Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 10/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
§ 9 Abs. 2f GEHV steht einem Anspruch auf Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) nicht entgegen, wenn die Mitteilung der Rechtskraft erst im strittigen Monat eingeht, das ausgleichspflichtige Mitglied der KVH selbst aber noch nicht an der EHV teilnimmt.
1. Unter Abänderung des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 16.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bereits ab 01.06.2014 an der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten in gesetzlicher Höhe zu beteiligen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der endgültige Streitwert wird auf 926,01 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung der Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten bereits ab 01.06.2014 und nicht erst ab Juli 2014, da es auf die zum 31.05.2014 eingetretene Rechtskraft des Scheidungsurteils und nicht auf die Mitteilung des Amtsgerichts an die Beklagte ankomme.
Der 1947 geb. und jetzt 67-jährige Kläger war der Ehemann der 1951 geb. Frau Dr. C. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 05.07.2013 wurde die 1973 geschlossene Ehe geschieden und die Versorgungsanwartschaft der Ehefrau in der EHV aufgeteilt. Der Kläger erhielt eine monatliche Anwartschaft in Höhe von 888,40 EUR monatlich, bezogen auf den 31.07.2009, was einem Anspruchssatz von 7,0652 % entsprach. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies mit Beschluss vom 23.04.2014 die Beschwerde der Ehefrau zurück. Das Amtsgericht Bad Hersfeld teilte unter Datum vom 14.05.2014 mit, die Entscheidung vom 05.07.2013 sei seit dem 17.08.2013 rechtskräftig und wirksam geworden. Das Amtsgericht teilte unter Datum vom 22.05.2014 mit, die Rechtskraftmitteilung vom 14.05.2014 werde zurückgenommen. Die Beklagte erhalte nach Eintritt der Rechtskraft weitere Nachricht. Das Amtsgericht teilte unter Datum vom 25.06.2014 mit, die Entscheidung vom 05.07.2013 sei seit dem 31.05.2014 rechtskräftig und wirksam. Die Rechtskraftmitteilung vom 14.05.2014 werde hiermit zurückgenommen.
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.05.2014, bei der Beklagten am 22.05. eingegangen, die Teilnahme an der EHV. Er wies darauf hin, dass der Beschluss hinsichtlich der Scheidung seit dem 07.08.2013 rechtskräftig geworden sei. Dies habe das Amtsgericht Bad Hersfeld am 14.05.2014 bescheinigt.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 16.07.2014 die Teilnahme an der EHV ab dem 01.07.2014 in Höhe von monatlich 926,01 EUR. Sie wies auf § 9 Abs. 2f GEHV hin, wonach Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs vom ersten des Monats an geleistet würden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Die Mitteilung der Rechtskraft sei am 26.06.2014 erfolgt, sodass der Kläger ab 01.07.2014 an der EHV beteiligt werden könne.
Hiergegen legte der Kläger am 28.07.2014 insoweit Widerspruch ein, als der Anspruch nicht bereits ab 01.06.2014 bewilligt worden war. Das Gericht habe seinen Fehler berichtigt hinsichtlich der Mitteilung der Rechtskraft. Die Rechtskraft sei nunmehr zum 31.05.2014 verbindlich festgestellt worden. Danach bestehe der Zahlungsanspruch ab diesem Zeitpunkt, das heißt ab 01.06.2014. Es sei nicht zulässig, die Feststellung vom Zugang der Mitteilung durch das Gericht abhängig zu machen. Damit wäre der Feststellungszeitpunkt völlig beliebig und im Übrigen auch von der zügigen Bearbeitung seitens des Gerichts abhängig. Bei einer Zustellung erst nach einem halben Jahr wäre auch erst ab diesem Zeitpunkt der Anspruch begründet. Dies sei vom Gesetzgeber weder gewollt noch in irgendeiner Form gerechtfertigt.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.11.2014 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf ihre Satzungsgrundlage. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung nach § 9 Abs. 2f S. 1 der GEHV rechtwidrig sei, lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2014 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass sein Anspruch ab rechtskräftiger Scheidung bestehe und der Beginn des Versorgungsanspruchs nicht in das Belieben dritter Personen oder Behörden gestellt werden könne. Insofern seien die GEHV rechtswidrig. Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen eine Leistungsfreiheit für den Monat Juni 2014 bestehen sollte, zumal auch das ausgleichspflichtige Mitglied in diesem Zeitraum keine Leistungen erhalten habe. Diese sei nämlich bisher nicht versorgungsanspruchsberechtigt. Infolgedessen würde auch keine Doppelzahlung vorliegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 insofern abzuändern, als er ab 01.06.2014 an der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten zu beteiligen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs würden für bereits eingetretene Versorgungsfälle vom ersten des Monats an geleistet werden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Bis zu diesem gleichen Zeitpunkt würden Zahlungen an das ausgleichspflichtige Mitglied mit befreiender Wirkung geleistet werden (§ 30 Abs. 12 VersAusglG) (§ 9 Abs. 2f GEHV). Der geschiedene ausgleichsberechtigte Ehepartner (Ausgleichsberechtigter) erhalte ein eigenständiges Anrecht und damit eigenständige, vom Anspruchssatz ausgleichspflichtigen Mitglied losgelöste Leistungen aus der Realteilung. Im Hinblick hierauf habe dem Kläger ein Anspruch auf Teilnahme an der EHV frühestens vom ersten des Monats zugestanden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Eine Verpflichtung bestehe frühestens nach Zugang der Rechtskraftmitteilung. Dies sei unabhängig davon, ob sich die frühere Ehefrau des Klägers bereits im Leistungsbezug befinde. Eine familiengerichtliche Entscheidung bedeute einen gestaltenden Eingriff sowohl in die Rechtsbeziehungen der ausgleichsberechtigten als auch der ausgleichspflichtigen Person zu der Beklagten. Die Entscheidung könne frühestens mit Kenntnisnahme der Rechtskraftmitteilung umgesetzt werden. § 9 Abs. 2f GEHV könne nicht in Abhängigkeit von einer Zahlung an das ausgleichspflichtige Mitglied ausgelegt werden, da die ausgleichspflichtige Person nach § 9 Abs. 2e GEHV persönlich, d. h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied einbezogen werde. Die Abänderung wirke i. S. d. § 226 Abs. 4 FGG ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 27.03.2015 angehört. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 ist insoweit rechtswidrig, als der Kläger nicht bereits ab 01.06.2014 an der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten beteiligt wird. Er war daher insoweit abzuändern. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung der Teilnahme an der EHV auch für den Zeitraum vom 01. bis 30.06.2014.
Die Beklagte kann dem Anspruch des Klägers für den strittigen Monat Juni 2014 insb. nicht § 9 Abs. 2f GEHV entgegenhalten.
Anspruchsgrundlage ist § 9 Abs. 2e der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der hier maßgeblichen, ab 01.07.2012 gültigen Fassung (GEHV). Danach wird mit dem vom Familiengericht gemäß Abs. 2c begründeten eigenständigen Anrecht die ausgleichsberechtigte Person nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 bis 7 persönlich, d.h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied, in die EHV einbezogen. Damit wird auch auf die Antragsvorschrift nach § 1 Abs. 4 Satz 1 GEHV verwiesen. Danach ist ein Antrag erforderlich. Die Zahlungen beginnen vom ersten des auf den Eingang des Antrags folgenden Monats, wenn ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt wird. Hieraus folgt, dass grundsätzlich, abgesehen von der genannten Drei-Monats-Frist, die Leistung mit der Erfüllung aller Leistungsvoraussetzungen besteht. Aus § 1 Abs. 2 GEHV kann ferner in entsprechender Anwendung gefolgert werden, dass die Leistung frühestens ab dem Monat nach Antragsstellung erfolgt.
Der Kläger hat hier den Antrag am 22.05.2014 gestellt, Rechtskraft ist zum 31.05.2014 eingetreten. Damit waren ab 01.06.2014 die Voraussetzungen für die Teilnahme an der EHV erfüllt.
Soweit sich die Beklagte auf § 9 Abs. 2f GEHV beruft, ist diese Vorschrift auf den Fall des Klägers nicht anzuwenden, da seine geschiedene Ehefrau im Juni 2014 selbst nicht an der EHV teilgenommen hat.
Nach § 9 Abs. 2f GEHV werden Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs für bereits eingetretene Versorgungsfälle vom Ersten des Monats an geleistet, der auf die Mitteilung der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts folgt. Bis zum letzten Tag des Monats, der dem Monat folgt, in dem die KV Hessen von der Rechtskraft der Entscheidung Kenntnis erlangt hat, werden Zahlungen an das ausgleichspflichtige Mitglied mit befreiender Wirkung geleistet (§ 30 Abs. 1, 2 VersAusglG).
§ 9 Abs. 2f GEHV beruht offensichtlich, worauf in Satz 2 auch verwiesen wird, auf § 30 Abs. 1 und 2 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Danach ist der Versorgungsträger für eine Übergangszeit gegenüber der nunmehr auch berechtigten Person von der Leistungspflicht befreit, wenn das Familiengericht rechtskräftig über den Ausgleich entschieden hat und der Versorgungsträger "innerhalb einer bisher bestehenden Leistungspflicht an die bisher berechtigte Person" geleistet hat. § 30 VersAusglG ist eine allein dem Schutz der Versorgungsträger vor Doppelleistungen dienende Vorschrift, die voraussetzt, dass schon eine Leistungsberechtigung des Ausgleichspflichtigen besteht (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 27.06.2012 - 8 KA 4605/11 - juris, Rdnr. 25; Breuers in: juris PK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 30 VersAusglG, Rdnr. 5f. und 14).
Die ausgleichspflichtige frühere Ehefrau des Klägers stand jedenfalls vor Juli 2014 nicht im Leistungsbezug der EHV. Von daher ist § 9 Abs. 2f GEHV auf den Kläger nicht anwendbar.
Soweit die ausgleichspflichtige frühere Ehefrau des Klägers nicht an der EHV teilnimmt, können Doppelzahlungen nicht eintreten. Das Abstellen auf die Kenntnisnahme von der Rechtskraft soll nur verhindern, dass an die ursprünglich allein teilnahmeberechtigte Ehefrau nicht für Zeiträume der erhöhte Betrag geleistet wird, für die dann auch an den ausgleichsberechtigen Ehemann zu leisten ist. Der gestaltende Eingriff der familiengerichtlichen Entscheidung tritt mit seiner Verbindlichkeit gerade mit der Rechtskraft gegenüber allen Beteiligten ein. Insofern ist § 30 Abs. 1, 2 VersAusglG bzw. § 9 Abs. 2f GEHV als Ausnahmevorschrift zu sehen, die den Leistungsträger davor schützen soll, trotz Unkenntnis von dem Eintritt der Rechtskraft die erhöhten Leistungen zu zahlen, die im Regelfall aus Gründen des Vertrauensschutzes auch nicht zurückgefordert werden können. Nur insofern kommt es darauf an, dass die Beklagte die familiengerichtliche Entscheidung frühestens mit Kenntnisnahme der Rechtskraftmitteilung umsetzen kann.
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, § 9 Abs. 2f GEHV könne nicht in Abhängigkeit von einer Zahlung an das ausgleichspflichtige Mitglied ausgelegt werden, da die ausgleichsberechtigte Person nach § 9 Abs. 2e GEHV persönlich, d. h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied einbezogen werde, so verkennt sie, dass gerade der eigenständige Anspruch der ausgleichsberechtigten Person mit der Rechtskraft und nicht deren Mitteilung an die Beklagte bereits entstanden ist.
Weshalb aus § 226 Abs. 4 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eine spätere Leistungsberechtigung erfolgen soll, erschließt sich der Kammer aus dem Vorbringen der Beklagten nicht. Antragszeitpunkt ist der Antrag zum Versorgungsausgleich, auf den es hier nicht ankommt und der im Übrigen wesentlich früher liegt. Auch betrifft § 226 Abs. 4 FamFG das Verfahren in Versorgungsausgleichssachen (Abschnitt 8 FamFG) und regelt die Durchführung einer Abänderung des Wertausgleichs bei der Scheidung. Gegenstand des Abschnitt 8 FamFG ist das Verfahrensrecht, während das Gesetz über den Versorgungsausgleich den Versorgungsausgleich in materiellrechtlicher Hinsicht regelt (vgl. Schwedhelm in: Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 217 Rdnr. 1). § 226 Abs. 4 FamFG lässt im Übrigen § 30 VersAusglG unberührt (vgl. Schwedhelm, a.a.O., § 226, Rdnr. 5).
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert folgte aus dem Betrag der Teilnahme an der EHV für einen Monat.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der endgültige Streitwert wird auf 926,01 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung der Teilnahme an der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten bereits ab 01.06.2014 und nicht erst ab Juli 2014, da es auf die zum 31.05.2014 eingetretene Rechtskraft des Scheidungsurteils und nicht auf die Mitteilung des Amtsgerichts an die Beklagte ankomme.
Der 1947 geb. und jetzt 67-jährige Kläger war der Ehemann der 1951 geb. Frau Dr. C. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 05.07.2013 wurde die 1973 geschlossene Ehe geschieden und die Versorgungsanwartschaft der Ehefrau in der EHV aufgeteilt. Der Kläger erhielt eine monatliche Anwartschaft in Höhe von 888,40 EUR monatlich, bezogen auf den 31.07.2009, was einem Anspruchssatz von 7,0652 % entsprach. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies mit Beschluss vom 23.04.2014 die Beschwerde der Ehefrau zurück. Das Amtsgericht Bad Hersfeld teilte unter Datum vom 14.05.2014 mit, die Entscheidung vom 05.07.2013 sei seit dem 17.08.2013 rechtskräftig und wirksam geworden. Das Amtsgericht teilte unter Datum vom 22.05.2014 mit, die Rechtskraftmitteilung vom 14.05.2014 werde zurückgenommen. Die Beklagte erhalte nach Eintritt der Rechtskraft weitere Nachricht. Das Amtsgericht teilte unter Datum vom 25.06.2014 mit, die Entscheidung vom 05.07.2013 sei seit dem 31.05.2014 rechtskräftig und wirksam. Die Rechtskraftmitteilung vom 14.05.2014 werde hiermit zurückgenommen.
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.05.2014, bei der Beklagten am 22.05. eingegangen, die Teilnahme an der EHV. Er wies darauf hin, dass der Beschluss hinsichtlich der Scheidung seit dem 07.08.2013 rechtskräftig geworden sei. Dies habe das Amtsgericht Bad Hersfeld am 14.05.2014 bescheinigt.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 16.07.2014 die Teilnahme an der EHV ab dem 01.07.2014 in Höhe von monatlich 926,01 EUR. Sie wies auf § 9 Abs. 2f GEHV hin, wonach Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs vom ersten des Monats an geleistet würden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Die Mitteilung der Rechtskraft sei am 26.06.2014 erfolgt, sodass der Kläger ab 01.07.2014 an der EHV beteiligt werden könne.
Hiergegen legte der Kläger am 28.07.2014 insoweit Widerspruch ein, als der Anspruch nicht bereits ab 01.06.2014 bewilligt worden war. Das Gericht habe seinen Fehler berichtigt hinsichtlich der Mitteilung der Rechtskraft. Die Rechtskraft sei nunmehr zum 31.05.2014 verbindlich festgestellt worden. Danach bestehe der Zahlungsanspruch ab diesem Zeitpunkt, das heißt ab 01.06.2014. Es sei nicht zulässig, die Feststellung vom Zugang der Mitteilung durch das Gericht abhängig zu machen. Damit wäre der Feststellungszeitpunkt völlig beliebig und im Übrigen auch von der zügigen Bearbeitung seitens des Gerichts abhängig. Bei einer Zustellung erst nach einem halben Jahr wäre auch erst ab diesem Zeitpunkt der Anspruch begründet. Dies sei vom Gesetzgeber weder gewollt noch in irgendeiner Form gerechtfertigt.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.11.2014 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf ihre Satzungsgrundlage. Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung nach § 9 Abs. 2f S. 1 der GEHV rechtwidrig sei, lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2014 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass sein Anspruch ab rechtskräftiger Scheidung bestehe und der Beginn des Versorgungsanspruchs nicht in das Belieben dritter Personen oder Behörden gestellt werden könne. Insofern seien die GEHV rechtswidrig. Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen eine Leistungsfreiheit für den Monat Juni 2014 bestehen sollte, zumal auch das ausgleichspflichtige Mitglied in diesem Zeitraum keine Leistungen erhalten habe. Diese sei nämlich bisher nicht versorgungsanspruchsberechtigt. Infolgedessen würde auch keine Doppelzahlung vorliegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 insofern abzuändern, als er ab 01.06.2014 an der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten zu beteiligen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs würden für bereits eingetretene Versorgungsfälle vom ersten des Monats an geleistet werden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Bis zu diesem gleichen Zeitpunkt würden Zahlungen an das ausgleichspflichtige Mitglied mit befreiender Wirkung geleistet werden (§ 30 Abs. 12 VersAusglG) (§ 9 Abs. 2f GEHV). Der geschiedene ausgleichsberechtigte Ehepartner (Ausgleichsberechtigter) erhalte ein eigenständiges Anrecht und damit eigenständige, vom Anspruchssatz ausgleichspflichtigen Mitglied losgelöste Leistungen aus der Realteilung. Im Hinblick hierauf habe dem Kläger ein Anspruch auf Teilnahme an der EHV frühestens vom ersten des Monats zugestanden, der auf die Mitteilung der Rechtskraft des Urteils des Familiengerichts folge. Eine Verpflichtung bestehe frühestens nach Zugang der Rechtskraftmitteilung. Dies sei unabhängig davon, ob sich die frühere Ehefrau des Klägers bereits im Leistungsbezug befinde. Eine familiengerichtliche Entscheidung bedeute einen gestaltenden Eingriff sowohl in die Rechtsbeziehungen der ausgleichsberechtigten als auch der ausgleichspflichtigen Person zu der Beklagten. Die Entscheidung könne frühestens mit Kenntnisnahme der Rechtskraftmitteilung umgesetzt werden. § 9 Abs. 2f GEHV könne nicht in Abhängigkeit von einer Zahlung an das ausgleichspflichtige Mitglied ausgelegt werden, da die ausgleichspflichtige Person nach § 9 Abs. 2e GEHV persönlich, d. h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied einbezogen werde. Die Abänderung wirke i. S. d. § 226 Abs. 4 FGG ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 27.03.2015 angehört. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2014 ist insoweit rechtswidrig, als der Kläger nicht bereits ab 01.06.2014 an der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten beteiligt wird. Er war daher insoweit abzuändern. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung der Teilnahme an der EHV auch für den Zeitraum vom 01. bis 30.06.2014.
Die Beklagte kann dem Anspruch des Klägers für den strittigen Monat Juni 2014 insb. nicht § 9 Abs. 2f GEHV entgegenhalten.
Anspruchsgrundlage ist § 9 Abs. 2e der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in der hier maßgeblichen, ab 01.07.2012 gültigen Fassung (GEHV). Danach wird mit dem vom Familiengericht gemäß Abs. 2c begründeten eigenständigen Anrecht die ausgleichsberechtigte Person nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 bis 7 persönlich, d.h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied, in die EHV einbezogen. Damit wird auch auf die Antragsvorschrift nach § 1 Abs. 4 Satz 1 GEHV verwiesen. Danach ist ein Antrag erforderlich. Die Zahlungen beginnen vom ersten des auf den Eingang des Antrags folgenden Monats, wenn ein Antrag auf Teilnahme an der EHV später als drei Monate nach Eintritt des Versorgungsfalles gestellt wird. Hieraus folgt, dass grundsätzlich, abgesehen von der genannten Drei-Monats-Frist, die Leistung mit der Erfüllung aller Leistungsvoraussetzungen besteht. Aus § 1 Abs. 2 GEHV kann ferner in entsprechender Anwendung gefolgert werden, dass die Leistung frühestens ab dem Monat nach Antragsstellung erfolgt.
Der Kläger hat hier den Antrag am 22.05.2014 gestellt, Rechtskraft ist zum 31.05.2014 eingetreten. Damit waren ab 01.06.2014 die Voraussetzungen für die Teilnahme an der EHV erfüllt.
Soweit sich die Beklagte auf § 9 Abs. 2f GEHV beruft, ist diese Vorschrift auf den Fall des Klägers nicht anzuwenden, da seine geschiedene Ehefrau im Juni 2014 selbst nicht an der EHV teilgenommen hat.
Nach § 9 Abs. 2f GEHV werden Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs für bereits eingetretene Versorgungsfälle vom Ersten des Monats an geleistet, der auf die Mitteilung der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts folgt. Bis zum letzten Tag des Monats, der dem Monat folgt, in dem die KV Hessen von der Rechtskraft der Entscheidung Kenntnis erlangt hat, werden Zahlungen an das ausgleichspflichtige Mitglied mit befreiender Wirkung geleistet (§ 30 Abs. 1, 2 VersAusglG).
§ 9 Abs. 2f GEHV beruht offensichtlich, worauf in Satz 2 auch verwiesen wird, auf § 30 Abs. 1 und 2 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Danach ist der Versorgungsträger für eine Übergangszeit gegenüber der nunmehr auch berechtigten Person von der Leistungspflicht befreit, wenn das Familiengericht rechtskräftig über den Ausgleich entschieden hat und der Versorgungsträger "innerhalb einer bisher bestehenden Leistungspflicht an die bisher berechtigte Person" geleistet hat. § 30 VersAusglG ist eine allein dem Schutz der Versorgungsträger vor Doppelleistungen dienende Vorschrift, die voraussetzt, dass schon eine Leistungsberechtigung des Ausgleichspflichtigen besteht (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 27.06.2012 - 8 KA 4605/11 - juris, Rdnr. 25; Breuers in: juris PK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 30 VersAusglG, Rdnr. 5f. und 14).
Die ausgleichspflichtige frühere Ehefrau des Klägers stand jedenfalls vor Juli 2014 nicht im Leistungsbezug der EHV. Von daher ist § 9 Abs. 2f GEHV auf den Kläger nicht anwendbar.
Soweit die ausgleichspflichtige frühere Ehefrau des Klägers nicht an der EHV teilnimmt, können Doppelzahlungen nicht eintreten. Das Abstellen auf die Kenntnisnahme von der Rechtskraft soll nur verhindern, dass an die ursprünglich allein teilnahmeberechtigte Ehefrau nicht für Zeiträume der erhöhte Betrag geleistet wird, für die dann auch an den ausgleichsberechtigen Ehemann zu leisten ist. Der gestaltende Eingriff der familiengerichtlichen Entscheidung tritt mit seiner Verbindlichkeit gerade mit der Rechtskraft gegenüber allen Beteiligten ein. Insofern ist § 30 Abs. 1, 2 VersAusglG bzw. § 9 Abs. 2f GEHV als Ausnahmevorschrift zu sehen, die den Leistungsträger davor schützen soll, trotz Unkenntnis von dem Eintritt der Rechtskraft die erhöhten Leistungen zu zahlen, die im Regelfall aus Gründen des Vertrauensschutzes auch nicht zurückgefordert werden können. Nur insofern kommt es darauf an, dass die Beklagte die familiengerichtliche Entscheidung frühestens mit Kenntnisnahme der Rechtskraftmitteilung umsetzen kann.
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, § 9 Abs. 2f GEHV könne nicht in Abhängigkeit von einer Zahlung an das ausgleichspflichtige Mitglied ausgelegt werden, da die ausgleichsberechtigte Person nach § 9 Abs. 2e GEHV persönlich, d. h. unabhängig von dem ausgleichspflichtigen Mitglied einbezogen werde, so verkennt sie, dass gerade der eigenständige Anspruch der ausgleichsberechtigten Person mit der Rechtskraft und nicht deren Mitteilung an die Beklagte bereits entstanden ist.
Weshalb aus § 226 Abs. 4 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) eine spätere Leistungsberechtigung erfolgen soll, erschließt sich der Kammer aus dem Vorbringen der Beklagten nicht. Antragszeitpunkt ist der Antrag zum Versorgungsausgleich, auf den es hier nicht ankommt und der im Übrigen wesentlich früher liegt. Auch betrifft § 226 Abs. 4 FamFG das Verfahren in Versorgungsausgleichssachen (Abschnitt 8 FamFG) und regelt die Durchführung einer Abänderung des Wertausgleichs bei der Scheidung. Gegenstand des Abschnitt 8 FamFG ist das Verfahrensrecht, während das Gesetz über den Versorgungsausgleich den Versorgungsausgleich in materiellrechtlicher Hinsicht regelt (vgl. Schwedhelm in: Bahrenfuss, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 217 Rdnr. 1). § 226 Abs. 4 FamFG lässt im Übrigen § 30 VersAusglG unberührt (vgl. Schwedhelm, a.a.O., § 226, Rdnr. 5).
Nach allem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert folgte aus dem Betrag der Teilnahme an der EHV für einen Monat.
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