Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 364/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 7/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die ihr für die selbstbeschaffte Magenbypass-Operation vom 10.07.2007 entstandenen Kosten in Höhe von 3.600,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine bei ihr auf Selbstkostenzahlungsbasis stationär am 10.07.2007 durchgeführte Magenbypass- Operation zur Behandlung einer massiven Adipositas.
Die 1959 geborene Klägerin, ist bei der Beklagten (in der durch Fusion die frühere X. eingegliedert wurde) krankenversichert. Sie leidet seit ihrer Kindheit - ebenso wie ihre Eltern - an Adipositas per magna bei einer Körpergröße von 159 cm. Sie ist alleinstehend und Mutter dreier Kinder und als Chefsekretärin bei einer Bank berufstätig. Zum Zeitpunkt der streitbefangenen Operation wog sie 119 kg und wies damit einen Bodymaßindex (BMI) auf, der bei 47 kg/qm lag. Die Klägerin hatte mehrfach versucht, ihr Übergewicht mit Diäten zu regulieren und mehrfach an Y. Programmen teilgenommen. In den Jahren 1999 und 2000 konnte sie eine Gewichtsreduzierung auf einen unter 100 kg liegenden Wert erreichen, die aber nicht anhielt. Ab Januar 2007 wurde die Klägerin in der Praxis des Internisten und Ernährungsmediziner Dr. C. ernährungsmedizinisch betreut.
Mit Schreiben vom 27.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf ihren BMI von 47 kg/qm die Kostenübernahme für eine Roux-en Y Magenbypassoperation. Zur Begründung führte sie aus, sie leide an Unterfunktion der Schilddrüse, Arthrosen im Bereich beider Kniegelenke und der Wirbelsäule, beginnenden Diabetes mellitus sowie Stoffwechselstörungen. Trotz vielfältiger Anstrengungen habe sie eine dauerhafte Gewichtsreduktion nicht erreicht. Weiter legte sie Fotografien von ihrem Körper, einen Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 18.01.2007, ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Ulrich E. vom 18.01.2007 sowie des Internisten Dr. C. vom 11.02.2007, einen Arztbrief der Internistin und Endokrinologin Dr. F. vom 22.07.2007 und eine Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgie des Krankenhauses Sachsenhausen Dr. G. vom 22.02.2007 vor. In den eingereichten ärztlichen Äußerungen wurde jeweils die Durchführung der beantragten Magenbypassoperation befürwortet.
Die Krankenkasse (damals noch die X.) schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein, für den die Ärztin für Innere Medizin Dr. H. auf der Grundlage einer persönlicher Untersuchung der Klägerin am 02.05.2007 und Auswertung der vorgelegten medizinischen Unterlagen ein sozialmedizinisches Gutachten erstellte. Dr. H. führte in ihrem schriftlichen Gutachten vom 08.05.2007 aus, bei der Klägerin liege eine Adipositaserkrankung Grad III bei einer Essstörung vor. Als adipositasbedingte Folgeerkrankung sei bereits eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung eingetreten. Zudem bestehe ein abnormer Glukosetoleranztest. Wegen der Essstörung sei zunächst eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt. Zusätzlich solle die Ernährungsberatung unter ärztlicher Aufsicht ausgeweitet werden. Sollte sich mit diesen Behandlungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum von 12 bis 18 Monaten keine Gewichtsreduzierung erzielen lassen, könne der Sachverhalt erneut durch den MDK geprüft werden.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2007 den Kostenübernahmeantrag der Klägerin ab. Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin am 06.08.2007 Widerspruch ein.
Sie unterzog sich am 10.07.2007 im St. Vinzenz-Krankenhaus gGmbH der Operation zur laparoskopischen Anlage eines Roux-Y- Magenbypasses, die der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung Dr. I. mit regelrechtem postoperativen Verlauf durchführte. Der stationäre Aufenthalt dauerte vom 09.07.2007 bis 13.07.2007. Für Operation und stationären Aufenthalt stellte das Krankenhaus der Klägerin mit Endrechnung vom 31.07.2007 einen Pauschalbetrag in Höhe von 3.600,00 EUR in Rechnung, welchen die Klägerin durch Vorschusszahlung beglichen hatte. In der Endrechnung ist die Tarifziffer K04Z (Große Eingriffe bei Adipositas) angeführt.
Zur Begründung ihres Widerspruchs legte die Klägerin den Operationsbericht vom 10.07.2007, den Krankenhausentlassungsbericht vom 16.07.2007 sowie ein Attest des Internisten Dr. C. vom 05.11.2007 vor. Dr. C. führte aus, seit der Magenbypassoperation sei ein Gewichtsverlust von 15 kg eingetreten. Die Laboruntersuchungen zeigten eine Normalisierung des gestörten Glukose- und Lipidstoffwechsels. Die körperliche Belastbarkeit und in der Folge auch die depressive Verstimmung seien erheblich gebessert. Mit einer weiteren erheblichen Gewichtsabnahme sei zu rechnen. Die Klägerin führte über ihren Prozessbevollmächtigten unter Vorlage wissenschaftlicher Veröffentlichungen aus, die operative Therapie zur Behandlung der Adipositas sei bei extrem Übergewichtigen die einzig effiziente Methode. Bei ihr hätten auch eine Reihe von Begleiterkrankungen vorgelegen. Ein insulinpflichtiger Diabetes wäre ohne Durchführung der Magenbypassoperation hinzugekommen. Die chirurgische Behandlung ziele direkt auf die Ursache ihres Übergewichts, nämlich die übermäßige Nahrungszufuhr. Der Hinweis auf eine psychotherapeutische Aufarbeitung der Essstörung führe nicht weiter. Kein Psychotherapeut oder Psychiater sei in der Lage, ihr das nicht eintretende Sättigungsgefühl zurückzugeben. Dies gelinge nur durch manuelle, chirurgische Intervention.
Die Beklagte holte ein weiteres MDK-Gutachten ein, das der Chirurg Dr. J. nach Aktenlage unter dem Datum vom 15.04.2008 erstellte. Er bestätigte die in dem Vorgutachten vom 08.05.2007 erstellte Beurteilung. Eine quasi einen Notfall darstellende medizinische Bedrohungslage habe zum Operationszeitpunkt nicht bestanden. Die Klägerin hätte Zeit gehabt, sich einem konservativen qualifizierten und allenfalls mehrmonatigen Behandlungsverfahren unter Einschluss von Psychotherapie zu unterziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie unter Verweis auf die MDK-Gutachten vom 08.05.2007 und 15.04.2007 aus, zum Operationszeitpunkt seien die konservativen Behandlungsmaßhahmen noch nicht ausgeschöpft gewesen. Die Klägerin hätte sich nicht in eine indizierte Psychotherapie/Verhaltenstherapie mit begleitender Ernährungsberatung unter ärztlicher Aufsicht begeben. Eine unmittelbare Bedrohungslage sei nicht gegeben gewesen. Damit habe die Klägerin nach §§ 27 Abs. 1, 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) keinen Anspruch auf Krankenbehandlung mittels der beantragten Magenbypassoperation gehabt. Damit stehe ihr auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme die streitgegenständliche Operation nur als ultima ratio in Betracht. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten müssten zuvor ausgeschöpft worden sein. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen erhob die Klägerin am 31.05.2008 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Klageziel, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 10.07.2007 durchgeführte Magenbypass-Operation zu erstatten. Zur Klagebegründung verwies sie auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und die darin vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Nach durchgeführter mündlicher Verhandlung wies das Sozialgericht mit Urteil vom 11.11.2010 die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid, die es sich zu Eigen machte. Ergänzend wies es darauf hin, die Verwaltungsentscheidung der Beklagten stehe auch mit den in dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.2008 (B 1 KR 2/08 R) formulierten Maßstäben, denen es sich anschließe, im Einklang.
Gegen das ihr am 17.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.01.2011 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und erster Instanz unter erneuter Vorlage der bereits aktenkundigen medizinischen Befunde vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Magenbypass-Operation habe auch unmittelbar der Behandlung ihres Diabetes mellitus gedient.
Der Senat hat am 19.01.2012 durch den Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt und die Klägerin persönlich gehört. Sie hat dabei angegeben, sie hätte schon als Kind unter Übergewicht gelitten und mit ca. 15 Jahren auch eine Kur zur Behandlung dieses Übergewichts bekommen. Das ganze Leben habe sie mit dem Problem Übergewicht zu tun gehabt. Vor der Magenbypassoperation hätte sich ein Vordiabeteszustand gezeigt. Deswegen habe sie eine chirurgische Maßnahme für dringlich erachtet und sich sorgfältig informiert. Nach der Operation habe sie eine Selbsthilfegruppe besucht und dann im Zeitraum 2008 bis 2011 die Leitung einer solchen übernommen. Sie sei noch heute im Vorstand des Trägervereins. Ihr derzeitiges Gewicht liege konstant bei ca. 90 kg. Sie bekomme seit der Operation Vitaminpräparate wegen der unvollständigen Resorptionsmöglichkeit von Nährstoffen aus der Nahrung gespritzt. Sie fühle sich seit der Operation und der dadurch eingetretenen Gewichtsabnahme sehr gesund und wohl. Das Diabetesproblem sei beseitigt. Bevor sie sich zur Operation entschlossen habe, hätte sie erfolglos versucht, eine Rehabilitationsmaßnahme von der Krankenkasse genehmigt zu bekommen. Bei dem Internisten und Ernährungsmediziner Dr. C. sei sie ab Januar 2007 in Behandlung gewesen. Diese Behandlung sei auch nach der durchgeführten Magenbypassoperation fortgesetzt worden.
Der Senat hat von Amts wegen ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. med. K., Direktor des Zentrums Innere Medizin, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover eingeholt. Prof. K. führt in seinem zusammen mit der Oberärztin Dr. med. L. erstellten und unter dem Datum vom 14.01.2013 (Eingang 04.02.2013) vorgelegten schriftlichen Gutachten Folgendes aus:
Zum Operationszeitpunkt habe bei der Klägerin eine Adipositas Grad III mit einem BMI von 47 bestanden, mithin eine erhebliche Abweichung vom Normgewicht. Weiter hätten an relevanten Gesundheitsstörungen eine Osteochondrose sowie eine prädiabetische Stoffwechsellage bei Insulinresistenz vorgelegen. Diese Stoffwechselstörung stelle noch keine Erkrankung dar, sei aber insofern von Krankheitswert als davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei fortbestehender Adipositas einen Diabetes mellitus Typ II entwickeln werde. Der Diabetes mellitus stelle einen Hauptrisikofaktor für begleitende Fettstoffwechselstörungen und arteriellen Hypertonus dar. Diese Erkrankungen wiederum führten regelhaft zu kardiovaskulären Erkrankungen wie z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Fettlebererkrankungen. Im Weiteren sei bei der Klägerin adipositasbedingt mit allergrößter Sicherheit mit der fortschreitenden Entwicklung degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates zu rechnen gewesen. Auch wenn keine schwerwiegenden Befunde bei der noch relativ jungen Patientin erhoben wurden, sei zu berücksichtigen, dass derartige Erkrankungen des Bewegungsapparates in Abhängigkeit ihres Schweregrades auch jegliche Bewegungstherapie, die essentiell für eine Adipositasbehandlung sei, erheblich erschwerten bzw. auch unmöglich machten. In den Befundberichten werde zwar wiederholt über Depressionen berichtet. Da diese nicht genauer qualifiziert seien und auch kein psychologischer/psychosomatischer oder psychiatrischer Befundbericht vorliege, müsse diese nicht gesicherte Diagnose unberücksichtigt bleiben.
Ein leitliniengerechtes interdisziplinäres Therapiekonzept sei vor der Magenbypass- Operation bei der Klägerin nicht durchgeführt. Auch seien nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden. Die durchgeführten Maßnahmen hätten sich auf einzelne Therapieversuche beschränkt, die bis auf das "Y.-Programm" und die Kurbehandlung ohne konzeptionellen Zusammenhang durchgeführt worden seien. Mit Sicherheit wäre ein leitliniengerechtes, interdisziplinäres Therapiekonzept, das langfristig angelegt sei (mindestens für ein halbes Jahr), sinnvoll und erfolgreich gewesen. Das vorliegende Ernährungsprotokoll vom 28.01.- 27.02.2007 zeige, dass die Klägerin eine ungünstige Auswahl der Nahrungsprodukte mit unzureichender Menge an Sättigungsbeilagen und zu hohem Anteil an fettreichen, energieverdichteten Nahrungsprodukten und schnell resorbierbaren Kohlenhydraten bevorzugt hätte. Allein in Bezug auf die Ernährungstherapie hätten somit noch gute Therapieangriffspunkte bestanden. Auch habe eine adipositasgerechte Physiotherapie nicht stattgefunden, obwohl zu einem interdisziplinären Therapiekonzept unter ständiger ärztlicher Kontrolle in jedem Fall die Bewegungs- und Verhaltenstherapie dazugehöre. Dabei komme vor allem der Verhaltenstherapie eine ganz wesentliche stabilisierende Funktion zu, um eine langfristige Änderung des Lebensstils durchzuhalten.
Allerding sei darauf hinzuweisen, dass nur sehr wenig qualifizierte Programme, vorwiegend in Großstädten, angeboten würden und diese neben der beruflichen Tätigkeit ein erhebliches Engagement des Patienten erforderten. Erschwerend müsse berücksichtigt werden, dass alle qualifizierten, langfristigen Adipositasprogramme nicht nur zeitintensiv seien, sondern auch mit erheblichen Kosten einhergingen, die die Patienten selbst tragen müssten. Entscheidend für den Erfolg einer jeden konservativen Therapie sei die Motivation und Eigenverantwortlichkeit des Patienten. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und publizierter Studienlage sei es so, dass die Erfolge der bariatrischen Chirurgie, vor allem was die Nachhaltigkeit anbelange, den konservativen Therapiekonzepten weit überlegen seien. Dies betreffe nicht nur die Gewichtsabnahme, die mit keiner konservativen Maßnahme in dem kurzen Zeitraum möglich sei, sondern auch das Aufhalten von adipositasassoziierten Folgeerkrankungen, insbesondere den Diabetes mellitus Typ II. Die demgegenüber geringere Erfolgsaussicht der konservativen Therapie treffe sicherlich auch auf den Fall der Klägerin zu. Diese habe durch den bariatrischen Eingriff 27 kg an Körpergewicht abgenommen. Diese Gewichtsabnahme wäre durch ein interdisziplinäres, leitliniengerechtes konservatives Therapiekonzept nur in einem Zeitraum von 1-2 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit zu realisieren gewesen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Gewichtsreduktion gelte, dass die Klägerin nach den vorliegenden Befundberichten und dem jahrzehntelangen Verlauf der Adipositas mit großer Wahrscheinlichkeit das reduzierte Körpergewicht und auf gar keinen Fall einen BMI von 25-30 mittels der konservativen Therapie lebenslang hätte halten bzw. erreichen können.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Vortrag werde durch das eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Magenbypass-Operation vom 10.07.2007 in Höhe von 3.600,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das eingeholte Sachverständigengutachten bestätige ihre Auffassung, dass zum Operationszeitpunkt noch nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Klägerin war die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2010 und des Bescheides der Beklagten vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 zur Übernahme der Kosten des am 10.07.2007 stationär im Krankenhaus St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau angelegten laparoskopischen Roux-Y-Magenbypasses in Höhe von 3.600,00 EUR zu verurteilen.
Nach Durchführung der Operation und während der Laufzeit des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin zutreffend und zulässig ihren Antrag auf Sachleistung in einen solchen auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten umgestellt (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V hat der Versicherte einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse rechtswidrig eine Leistung abgelehnt hat. Der Anspruch setzt voraus, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen ist, die selbstbeschaffte Leistung als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen. Dies ist nach Überzeugung des Senats zu bejahen, da im Zeitpunkt der Durchführung der Operation am 10.07.2007 die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Verschaffung derselben als Sach- oder Dienstleistung gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt waren.
Die grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringende Krankenbehandlung, zu der auch die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus rechnet (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 SGB V), setzt in grundlegender Weise voraus, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. In allgemeiner Hinsicht sieht § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vor, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus stehen die Leistungen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat zur Konsequenz, dass Versicherte nur die notwendigen bzw. ausreichenden Leistungen beanspruchen können.
Diese müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Ausreichenden nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Unter Beachtung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen geht die Rechtsprechung im Allgemeinen davon aus, dass Behandlungsmaßnahmen, die in ein an sich gesundes Organ eingreifen, in der Regel ausgeschlossen sind. Daher kommen chirurgische Maßnahmen im Bereich des (gesunden!) Magens, die mittelbar auf eine Reduzierung der Adipositas zielen (Verfahren der bariatrischen Chirurgie), nur als "ultima ratio" und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe weiterer Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Die Rechtsprechung hat hierzu folgende Grundsätze entwickelt: Die Adipositas muss so gravierend sein, dass ihr Krankheitswert zukommt. Hiervon ist bei einem BMI von mindestens 40 stets auszugehen; wenn der BMI "lediglich" 35 bis unter 40 beträgt, kann dies nur bei erheblichen Begleiterkrankungen angenommen werden. Darüber hinaus wird in der Regel verlangt, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Versicherte über einen längeren Zeitraum (sechs bis zwölf Monate) an einem ärztlich überwachten bzw. koordinierten multimodalen Therapiekonzept, welches unter anderem Diätmaßnahmen, Schulungen, Bewegungs- und Psychotherapie umfasst, erfolglos teilgenommen hat. Schließlich dürfen keine wesentlichen medizinischen Kontraindikationen gegen die Durchführung dieser Operation bestehen. Dies beinhaltet unter anderem, dass manifeste psychiatrische Erkrankungen fehlen und eine lebenslange medizinische Nachbetreuung des Versicherten gewährleistet ist. Schließlich dürfen an der Motivation des Versicherten zur Einhaltung der ärztlichen Vorgaben für das Ernährungsverhalten nach Magenverkleinerung keine ernsthaften Zweifel bestehen. Wegen der medizinischen Grundlagen der chirurgischen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion wird hierbei in aller Regel auf die entsprechende Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft Bezug genommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R und Beschluss vom 17.10.2006 - B 1 KR 104/06 B sowie Hessisches LSG, Urteile vom 24.5.2012 - L 8 KR 290/10 und 20.06.2013 – L 8 KR 91/10 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.3.2011 - L 11 KR 3560/09).
Ausgehend von diesen Kriterien steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der besonderen Umstände der Adipositaserkrankung der Klägerin fest, dass diese zum Zeitpunkt der streitbefangenen bariatrischen Operation und der stationären Aufnahme im St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau die Voraussetzungen für die Verschaffung dieses Eingriffes durch die beklagte Krankenkasse erfüllt hatte. Im Vordergrund der Beurteilung steht dabei, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingriffs und schon mehrere Jahre davor an einer hochgradigen Adipositas litt. Sie wies, wie Dr. K. in seinem Sachverständigengutachten dargelegt hat, zum Operationszeitpunkt einen BMI von 47 kg/qm auf. Nachvollziehbar weist der gerichtliche Sachverständige auch daraufhin, dass bei der Klägerin eine Osteochondrose und vor allem eine prädiabetische Stoffwechsellage bei Insulinresistenz vorgelegen habe. Die Stoffwechselstörung sei, wenn sie auch noch keine echte Erkrankung dargestellt habe, deshalb von Bedeutung, weil davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei fortbestehender Adipositas einen Diabetes mellitus Typ II entwickeln werde. Diese Erkrankung stelle einen Hauptrisikofaktor für begleitende Fettstoffwechselstörungen und arteriellen Hypertonus dar, mithin für Krankheitsbilder, die wiederum regelhaft zu kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Fettlebererkrankungen führten. Auch sei ohne eine massive Gewichtsreduzierung im Falle der Klägerin adipositasbedingt mit allergrößter Sicherheit mit einer fortschreitenden Entwicklung degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates zu rechnen gewesen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass erhebliche Erkrankungen des Bewegungsapparates jegliche Bewegungstherapie, die essentiell für eine Adipositasbehandlung sei, erheblich erschwerten bzw. auch verunmöglichten.
Dass die Klägerin unstreitig in den letzten 6 bis 12 Monaten vor der Magenbypass- Operation nicht die klassischen konservativen Behandlungsmöglichkeiten in Form von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungstherapie und Psychotherapie in Anspruch genommen und intensiv durchgeführt hat, steht nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Sondersituation der Klägerin einem Anspruch auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen. Zu Gunsten der Klägerin ist nämlich zu berücksichtigen, dass deren Adipositas bereits seit früher Jugend bestand und sie in den letzten Jahren immer wieder wenn auch erfolglos - in Eigeninitiative vielfältige Bemühungen unternommen hat, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Diese Erfolge waren jedoch wegen des sich bei ihr einstellenden Jo-Jo-Effekts nicht dauerhaft. Dass solche Konstellationen auftreten und die Art und Ausprägung einer Adipositas per magna in Einzelfällen dazu führen kann, dass eine konservative Therapie von vornherein als ohne Aussicht auf Erfolg angesehen muss, wird nunmehr auch in der S 3 Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" vom Juni 2010 unter Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation hervorgehoben. Darin heißt es:
"Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden; die Indikation hierzu ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen. Damit hat die Leitlinienkommission ein weiteres Beurteilungskriterium nach eingehender Diskussion präzisierend in die neuen Leitlinien aufgenommen, nämlich den Begriff der geringen Erfolgsaussicht der konservativen Therapie".
Der Senat stellt auf diese Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ab, da diese eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen darstellt (siehe: www.awmf.org/leitlinien.html, Stand 20.06.2013). Auch wenn diese rechtlich nicht bindend ist, gibt sie doch wichtige Entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruht. Die Klassifizierung als "S3 Leitlinie" bringt zum Ausdruck, dass diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer Systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-analyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung) beinhaltet (www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ .../awmf-regelwerk ...organisation ...,Stand 20.06.2013).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung stehen. Somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strenge Anforderungen zu stellen. Je höher aber der BMI ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Psychotherapie sowie sonstige konservative Maßnahmen eine ausreichende Gewichtsreduktion in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Daher ist es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen (vgl. Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 17.01.2013 - S 9 KR 491/12, juris).
Im hiesigen Fall hat der Senat keine Veranlassung, die Angaben der Klägerin über ihre langjährigen erfolglos gebliebenen Bemühungen zur Gewichtsreduktion in Zweifel zu ziehen. Auch der Sachverständige Prof. Dr. K. ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ernsthaft vielfältige Versuche zur Gewichtsreduzierung unternommen hat, wenngleich diesen ein hinreichender konzeptioneller Zusammenhang gefehlt habe. Zwar führt der Sachverständige aus, ein leitliniengerechtes interdisziplinäres Therapiekonzept habe die Klägerin vor der Magenbypass-Operation nicht durchgeführt. Es seien nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden, da eine adipositasgerechte Bewegungs- und Physiotherapie sowie eine Verhaltenstherapie nicht stattgefunden habe. Vor allem der Verhaltenstherapie komme eine ganz wesentliche stabilisierende Funktion zu, um eine langfristige Änderung des Lebensstils durchzuhalten. Seine Einschätzung, ein leitliniengerechtes interdisziplinäres langfristig angelegtes Therapiekonzept wäre sinnvoll und erfolgreich gewesen, relativiert Dr. K. in seinem Gutachten allerdings ganz erheblich. Entscheidend für den Senat ist hier die Einschränkung, nach derzeitiger medizinischer Erkenntnis seien die Maßnahmen der bariatrischen Chirurgie beim Vergleich mit denen konservativer Therapiekonzepte für die Adipositasbehandlung im Hinblick auf den Erfolg und dessen Nachhaltigkeit weit überlegen. So sei die mit Mitteln der Adipositaschirurgie in kurzer Zeit erzielbare Gewichtsabnahme mit keiner konservativen Maßnahme und schon gar nicht in einem vergleichbar kurzen Zeitraum erreichbar. Auch sei die bariatrisch-chirurgische Behandlungsform in Bezug auf das Aufhalten von Adipositas-assoziierten Folgeerkrankungen, insbesondere des Diabetes mellitus Typ II, deutlich erfolgreicher als die konservative Adipositastherapie.
Dass im Falle der Klägerin die bei dieser durchgeführte Magenbypassoperation deutlich erfolgreicher sei und nachhaltiger wirke als eine leitliniengerechte konservative Adipositastherapie hat Prof. K. in seinem Gutachten eindeutig bejaht. Er hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe durch den bariatrischen Eingriff 27 kg im Zeitraum 10.07.2007- 28.09.2008 an Körpergewicht abgenommen. Diese Gewichtsabnahme wäre durch ein interdisziplinäres, leitliniengerechtes konservatives Therapiekonzept nur in einem Zeitraum von 1-2 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit zu realisieren gewesen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Gewichtsreduktion gelte, dass die Klägerin nach den vorliegenden Befundberichten und dem jahrzehntelangen Verlauf der Adipositas mit großer Wahrscheinlichkeit das reduzierte Körpergewicht und auf gar keinen Fall einen BMI von 25-30 mittels der konservativen Therapie lebenslang hätte halten bzw. erreichen können.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V gibt den Krankenkassen vor, die im Dritten Kapitel genannten Leistungen, zu denen insbesondere die Behandlung einer Krankheit (§ 27 SGB V) gehört, den Versicherten unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung zu stellen. § 12 Abs. 1 SGB V konkretisiert diese Vorgabe dahin, dass die Leistungen ausreichend zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer und die Krankenkassen nicht bewilligen. Als wirtschaftlich im engeren Sinne wird in Rechtsprechung und Literatur dabei nicht die billigste zweier notwendiger Leistungen, sondern diejenige mit der besten Kosten-Nutzen-Relation angesehen. Der Nutzen bestimmt sich nach dem Behandlungsziel unter Einbeziehung der Nachhaltigkeit des Behandlungserfolges (vgl. BSG Urteil vom 22.07.1981 – 3 RK 50/79 -; Scholz in: Becker/Kingreen, SGB V 2. Auflage 2010, § 12 Rz. 8). Zur Überzeugung des Senats steht auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. K. fest, dass im Falle der Klägerin die durchgeführte Magenbypass-Operation insbesondere unter dem Aspekt der nachhaltigen Wirkung deutliche Vorteile gegenüber der von der Beklagten favorisierten leitliniengerechten konservativen Adipositastherapie aufweist.
Somit ergibt sich, dass die Beklagte rechtlich verpflichtet war, die Magenbypass- Operation als Sachleistung zu gewähren. Der dem widersprechende Ablehnungsbescheid vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 erweist sich somit als rechtswidrig.
Im Falle der Klägerin sind auch die weiteren Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V erfüllt. Dabei gilt, dass die selbst beschaffte Leistung grundsätzlich zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen muss wie die zuvor abgelehnte Leistung (vgl. BSG Urteil vom 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, Mamma-Augmentationsplastik bei Transsexualität, juris Rz. 32). Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten Magenbypass-Operation entsprach und notwendig war. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind zudem nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich vielmehr maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat. Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl. BSG Urteil vom 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, Mamma-Augmentationsplastik bei Transsexualität, juris Rz. 32 ff).
Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine Magenbypass-Operation zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt. Weil die Klägerin sich die bariatrische Operation selbst verschaffte, entstanden ihr ausweislich der Rechnung des St. Vinzenz-Krankenhauses Hanau vom 31.07.2007 für die Operation inklusive stationärer Behandlung Kosten in Höhe von 3.600,00 EUR.
Ihr war daher die Klageforderung in voller Höhe zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für eine bei ihr auf Selbstkostenzahlungsbasis stationär am 10.07.2007 durchgeführte Magenbypass- Operation zur Behandlung einer massiven Adipositas.
Die 1959 geborene Klägerin, ist bei der Beklagten (in der durch Fusion die frühere X. eingegliedert wurde) krankenversichert. Sie leidet seit ihrer Kindheit - ebenso wie ihre Eltern - an Adipositas per magna bei einer Körpergröße von 159 cm. Sie ist alleinstehend und Mutter dreier Kinder und als Chefsekretärin bei einer Bank berufstätig. Zum Zeitpunkt der streitbefangenen Operation wog sie 119 kg und wies damit einen Bodymaßindex (BMI) auf, der bei 47 kg/qm lag. Die Klägerin hatte mehrfach versucht, ihr Übergewicht mit Diäten zu regulieren und mehrfach an Y. Programmen teilgenommen. In den Jahren 1999 und 2000 konnte sie eine Gewichtsreduzierung auf einen unter 100 kg liegenden Wert erreichen, die aber nicht anhielt. Ab Januar 2007 wurde die Klägerin in der Praxis des Internisten und Ernährungsmediziner Dr. C. ernährungsmedizinisch betreut.
Mit Schreiben vom 27.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf ihren BMI von 47 kg/qm die Kostenübernahme für eine Roux-en Y Magenbypassoperation. Zur Begründung führte sie aus, sie leide an Unterfunktion der Schilddrüse, Arthrosen im Bereich beider Kniegelenke und der Wirbelsäule, beginnenden Diabetes mellitus sowie Stoffwechselstörungen. Trotz vielfältiger Anstrengungen habe sie eine dauerhafte Gewichtsreduktion nicht erreicht. Weiter legte sie Fotografien von ihrem Körper, einen Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 18.01.2007, ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Ulrich E. vom 18.01.2007 sowie des Internisten Dr. C. vom 11.02.2007, einen Arztbrief der Internistin und Endokrinologin Dr. F. vom 22.07.2007 und eine Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgie des Krankenhauses Sachsenhausen Dr. G. vom 22.02.2007 vor. In den eingereichten ärztlichen Äußerungen wurde jeweils die Durchführung der beantragten Magenbypassoperation befürwortet.
Die Krankenkasse (damals noch die X.) schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) ein, für den die Ärztin für Innere Medizin Dr. H. auf der Grundlage einer persönlicher Untersuchung der Klägerin am 02.05.2007 und Auswertung der vorgelegten medizinischen Unterlagen ein sozialmedizinisches Gutachten erstellte. Dr. H. führte in ihrem schriftlichen Gutachten vom 08.05.2007 aus, bei der Klägerin liege eine Adipositaserkrankung Grad III bei einer Essstörung vor. Als adipositasbedingte Folgeerkrankung sei bereits eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung eingetreten. Zudem bestehe ein abnormer Glukosetoleranztest. Wegen der Essstörung sei zunächst eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt. Zusätzlich solle die Ernährungsberatung unter ärztlicher Aufsicht ausgeweitet werden. Sollte sich mit diesen Behandlungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum von 12 bis 18 Monaten keine Gewichtsreduzierung erzielen lassen, könne der Sachverhalt erneut durch den MDK geprüft werden.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.07.2007 den Kostenübernahmeantrag der Klägerin ab. Gegen den ablehnenden Bescheid legte die Klägerin am 06.08.2007 Widerspruch ein.
Sie unterzog sich am 10.07.2007 im St. Vinzenz-Krankenhaus gGmbH der Operation zur laparoskopischen Anlage eines Roux-Y- Magenbypasses, die der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung Dr. I. mit regelrechtem postoperativen Verlauf durchführte. Der stationäre Aufenthalt dauerte vom 09.07.2007 bis 13.07.2007. Für Operation und stationären Aufenthalt stellte das Krankenhaus der Klägerin mit Endrechnung vom 31.07.2007 einen Pauschalbetrag in Höhe von 3.600,00 EUR in Rechnung, welchen die Klägerin durch Vorschusszahlung beglichen hatte. In der Endrechnung ist die Tarifziffer K04Z (Große Eingriffe bei Adipositas) angeführt.
Zur Begründung ihres Widerspruchs legte die Klägerin den Operationsbericht vom 10.07.2007, den Krankenhausentlassungsbericht vom 16.07.2007 sowie ein Attest des Internisten Dr. C. vom 05.11.2007 vor. Dr. C. führte aus, seit der Magenbypassoperation sei ein Gewichtsverlust von 15 kg eingetreten. Die Laboruntersuchungen zeigten eine Normalisierung des gestörten Glukose- und Lipidstoffwechsels. Die körperliche Belastbarkeit und in der Folge auch die depressive Verstimmung seien erheblich gebessert. Mit einer weiteren erheblichen Gewichtsabnahme sei zu rechnen. Die Klägerin führte über ihren Prozessbevollmächtigten unter Vorlage wissenschaftlicher Veröffentlichungen aus, die operative Therapie zur Behandlung der Adipositas sei bei extrem Übergewichtigen die einzig effiziente Methode. Bei ihr hätten auch eine Reihe von Begleiterkrankungen vorgelegen. Ein insulinpflichtiger Diabetes wäre ohne Durchführung der Magenbypassoperation hinzugekommen. Die chirurgische Behandlung ziele direkt auf die Ursache ihres Übergewichts, nämlich die übermäßige Nahrungszufuhr. Der Hinweis auf eine psychotherapeutische Aufarbeitung der Essstörung führe nicht weiter. Kein Psychotherapeut oder Psychiater sei in der Lage, ihr das nicht eintretende Sättigungsgefühl zurückzugeben. Dies gelinge nur durch manuelle, chirurgische Intervention.
Die Beklagte holte ein weiteres MDK-Gutachten ein, das der Chirurg Dr. J. nach Aktenlage unter dem Datum vom 15.04.2008 erstellte. Er bestätigte die in dem Vorgutachten vom 08.05.2007 erstellte Beurteilung. Eine quasi einen Notfall darstellende medizinische Bedrohungslage habe zum Operationszeitpunkt nicht bestanden. Die Klägerin hätte Zeit gehabt, sich einem konservativen qualifizierten und allenfalls mehrmonatigen Behandlungsverfahren unter Einschluss von Psychotherapie zu unterziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie unter Verweis auf die MDK-Gutachten vom 08.05.2007 und 15.04.2007 aus, zum Operationszeitpunkt seien die konservativen Behandlungsmaßhahmen noch nicht ausgeschöpft gewesen. Die Klägerin hätte sich nicht in eine indizierte Psychotherapie/Verhaltenstherapie mit begleitender Ernährungsberatung unter ärztlicher Aufsicht begeben. Eine unmittelbare Bedrohungslage sei nicht gegeben gewesen. Damit habe die Klägerin nach §§ 27 Abs. 1, 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) keinen Anspruch auf Krankenbehandlung mittels der beantragten Magenbypassoperation gehabt. Damit stehe ihr auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V zu. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme die streitgegenständliche Operation nur als ultima ratio in Betracht. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten müssten zuvor ausgeschöpft worden sein. Dies sei hier nicht der Fall.
Hiergegen erhob die Klägerin am 31.05.2008 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Klageziel, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 10.07.2007 durchgeführte Magenbypass-Operation zu erstatten. Zur Klagebegründung verwies sie auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und die darin vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Nach durchgeführter mündlicher Verhandlung wies das Sozialgericht mit Urteil vom 11.11.2010 die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid, die es sich zu Eigen machte. Ergänzend wies es darauf hin, die Verwaltungsentscheidung der Beklagten stehe auch mit den in dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.2008 (B 1 KR 2/08 R) formulierten Maßstäben, denen es sich anschließe, im Einklang.
Gegen das ihr am 17.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.01.2011 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und erster Instanz unter erneuter Vorlage der bereits aktenkundigen medizinischen Befunde vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Magenbypass-Operation habe auch unmittelbar der Behandlung ihres Diabetes mellitus gedient.
Der Senat hat am 19.01.2012 durch den Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt und die Klägerin persönlich gehört. Sie hat dabei angegeben, sie hätte schon als Kind unter Übergewicht gelitten und mit ca. 15 Jahren auch eine Kur zur Behandlung dieses Übergewichts bekommen. Das ganze Leben habe sie mit dem Problem Übergewicht zu tun gehabt. Vor der Magenbypassoperation hätte sich ein Vordiabeteszustand gezeigt. Deswegen habe sie eine chirurgische Maßnahme für dringlich erachtet und sich sorgfältig informiert. Nach der Operation habe sie eine Selbsthilfegruppe besucht und dann im Zeitraum 2008 bis 2011 die Leitung einer solchen übernommen. Sie sei noch heute im Vorstand des Trägervereins. Ihr derzeitiges Gewicht liege konstant bei ca. 90 kg. Sie bekomme seit der Operation Vitaminpräparate wegen der unvollständigen Resorptionsmöglichkeit von Nährstoffen aus der Nahrung gespritzt. Sie fühle sich seit der Operation und der dadurch eingetretenen Gewichtsabnahme sehr gesund und wohl. Das Diabetesproblem sei beseitigt. Bevor sie sich zur Operation entschlossen habe, hätte sie erfolglos versucht, eine Rehabilitationsmaßnahme von der Krankenkasse genehmigt zu bekommen. Bei dem Internisten und Ernährungsmediziner Dr. C. sei sie ab Januar 2007 in Behandlung gewesen. Diese Behandlung sei auch nach der durchgeführten Magenbypassoperation fortgesetzt worden.
Der Senat hat von Amts wegen ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. med. K., Direktor des Zentrums Innere Medizin, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover eingeholt. Prof. K. führt in seinem zusammen mit der Oberärztin Dr. med. L. erstellten und unter dem Datum vom 14.01.2013 (Eingang 04.02.2013) vorgelegten schriftlichen Gutachten Folgendes aus:
Zum Operationszeitpunkt habe bei der Klägerin eine Adipositas Grad III mit einem BMI von 47 bestanden, mithin eine erhebliche Abweichung vom Normgewicht. Weiter hätten an relevanten Gesundheitsstörungen eine Osteochondrose sowie eine prädiabetische Stoffwechsellage bei Insulinresistenz vorgelegen. Diese Stoffwechselstörung stelle noch keine Erkrankung dar, sei aber insofern von Krankheitswert als davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei fortbestehender Adipositas einen Diabetes mellitus Typ II entwickeln werde. Der Diabetes mellitus stelle einen Hauptrisikofaktor für begleitende Fettstoffwechselstörungen und arteriellen Hypertonus dar. Diese Erkrankungen wiederum führten regelhaft zu kardiovaskulären Erkrankungen wie z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Fettlebererkrankungen. Im Weiteren sei bei der Klägerin adipositasbedingt mit allergrößter Sicherheit mit der fortschreitenden Entwicklung degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates zu rechnen gewesen. Auch wenn keine schwerwiegenden Befunde bei der noch relativ jungen Patientin erhoben wurden, sei zu berücksichtigen, dass derartige Erkrankungen des Bewegungsapparates in Abhängigkeit ihres Schweregrades auch jegliche Bewegungstherapie, die essentiell für eine Adipositasbehandlung sei, erheblich erschwerten bzw. auch unmöglich machten. In den Befundberichten werde zwar wiederholt über Depressionen berichtet. Da diese nicht genauer qualifiziert seien und auch kein psychologischer/psychosomatischer oder psychiatrischer Befundbericht vorliege, müsse diese nicht gesicherte Diagnose unberücksichtigt bleiben.
Ein leitliniengerechtes interdisziplinäres Therapiekonzept sei vor der Magenbypass- Operation bei der Klägerin nicht durchgeführt. Auch seien nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden. Die durchgeführten Maßnahmen hätten sich auf einzelne Therapieversuche beschränkt, die bis auf das "Y.-Programm" und die Kurbehandlung ohne konzeptionellen Zusammenhang durchgeführt worden seien. Mit Sicherheit wäre ein leitliniengerechtes, interdisziplinäres Therapiekonzept, das langfristig angelegt sei (mindestens für ein halbes Jahr), sinnvoll und erfolgreich gewesen. Das vorliegende Ernährungsprotokoll vom 28.01.- 27.02.2007 zeige, dass die Klägerin eine ungünstige Auswahl der Nahrungsprodukte mit unzureichender Menge an Sättigungsbeilagen und zu hohem Anteil an fettreichen, energieverdichteten Nahrungsprodukten und schnell resorbierbaren Kohlenhydraten bevorzugt hätte. Allein in Bezug auf die Ernährungstherapie hätten somit noch gute Therapieangriffspunkte bestanden. Auch habe eine adipositasgerechte Physiotherapie nicht stattgefunden, obwohl zu einem interdisziplinären Therapiekonzept unter ständiger ärztlicher Kontrolle in jedem Fall die Bewegungs- und Verhaltenstherapie dazugehöre. Dabei komme vor allem der Verhaltenstherapie eine ganz wesentliche stabilisierende Funktion zu, um eine langfristige Änderung des Lebensstils durchzuhalten.
Allerding sei darauf hinzuweisen, dass nur sehr wenig qualifizierte Programme, vorwiegend in Großstädten, angeboten würden und diese neben der beruflichen Tätigkeit ein erhebliches Engagement des Patienten erforderten. Erschwerend müsse berücksichtigt werden, dass alle qualifizierten, langfristigen Adipositasprogramme nicht nur zeitintensiv seien, sondern auch mit erheblichen Kosten einhergingen, die die Patienten selbst tragen müssten. Entscheidend für den Erfolg einer jeden konservativen Therapie sei die Motivation und Eigenverantwortlichkeit des Patienten. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und publizierter Studienlage sei es so, dass die Erfolge der bariatrischen Chirurgie, vor allem was die Nachhaltigkeit anbelange, den konservativen Therapiekonzepten weit überlegen seien. Dies betreffe nicht nur die Gewichtsabnahme, die mit keiner konservativen Maßnahme in dem kurzen Zeitraum möglich sei, sondern auch das Aufhalten von adipositasassoziierten Folgeerkrankungen, insbesondere den Diabetes mellitus Typ II. Die demgegenüber geringere Erfolgsaussicht der konservativen Therapie treffe sicherlich auch auf den Fall der Klägerin zu. Diese habe durch den bariatrischen Eingriff 27 kg an Körpergewicht abgenommen. Diese Gewichtsabnahme wäre durch ein interdisziplinäres, leitliniengerechtes konservatives Therapiekonzept nur in einem Zeitraum von 1-2 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit zu realisieren gewesen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Gewichtsreduktion gelte, dass die Klägerin nach den vorliegenden Befundberichten und dem jahrzehntelangen Verlauf der Adipositas mit großer Wahrscheinlichkeit das reduzierte Körpergewicht und auf gar keinen Fall einen BMI von 25-30 mittels der konservativen Therapie lebenslang hätte halten bzw. erreichen können.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Vortrag werde durch das eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Magenbypass-Operation vom 10.07.2007 in Höhe von 3.600,00 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das eingeholte Sachverständigengutachten bestätige ihre Auffassung, dass zum Operationszeitpunkt noch nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässige Berufung der Klägerin war die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 11.11.2010 und des Bescheides der Beklagten vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 zur Übernahme der Kosten des am 10.07.2007 stationär im Krankenhaus St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau angelegten laparoskopischen Roux-Y-Magenbypasses in Höhe von 3.600,00 EUR zu verurteilen.
Nach Durchführung der Operation und während der Laufzeit des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin zutreffend und zulässig ihren Antrag auf Sachleistung in einen solchen auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten umgestellt (§ 99 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V hat der Versicherte einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse rechtswidrig eine Leistung abgelehnt hat. Der Anspruch setzt voraus, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen ist, die selbstbeschaffte Leistung als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen. Dies ist nach Überzeugung des Senats zu bejahen, da im Zeitpunkt der Durchführung der Operation am 10.07.2007 die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Verschaffung derselben als Sach- oder Dienstleistung gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt waren.
Die grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringende Krankenbehandlung, zu der auch die stationäre Behandlung in einem Krankenhaus rechnet (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 SGB V), setzt in grundlegender Weise voraus, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. In allgemeiner Hinsicht sieht § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vor, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus stehen die Leistungen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat zur Konsequenz, dass Versicherte nur die notwendigen bzw. ausreichenden Leistungen beanspruchen können.
Diese müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Ausreichenden nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Unter Beachtung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen geht die Rechtsprechung im Allgemeinen davon aus, dass Behandlungsmaßnahmen, die in ein an sich gesundes Organ eingreifen, in der Regel ausgeschlossen sind. Daher kommen chirurgische Maßnahmen im Bereich des (gesunden!) Magens, die mittelbar auf eine Reduzierung der Adipositas zielen (Verfahren der bariatrischen Chirurgie), nur als "ultima ratio" und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe weiterer Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Die Rechtsprechung hat hierzu folgende Grundsätze entwickelt: Die Adipositas muss so gravierend sein, dass ihr Krankheitswert zukommt. Hiervon ist bei einem BMI von mindestens 40 stets auszugehen; wenn der BMI "lediglich" 35 bis unter 40 beträgt, kann dies nur bei erheblichen Begleiterkrankungen angenommen werden. Darüber hinaus wird in der Regel verlangt, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Versicherte über einen längeren Zeitraum (sechs bis zwölf Monate) an einem ärztlich überwachten bzw. koordinierten multimodalen Therapiekonzept, welches unter anderem Diätmaßnahmen, Schulungen, Bewegungs- und Psychotherapie umfasst, erfolglos teilgenommen hat. Schließlich dürfen keine wesentlichen medizinischen Kontraindikationen gegen die Durchführung dieser Operation bestehen. Dies beinhaltet unter anderem, dass manifeste psychiatrische Erkrankungen fehlen und eine lebenslange medizinische Nachbetreuung des Versicherten gewährleistet ist. Schließlich dürfen an der Motivation des Versicherten zur Einhaltung der ärztlichen Vorgaben für das Ernährungsverhalten nach Magenverkleinerung keine ernsthaften Zweifel bestehen. Wegen der medizinischen Grundlagen der chirurgischen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion wird hierbei in aller Regel auf die entsprechende Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft Bezug genommen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R und Beschluss vom 17.10.2006 - B 1 KR 104/06 B sowie Hessisches LSG, Urteile vom 24.5.2012 - L 8 KR 290/10 und 20.06.2013 – L 8 KR 91/10 und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.3.2011 - L 11 KR 3560/09).
Ausgehend von diesen Kriterien steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der besonderen Umstände der Adipositaserkrankung der Klägerin fest, dass diese zum Zeitpunkt der streitbefangenen bariatrischen Operation und der stationären Aufnahme im St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau die Voraussetzungen für die Verschaffung dieses Eingriffes durch die beklagte Krankenkasse erfüllt hatte. Im Vordergrund der Beurteilung steht dabei, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingriffs und schon mehrere Jahre davor an einer hochgradigen Adipositas litt. Sie wies, wie Dr. K. in seinem Sachverständigengutachten dargelegt hat, zum Operationszeitpunkt einen BMI von 47 kg/qm auf. Nachvollziehbar weist der gerichtliche Sachverständige auch daraufhin, dass bei der Klägerin eine Osteochondrose und vor allem eine prädiabetische Stoffwechsellage bei Insulinresistenz vorgelegen habe. Die Stoffwechselstörung sei, wenn sie auch noch keine echte Erkrankung dargestellt habe, deshalb von Bedeutung, weil davon auszugehen sei, dass die Klägerin bei fortbestehender Adipositas einen Diabetes mellitus Typ II entwickeln werde. Diese Erkrankung stelle einen Hauptrisikofaktor für begleitende Fettstoffwechselstörungen und arteriellen Hypertonus dar, mithin für Krankheitsbilder, die wiederum regelhaft zu kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Fettlebererkrankungen führten. Auch sei ohne eine massive Gewichtsreduzierung im Falle der Klägerin adipositasbedingt mit allergrößter Sicherheit mit einer fortschreitenden Entwicklung degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates zu rechnen gewesen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass erhebliche Erkrankungen des Bewegungsapparates jegliche Bewegungstherapie, die essentiell für eine Adipositasbehandlung sei, erheblich erschwerten bzw. auch verunmöglichten.
Dass die Klägerin unstreitig in den letzten 6 bis 12 Monaten vor der Magenbypass- Operation nicht die klassischen konservativen Behandlungsmöglichkeiten in Form von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungstherapie und Psychotherapie in Anspruch genommen und intensiv durchgeführt hat, steht nach Überzeugung des Senats im Hinblick auf die Sondersituation der Klägerin einem Anspruch auf Gewährung einer bariatrischen Operation als Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht entgegen. Zu Gunsten der Klägerin ist nämlich zu berücksichtigen, dass deren Adipositas bereits seit früher Jugend bestand und sie in den letzten Jahren immer wieder wenn auch erfolglos - in Eigeninitiative vielfältige Bemühungen unternommen hat, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Diese Erfolge waren jedoch wegen des sich bei ihr einstellenden Jo-Jo-Effekts nicht dauerhaft. Dass solche Konstellationen auftreten und die Art und Ausprägung einer Adipositas per magna in Einzelfällen dazu führen kann, dass eine konservative Therapie von vornherein als ohne Aussicht auf Erfolg angesehen muss, wird nunmehr auch in der S 3 Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" vom Juni 2010 unter Abschnitt 3.2 Unterpunkt 4 Primäre Indikation hervorgehoben. Darin heißt es:
"Lassen Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist, kann in Ausnahmefällen auch primär eine chirurgische Therapie durchgeführt werden; die Indikation hierzu ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen. Damit hat die Leitlinienkommission ein weiteres Beurteilungskriterium nach eingehender Diskussion präzisierend in die neuen Leitlinien aufgenommen, nämlich den Begriff der geringen Erfolgsaussicht der konservativen Therapie".
Der Senat stellt auf diese Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ab, da diese eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen darstellt (siehe: www.awmf.org/leitlinien.html, Stand 20.06.2013). Auch wenn diese rechtlich nicht bindend ist, gibt sie doch wichtige Entscheidungshilfen, zumal sie auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren beruht. Die Klassifizierung als "S3 Leitlinie" bringt zum Ausdruck, dass diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer Systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-analyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung) beinhaltet (www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ .../awmf-regelwerk ...organisation ...,Stand 20.06.2013).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Erfolgsaussichten einer rein konservativen Therapie mit dem Ausmaß der Adipositas in einer Wechselbeziehung stehen. Somit sind daher bei einer vergleichsweise geringen Adipositas an die Durchführung einer vorherigen konservativen Therapie strenge Anforderungen zu stellen. Je höher aber der BMI ist, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, alleine durch eine Umstellung der Ernährung, Bewegungs- und Psychotherapie sowie sonstige konservative Maßnahmen eine ausreichende Gewichtsreduktion in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Daher ist es angemessen, wenigstens in den Sonderfällen, in denen der BMI im oberen Bereich liegt und den Wert von 40 deutlich überschreitet, eine Magenverkleinerungsoperation krankenversicherungsrechtlich auch dann zu bewilligen, wenn die hinreichend glaubhaften und ernsthaften eigeninitiativen Bemühungen des Versicherten zur Gewichtsreduktion nicht den strengen Vorgaben zu einem sechs- bis zwölfmonatigen multimodalen und ärztlich geleiteten bzw. überwachten Therapiekonzept entsprechen (vgl. Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 17.01.2013 - S 9 KR 491/12, juris).
Im hiesigen Fall hat der Senat keine Veranlassung, die Angaben der Klägerin über ihre langjährigen erfolglos gebliebenen Bemühungen zur Gewichtsreduktion in Zweifel zu ziehen. Auch der Sachverständige Prof. Dr. K. ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ernsthaft vielfältige Versuche zur Gewichtsreduzierung unternommen hat, wenngleich diesen ein hinreichender konzeptioneller Zusammenhang gefehlt habe. Zwar führt der Sachverständige aus, ein leitliniengerechtes interdisziplinäres Therapiekonzept habe die Klägerin vor der Magenbypass-Operation nicht durchgeführt. Es seien nicht alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden, da eine adipositasgerechte Bewegungs- und Physiotherapie sowie eine Verhaltenstherapie nicht stattgefunden habe. Vor allem der Verhaltenstherapie komme eine ganz wesentliche stabilisierende Funktion zu, um eine langfristige Änderung des Lebensstils durchzuhalten. Seine Einschätzung, ein leitliniengerechtes interdisziplinäres langfristig angelegtes Therapiekonzept wäre sinnvoll und erfolgreich gewesen, relativiert Dr. K. in seinem Gutachten allerdings ganz erheblich. Entscheidend für den Senat ist hier die Einschränkung, nach derzeitiger medizinischer Erkenntnis seien die Maßnahmen der bariatrischen Chirurgie beim Vergleich mit denen konservativer Therapiekonzepte für die Adipositasbehandlung im Hinblick auf den Erfolg und dessen Nachhaltigkeit weit überlegen. So sei die mit Mitteln der Adipositaschirurgie in kurzer Zeit erzielbare Gewichtsabnahme mit keiner konservativen Maßnahme und schon gar nicht in einem vergleichbar kurzen Zeitraum erreichbar. Auch sei die bariatrisch-chirurgische Behandlungsform in Bezug auf das Aufhalten von Adipositas-assoziierten Folgeerkrankungen, insbesondere des Diabetes mellitus Typ II, deutlich erfolgreicher als die konservative Adipositastherapie.
Dass im Falle der Klägerin die bei dieser durchgeführte Magenbypassoperation deutlich erfolgreicher sei und nachhaltiger wirke als eine leitliniengerechte konservative Adipositastherapie hat Prof. K. in seinem Gutachten eindeutig bejaht. Er hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe durch den bariatrischen Eingriff 27 kg im Zeitraum 10.07.2007- 28.09.2008 an Körpergewicht abgenommen. Diese Gewichtsabnahme wäre durch ein interdisziplinäres, leitliniengerechtes konservatives Therapiekonzept nur in einem Zeitraum von 1-2 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit zu realisieren gewesen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Gewichtsreduktion gelte, dass die Klägerin nach den vorliegenden Befundberichten und dem jahrzehntelangen Verlauf der Adipositas mit großer Wahrscheinlichkeit das reduzierte Körpergewicht und auf gar keinen Fall einen BMI von 25-30 mittels der konservativen Therapie lebenslang hätte halten bzw. erreichen können.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V gibt den Krankenkassen vor, die im Dritten Kapitel genannten Leistungen, zu denen insbesondere die Behandlung einer Krankheit (§ 27 SGB V) gehört, den Versicherten unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung zu stellen. § 12 Abs. 1 SGB V konkretisiert diese Vorgabe dahin, dass die Leistungen ausreichend zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer und die Krankenkassen nicht bewilligen. Als wirtschaftlich im engeren Sinne wird in Rechtsprechung und Literatur dabei nicht die billigste zweier notwendiger Leistungen, sondern diejenige mit der besten Kosten-Nutzen-Relation angesehen. Der Nutzen bestimmt sich nach dem Behandlungsziel unter Einbeziehung der Nachhaltigkeit des Behandlungserfolges (vgl. BSG Urteil vom 22.07.1981 – 3 RK 50/79 -; Scholz in: Becker/Kingreen, SGB V 2. Auflage 2010, § 12 Rz. 8). Zur Überzeugung des Senats steht auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. K. fest, dass im Falle der Klägerin die durchgeführte Magenbypass-Operation insbesondere unter dem Aspekt der nachhaltigen Wirkung deutliche Vorteile gegenüber der von der Beklagten favorisierten leitliniengerechten konservativen Adipositastherapie aufweist.
Somit ergibt sich, dass die Beklagte rechtlich verpflichtet war, die Magenbypass- Operation als Sachleistung zu gewähren. Der dem widersprechende Ablehnungsbescheid vom 05.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2008 erweist sich somit als rechtswidrig.
Im Falle der Klägerin sind auch die weiteren Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V erfüllt. Dabei gilt, dass die selbst beschaffte Leistung grundsätzlich zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen muss wie die zuvor abgelehnte Leistung (vgl. BSG Urteil vom 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, Mamma-Augmentationsplastik bei Transsexualität, juris Rz. 32). Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten Magenbypass-Operation entsprach und notwendig war. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind zudem nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich vielmehr maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat. Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl. BSG Urteil vom 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, Mamma-Augmentationsplastik bei Transsexualität, juris Rz. 32 ff).
Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine Magenbypass-Operation zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt. Weil die Klägerin sich die bariatrische Operation selbst verschaffte, entstanden ihr ausweislich der Rechnung des St. Vinzenz-Krankenhauses Hanau vom 31.07.2007 für die Operation inklusive stationärer Behandlung Kosten in Höhe von 3.600,00 EUR.
Ihr war daher die Klageforderung in voller Höhe zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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