Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 742/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4111/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem 1955 geborenen, im Inland wohnhaften Kläger stellte das Landratsamt A. als Versorgungsamt (LRA) mit Bescheid vom 30.12.2008 einen GdB von 30 ab 03.11.2008 fest. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.12.2008 lagen jener Feststellung degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) sowie Schwindel, Kopfschmerzsyndrom und eine psychovegetative Störung (Einzel-GdB 20) zu Grunde. Eine kardiale Erkrankung sei nicht nachgewiesen.
Am 11.07.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Neufeststellung. Er gab an, er leide unter Angst und depressiver Störung gemischt, einer Meniskusläsion beidseits, einem Vertigo (Schwindel), einem Schulter/Arm-Syndrom links, einer Makuladegeneration im linken Auge, Hyperlipidämie, Syndromen der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS), Herz- und Kreislaufproblemen sowie einer Prostata-Erkrankung. Seinem Antrag fügte er diverse Arztbriefe und Befundberichte bei. Das LRA forderte ferner den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad B. (Psychosomatik) vom 28.06.2011 und den Befundbericht des Augenarztes Dr. C. vom 26.07.2011 an. Hierzu führte der versorgungsärztliche Dienst unter dem 04.08.2011 aus, die Bewertung mit zwei Teil-GdB von je 20 und einem Gesamt-GdB von 30 sei nicht zu verändern. Die Sehminderung links, die Fettstoffwechselstörung, die chronische Entzündung der Prostata und die Herzleistungsminderung bedingten jeweils einen Teil-GdB von unter 10. Die Polyarthrose sei zu den Wirbelsäulenbeeinträchtigungen zu subsumieren und berücksichtige auch die Beeinträchtigungen im Bereich der Knie und der Schultern. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.08.2011 ab.
Im Widerspruchsverfahren ging auf Anforderung des LRA der Befundbericht des Allgemeinmediziners, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. D. am 10.01.2012 ein, der eine kontinuierliche schwere Depression diagnostizierte. Nach Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes in der Stellungnahme vom 16.02.2012 ergab sich auch daraus keine Veränderung der Bewertungen. Daraufhin erließ das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21.02.2012.
Hiergegen hat der Kläger am 02.03.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, bei ihm bestehe wegen zahlreicher - im Einzelnen benannter - Behinderungen ein GdB von mindestens 50. Allein die orthopädischen Beschwerden bedingten einen Teil-GdB von 50. Die Deutsche Rentenversicherung habe ihm einen orthopädischen Fahrersitz bewilligt, da er im Außendienst viel mit seinem Pkw unterwegs sei. Ferner bestehe eine Depression verbunden mit einem Dreh- und Lagerungsschwindel, für die ein Teil-GdB von 40 anzusetzen sei.
Der Beklagte ist der Klage zunächst vollen Umfangs entgegengetreten.
Daraufhin hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Aussagen von Dr. B. vom 05.06.2012, des Augenarztes Dr. C. vom 08.06.2012, von Dr. D. vom 04.07.2012 mitsamt einem Arztbrief des Kardiologen Dr. E. vom 16.01.2012 sowie des praktischen Arztes Elmer vom 31.10.2012 verwiesen.
Auf Grund der Zeugenaussagen hat der Beklagte unter dem 18.01.2013 angeboten, im Vergleichswege einen Gesamt-GdB von 40 ab dem 11.07.2011 zuzuerkennen. Beigefügt war die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 09.01.2013, wonach die seelische Störung mit Kopfschmerzsyndrom, psychovegetativen Störungen und Schwindel mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden könne. Ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG ein Gutachten bei dem Nervenarzt und Psychotherapeuten Prof. Dr. G. erhoben. Dieser Sachverständige hat unter dem 27.05.2013 schriftlich bekundet, bei dem Kläger beständen eine multiple somatoforme Störung mit ausgeprägten psychovegetativen Dysfunktionen, anhaltenden Schmerzsymptomen und hypochondrischer Verarbeitung (F45.0 nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, Deutsche Ausgabe, 10. Aufl., Ausgabe 2015 [ICD-10 GM 2015]), eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion (F43.2) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (F61) mit gemischten Cluster-C-Merkmalen (Abhängigkeit, Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit. Die funktionellen Beschwerden hätten einen langjährigen, chronischen Verlauf. Es bestehe ein erheblicher Leidensdruck, der Jahrzehnte lang viele Arztkontakte nach sich gezogen habe. Die Intensität der Symptome habe gewechselt, in den letzten zwei oder drei Jahren zugenommen. Die multiplen somatischen Störungen bedingten einen GdB von 30, die affektiven Störungen einen solchen von 20. Insgesamt könne der GdB seit Juli 2011 auf 40 geschätzt werden. Wegen der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Das SG hat ferner den Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. (Zentrum für orthopädische und psychosomatische Medizin) vom 12.08.2013 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25.06. bis zum 06.08.2013 beigezogen (psychiatrische Diagnosen: F33.1, F45.4, F45.38, F51, deutliche Besserung des Symptom-Ratings ISR während des Aufenthalts).
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 17.09.2013 an seiner Ansicht festgehalten, es liege - nur - ein Gesamt-GdB von 40 vor, da die psychischen Beeinträchtigungen nur einen GdB von 30 bedingten.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 27.05.2014 hat das SG unter entsprechender Abänderung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab dem 11.07.2011 einen GdB von 40 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, für die oberen Extremitäten (Impingement der linken Schulter) sei ein Teil-GdB von höchstens 10 anzusetzen, nachdem Dr. B. keine Behandlung über Oktober 2011 hinaus angegeben und die Fachklinik St. I. freie Beweglichkeiten der Schultergelenke festgestellt habe. Das Funktionssystem der unteren Extremitäten bedinge einen Teil-GdB von - genau - 10. Es beständen eine initiale Gonarthrose bds. und eine Coxarthrose bds. Insbesondere nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. seien jedoch die Kniegelenke normgerecht (140°) beugbar gewesen, die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei rechts geringgradig eingeschränkt (0/0/120°) und links bei endgradigen Schmerzen frei gewesen. Für die Wirbelsäulensyndrome (Funktionssystem Rumpf) sei ein Teil-GdB von 20 anzunehmen. Eine orthopädische Behandlung habe nach Dr. B.s Angaben nicht stattgefunden. Es seien auch keine Bewegungsmaße dokumentiert. Aus dem Entlassungsbericht der Klinik Bad B. vom 28.06.2011 ergäben sich an der HWS geringe (Klopfschmerz, Myogelosen, neurologisch unauffälliger Befund) und an der LWS mittelgradige (FBA 50 cm) Beeinträchtigungen. Die Beeinträchtigungen des psychischen Systems seien in Übereinstimmung mit dem Beklagten mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Dabei handle es sich bereits um den GdB für eine stärker behindernde seelische Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Eine höhere Bewertung scheide entgegen den Vorschlägen des Sachverständigen Dr. G. aus. Der Kläger sei noch in der Lage, mit Fehlzeiten vollschichtig eine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bzw. Vertriebsbeauftragter mit 60 Arbeitsstunden pro Woche auszuüben. Nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. habe er motiviert mitgearbeitet, auch Sport- und Freizeitangebote wahrgenommen. Er verfüge über soziale Kontakte zur Familie. Auswirkungen seiner psychischen Erkrankung auf seine Ehe seien nicht dokumentiert. Es sei demnach zwar von einer mittelgradigen Beeinträchtigung auszugehen, die jedoch nicht alle Lebensbereiche erfasse. Die nur geringen Beeinträchtigungen des Funktionssystems "Augen" bedingten keinen höheren Teil-GdB als 10. Insgesamt, so das SG abschließend, sei aus den insoweit berücksichtigungsfähigen Teil-GdB-Werten für die Wirbelsäule und die Psyche ein Gesamt-GdB von - nur - 40 zu bilden.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.09.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 29.09.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat den Befundbericht von Dr. D. vom 23.04.2014 (F32.1, F41.1, F43.2, seit drei Jahren progrediente Depression und Angststörung, auslösende Faktoren vor allem im beruflichen Umfeld, Medikation mit), den Kurzentlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 18.11.2014 über eine erneute stationäre Behandlung vom 22.10. bis zum 19.11.2014 sowie den Bericht des Radiologen Dr. K. über eine kernspintomografische Untersuchung der linken Schulter am 19.09.2013 (AC-Arthrose, relativer Tiefstand des Acromiums, mäßige Sehnenansatztendinopathie, ansonsten regelgerecht) vorgelegt
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Mai 2014 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab 11. Juli 2011 einen Grad der Behinderung von 50 und die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 06.03.2015 verwiesen.
Im Nachgang dazu hat der Kläger weiterhin vorgelegt: den endgültigen Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 01.12.2014 über den Aufenthalt im Herbst 2014 (Diagnosen: F33.1, F41.2, M25.51, M54.80; Angaben zu den Beweglichkeiten der WS-Abschnitte und der Gliedmaßen, Entlassung in wesentlich stabilisiertem und gebessertem Allgemeinzustand nach Hause zur stufenweisen Wiedereingliederung) sowie den Befundbericht von Dr. D. vom 20.03.2015 (Verschlimmerung der psychischen Erkrankung mit Panikattacken seit 2014, vermehrter Rückzug aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, formales Denken verlangsamt, Grübelzwang, Gedankenkreisen, inhaltlich Insuffizienzgefühle).
Die Beteiligten hatten sich bereits in dem Erörterungstermin am 06.03.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach Eingang des genannten Entlassungsberichts einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nachdem sich beide Seiten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht - lediglich - zur Zuerkennung eines GdB von 40 verurteilt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers sind nach wie vor nur mit diesem GdB zu bewerten, ein GdB von 50 ist bislang nicht erreicht.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die einzelnen medizinischen Anforderungen an die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB sowie die Bildung eines Gesamt-GdB hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Sie beruhen auf den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Diese gilt auch nach den Neuregelungen in den §§ 69 Abs. 1, 70 Abs. 2, 159 Abs. 7 SGB IX durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl I S. 15) für die Bemessung des GdB vorläufig weiter. Ebenso hat das SG die Voraussetzungen einer Abänderung bereits bindend festgestellten GdB (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Der Senat schließt sich ferner den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), an den Augen (Teil-GdB höchstens 10) und an den unteren und oberen Gliedmaßen an.
An der Wirbelsäule liegen bislang keine schweren Funktionsbeeinträchtigungen in einem und keine mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, was aber nach Teil B Nr. 18.9 VG für einen GdB von 30 notwendig wäre. Nicht einmal an der LWS können schon eindeutig mittelgradige Einbußen festgestellt werden. An Bewegungseinschränkungen ist dort - lediglich - ein erheblich eingeschränkter FBA von 40 cm zu verzeichnen. Die Beeinträchtigungen an der HWS sind in jedem Falle geringgradig: Nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 01.12.2014 war dort die Seitneigung mit 30/0/30° (Normwert 45/0/45°) geringfügig eingeschränkt, die Rotation mit 60/0/60° dagegen noch normgerecht. Auch die weiteren Funktionssysteme (vgl. zur Zusammenfassung von Behinderungen in Funktionssystemen Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2 VG) des Bewegungsapparats bedingen jeweils keinen GdB von mindestens 20, der für eine Erhöhung des Gesamt-GdB notwendig wäre (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG):
Für die unteren Extremitäten hat der Entlassungsbericht eine freie schmerzlose Beweglichkeit aller großen Gelenke bei ungestörter Durchblutung und Sensibilität verzeichnet.
Für die Schultergelenke (obere Extremität) ist in dem neuesten Bericht aus St. I. zwar eine eingeschränkte Beweglichkeit verzeichnet worden (Abduktion/Adduktion links 70/0/30°, rechts 80/0/30°). Diese würde nur zu einem GdB von 20 führen (Teil B Nr. 18.13 VG), wenn eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegt; dies ist bislang nicht dokumentiert. Außerdem bleibt abzuwarten, ob diese neue Einschränkung von mindestens sechsmonatiger Dauer ist und dann als Behinderung berücksichtigt werden kann.
c) Die Beeinträchtigungen im Funktionssystem Psyche/Gehirn bewertet der Senat weiterhin mit einem GdB von 30. Die Ausführungen des SG hierzu treffen zu. Auch die Verschlechterung der Symptome in im Laufe des Jahres 2014, die der Senat nicht verkennt, haben bislang nicht zu einem GdB von 40 geführt:
Eine Bewertung mit 40 entspräche bereits dem oberen Spannenwert einer stärker behindernden Störung mit erheblicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Teil B Nr. 3.7 VG). Die Schädigung müsste bereits der nächsten Stufe, der schweren Störung mit bereits mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, nahekommen.
Dies ist bei dem Kläger noch nicht anzunehmen. Zusätzlich zu den früher schon bestehenden Symptomen sind vor allem Panikattacken hinzugekommen. Die Verschlechterung wird ferner bestätigt durch die gesteigerte medikamentöse Behandlung, die zusätzlich zu der empfohlenen psychotherapeutischen Behandlung durchgeführt wird: Die Dosis des einen Antidepressivums, Mirtazapin, wurde von 30 mg täglich während des Aufenthalts in St. I. im Sommer 2013 auf nunmehr 45 mg täglich angehoben, weiterhin wird außerdem Citalopram mit 40 mg täglich verordnet, ferner ist ein pflanzliches Mittel zur Angstlösung (Lasea) hinzugekommen. Insgesamt wertet der Senat die Verschlechterung jedoch noch nicht als wesentlich. In seiner Anhörung am 06.03.2015 hat der Kläger letztlich nur eine einzige Panikattacke im sozialen Kontext geschildert, nämlich während eines Geschäftsessens, das er dann habe abbrechen müssen. Entsprechend dürfte auch die psychische Leidensdimension der Erkrankung etwas zugenommen haben. Jedoch ist für die GdB-Bewertung die soziale Leidensebene besonders relevant, denn behindert ist nach § 2 Abs. 1 SGB IX, wessen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Die soziale Kontaktfähigkeit des Klägers ist aber wenig eingeschränkt. Er hat zwar in dem Erörterungstermin bekundet, er habe weniger Lust bzw. Schwierigkeiten, mit seiner Frau oder Bekannten aus dem Tennisverein auszugehen oder telefonische Kontakte zu halten. Aber er hat auch von weiter stattfindenden Kontakten, z.B. beim Tennisspielen selbst, berichtet. Vor allem aber ist der Kläger weiterhin im Außendienst, also auch im Kundenkontakt, berufstätig. Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Berichterstatter von dem Kläger gewinnen konnte, sind soziale Anpassungsschwierigkeiten auch in Ansätzen nicht vorhanden; der Kläger ist im Umgang gewandt und hat seine Beeinträchtigungen umfassend, flüssig und reflektiert geschildert. Gegen eine wesentliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes spricht letztlich auch, dass der Kläger im November 2014 in einem "wesentlich stabilisierten und gebesserten Allgemeinzustand" aus St. I. entlassen worden ist, die dortige Behandlung also erfolgreich gewesen ist.
d) Der Gesamt-GdB wird daher entsprechend Teil A Nr. 3 Buchstabe c VG weiterhin durch Erhöhung des höchsten Einzel-GdB von 30 um zehn Punkte wegen des weiteren Einzel-GdB von 20 gebildet, er beträgt weiterhin 40. Jener weitere Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen ist nicht nach Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG unberücksichtigt zu lassen, da er keine leichte Funktionseinbuße abbildet, sondern eine mittelgradige.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem 1955 geborenen, im Inland wohnhaften Kläger stellte das Landratsamt A. als Versorgungsamt (LRA) mit Bescheid vom 30.12.2008 einen GdB von 30 ab 03.11.2008 fest. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.12.2008 lagen jener Feststellung degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) sowie Schwindel, Kopfschmerzsyndrom und eine psychovegetative Störung (Einzel-GdB 20) zu Grunde. Eine kardiale Erkrankung sei nicht nachgewiesen.
Am 11.07.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Neufeststellung. Er gab an, er leide unter Angst und depressiver Störung gemischt, einer Meniskusläsion beidseits, einem Vertigo (Schwindel), einem Schulter/Arm-Syndrom links, einer Makuladegeneration im linken Auge, Hyperlipidämie, Syndromen der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS), Herz- und Kreislaufproblemen sowie einer Prostata-Erkrankung. Seinem Antrag fügte er diverse Arztbriefe und Befundberichte bei. Das LRA forderte ferner den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad B. (Psychosomatik) vom 28.06.2011 und den Befundbericht des Augenarztes Dr. C. vom 26.07.2011 an. Hierzu führte der versorgungsärztliche Dienst unter dem 04.08.2011 aus, die Bewertung mit zwei Teil-GdB von je 20 und einem Gesamt-GdB von 30 sei nicht zu verändern. Die Sehminderung links, die Fettstoffwechselstörung, die chronische Entzündung der Prostata und die Herzleistungsminderung bedingten jeweils einen Teil-GdB von unter 10. Die Polyarthrose sei zu den Wirbelsäulenbeeinträchtigungen zu subsumieren und berücksichtige auch die Beeinträchtigungen im Bereich der Knie und der Schultern. Gestützt hierauf lehnte das LRA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.08.2011 ab.
Im Widerspruchsverfahren ging auf Anforderung des LRA der Befundbericht des Allgemeinmediziners, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. D. am 10.01.2012 ein, der eine kontinuierliche schwere Depression diagnostizierte. Nach Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes in der Stellungnahme vom 16.02.2012 ergab sich auch daraus keine Veränderung der Bewertungen. Daraufhin erließ das Landesversorgungsamt des beklagten Landes den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 21.02.2012.
Hiergegen hat der Kläger am 02.03.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, bei ihm bestehe wegen zahlreicher - im Einzelnen benannter - Behinderungen ein GdB von mindestens 50. Allein die orthopädischen Beschwerden bedingten einen Teil-GdB von 50. Die Deutsche Rentenversicherung habe ihm einen orthopädischen Fahrersitz bewilligt, da er im Außendienst viel mit seinem Pkw unterwegs sei. Ferner bestehe eine Depression verbunden mit einem Dreh- und Lagerungsschwindel, für die ein Teil-GdB von 40 anzusetzen sei.
Der Beklagte ist der Klage zunächst vollen Umfangs entgegengetreten.
Daraufhin hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Aussagen von Dr. B. vom 05.06.2012, des Augenarztes Dr. C. vom 08.06.2012, von Dr. D. vom 04.07.2012 mitsamt einem Arztbrief des Kardiologen Dr. E. vom 16.01.2012 sowie des praktischen Arztes Elmer vom 31.10.2012 verwiesen.
Auf Grund der Zeugenaussagen hat der Beklagte unter dem 18.01.2013 angeboten, im Vergleichswege einen Gesamt-GdB von 40 ab dem 11.07.2011 zuzuerkennen. Beigefügt war die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 09.01.2013, wonach die seelische Störung mit Kopfschmerzsyndrom, psychovegetativen Störungen und Schwindel mit einem Teil-GdB von 30 bewertet werden könne. Ein Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG ein Gutachten bei dem Nervenarzt und Psychotherapeuten Prof. Dr. G. erhoben. Dieser Sachverständige hat unter dem 27.05.2013 schriftlich bekundet, bei dem Kläger beständen eine multiple somatoforme Störung mit ausgeprägten psychovegetativen Dysfunktionen, anhaltenden Schmerzsymptomen und hypochondrischer Verarbeitung (F45.0 nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, Deutsche Ausgabe, 10. Aufl., Ausgabe 2015 [ICD-10 GM 2015]), eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion (F43.2) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (F61) mit gemischten Cluster-C-Merkmalen (Abhängigkeit, Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit. Die funktionellen Beschwerden hätten einen langjährigen, chronischen Verlauf. Es bestehe ein erheblicher Leidensdruck, der Jahrzehnte lang viele Arztkontakte nach sich gezogen habe. Die Intensität der Symptome habe gewechselt, in den letzten zwei oder drei Jahren zugenommen. Die multiplen somatischen Störungen bedingten einen GdB von 30, die affektiven Störungen einen solchen von 20. Insgesamt könne der GdB seit Juli 2011 auf 40 geschätzt werden. Wegen der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Das SG hat ferner den Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. (Zentrum für orthopädische und psychosomatische Medizin) vom 12.08.2013 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25.06. bis zum 06.08.2013 beigezogen (psychiatrische Diagnosen: F33.1, F45.4, F45.38, F51, deutliche Besserung des Symptom-Ratings ISR während des Aufenthalts).
Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 17.09.2013 an seiner Ansicht festgehalten, es liege - nur - ein Gesamt-GdB von 40 vor, da die psychischen Beeinträchtigungen nur einen GdB von 30 bedingten.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 27.05.2014 hat das SG unter entsprechender Abänderung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab dem 11.07.2011 einen GdB von 40 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, für die oberen Extremitäten (Impingement der linken Schulter) sei ein Teil-GdB von höchstens 10 anzusetzen, nachdem Dr. B. keine Behandlung über Oktober 2011 hinaus angegeben und die Fachklinik St. I. freie Beweglichkeiten der Schultergelenke festgestellt habe. Das Funktionssystem der unteren Extremitäten bedinge einen Teil-GdB von - genau - 10. Es beständen eine initiale Gonarthrose bds. und eine Coxarthrose bds. Insbesondere nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. seien jedoch die Kniegelenke normgerecht (140°) beugbar gewesen, die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei rechts geringgradig eingeschränkt (0/0/120°) und links bei endgradigen Schmerzen frei gewesen. Für die Wirbelsäulensyndrome (Funktionssystem Rumpf) sei ein Teil-GdB von 20 anzunehmen. Eine orthopädische Behandlung habe nach Dr. B.s Angaben nicht stattgefunden. Es seien auch keine Bewegungsmaße dokumentiert. Aus dem Entlassungsbericht der Klinik Bad B. vom 28.06.2011 ergäben sich an der HWS geringe (Klopfschmerz, Myogelosen, neurologisch unauffälliger Befund) und an der LWS mittelgradige (FBA 50 cm) Beeinträchtigungen. Die Beeinträchtigungen des psychischen Systems seien in Übereinstimmung mit dem Beklagten mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Dabei handle es sich bereits um den GdB für eine stärker behindernde seelische Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Eine höhere Bewertung scheide entgegen den Vorschlägen des Sachverständigen Dr. G. aus. Der Kläger sei noch in der Lage, mit Fehlzeiten vollschichtig eine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bzw. Vertriebsbeauftragter mit 60 Arbeitsstunden pro Woche auszuüben. Nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. habe er motiviert mitgearbeitet, auch Sport- und Freizeitangebote wahrgenommen. Er verfüge über soziale Kontakte zur Familie. Auswirkungen seiner psychischen Erkrankung auf seine Ehe seien nicht dokumentiert. Es sei demnach zwar von einer mittelgradigen Beeinträchtigung auszugehen, die jedoch nicht alle Lebensbereiche erfasse. Die nur geringen Beeinträchtigungen des Funktionssystems "Augen" bedingten keinen höheren Teil-GdB als 10. Insgesamt, so das SG abschließend, sei aus den insoweit berücksichtigungsfähigen Teil-GdB-Werten für die Wirbelsäule und die Psyche ein Gesamt-GdB von - nur - 40 zu bilden.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.09.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 29.09.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat den Befundbericht von Dr. D. vom 23.04.2014 (F32.1, F41.1, F43.2, seit drei Jahren progrediente Depression und Angststörung, auslösende Faktoren vor allem im beruflichen Umfeld, Medikation mit), den Kurzentlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 18.11.2014 über eine erneute stationäre Behandlung vom 22.10. bis zum 19.11.2014 sowie den Bericht des Radiologen Dr. K. über eine kernspintomografische Untersuchung der linken Schulter am 19.09.2013 (AC-Arthrose, relativer Tiefstand des Acromiums, mäßige Sehnenansatztendinopathie, ansonsten regelgerecht) vorgelegt
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Mai 2014 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab 11. Juli 2011 einen Grad der Behinderung von 50 und die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Entscheidungen.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 06.03.2015 verwiesen.
Im Nachgang dazu hat der Kläger weiterhin vorgelegt: den endgültigen Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 01.12.2014 über den Aufenthalt im Herbst 2014 (Diagnosen: F33.1, F41.2, M25.51, M54.80; Angaben zu den Beweglichkeiten der WS-Abschnitte und der Gliedmaßen, Entlassung in wesentlich stabilisiertem und gebessertem Allgemeinzustand nach Hause zur stufenweisen Wiedereingliederung) sowie den Befundbericht von Dr. D. vom 20.03.2015 (Verschlimmerung der psychischen Erkrankung mit Panikattacken seit 2014, vermehrter Rückzug aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, formales Denken verlangsamt, Grübelzwang, Gedankenkreisen, inhaltlich Insuffizienzgefühle).
Die Beteiligten hatten sich bereits in dem Erörterungstermin am 06.03.2015 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach Eingang des genannten Entlassungsberichts einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nachdem sich beide Seiten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht - lediglich - zur Zuerkennung eines GdB von 40 verurteilt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers sind nach wie vor nur mit diesem GdB zu bewerten, ein GdB von 50 ist bislang nicht erreicht.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die einzelnen medizinischen Anforderungen an die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB sowie die Bildung eines Gesamt-GdB hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Sie beruhen auf den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Diese gilt auch nach den Neuregelungen in den §§ 69 Abs. 1, 70 Abs. 2, 159 Abs. 7 SGB IX durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl I S. 15) für die Bemessung des GdB vorläufig weiter. Ebenso hat das SG die Voraussetzungen einer Abänderung bereits bindend festgestellten GdB (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Der Senat schließt sich ferner den Ausführungen des SG zur Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), an den Augen (Teil-GdB höchstens 10) und an den unteren und oberen Gliedmaßen an.
An der Wirbelsäule liegen bislang keine schweren Funktionsbeeinträchtigungen in einem und keine mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, was aber nach Teil B Nr. 18.9 VG für einen GdB von 30 notwendig wäre. Nicht einmal an der LWS können schon eindeutig mittelgradige Einbußen festgestellt werden. An Bewegungseinschränkungen ist dort - lediglich - ein erheblich eingeschränkter FBA von 40 cm zu verzeichnen. Die Beeinträchtigungen an der HWS sind in jedem Falle geringgradig: Nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik St. I. vom 01.12.2014 war dort die Seitneigung mit 30/0/30° (Normwert 45/0/45°) geringfügig eingeschränkt, die Rotation mit 60/0/60° dagegen noch normgerecht. Auch die weiteren Funktionssysteme (vgl. zur Zusammenfassung von Behinderungen in Funktionssystemen Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2 VG) des Bewegungsapparats bedingen jeweils keinen GdB von mindestens 20, der für eine Erhöhung des Gesamt-GdB notwendig wäre (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG):
Für die unteren Extremitäten hat der Entlassungsbericht eine freie schmerzlose Beweglichkeit aller großen Gelenke bei ungestörter Durchblutung und Sensibilität verzeichnet.
Für die Schultergelenke (obere Extremität) ist in dem neuesten Bericht aus St. I. zwar eine eingeschränkte Beweglichkeit verzeichnet worden (Abduktion/Adduktion links 70/0/30°, rechts 80/0/30°). Diese würde nur zu einem GdB von 20 führen (Teil B Nr. 18.13 VG), wenn eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegt; dies ist bislang nicht dokumentiert. Außerdem bleibt abzuwarten, ob diese neue Einschränkung von mindestens sechsmonatiger Dauer ist und dann als Behinderung berücksichtigt werden kann.
c) Die Beeinträchtigungen im Funktionssystem Psyche/Gehirn bewertet der Senat weiterhin mit einem GdB von 30. Die Ausführungen des SG hierzu treffen zu. Auch die Verschlechterung der Symptome in im Laufe des Jahres 2014, die der Senat nicht verkennt, haben bislang nicht zu einem GdB von 40 geführt:
Eine Bewertung mit 40 entspräche bereits dem oberen Spannenwert einer stärker behindernden Störung mit erheblicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Teil B Nr. 3.7 VG). Die Schädigung müsste bereits der nächsten Stufe, der schweren Störung mit bereits mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, nahekommen.
Dies ist bei dem Kläger noch nicht anzunehmen. Zusätzlich zu den früher schon bestehenden Symptomen sind vor allem Panikattacken hinzugekommen. Die Verschlechterung wird ferner bestätigt durch die gesteigerte medikamentöse Behandlung, die zusätzlich zu der empfohlenen psychotherapeutischen Behandlung durchgeführt wird: Die Dosis des einen Antidepressivums, Mirtazapin, wurde von 30 mg täglich während des Aufenthalts in St. I. im Sommer 2013 auf nunmehr 45 mg täglich angehoben, weiterhin wird außerdem Citalopram mit 40 mg täglich verordnet, ferner ist ein pflanzliches Mittel zur Angstlösung (Lasea) hinzugekommen. Insgesamt wertet der Senat die Verschlechterung jedoch noch nicht als wesentlich. In seiner Anhörung am 06.03.2015 hat der Kläger letztlich nur eine einzige Panikattacke im sozialen Kontext geschildert, nämlich während eines Geschäftsessens, das er dann habe abbrechen müssen. Entsprechend dürfte auch die psychische Leidensdimension der Erkrankung etwas zugenommen haben. Jedoch ist für die GdB-Bewertung die soziale Leidensebene besonders relevant, denn behindert ist nach § 2 Abs. 1 SGB IX, wessen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Die soziale Kontaktfähigkeit des Klägers ist aber wenig eingeschränkt. Er hat zwar in dem Erörterungstermin bekundet, er habe weniger Lust bzw. Schwierigkeiten, mit seiner Frau oder Bekannten aus dem Tennisverein auszugehen oder telefonische Kontakte zu halten. Aber er hat auch von weiter stattfindenden Kontakten, z.B. beim Tennisspielen selbst, berichtet. Vor allem aber ist der Kläger weiterhin im Außendienst, also auch im Kundenkontakt, berufstätig. Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Berichterstatter von dem Kläger gewinnen konnte, sind soziale Anpassungsschwierigkeiten auch in Ansätzen nicht vorhanden; der Kläger ist im Umgang gewandt und hat seine Beeinträchtigungen umfassend, flüssig und reflektiert geschildert. Gegen eine wesentliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes spricht letztlich auch, dass der Kläger im November 2014 in einem "wesentlich stabilisierten und gebesserten Allgemeinzustand" aus St. I. entlassen worden ist, die dortige Behandlung also erfolgreich gewesen ist.
d) Der Gesamt-GdB wird daher entsprechend Teil A Nr. 3 Buchstabe c VG weiterhin durch Erhöhung des höchsten Einzel-GdB von 30 um zehn Punkte wegen des weiteren Einzel-GdB von 20 gebildet, er beträgt weiterhin 40. Jener weitere Einzel-GdB von 20 für die orthopädischen Beeinträchtigungen ist nicht nach Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG unberücksichtigt zu lassen, da er keine leichte Funktionseinbuße abbildet, sondern eine mittelgradige.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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