneiden sich die Auswirkungen dieser Behinderung stark mit jenen der psychischen Erkrankung.
Auch hinsichtlich der weiteren Behinderungen hat der Kläger in der Berufungsbegründung keine Einwände erhoben, die die Bewertung durch das SG erschüttern können. Zutreffend sind insbesondere die Ausführungen, dass die Schäden an der Hand nicht dem Verlust zweier Finger gleichkommen und daher nur einen GdB von 10 bedingen können. Die Beweglichkeit der Schultern nach dem Impingement-Syndrom ist nicht derart eingeschränkt, dass ein GdB von mehr als 10 angenommen werden könnte. Nach den Messungen Dr. J.s - bestätigt durch den Entlassungsbericht aus Bad C. - ist die Abduktion mit bis zu 150° deutlich besser als es für einen GdB von 10 (120°) oder gar 20 (90°) notwendig wäre. Daher kann auch nicht dem Vorschlag Dr. G.s gefolgt werden, den GdB für dieses Funktionssystem mit 30 anzunehmen. Dr. G. hat entsprechende Funktionseinbußen nicht beschrieben und keine Messungen durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
6. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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