Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 27 R 2044/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 191/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin ab 01.01.2013 für ihre Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläge- rin.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die am XX.XX.1972 geborene Klägerin ist approbierte Tierärztin. Seit 02.11.1998 ist sie Mitglied der Bayerischen Landestierärztekammer und seit 01.06.1999 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung. Seit 01.01.2013 ist die Klägerin als Tierärztin bei der D.Firma Pharma GmbH beschäftigt. Mit Schreiben vom 10.01.2013 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI be-züglich ihrer Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH. Ihre Tätigkeit erstrecke sich auf die Sammlung und Beurteilung von Nebenwirkungsmeldungen sowie den dazu erforderlichen Kontakt mit Ärzten bezüglich der Klärung der auf-getretenen Nebenwirkungen, des Kausalzusammenhangs mit der Medikamentation, der Anamnese sowie die Betreuung klinischer Studien (Kontakt zu Behörden und Ethikkommissionen). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sei die Ausbildung als Mediziner (Human oder Veterinär) eine Voraussetzung für die Einstellung. Sie legte den Anstellungsvertrag vom 20.09.2012 sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung ihres Arbeitgebers zur Tätigkeit eines Pharmaceutical Affairs Advisors (PAA) vor.
Mit Bescheid vom 26.03.2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 10.01.2013 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung ab 01.01.2013 als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma Germany GmbH ab, da es sich hierbei um keine berufsspezifische Tätigkeit handele. Es reiche nicht aus, lediglich Pflichtmitglied in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versor-gungseinrichtung zu sein, sondern es müsse eine für einen Tierarzt typische tierärztliche Berufstätigkeit ausgeübt werden. Die Tätigkeit eines Tierarztes ergäbe sich aus der Bundestierärzteordnung; nach § 1 BTÄO sei tierärztliche Tätigkeit die Ausübung der Heilkunde an Tieren. Aus der Stellenbeschreibung des Arbeitgebers gehe hervor, dass die Klägerin in den Bereichen Pharmakovigilanz, klinische und präklinische Studien, regulatorische Aufgaben, Qualitätsmanagement, Bestellmanagement/Risk Management Plan und Freigabe von Werbematerial tätig sei. Laut Stellenausschreibung seien das tierärztliche Studium und die Approbation als Tierärztin nicht unabdingbar für die Ausübung dieser Tätigkeit. Es gehe aus der Stellenbeschreibung lediglich hervor, dass bevorzugt Mediziner ein-gestellt werden würden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie übe sehr wohl bei ihrem Arbeitgeber eine tierärztliche Tätigkeit aus, die dem typischen Berufsbild des Tierarztes entspreche. Sie verwies auf § 2 Abs. 1 der Berufsordnung für die Tierärzte in Bayern, wonach tierärztliche Berufsausübung jede Berufstätigkeit sei, bei der die während des Studiums der Tiermedizin erworbenen Kennnisse und Fähigkeiten verwertet werden würden. Aufgrund ihres abgeschlossenen Tiermedizinstudiums sei sie in der Lage, die beschriebenen Aufgabenbereiche ihrer Tätigkeit zu bewältigen. Ferner hob sie die wichtige Rolle der pharmakologischen Ausbildung im Studium der Tiermedizin hervor und verwies insoweit auf die tierärztliche Approbationsverordnung. Ihre im Rahmen des Tiermedizinstudiums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten seien unverzichtbare Voraussetzung für die tierärztliche Tätigkeit bei ihrem Arbeitgeber.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zurück-gewiesen. Ausführlich legte die Beklagte ihre bereits im Bescheid vorgetragene Argumentation vor. Die maßgebliche Tätigkeit der Klägerin sei nicht als berufsspezifisch anzusehen, weil diese Tätigkeit nicht zwingend die Approbation als Tierärztin voraussetze. Der Umstand, dass die tiermedizinische Qualifikation für ihre Tätigkeit laut Bescheinigung ihres Arbeitgebers von großem Vorteil sei, reiche aber nicht aus, um eine tierärztliche Tätigkeit anzunehmen. Weder aus der entsprechenden Stellenausschreibung noch aus der internen Stellenbeschreibung sei nach objektiven Maßstäben ersichtlich, dass eine Approbation als Tierärztin für die Ausübung der Tätigkeit zwingend erforderlich sei. Auch Humanmediziner sowie gegebenenfalls weitere Berufsgruppen mit wissenschaftlichem Hintergrund könnten die Tätigkeit ausüben.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München und wiederholte ihre bereits im Widerspruchsverfahren gemachten Ausführungen. Pharmakologie und Toxikologie seien Kernbereich des Tiermedizinstudiums sowie Pflichtprüfungsfach und die von ihr zu betreuenden Aufgabengebiete setzten die Approbation wahlweise zum Arzt oder Tierarzt voraus. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei anderen Berufsgruppen mit wissenschaftlichem Hintergrund der Arbeitsbereich nicht zugänglich. Im Folgenden wiederholte auch die Beklagte ihre im Bescheid und Widerspruchsbescheid dargelegte Auffassung. Entscheidend sei ihrer Ansicht nach, ob die Klägerin im Rahmen ihrer ausgeübten Beschäftigung als Pharmaceutical Affairs Advisor dem typischen Be-rufsbild und Tätigkeitsbereich eines approbierten Tierarztes entspreche. Dies sei ihrer Auffassung nach zu verneinen. Im Folgenden diskutierten die Beteiligten ausführlich das Berufsbild des Tierarztes sowie das Erfordernis einer tierärztlichen Approbation.
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 wiederholten die Beteiligten ihre Rechtsauffassung; eine Annährung war nicht zu erreichen. Ausführlich erläuterte die Klägerin ihren Werdegang sowie ihre jetzige konkrete Tätigkeit, für die sie die Befreiung beantragt habe. Ebenso ausführlich diskutiert wurden mehrere Entscheidungen zu gleichgelagerten Fällen, die zum Teil in zweiter Instanz bereits rechtskräftig sind.
Die Klägerin beantragt, der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.01.2013 in ihrer Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 ist rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist somit aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 01.01.2013 für ihre Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständige Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, we-gen der sie aufgrund einer von Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versor-gungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zu-gleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufs-gruppe bereits vor dem 01.01.1991 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für die nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt, § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI.
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI knüpft an die konkrete Beschäftigung an, für die die Befreiung gewünscht wird. Die Befreiung ist somit nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI, da sie eine berufsspezifische Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift ausübt. Die Klägerin ist kraft Gesetzes Mitglied der Bayerischen Landestierärztekammer sowie Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung; Artikel 28 Abs. 2 Bayerischen Heilberufs- und Kammergesetz, Artikel 33 Bayerisches Versorgungsgesetz.
Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Beschäftigung als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH als Tierärztin tätig.
Der Tierarzt ist nach § 1 Bundestierärzteordnung (BTÄO) berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Her-kunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken.
Als Pharmaceutical Affairs Advisor mit dem Hauptbetätigungsfeld der Pharmakovigilanz (Sammlung, Bewertung und Nachverfolgung von Nebenwirkungsmeldungen und Beanstandungen von zugelassenen Medikamenten) braucht die Klägerin die entsprechenden Kenntnisse wie sie insbesondere im Rahmen eines human- oder veterinärmedizinischen Studiums erworben werden. Zwar entspricht ihre Tätigkeit nicht dem "typischen" oder "gängigen" Berufsbild eines Tierarztes, wie sich zum Beispiel die Tätigkeit eines niedergelassenen Tierarztes darstellt, sondern sie hat vielmehr die Aufgabe zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen, indem sie Nebenwirkungsmeldungen aufnimmt, sich mit den meldenden Ärzten bespricht und dann die Ergebnisse an die D.Firma Europa Zentrale meldet. Die notwendigen medizinischen und pharmakologischen Grundkenntnisse, um Neben- und Wechselwirkungen von zugelassenen Humanmedikamenten zu beurteilen und mit Humanmediziner entsprechend diskutieren zu können, besitzt die Klägerin aufgrund ihres tiermedizinischen Studiums. Gerade für diesen Bereich sind die Pflichtfächer des Tiermedizinstudiums, Pharma-kologie und Toxikologie von entscheidender Bedeutung. Die Ausbildung von Tierärzten ist sehr vielfältig und ihre Tätigkeiten können sehr breit angelegt sein, zum Beispiel Epidemiologie, Laboratoriumsdiagnostik, Lebensmittelhygiene, Pharmakologie und Toxikologie.Die Berufsordnung selbst sieht diese breit gefächerten Betätigungsfelder vor. Somit liegt auch in der Tätigkeit eines Pharmaceutical Affairs Advisor keine berufsfremde Tätigkeit vor.
Ob auch andere naturwissenschaftliche Akademiker, wie Humanmediziner, Pharmazeuten, Biologen oder Gesundheitswissenschaftler die Tätigkeit ausüben könnten, ist nicht entscheidungserheblich. Eine entsprechende Begrenzung ist maßgeblichen Vorschriften nicht zu entnehmen (vgl. insoweit auch die beiden rechtskräftigen Entscheidungen Hessisches LSG vom 06.02.2014, Az. L 1 KR 8/13 sowie Bayerisches LSG vom 10.07.2014, Az. L 14 R 1207/13. In beiden Entscheidungen wurde die Revision zugelassen, jedoch von der Beklagten nicht eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläge- rin.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die am XX.XX.1972 geborene Klägerin ist approbierte Tierärztin. Seit 02.11.1998 ist sie Mitglied der Bayerischen Landestierärztekammer und seit 01.06.1999 Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung. Seit 01.01.2013 ist die Klägerin als Tierärztin bei der D.Firma Pharma GmbH beschäftigt. Mit Schreiben vom 10.01.2013 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI be-züglich ihrer Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH. Ihre Tätigkeit erstrecke sich auf die Sammlung und Beurteilung von Nebenwirkungsmeldungen sowie den dazu erforderlichen Kontakt mit Ärzten bezüglich der Klärung der auf-getretenen Nebenwirkungen, des Kausalzusammenhangs mit der Medikamentation, der Anamnese sowie die Betreuung klinischer Studien (Kontakt zu Behörden und Ethikkommissionen). Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sei die Ausbildung als Mediziner (Human oder Veterinär) eine Voraussetzung für die Einstellung. Sie legte den Anstellungsvertrag vom 20.09.2012 sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung ihres Arbeitgebers zur Tätigkeit eines Pharmaceutical Affairs Advisors (PAA) vor.
Mit Bescheid vom 26.03.2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 10.01.2013 auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung ab 01.01.2013 als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma Germany GmbH ab, da es sich hierbei um keine berufsspezifische Tätigkeit handele. Es reiche nicht aus, lediglich Pflichtmitglied in der berufsständischen Kammer und in der berufsständischen Versor-gungseinrichtung zu sein, sondern es müsse eine für einen Tierarzt typische tierärztliche Berufstätigkeit ausgeübt werden. Die Tätigkeit eines Tierarztes ergäbe sich aus der Bundestierärzteordnung; nach § 1 BTÄO sei tierärztliche Tätigkeit die Ausübung der Heilkunde an Tieren. Aus der Stellenbeschreibung des Arbeitgebers gehe hervor, dass die Klägerin in den Bereichen Pharmakovigilanz, klinische und präklinische Studien, regulatorische Aufgaben, Qualitätsmanagement, Bestellmanagement/Risk Management Plan und Freigabe von Werbematerial tätig sei. Laut Stellenausschreibung seien das tierärztliche Studium und die Approbation als Tierärztin nicht unabdingbar für die Ausübung dieser Tätigkeit. Es gehe aus der Stellenbeschreibung lediglich hervor, dass bevorzugt Mediziner ein-gestellt werden würden.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie übe sehr wohl bei ihrem Arbeitgeber eine tierärztliche Tätigkeit aus, die dem typischen Berufsbild des Tierarztes entspreche. Sie verwies auf § 2 Abs. 1 der Berufsordnung für die Tierärzte in Bayern, wonach tierärztliche Berufsausübung jede Berufstätigkeit sei, bei der die während des Studiums der Tiermedizin erworbenen Kennnisse und Fähigkeiten verwertet werden würden. Aufgrund ihres abgeschlossenen Tiermedizinstudiums sei sie in der Lage, die beschriebenen Aufgabenbereiche ihrer Tätigkeit zu bewältigen. Ferner hob sie die wichtige Rolle der pharmakologischen Ausbildung im Studium der Tiermedizin hervor und verwies insoweit auf die tierärztliche Approbationsverordnung. Ihre im Rahmen des Tiermedizinstudiums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten seien unverzichtbare Voraussetzung für die tierärztliche Tätigkeit bei ihrem Arbeitgeber.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zurück-gewiesen. Ausführlich legte die Beklagte ihre bereits im Bescheid vorgetragene Argumentation vor. Die maßgebliche Tätigkeit der Klägerin sei nicht als berufsspezifisch anzusehen, weil diese Tätigkeit nicht zwingend die Approbation als Tierärztin voraussetze. Der Umstand, dass die tiermedizinische Qualifikation für ihre Tätigkeit laut Bescheinigung ihres Arbeitgebers von großem Vorteil sei, reiche aber nicht aus, um eine tierärztliche Tätigkeit anzunehmen. Weder aus der entsprechenden Stellenausschreibung noch aus der internen Stellenbeschreibung sei nach objektiven Maßstäben ersichtlich, dass eine Approbation als Tierärztin für die Ausübung der Tätigkeit zwingend erforderlich sei. Auch Humanmediziner sowie gegebenenfalls weitere Berufsgruppen mit wissenschaftlichem Hintergrund könnten die Tätigkeit ausüben.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München und wiederholte ihre bereits im Widerspruchsverfahren gemachten Ausführungen. Pharmakologie und Toxikologie seien Kernbereich des Tiermedizinstudiums sowie Pflichtprüfungsfach und die von ihr zu betreuenden Aufgabengebiete setzten die Approbation wahlweise zum Arzt oder Tierarzt voraus. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei anderen Berufsgruppen mit wissenschaftlichem Hintergrund der Arbeitsbereich nicht zugänglich. Im Folgenden wiederholte auch die Beklagte ihre im Bescheid und Widerspruchsbescheid dargelegte Auffassung. Entscheidend sei ihrer Ansicht nach, ob die Klägerin im Rahmen ihrer ausgeübten Beschäftigung als Pharmaceutical Affairs Advisor dem typischen Be-rufsbild und Tätigkeitsbereich eines approbierten Tierarztes entspreche. Dies sei ihrer Auffassung nach zu verneinen. Im Folgenden diskutierten die Beteiligten ausführlich das Berufsbild des Tierarztes sowie das Erfordernis einer tierärztlichen Approbation.
Auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2015 wiederholten die Beteiligten ihre Rechtsauffassung; eine Annährung war nicht zu erreichen. Ausführlich erläuterte die Klägerin ihren Werdegang sowie ihre jetzige konkrete Tätigkeit, für die sie die Befreiung beantragt habe. Ebenso ausführlich diskutiert wurden mehrere Entscheidungen zu gleichgelagerten Fällen, die zum Teil in zweiter Instanz bereits rechtskräftig sind.
Die Klägerin beantragt, der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.01.2013 in ihrer Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2013 ist rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist somit aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 01.01.2013 für ihre Tätigkeit als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständige Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, we-gen der sie aufgrund einer von Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versor-gungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zu-gleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufs-gruppe bereits vor dem 01.01.1991 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für die nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der verminderten Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt, § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI.
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI knüpft an die konkrete Beschäftigung an, für die die Befreiung gewünscht wird. Die Befreiung ist somit nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI, da sie eine berufsspezifische Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift ausübt. Die Klägerin ist kraft Gesetzes Mitglied der Bayerischen Landestierärztekammer sowie Mitglied der Bayerischen Ärzteversorgung; Artikel 28 Abs. 2 Bayerischen Heilberufs- und Kammergesetz, Artikel 33 Bayerisches Versorgungsgesetz.
Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Beschäftigung als Pharmaceutical Affairs Advisor bei der D.Firma Pharma GmbH als Tierärztin tätig.
Der Tierarzt ist nach § 1 Bundestierärzteordnung (BTÄO) berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Her-kunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken.
Als Pharmaceutical Affairs Advisor mit dem Hauptbetätigungsfeld der Pharmakovigilanz (Sammlung, Bewertung und Nachverfolgung von Nebenwirkungsmeldungen und Beanstandungen von zugelassenen Medikamenten) braucht die Klägerin die entsprechenden Kenntnisse wie sie insbesondere im Rahmen eines human- oder veterinärmedizinischen Studiums erworben werden. Zwar entspricht ihre Tätigkeit nicht dem "typischen" oder "gängigen" Berufsbild eines Tierarztes, wie sich zum Beispiel die Tätigkeit eines niedergelassenen Tierarztes darstellt, sondern sie hat vielmehr die Aufgabe zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen, indem sie Nebenwirkungsmeldungen aufnimmt, sich mit den meldenden Ärzten bespricht und dann die Ergebnisse an die D.Firma Europa Zentrale meldet. Die notwendigen medizinischen und pharmakologischen Grundkenntnisse, um Neben- und Wechselwirkungen von zugelassenen Humanmedikamenten zu beurteilen und mit Humanmediziner entsprechend diskutieren zu können, besitzt die Klägerin aufgrund ihres tiermedizinischen Studiums. Gerade für diesen Bereich sind die Pflichtfächer des Tiermedizinstudiums, Pharma-kologie und Toxikologie von entscheidender Bedeutung. Die Ausbildung von Tierärzten ist sehr vielfältig und ihre Tätigkeiten können sehr breit angelegt sein, zum Beispiel Epidemiologie, Laboratoriumsdiagnostik, Lebensmittelhygiene, Pharmakologie und Toxikologie.Die Berufsordnung selbst sieht diese breit gefächerten Betätigungsfelder vor. Somit liegt auch in der Tätigkeit eines Pharmaceutical Affairs Advisor keine berufsfremde Tätigkeit vor.
Ob auch andere naturwissenschaftliche Akademiker, wie Humanmediziner, Pharmazeuten, Biologen oder Gesundheitswissenschaftler die Tätigkeit ausüben könnten, ist nicht entscheidungserheblich. Eine entsprechende Begrenzung ist maßgeblichen Vorschriften nicht zu entnehmen (vgl. insoweit auch die beiden rechtskräftigen Entscheidungen Hessisches LSG vom 06.02.2014, Az. L 1 KR 8/13 sowie Bayerisches LSG vom 10.07.2014, Az. L 14 R 1207/13. In beiden Entscheidungen wurde die Revision zugelassen, jedoch von der Beklagten nicht eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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