Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 12 VS 2002/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 VE 19/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1955 geborene Kläger leistete im Zeitraum 1. Januar 1975 bis 31. März 1976 Grundwehrdienst; bis 31. März 1975 leistete er seine Grundausbildung beim x1. Luftwaffenausbildungsregiment x2 in C-Stadt ab und war ab 1. April 1975 beim x3. Flugabwehrbataillon x4 in D-Stadt als Flugabwehrraketenkanonier eingesetzt. Er nahm an einer Ausbildung am Arbeitsplatz (AAP) teil und bestand am 23. Juni 1975 eine AAP-Prüfung für eine Qualifikation mit der so genannten ATN-Nr. 581 1783 N. Er arbeitete als Operator (Bediener) am Target Tracking Radar des Waffensystems NIKE.
Der Kläger erkrankte 1999 an Blasenkrebs, infolge dessen ihm Harnblase und Prostata entfernt wurden. Am 2. April 2002 beantragte der Kläger beim Beklagten deshalb die Gewährung von Beschädigtenversorgung und gab im Rahmen eines Fragebogens an, er habe als Target Tracking Radar Operator am Gerät NIKE gearbeitet. Auf die Frage, welche Arbeiten er als Operator durchgeführt habe, an welchen Sichtgeräten er gearbeitet habe, ob mit oder ohne Abdeckung und in welchem zeitlichen Umfang, antwortete der Kläger zu den ausgeführten Arbeiten, die im Fragebogen beispielhaft mit Einschalt- bzw. Einrichtvorgängen, Entfernungsabgleich, Zielortung, Gefechtsüberwachung angegeben waren, pauschal, genau diese Punkte seien zutreffend.
Die Beigeladene führte eine Berechnung und Bewertung der Exposition mit Röntgenstrahlung durch und zog vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen, Andernach, die medizinischen Unterlagen des Klägers aus seiner Dienstzeit bei.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 lehnte der Beklagte die Anerkennung von Schädigungsfolgen ab und führte aus, die Überprüfung des Antrags des Klägers habe im Zusammenwirken mit der Sondergruppe Strahlen bei der Wehrbereichsverwaltung Süd ergeben, dass der Kläger während seines Wehrdienstes nicht an den Radargeräten als Mechaniker gearbeitet habe, sondern als Flugabwehrraketenkanonier (Bediener/Operator) am Waffensystem NIKE eingesetzt und bei dieser Tätigkeit keinen Strahlenexpositionen ausgesetzt gewesen sei. Allgemein sei bei Strahlung im Zusammenhang mit dem Betrieb von Radargeräten zwischen Hochfrequenzstrahlung (HF-Strahlung, elektromagnetische Felder) und ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung) zu unterscheiden. Die HF-Strahlung sei nach heutigem Stand der Wissenschaft keine Ursache von Spätschäden, insbesondere Krebs. Eine Exposition durch Röntgenstrahlung sei nur für ausgebildete Radarmechaniker möglich, da die Reichweite dieser Strahlung im Bereich von Zentimetern bis wenigen Dezimetern liege, wobei zur Exposition regelmäßig das Öffnen von Gehäuseteilen erforderlich sei. Diese Tätigkeiten hätten nur durch das hierfür vorgesehene Personal erfolgen können und dürfen. Personal, das sich zwar in der Nähe der Radargeräte aufgehalten habe, ausbildungsmäßig aber nicht als Radarmechaniker zu bezeichnen sei, habe durch Röntgenstrahlung nicht exponiert werden können. Die gelegentliche Mithilfe bei Wartung und Instandsetzung durch Bedienerpersonal entspreche nicht der qualifizierten Arbeit, die zu einer Röntgenexposition hätte führen können. Ionisierende Röntgenstrahlung entstehe in sogenannten Endstufenröhren bei der Erzeugung der elektromagnetischen Felder. Am Waffensystem NIKE seien keine nicht berührungssicher abgedeckten radioaktiven Leuchtfarben an den Radargeräten oder auf den Beschriftungen der Konsolen und Bedienelemente im BCT und RTC gefunden worden. Eine Inkorporationsgefahr habe daher beim bestimmungsgemäßen Betrieb nicht bestanden. Eine Exposition durch ionisierende Strahlung radioaktiver Stoffe über den Grenzwert der allgemeinen Bevölkerung hinaus habe nicht stattgefunden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörung und den Wehrdienstverrichtungen bestehe nicht.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. August 2002 Widerspruch, den er nicht näher begründete. Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Überprüfung im Falle des Klägers habe ergeben, dass dieser während seines Wehrdienstes nicht als Radarmechaniker/-techniker oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt gewesen sei und damit keine der von der Radarkommission vorgegebenen qualifizierenden Tätigkeiten ausgeübt habe. Es könne somit nicht von einer Exposition mit ionisierender Strahlung auf Grund wehrdienstlicher Einflüsse ausgegangen werden. Die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 81 Abs. 1 SVG lägen somit nicht vor. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung "Blasenkrebs" sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Am 7. Juni 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, er sei in jedem Fall einer erheblichen Strahlenexposition ausgesetzt gewesen. Zu Wartungsarbeiten seien generell Mannschaftsdienstgrade herangezogen worden. Es habe deutliche Diskrepanzen zwischen den Arbeitsplatzbeschreibungen und den tatsächlichen Verhältnissen gegeben. Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger u. a. ein Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 4. März 2004, Az. xxxx5, die Kopie einer E-Mail des General-Inspizienten E., Brigadegeneral F., Unterlagen aus einem US-amerikanischen Schadensersatzverfahrens sowie verschiedene Auszüge aus dem Bericht der Radarkommission vorgelegt. Auf einer Seite des Berichts der Radarkommission (Bl. 24 GA) hat er handschriftlich an die Ausführungen ("Die erste Kategorie umfasst Arbeitsplätze in geringer Entfernung von Dauerstrichradarantennen oder leistungsstarken Rundsuchradarantennen und Arbeitsplätze in geschlossenen Räumen ") vermerkt: "10m dto".
Die Beigeladene hat vorgetragen, der Teilbericht der Radarkommission zum Waffensystem NIKE verdeutliche, dass der Kläger den Fragebogen zu seiner Tätigkeit im Verwaltungsverfahren doch ziemlich ungenau und unpräzise ausgefüllt habe, soweit er zur Verwendung als Operator die exemplarisch aufgeführten Tätigkeiten als genau diese Punkte bezeichnet habe, um die es ihm gehe. Die Ungenauigkeit sehe sie darin, dass hier aber Tätigkeiten an verschiedenen Geräten dargestellt seien, z. B. Entfernungsabgleich und Zielortung, die an unterschiedlichen Geräten erledigt worden seien, wie es der Teilbericht anführe. Das TTR-Gerät diene nicht zum Entfernungsabgleich, dafür sei ein anderes Gerät, das TRR-Gerät geeignet gewesen, an dem der Kläger seinen Eintragungen zufolge aber nicht tätig gewesen sei. Der Kläger verkenne den Radarbericht insoweit, als er eher pauschal hierauf verweise, aber nicht berücksichtige, dass die Entfernung eine hier herausragende Rolle spielte. Wenn der Kläger seiner handschriftlichen Erklärung zufolge 10 Meter vom TTR-Gerät entfernt gewesen sei, dann gebe er damit keine unmittelbare Nähe zum Gerät und damit auch keine unmittelbare Tätigkeit am Gerät, wie es der Bericht der Radarkommission fordere, bekannt. Hier seien schon Zentimeter angesprochen, 10 Meter ließen keine Gefährdung erkennen, wie es der Teilbericht auch deutlich sage. Die Tätigkeit als Bediener/Operator sei danach nur dann qualifizierend, wenn ein Operator Radartechniker nicht nur gelegentlich direkt am geöffneten und in Betrieb befindlichem Radargerät unterstützt hätte. Ein substantieller Vortrag hierzu fehle. Allein die ATN-Nr. spreche gegen Unterstützungstätigkeiten an eingeschalteten Radaranlagen, denn diese sei nur bei einer ATN-Stufe 7 (maßgeblich sei die vorletzte Stelle der ATN-Nr.) anzunehmen, der Kläger habe jedoch nur die ATN-Stufe 8 besessen und keine einschlägig qualifizierende Vorausbildung.
Mit Urteil vom 10. November 2009 hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, beim Kläger mit Wirkung seit April 2002 als Schädigungsfolgen Blasenkrebs, fehlende Harnblase und Prostata, Inkontinenz, Impotenz anzuerkennen, den Grad der Schädigungsfolgen auf 50 festzusetzen und eine entsprechende Beschädigtenrente zu bewilligen. Zu Recht seien der Beklagte und die Beigeladene davon ausgegangen, dass es entscheidend darauf ankomme, ob der Kläger einer schädigenden Röntgenstrahlung in ausreichendem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei. Zwar habe die Beigeladene richtig ausgeführt, dass der Kläger, der lediglich Grundwehrdienst geleistet habe, nicht zum Radarmechaniker ausgebildet gewesen sei. Die Kammer sei jedoch davon überzeugt, dass der Kläger selbst, vermutlich gegen damalige Vorschriften, Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeführt habe. Dies hätten die glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ergeben. Nach den Ausführungen der Radarkommission sei der Blasenkrebs damit kausal auf diese Strahlenexposition zurückzuführen. Folge des Blasenkrebses seien die Entfernung der Harnblase und der Prostata und die noch heute bestehende Inkontinenz und Impotenz. Der Grad der Schädigungsfolgen sei zumindest mit 50 zu bewerten.
Gegen das ihnen am 5. bzw. 8. Januar 2010 zugestellte Urteil haben der Beklagte am 4. Februar 2010 und die Beigeladene am 18. Januar 2010 Berufungen zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt (L 4 VE 2/10).
Der Senat hat aus dem Parallelverfahren L 4 VE 29/10 eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Verteidigung vom 30. Juli 2007 (Az. PSZ III 3 – Radar – Az. 20 01-04/69) sowie einen Schriftsatz der auch dort beigeladenen Wehrbereichsverwaltung Süd vom 2. April 2008 beigezogen. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet und das Verfahren am 8. August 2011 fortgeführt (L 4 VE 19/11).
Der Beklagte trägt vor, es sei von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger überhaupt einer direkten Strahlenexposition durch Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeliefert gewesen sei. Der Kläger sei als Target Tracking Operator an dem Gerät "NIKE" eingesetzt gewesen. Diese Tätigkeit umfasse jedoch nur die Bedienung des Zielerfassungsgeräts, aber gerade nicht die Wartung an offenen Geräteteilen, des Radars, wie sie von der Radarkommission für eine erhöhte Strahlenbelastung vorausgesetzt werde. Die krebserregende ionisierende Strahlung trete nämlich nur bei der Arbeit an offenen Geräteteilen des Radargeräts in unmittelbarer Umgebung zu der Öffnung auf, d. h. in einem Bereich von bis zu etwa 30cm. Aus diesem Grund seien nur Techniker und Mechaniker, die die Wartung und Reparatur der Radargeräte unmittelbar ausgeführt hätten, einem erhöhtem Strahlenrisiko ausgesetzt gewesen. Zu dieser Gruppe habe der Kläger nicht gehört und habe als Target Tracking Operator bei Befolgung seiner Arbeitsanweisungen immer mehr als ausreichend Abstand zu den Radargeräten gehabt. Das erstinstanzliche Gericht sei offensichtlich dem pauschalen Vortrag des Klägers, es sei üblich gewesen, dass auch das Bedienpersonal bei Wartungen geholfen habe, gefolgt, wofür es keine überzeugenden Gründe, insbesondere keine Beweismittel gebe. Selbst die behauptete Hilfe, also das Anreichen der Werkzeuge würde nicht ausreichen, um den Kläger einer ausreichenden Strahlung auszusetzen, da diese nur im Zentimeterbereich um die Öffnung gefährlich gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er sei auch mit Wartungsarbeiten an offenen Geräten beschäftigt gewesen, es habe sich um Arbeiten an Radarantennen gehandelt. Die Angabe der Entfernung von ca. 10 m habe sich auf den Aufenthaltsbereich während des Bereitschaftsdienstes bezogen. Bei seiner Tätigkeit habe es sich um eine qualifizierte Tätigkeit im Sinne des Berichts der Radarkommission gehandelt. Soweit die Beigeladene auf das erste Ausschlusskriterium bzgl. der maximalen Betriebsspannung des im TTR verwendeten Störstrahlers verweise, habe es sich bei seiner Tätigkeit um eine Tätigkeit am TRR gehandelt, er habe die Begrifflichkeiten verwechselt. Man unterstelle fälschlicherweise, dass ein Operator nur zur Wartung bzw. Reparatur am jeweiligen Gerät herangezogen worden sei, dessen Bedienung zu seinem Aufgabengebiet gehört habe. Gerade hierbei spiele die Qualifikation keine Rolle, da zum Halten eines Bauteils o. ä. keine spezielle Qualifikation notwendig gewesen sei.
Die Beigeladene hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 zurückgenommen und führt unter Vorlage einer Stellungnahme der Wehrbereichsverwaltung Nord - Strahlenmessstelle der Bundeswehr vom 6. Mai 2010 aus, dass – unabhängig davon, dass die tragenden Gründe des Urteils unbekannt geblieben seien – das Sozialgericht § 15 VfG-KOV anzuwenden scheine. Diese Vorschrift sei hier aber nicht anwendbar, weil das Sozialgericht nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, den Sachverhalt aufzuklären. Es gehe pauschal davon aus, der Kläger habe Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeführt, ohne nachzufragen, was darunter zu verstehen sei und um welche Geräte es sich gehandelt habe. Die Angaben des Klägers seien aber nicht hinreichend substantiiert. Nach dem Bericht der Radarkommission werde beim Nachweis entsprechender qualifizierender Tätigkeiten und einer qualifizierten Erkrankung die Ursächlichkeit einer lediglich vermuteten Strahlenexposition für diese Gesundheitsstörung unterstellt, ohne dass im Einzelfall eine genaue Ersatzdosisberechnung bezüglich der Strahlenexposition durchgeführt werde. Zumindest die Ausübung einer qualifizierenden Tätigkeit müsse nach wie vor nachgewiesen werden. Die Beigeladene hat weiterhin eine Stellungnahme der Schwerpunktgruppe Radar vom 10. Juni 2011 vorgelegt, wonach das zweite Ausschlusskriterium des Berichts der Radarkommission vorliege. Dieses Ausschlusskriterium betreffe Teilkörperexpositionen, die das erkrankte Organ nicht betrafen. Am Radargerät TTR hätten nur Teilkörperexpositionen der Hände und Unterarme auftreten können. Die Radarkommission habe vorgegeben, dass eine Anerkennung ausgeschlossen werden könne, wenn nur Teilkörperexpositionen auftreten konnten, die das erkrankte Organ nicht betroffen hätten. Dies sei beim Radargerät TTR der Fall, da der Tumor des Klägers nicht im Bereich der Hände oder Unterarme lokalisiert sei. Hinsichtlich einer evtl. Exposition mit radioaktiven Leuchtfarben belaufe sich die insgesamt zu berücksichtigende Organdosis auf 1,75 mSv insgesamt und liege damit unterhalb des von der Radarkommission empfohlenen Schwellenwertes für eine Anerkennung des Leidens als WDB-Folge in Höhe von 100 mSv. Damit sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich, dies sei grundsätzlich ab der zusätzlich zu der immer als Umgebungsstrahlung vorhandenen Strahlendosis gegeben, bei der sich das Erkrankungsrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung verdopple. Diese Dosis liege für maligne solide Tumore keinesfalls unter 1000 mSv. Für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt gelte zum Vergleich eine einschränkungsfreie Jahreshöchstgrenze von 20 mSv, die mit einer Ausnahmegenehmigung noch überschritten werden dürfe. Die Organdosis für die gesamte Wehrdienstzeit des Klägers liege noch deutlich unter der dieser Schwelle für ein einzelnes Jahr.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung und auf Entschädigungsleistungen wegen seiner Tätigkeit als Wehrdienstleistender am Waffensystem NIKE in der Zeit vom 1. April 1975 bis 31. März 1975, weil eine schädigende Strahlenexposition nicht hinreichend nachgewiesen wurde. Das Urteil des Sozialgerichts vom 10. November 2009 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz – SVG) erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung (WDB) erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist.
Eine WDB ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, bestimmt sich bei unfallunabhängigen Krankheiten der vom SVG geschützte Bereich nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, B 9/9a VS 5/06 R, Juris Rdnr. 20 m. w. N.). Die Fälle, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes/wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, teilt das BSG in drei Gruppen ein:
a) Die angebliche Schädigungsfolge ist in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII -);
b) die angebliche Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden können (§ 9 Abs. 2 SGB VII);
c) die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter a) noch unter b), die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen.
Diese Regelung erklärt sich daraus, dass Krankheiten regelmäßig nicht auf ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln. Als Mitursachen kommen persönliche Lebensweise, Erbanlagen, Störungen während der Entwicklungsphase, private Unfälle, Umwelteinflüsse und anderes in Frage. Ob eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen ein Wehrpflichtiger oder Wehrdienstleistender ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht allein mit Hilfe medizinischer Sachverständiger im Einzelfall feststellbar. Vielmehr kann nur nach statistischen Grundsätzen festgestellt werden, ob die Erkrankungsgefahr durch solche Einflüsse erhöht worden ist. Wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der nicht uneingeschränkten Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft kann dies nur allgemein entschieden werden. Eine solche allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet des Berufskrankheitenrechts mit der BKV gegeben. Darin sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Berufskrankheiten eingeflossen, wonach bestimmte Tätigkeiten im Arbeitsleben in auffallender Weise mit Erkrankungen verbunden sind (Senatsurteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10, vgl. auch BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 3).
Im vorliegenden Fall ist die Berufskrankheit BK-Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" einschlägig. Die Aufnahme in die BKV bedeutet aber nur, dass diese Krankheit generell geeignet ist, Berufskrankheit - oder übertragen auf das SVG "Wehrdienstkrankheit" - zu sein. Es ist daher in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Erkrankung nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ihre Ursache in einer dem Wehrdienst zuzuordnenden schädigenden Einwirkung hat. Die schädigende Einwirkung setzt den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination und oder Inkorporation voraus. Eine solche schädigende Strahlenexposition des Klägers ist jedoch nicht nachgewiesen.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat eine aus unabhängigen Experten bestehende Radarkommission eingesetzt, die in ihrem Bericht vom 2. Juli 2003 (Bericht der Radarkommission – BdR -) ausgeführt hat, dass der Umgang mit Störstrahlern in Radar-Waffensystemen historisch in drei Phasen zu gliedern ist, wobei Phase 1 (1958 bis 1975) dadurch gekennzeichnet ist, dass Messwerte, welche die nachträgliche Ermittlung der Exposition gestatten würden, nicht vorlagen, und gemessen an heutigen Maßstäben, kein adäquater Strahlenschutz bestand. In Phase 1 lagen keine aussagefähigen personendosimetrischen Daten vor. Phase 2 (1975 bis 1985) stellte eine sog. Übergangsperiode darstellte, in der nach alarmierenden Messungen am Radargerät SGR-103 der Marine nach und nach an wichtigen Waffensystemen der Bundeswehr systematische Messungen durchgeführt wurden und entsprechende Strahlenschutzmaßnahmen installiert wurden. In Phase 3 (ab 1985) kann vom Vorhandensein eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (vgl. BdR 2003 S. 130 f.). Bei Personen, die in der Phase 1 an anderen Radargeräten als dem SGR-103 tätig gewesen sind, kommt nach dem BdR 2003 (S. 135) die Anerkennung einer WDB in Betracht, wenn eine sogenannte qualifizierende Tätigkeit als Techniker/Mechaniker oder Bediener (Operator) an Radaranlagen ausgeübt wurde.
Der Umstand, dass gerade in der Phase 1 die Bundeswehr Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung unterlassen hat, kann nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen (Senatsurteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10, so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juli 2008 L 6 VS 2599/06 -, Juris). Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, wird der Eintritt einer Beweislastumkehr nur dann in Betracht kommen, wenn eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung vorliegt (BSG, Urteil vom 26. Februar 1992, 9a RV 4/91, Juris). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zwar weist der BdR darauf hin, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von der Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden und erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt wurden (BdR S. 130 f.). Aus dieser Beschreibung sind Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen zu erkennen, von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse etc. geheim gehalten werden. In der Rechtsprechung wird allerdings davon ausgegangen, dass im Rahmen der "Radarfälle" zugunsten der Betroffenen Beweiserleichterungen beim Nachweis des schädigenden Ereignisses zu gewähren sind. Denn die Situation, dass potentielle Strahlenopfer die objektive Beweislast für die Schädigung tragen, obwohl gerade für die länger zurückliegenden Zeiten mangels entsprechender Schutzvorschriften von einem erhöhten Strahlenrisiko ausgegangen werden kann (BdR S. 31), ist unbefriedigend (LSG Baden-Württemberg a.a.O). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10) sind daher die gutachtlichen Ergebnisse der Radarkommission, in welchen Fällen eine Schädigung anerkannt werden sollte, im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Ob der BdR dabei als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen ist (so u.a. LSG Bremen, Urteil vom 13. Februar 2008, L 5 VS 11/05, Juris Rdnr. 29) oder lediglich als eine gutachtliche Äußerung, die neben anderen wissenschaftlichen Meinungsäußerungen steht (so LSG Baden-Württemberg a.a.O, Juris Rdnr. 34), kann der Senat allerdings vorliegend dahinstehen lassen. Denn auch unter Berücksichtigung der Maßgaben des BdR ist im vorliegenden Fall kein ausreichender Nachweis geführt, dass der Kläger Tätigkeiten an Radaranlagen ausgeübt hat, bei denen eine gesundheitlich bedenkliche Exposition gegenüber ionisierender Strahlung möglich gewesen wäre und die ursächlich für das Auftreten der Krebserkrankung sein könnte.
Der Kläger war während seines Wehrdienstes nicht als Radarmechaniker am Waffensystem NIKE eingesetzt, sondern als Operator (Bediener). Diese wurden nach dem Teilbericht "NIKE" der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 12. April 2002, der auch von der Radarkommission bei Erstellung des BdR 2003 zugrunde gelegt wurde, zum Betrieb des Waffensystems eingesetzt. Im Falle einer technischen Störung oder zur Durchführung von geplanten Wartungsarbeiten wurde technisches Personal eingesetzt, wobei Wartungsmaßnahmen grundsätzlich zur operationellen Außerbetriebnahme des betroffenen Geräts geführt haben soll, wobei Wartungsarbeiten direkt während des Einsatzbetriebes am Target Tracking Radar (TTR), Missile Tracking Radar (MTR) und Target Ranging Radar (TRR) aus Arbeitsschutzgründen (mechanische Bewegung) nicht möglich gewesen sind. Aus den Tracking-Radargeräten des Waffensystems MTR und TTR sowie am TRR trat nach dem Teilbericht (S. 21) keine aus Strahlenschutzgründen relevante Röntgenstörstrahlung aus: Die maximale Ortsdosisleistung in 5 cm Abstand vom Magnetron betrug 2 µSv/h, in 30 cm Abstand war keine Strahlung mehr nachweisbar.
Aus dem Teilbericht "NIKE" (S. 16) ergibt sich weiterhin, dass es bei Wartungsarbeiten und Instandsetzungen vereinzelt vorkam, dass Bedienerpersonal zu Hilfsdiensten herangezogen wurden. Diese Tätigkeiten sollen jedoch nicht in unmittelbarer Nähe zum Störstrahler stattgefunden haben oder erfolgten bei ausgeschaltetem Gerät. Typisch sei das Helfen beim Transport schwerer oder sperriger Baugruppen oder das Halten von Messgeräten oder technischer Dokumentation bei Arbeiten des Mechanikers an schwer zugänglichen Stellen. Die qualifizierte Durchführung von Arbeiten an den Baugruppen oblag dem Technikerpersonal, da hierzu die entsprechende Spezialausbildung erforderlich war. Über eine solche Ausbildung verfügte der Kläger nach den insoweit unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen im Schriftsatz vom 27. März 2008 jedoch nicht. Danach hat der Kläger – was dem Senat angesichts seiner Stellung als Wehrpflichtiger ohne einschlägige Vorausbildung auch nachvollziehbar erscheint – lediglich eine Qualifikation von Ausbildung und Tätigkeit als Operator an dem Waffensystem der ATN-Stufe 8 erworben, wohingegen nur bei Operatoren mit der ATN-Stufe 7 eine Unterstützertätigkeit für Radarmechaniker an eingeschalteten Radaranlagen anzunehmen ist. Dies hätte nach Angaben der Beklagten abgeschlossene Lehrgänge z. B. im Bereich der Elektronik erfordert, über die der Kläger aber nicht verfügt.
Soweit der Kläger vorträgt, es sei allgemein üblich gewesen, dass auch Mannschaftsgrade zu Wartungsarbeiten herangezogen wurden, auch er habe am offen Gerät gearbeitet, lassen die vom Kläger vorgelegten Umfragen bei ehemaligen an Radargeräten eingesetzten Soldaten darauf schließen, dass tatsächlich Soldaten, die nicht Radarmechaniker waren, ungeachtet ihrer dienstlichen Stellung und ihres Ranges auch direkt vor dem geöffneten und im Betrieb befindlichen Radargeräten Tätigkeiten durchgeführt haben. Hierfür spricht auch, dass der Teilbericht "NIKE" die Heranziehung zu Hilfsarbeiten nicht ausschließt, jedoch auf gelegentliche Unterstützung beschränkt. Der Kläger hat indes auch auf mehrfaches Nachfragen durch den Senat und bereits des Beklagten und der Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren keine substantiierten Angaben zu den konkreten Verhältnissen in seinem Fall gemacht, z. B. dazu ,unter welchen Umständen, wie häufig und in welchen zeitlichen Umfängen er zur Reparatur- und/oder Wartungsarbeiten herangezogen wurde und welche Tätigkeiten er im Einzelnen verrichtet haben will. Vor diesem Hintergrund sah sich der Senat auch nicht gedrängt, weitere Ermittlungen – gewissermaßen "ins Blaue" hinein – durchzuführen.
Die von Seiten der Bundeswehr gerade in der Phase 1 unterlassenen Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung stellt keine Rechtfertigung für eine Umkehr der Beweislast dar. Zwar wird im BdR in der Tat darauf hingewiesen, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden. Erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät wurden in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt. Aufgrund dieser systematischen Messungen kann nach dem BdR in Phase 3 vom Bestehen eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (BdR S. 130 f.). Aus dieser Beschreibung kann sicher im Nachhinein auf Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen geschlossen werden. Von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse etc. geheim gehalten werden. Eine Beweislastumkehr kommt daher nicht in Betracht (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 16. Juli 2008 – L 6 VS 2599/06), vielmehr hat der Kläger die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen.
Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Anerkennung einer WDB wegen einer relevanten Strahlenexposition durch radioaktiven Leuchtfarben (226Ra).
Im Zeitraum bis 1980 war der Einsatz radiumhaltiger Leuchtfarben bei der Bundeswehr weit verbreitet auf Anzeigeinstrumenten, Uhren, Kompassen, Skalen und Schriften an Gehäusen von Geräten und Stellvorrichtungen, Leuchtpunkten auf Visiereinrichtungen etc. Bereits Mitte der 1960er Jahr wurde die Aussonderung der Farben beschlossen, verzögerte sich aber aufgrund einer bis 1980 geltende Übergangsregelung. Das Auskratzen, Abschmirgeln und Wiederauftragen dieser Leuchtfarben ohne adäquate Strahlenschutzvorkehrungen sind vorgekommen und ist bis Mitte der 1970er Jahre praktiziert worden. Im Einzelfall kann eine Inkorporation während solcher Arbeiten im Gegensatz zu externer Exposition und Berühren nicht abgedeckter mit radiumhaltiger Leuchtfarbe versehenen Schalter zu hohen Belastungen führen (BdR S. IV, 33ff).
Zunächst ist festzuhalten, dass eine WDB aufgrund der Inkorporation von Leuchtfarben ausgeschlossen werden kann, denn der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass er vor 1980 durch Auskratzen, Abschmirgeln oder Wiederauftragen gegenüber den Leuchtfarben exponiert (vgl. BdR S. 137) war. Darüber hinaus waren am Waffensystem "NIKE" nach dem Teilbericht (S. 15) die mit Leuchtfarbe gekennzeichneten Bedienelemente berührungssicher abgedeckt, so dass eine Ingestion durch Abrieb durch Berühren der Schalter (BdR S. 138) im Falle des Klägers ausgeschlossen werden kann.
Hinsichtlich der externen Exposition sind nach den Empfehlungen des BdR (S. 138) die in den jeweiligen Teilberichten dokumentierten Aktivitäten und Ortsdosisleistungen zu Grund zu legen; der Teilbericht "NIKE" weist insoweit eine typische Ortsdosisleistung in der Umgebung der Instrumententypen von etwa 0,5 µSv/h in 30 cm Entfernung auf. Nach den Berechnungen der Schwerpunktgruppe Radar der Beigeladenen in ihrer Stellungnahme vom 10. Juni 2011 ergibt sich bei Annahme einer durchschnittlichen Dienstzeit von täglich vier Stunden an der Konsole (entspr. 800 Stunden/Jahr) eine Ortsdosisleistung von 0,4 mSv pro Jahr. Unter Berücksichtigung der gesamten Wehrdienstzeit des Klägers ist nach den Berechnungen der Schwerpunktgruppe Radar der Beigeladenen von einer Organdosis – ohne Berücksichtigung des tatsächlich größeren Abstands zum Unterleib – allenfalls von 0,5 mSv auszugehen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger als Wehrdienstleistender lediglich von 1. April 1975 bis 31. März 1976 am Waffensystem NIKE eingesetzt war, kann er auch nur in dieser Zeit einer Strahlenexposition durch Leuchtfarben ausgesetzt gewesen sein. Bei zwölf Monaten, nicht 15 wovon die Schwerpunktgruppe ausgegangen ist, kann danach höchstens eine Organdosis von 0,4 mSv unterstellt werden.
Diese Organdosis kann unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Darlegungen in der Stellungnahme der Schwerpunktgruppe Radar hinsichtlich der sich aus der Strahlenschutzverordnung ergebenden Jahreshöchstgrenze von 20 mSv für das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt einen Zusammenhang zwischen der Krebserkrankung des Klägers und seinem Wehrdienst nicht wahrscheinlich machen. Von einem gesteigerten Erkrankungsrisiko ist nicht auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1955 geborene Kläger leistete im Zeitraum 1. Januar 1975 bis 31. März 1976 Grundwehrdienst; bis 31. März 1975 leistete er seine Grundausbildung beim x1. Luftwaffenausbildungsregiment x2 in C-Stadt ab und war ab 1. April 1975 beim x3. Flugabwehrbataillon x4 in D-Stadt als Flugabwehrraketenkanonier eingesetzt. Er nahm an einer Ausbildung am Arbeitsplatz (AAP) teil und bestand am 23. Juni 1975 eine AAP-Prüfung für eine Qualifikation mit der so genannten ATN-Nr. 581 1783 N. Er arbeitete als Operator (Bediener) am Target Tracking Radar des Waffensystems NIKE.
Der Kläger erkrankte 1999 an Blasenkrebs, infolge dessen ihm Harnblase und Prostata entfernt wurden. Am 2. April 2002 beantragte der Kläger beim Beklagten deshalb die Gewährung von Beschädigtenversorgung und gab im Rahmen eines Fragebogens an, er habe als Target Tracking Radar Operator am Gerät NIKE gearbeitet. Auf die Frage, welche Arbeiten er als Operator durchgeführt habe, an welchen Sichtgeräten er gearbeitet habe, ob mit oder ohne Abdeckung und in welchem zeitlichen Umfang, antwortete der Kläger zu den ausgeführten Arbeiten, die im Fragebogen beispielhaft mit Einschalt- bzw. Einrichtvorgängen, Entfernungsabgleich, Zielortung, Gefechtsüberwachung angegeben waren, pauschal, genau diese Punkte seien zutreffend.
Die Beigeladene führte eine Berechnung und Bewertung der Exposition mit Röntgenstrahlung durch und zog vom Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen, Andernach, die medizinischen Unterlagen des Klägers aus seiner Dienstzeit bei.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 lehnte der Beklagte die Anerkennung von Schädigungsfolgen ab und führte aus, die Überprüfung des Antrags des Klägers habe im Zusammenwirken mit der Sondergruppe Strahlen bei der Wehrbereichsverwaltung Süd ergeben, dass der Kläger während seines Wehrdienstes nicht an den Radargeräten als Mechaniker gearbeitet habe, sondern als Flugabwehrraketenkanonier (Bediener/Operator) am Waffensystem NIKE eingesetzt und bei dieser Tätigkeit keinen Strahlenexpositionen ausgesetzt gewesen sei. Allgemein sei bei Strahlung im Zusammenhang mit dem Betrieb von Radargeräten zwischen Hochfrequenzstrahlung (HF-Strahlung, elektromagnetische Felder) und ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung) zu unterscheiden. Die HF-Strahlung sei nach heutigem Stand der Wissenschaft keine Ursache von Spätschäden, insbesondere Krebs. Eine Exposition durch Röntgenstrahlung sei nur für ausgebildete Radarmechaniker möglich, da die Reichweite dieser Strahlung im Bereich von Zentimetern bis wenigen Dezimetern liege, wobei zur Exposition regelmäßig das Öffnen von Gehäuseteilen erforderlich sei. Diese Tätigkeiten hätten nur durch das hierfür vorgesehene Personal erfolgen können und dürfen. Personal, das sich zwar in der Nähe der Radargeräte aufgehalten habe, ausbildungsmäßig aber nicht als Radarmechaniker zu bezeichnen sei, habe durch Röntgenstrahlung nicht exponiert werden können. Die gelegentliche Mithilfe bei Wartung und Instandsetzung durch Bedienerpersonal entspreche nicht der qualifizierten Arbeit, die zu einer Röntgenexposition hätte führen können. Ionisierende Röntgenstrahlung entstehe in sogenannten Endstufenröhren bei der Erzeugung der elektromagnetischen Felder. Am Waffensystem NIKE seien keine nicht berührungssicher abgedeckten radioaktiven Leuchtfarben an den Radargeräten oder auf den Beschriftungen der Konsolen und Bedienelemente im BCT und RTC gefunden worden. Eine Inkorporationsgefahr habe daher beim bestimmungsgemäßen Betrieb nicht bestanden. Eine Exposition durch ionisierende Strahlung radioaktiver Stoffe über den Grenzwert der allgemeinen Bevölkerung hinaus habe nicht stattgefunden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörung und den Wehrdienstverrichtungen bestehe nicht.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. August 2002 Widerspruch, den er nicht näher begründete. Durch Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Überprüfung im Falle des Klägers habe ergeben, dass dieser während seines Wehrdienstes nicht als Radarmechaniker/-techniker oder entsprechendes Hilfspersonal eingesetzt gewesen sei und damit keine der von der Radarkommission vorgegebenen qualifizierenden Tätigkeiten ausgeübt habe. Es könne somit nicht von einer Exposition mit ionisierender Strahlung auf Grund wehrdienstlicher Einflüsse ausgegangen werden. Die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 81 Abs. 1 SVG lägen somit nicht vor. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung "Blasenkrebs" sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Am 7. Juni 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, er sei in jedem Fall einer erheblichen Strahlenexposition ausgesetzt gewesen. Zu Wartungsarbeiten seien generell Mannschaftsdienstgrade herangezogen worden. Es habe deutliche Diskrepanzen zwischen den Arbeitsplatzbeschreibungen und den tatsächlichen Verhältnissen gegeben. Zur Stützung seines Begehrens hat der Kläger u. a. ein Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 4. März 2004, Az. xxxx5, die Kopie einer E-Mail des General-Inspizienten E., Brigadegeneral F., Unterlagen aus einem US-amerikanischen Schadensersatzverfahrens sowie verschiedene Auszüge aus dem Bericht der Radarkommission vorgelegt. Auf einer Seite des Berichts der Radarkommission (Bl. 24 GA) hat er handschriftlich an die Ausführungen ("Die erste Kategorie umfasst Arbeitsplätze in geringer Entfernung von Dauerstrichradarantennen oder leistungsstarken Rundsuchradarantennen und Arbeitsplätze in geschlossenen Räumen ") vermerkt: "10m dto".
Die Beigeladene hat vorgetragen, der Teilbericht der Radarkommission zum Waffensystem NIKE verdeutliche, dass der Kläger den Fragebogen zu seiner Tätigkeit im Verwaltungsverfahren doch ziemlich ungenau und unpräzise ausgefüllt habe, soweit er zur Verwendung als Operator die exemplarisch aufgeführten Tätigkeiten als genau diese Punkte bezeichnet habe, um die es ihm gehe. Die Ungenauigkeit sehe sie darin, dass hier aber Tätigkeiten an verschiedenen Geräten dargestellt seien, z. B. Entfernungsabgleich und Zielortung, die an unterschiedlichen Geräten erledigt worden seien, wie es der Teilbericht anführe. Das TTR-Gerät diene nicht zum Entfernungsabgleich, dafür sei ein anderes Gerät, das TRR-Gerät geeignet gewesen, an dem der Kläger seinen Eintragungen zufolge aber nicht tätig gewesen sei. Der Kläger verkenne den Radarbericht insoweit, als er eher pauschal hierauf verweise, aber nicht berücksichtige, dass die Entfernung eine hier herausragende Rolle spielte. Wenn der Kläger seiner handschriftlichen Erklärung zufolge 10 Meter vom TTR-Gerät entfernt gewesen sei, dann gebe er damit keine unmittelbare Nähe zum Gerät und damit auch keine unmittelbare Tätigkeit am Gerät, wie es der Bericht der Radarkommission fordere, bekannt. Hier seien schon Zentimeter angesprochen, 10 Meter ließen keine Gefährdung erkennen, wie es der Teilbericht auch deutlich sage. Die Tätigkeit als Bediener/Operator sei danach nur dann qualifizierend, wenn ein Operator Radartechniker nicht nur gelegentlich direkt am geöffneten und in Betrieb befindlichem Radargerät unterstützt hätte. Ein substantieller Vortrag hierzu fehle. Allein die ATN-Nr. spreche gegen Unterstützungstätigkeiten an eingeschalteten Radaranlagen, denn diese sei nur bei einer ATN-Stufe 7 (maßgeblich sei die vorletzte Stelle der ATN-Nr.) anzunehmen, der Kläger habe jedoch nur die ATN-Stufe 8 besessen und keine einschlägig qualifizierende Vorausbildung.
Mit Urteil vom 10. November 2009 hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, beim Kläger mit Wirkung seit April 2002 als Schädigungsfolgen Blasenkrebs, fehlende Harnblase und Prostata, Inkontinenz, Impotenz anzuerkennen, den Grad der Schädigungsfolgen auf 50 festzusetzen und eine entsprechende Beschädigtenrente zu bewilligen. Zu Recht seien der Beklagte und die Beigeladene davon ausgegangen, dass es entscheidend darauf ankomme, ob der Kläger einer schädigenden Röntgenstrahlung in ausreichendem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei. Zwar habe die Beigeladene richtig ausgeführt, dass der Kläger, der lediglich Grundwehrdienst geleistet habe, nicht zum Radarmechaniker ausgebildet gewesen sei. Die Kammer sei jedoch davon überzeugt, dass der Kläger selbst, vermutlich gegen damalige Vorschriften, Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeführt habe. Dies hätten die glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ergeben. Nach den Ausführungen der Radarkommission sei der Blasenkrebs damit kausal auf diese Strahlenexposition zurückzuführen. Folge des Blasenkrebses seien die Entfernung der Harnblase und der Prostata und die noch heute bestehende Inkontinenz und Impotenz. Der Grad der Schädigungsfolgen sei zumindest mit 50 zu bewerten.
Gegen das ihnen am 5. bzw. 8. Januar 2010 zugestellte Urteil haben der Beklagte am 4. Februar 2010 und die Beigeladene am 18. Januar 2010 Berufungen zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt (L 4 VE 2/10).
Der Senat hat aus dem Parallelverfahren L 4 VE 29/10 eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Verteidigung vom 30. Juli 2007 (Az. PSZ III 3 – Radar – Az. 20 01-04/69) sowie einen Schriftsatz der auch dort beigeladenen Wehrbereichsverwaltung Süd vom 2. April 2008 beigezogen. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet und das Verfahren am 8. August 2011 fortgeführt (L 4 VE 19/11).
Der Beklagte trägt vor, es sei von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger überhaupt einer direkten Strahlenexposition durch Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeliefert gewesen sei. Der Kläger sei als Target Tracking Operator an dem Gerät "NIKE" eingesetzt gewesen. Diese Tätigkeit umfasse jedoch nur die Bedienung des Zielerfassungsgeräts, aber gerade nicht die Wartung an offenen Geräteteilen, des Radars, wie sie von der Radarkommission für eine erhöhte Strahlenbelastung vorausgesetzt werde. Die krebserregende ionisierende Strahlung trete nämlich nur bei der Arbeit an offenen Geräteteilen des Radargeräts in unmittelbarer Umgebung zu der Öffnung auf, d. h. in einem Bereich von bis zu etwa 30cm. Aus diesem Grund seien nur Techniker und Mechaniker, die die Wartung und Reparatur der Radargeräte unmittelbar ausgeführt hätten, einem erhöhtem Strahlenrisiko ausgesetzt gewesen. Zu dieser Gruppe habe der Kläger nicht gehört und habe als Target Tracking Operator bei Befolgung seiner Arbeitsanweisungen immer mehr als ausreichend Abstand zu den Radargeräten gehabt. Das erstinstanzliche Gericht sei offensichtlich dem pauschalen Vortrag des Klägers, es sei üblich gewesen, dass auch das Bedienpersonal bei Wartungen geholfen habe, gefolgt, wofür es keine überzeugenden Gründe, insbesondere keine Beweismittel gebe. Selbst die behauptete Hilfe, also das Anreichen der Werkzeuge würde nicht ausreichen, um den Kläger einer ausreichenden Strahlung auszusetzen, da diese nur im Zentimeterbereich um die Öffnung gefährlich gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er sei auch mit Wartungsarbeiten an offenen Geräten beschäftigt gewesen, es habe sich um Arbeiten an Radarantennen gehandelt. Die Angabe der Entfernung von ca. 10 m habe sich auf den Aufenthaltsbereich während des Bereitschaftsdienstes bezogen. Bei seiner Tätigkeit habe es sich um eine qualifizierte Tätigkeit im Sinne des Berichts der Radarkommission gehandelt. Soweit die Beigeladene auf das erste Ausschlusskriterium bzgl. der maximalen Betriebsspannung des im TTR verwendeten Störstrahlers verweise, habe es sich bei seiner Tätigkeit um eine Tätigkeit am TRR gehandelt, er habe die Begrifflichkeiten verwechselt. Man unterstelle fälschlicherweise, dass ein Operator nur zur Wartung bzw. Reparatur am jeweiligen Gerät herangezogen worden sei, dessen Bedienung zu seinem Aufgabengebiet gehört habe. Gerade hierbei spiele die Qualifikation keine Rolle, da zum Halten eines Bauteils o. ä. keine spezielle Qualifikation notwendig gewesen sei.
Die Beigeladene hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 zurückgenommen und führt unter Vorlage einer Stellungnahme der Wehrbereichsverwaltung Nord - Strahlenmessstelle der Bundeswehr vom 6. Mai 2010 aus, dass – unabhängig davon, dass die tragenden Gründe des Urteils unbekannt geblieben seien – das Sozialgericht § 15 VfG-KOV anzuwenden scheine. Diese Vorschrift sei hier aber nicht anwendbar, weil das Sozialgericht nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, den Sachverhalt aufzuklären. Es gehe pauschal davon aus, der Kläger habe Wartungsarbeiten an offenen Geräten ausgeführt, ohne nachzufragen, was darunter zu verstehen sei und um welche Geräte es sich gehandelt habe. Die Angaben des Klägers seien aber nicht hinreichend substantiiert. Nach dem Bericht der Radarkommission werde beim Nachweis entsprechender qualifizierender Tätigkeiten und einer qualifizierten Erkrankung die Ursächlichkeit einer lediglich vermuteten Strahlenexposition für diese Gesundheitsstörung unterstellt, ohne dass im Einzelfall eine genaue Ersatzdosisberechnung bezüglich der Strahlenexposition durchgeführt werde. Zumindest die Ausübung einer qualifizierenden Tätigkeit müsse nach wie vor nachgewiesen werden. Die Beigeladene hat weiterhin eine Stellungnahme der Schwerpunktgruppe Radar vom 10. Juni 2011 vorgelegt, wonach das zweite Ausschlusskriterium des Berichts der Radarkommission vorliege. Dieses Ausschlusskriterium betreffe Teilkörperexpositionen, die das erkrankte Organ nicht betrafen. Am Radargerät TTR hätten nur Teilkörperexpositionen der Hände und Unterarme auftreten können. Die Radarkommission habe vorgegeben, dass eine Anerkennung ausgeschlossen werden könne, wenn nur Teilkörperexpositionen auftreten konnten, die das erkrankte Organ nicht betroffen hätten. Dies sei beim Radargerät TTR der Fall, da der Tumor des Klägers nicht im Bereich der Hände oder Unterarme lokalisiert sei. Hinsichtlich einer evtl. Exposition mit radioaktiven Leuchtfarben belaufe sich die insgesamt zu berücksichtigende Organdosis auf 1,75 mSv insgesamt und liege damit unterhalb des von der Radarkommission empfohlenen Schwellenwertes für eine Anerkennung des Leidens als WDB-Folge in Höhe von 100 mSv. Damit sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich, dies sei grundsätzlich ab der zusätzlich zu der immer als Umgebungsstrahlung vorhandenen Strahlendosis gegeben, bei der sich das Erkrankungsrisiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung verdopple. Diese Dosis liege für maligne solide Tumore keinesfalls unter 1000 mSv. Für das fliegende Personal der Zivilluftfahrt gelte zum Vergleich eine einschränkungsfreie Jahreshöchstgrenze von 20 mSv, die mit einer Ausnahmegenehmigung noch überschritten werden dürfe. Die Organdosis für die gesamte Wehrdienstzeit des Klägers liege noch deutlich unter der dieser Schwelle für ein einzelnes Jahr.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist auch begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung und auf Entschädigungsleistungen wegen seiner Tätigkeit als Wehrdienstleistender am Waffensystem NIKE in der Zeit vom 1. April 1975 bis 31. März 1975, weil eine schädigende Strahlenexposition nicht hinreichend nachgewiesen wurde. Das Urteil des Sozialgerichts vom 10. November 2009 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz – SVG) erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung (WDB) erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist.
Eine WDB ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19. März 1986 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, bestimmt sich bei unfallunabhängigen Krankheiten der vom SVG geschützte Bereich nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008, B 9/9a VS 5/06 R, Juris Rdnr. 20 m. w. N.). Die Fälle, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes/wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, teilt das BSG in drei Gruppen ein:
a) Die angebliche Schädigungsfolge ist in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII -);
b) die angebliche Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden können (§ 9 Abs. 2 SGB VII);
c) die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter a) noch unter b), die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen.
Diese Regelung erklärt sich daraus, dass Krankheiten regelmäßig nicht auf ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln. Als Mitursachen kommen persönliche Lebensweise, Erbanlagen, Störungen während der Entwicklungsphase, private Unfälle, Umwelteinflüsse und anderes in Frage. Ob eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen ein Wehrpflichtiger oder Wehrdienstleistender ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht allein mit Hilfe medizinischer Sachverständiger im Einzelfall feststellbar. Vielmehr kann nur nach statistischen Grundsätzen festgestellt werden, ob die Erkrankungsgefahr durch solche Einflüsse erhöht worden ist. Wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der nicht uneingeschränkten Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft kann dies nur allgemein entschieden werden. Eine solche allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet des Berufskrankheitenrechts mit der BKV gegeben. Darin sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Berufskrankheiten eingeflossen, wonach bestimmte Tätigkeiten im Arbeitsleben in auffallender Weise mit Erkrankungen verbunden sind (Senatsurteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10, vgl. auch BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 3).
Im vorliegenden Fall ist die Berufskrankheit BK-Nr. 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" einschlägig. Die Aufnahme in die BKV bedeutet aber nur, dass diese Krankheit generell geeignet ist, Berufskrankheit - oder übertragen auf das SVG "Wehrdienstkrankheit" - zu sein. Es ist daher in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Erkrankung nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ihre Ursache in einer dem Wehrdienst zuzuordnenden schädigenden Einwirkung hat. Die schädigende Einwirkung setzt den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination und oder Inkorporation voraus. Eine solche schädigende Strahlenexposition des Klägers ist jedoch nicht nachgewiesen.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat eine aus unabhängigen Experten bestehende Radarkommission eingesetzt, die in ihrem Bericht vom 2. Juli 2003 (Bericht der Radarkommission – BdR -) ausgeführt hat, dass der Umgang mit Störstrahlern in Radar-Waffensystemen historisch in drei Phasen zu gliedern ist, wobei Phase 1 (1958 bis 1975) dadurch gekennzeichnet ist, dass Messwerte, welche die nachträgliche Ermittlung der Exposition gestatten würden, nicht vorlagen, und gemessen an heutigen Maßstäben, kein adäquater Strahlenschutz bestand. In Phase 1 lagen keine aussagefähigen personendosimetrischen Daten vor. Phase 2 (1975 bis 1985) stellte eine sog. Übergangsperiode darstellte, in der nach alarmierenden Messungen am Radargerät SGR-103 der Marine nach und nach an wichtigen Waffensystemen der Bundeswehr systematische Messungen durchgeführt wurden und entsprechende Strahlenschutzmaßnahmen installiert wurden. In Phase 3 (ab 1985) kann vom Vorhandensein eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (vgl. BdR 2003 S. 130 f.). Bei Personen, die in der Phase 1 an anderen Radargeräten als dem SGR-103 tätig gewesen sind, kommt nach dem BdR 2003 (S. 135) die Anerkennung einer WDB in Betracht, wenn eine sogenannte qualifizierende Tätigkeit als Techniker/Mechaniker oder Bediener (Operator) an Radaranlagen ausgeübt wurde.
Der Umstand, dass gerade in der Phase 1 die Bundeswehr Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung unterlassen hat, kann nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen (Senatsurteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10, so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juli 2008 L 6 VS 2599/06 -, Juris). Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, wird der Eintritt einer Beweislastumkehr nur dann in Betracht kommen, wenn eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung vorliegt (BSG, Urteil vom 26. Februar 1992, 9a RV 4/91, Juris). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zwar weist der BdR darauf hin, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von der Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden und erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt wurden (BdR S. 130 f.). Aus dieser Beschreibung sind Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen zu erkennen, von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse etc. geheim gehalten werden. In der Rechtsprechung wird allerdings davon ausgegangen, dass im Rahmen der "Radarfälle" zugunsten der Betroffenen Beweiserleichterungen beim Nachweis des schädigenden Ereignisses zu gewähren sind. Denn die Situation, dass potentielle Strahlenopfer die objektive Beweislast für die Schädigung tragen, obwohl gerade für die länger zurückliegenden Zeiten mangels entsprechender Schutzvorschriften von einem erhöhten Strahlenrisiko ausgegangen werden kann (BdR S. 31), ist unbefriedigend (LSG Baden-Württemberg a.a.O). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 6. April 2011 – L 4 VE 5/10) sind daher die gutachtlichen Ergebnisse der Radarkommission, in welchen Fällen eine Schädigung anerkannt werden sollte, im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Ob der BdR dabei als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen ist (so u.a. LSG Bremen, Urteil vom 13. Februar 2008, L 5 VS 11/05, Juris Rdnr. 29) oder lediglich als eine gutachtliche Äußerung, die neben anderen wissenschaftlichen Meinungsäußerungen steht (so LSG Baden-Württemberg a.a.O, Juris Rdnr. 34), kann der Senat allerdings vorliegend dahinstehen lassen. Denn auch unter Berücksichtigung der Maßgaben des BdR ist im vorliegenden Fall kein ausreichender Nachweis geführt, dass der Kläger Tätigkeiten an Radaranlagen ausgeübt hat, bei denen eine gesundheitlich bedenkliche Exposition gegenüber ionisierender Strahlung möglich gewesen wäre und die ursächlich für das Auftreten der Krebserkrankung sein könnte.
Der Kläger war während seines Wehrdienstes nicht als Radarmechaniker am Waffensystem NIKE eingesetzt, sondern als Operator (Bediener). Diese wurden nach dem Teilbericht "NIKE" der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar vom 12. April 2002, der auch von der Radarkommission bei Erstellung des BdR 2003 zugrunde gelegt wurde, zum Betrieb des Waffensystems eingesetzt. Im Falle einer technischen Störung oder zur Durchführung von geplanten Wartungsarbeiten wurde technisches Personal eingesetzt, wobei Wartungsmaßnahmen grundsätzlich zur operationellen Außerbetriebnahme des betroffenen Geräts geführt haben soll, wobei Wartungsarbeiten direkt während des Einsatzbetriebes am Target Tracking Radar (TTR), Missile Tracking Radar (MTR) und Target Ranging Radar (TRR) aus Arbeitsschutzgründen (mechanische Bewegung) nicht möglich gewesen sind. Aus den Tracking-Radargeräten des Waffensystems MTR und TTR sowie am TRR trat nach dem Teilbericht (S. 21) keine aus Strahlenschutzgründen relevante Röntgenstörstrahlung aus: Die maximale Ortsdosisleistung in 5 cm Abstand vom Magnetron betrug 2 µSv/h, in 30 cm Abstand war keine Strahlung mehr nachweisbar.
Aus dem Teilbericht "NIKE" (S. 16) ergibt sich weiterhin, dass es bei Wartungsarbeiten und Instandsetzungen vereinzelt vorkam, dass Bedienerpersonal zu Hilfsdiensten herangezogen wurden. Diese Tätigkeiten sollen jedoch nicht in unmittelbarer Nähe zum Störstrahler stattgefunden haben oder erfolgten bei ausgeschaltetem Gerät. Typisch sei das Helfen beim Transport schwerer oder sperriger Baugruppen oder das Halten von Messgeräten oder technischer Dokumentation bei Arbeiten des Mechanikers an schwer zugänglichen Stellen. Die qualifizierte Durchführung von Arbeiten an den Baugruppen oblag dem Technikerpersonal, da hierzu die entsprechende Spezialausbildung erforderlich war. Über eine solche Ausbildung verfügte der Kläger nach den insoweit unwidersprochenen Angaben der Beigeladenen im Schriftsatz vom 27. März 2008 jedoch nicht. Danach hat der Kläger – was dem Senat angesichts seiner Stellung als Wehrpflichtiger ohne einschlägige Vorausbildung auch nachvollziehbar erscheint – lediglich eine Qualifikation von Ausbildung und Tätigkeit als Operator an dem Waffensystem der ATN-Stufe 8 erworben, wohingegen nur bei Operatoren mit der ATN-Stufe 7 eine Unterstützertätigkeit für Radarmechaniker an eingeschalteten Radaranlagen anzunehmen ist. Dies hätte nach Angaben der Beklagten abgeschlossene Lehrgänge z. B. im Bereich der Elektronik erfordert, über die der Kläger aber nicht verfügt.
Soweit der Kläger vorträgt, es sei allgemein üblich gewesen, dass auch Mannschaftsgrade zu Wartungsarbeiten herangezogen wurden, auch er habe am offen Gerät gearbeitet, lassen die vom Kläger vorgelegten Umfragen bei ehemaligen an Radargeräten eingesetzten Soldaten darauf schließen, dass tatsächlich Soldaten, die nicht Radarmechaniker waren, ungeachtet ihrer dienstlichen Stellung und ihres Ranges auch direkt vor dem geöffneten und im Betrieb befindlichen Radargeräten Tätigkeiten durchgeführt haben. Hierfür spricht auch, dass der Teilbericht "NIKE" die Heranziehung zu Hilfsarbeiten nicht ausschließt, jedoch auf gelegentliche Unterstützung beschränkt. Der Kläger hat indes auch auf mehrfaches Nachfragen durch den Senat und bereits des Beklagten und der Beigeladenen im erstinstanzlichen Verfahren keine substantiierten Angaben zu den konkreten Verhältnissen in seinem Fall gemacht, z. B. dazu ,unter welchen Umständen, wie häufig und in welchen zeitlichen Umfängen er zur Reparatur- und/oder Wartungsarbeiten herangezogen wurde und welche Tätigkeiten er im Einzelnen verrichtet haben will. Vor diesem Hintergrund sah sich der Senat auch nicht gedrängt, weitere Ermittlungen – gewissermaßen "ins Blaue" hinein – durchzuführen.
Die von Seiten der Bundeswehr gerade in der Phase 1 unterlassenen Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung stellt keine Rechtfertigung für eine Umkehr der Beweislast dar. Zwar wird im BdR in der Tat darauf hingewiesen, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden. Erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät wurden in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt. Aufgrund dieser systematischen Messungen kann nach dem BdR in Phase 3 vom Bestehen eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (BdR S. 130 f.). Aus dieser Beschreibung kann sicher im Nachhinein auf Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen geschlossen werden. Von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse etc. geheim gehalten werden. Eine Beweislastumkehr kommt daher nicht in Betracht (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 16. Juli 2008 – L 6 VS 2599/06), vielmehr hat der Kläger die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen.
Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Anerkennung einer WDB wegen einer relevanten Strahlenexposition durch radioaktiven Leuchtfarben (226Ra).
Im Zeitraum bis 1980 war der Einsatz radiumhaltiger Leuchtfarben bei der Bundeswehr weit verbreitet auf Anzeigeinstrumenten, Uhren, Kompassen, Skalen und Schriften an Gehäusen von Geräten und Stellvorrichtungen, Leuchtpunkten auf Visiereinrichtungen etc. Bereits Mitte der 1960er Jahr wurde die Aussonderung der Farben beschlossen, verzögerte sich aber aufgrund einer bis 1980 geltende Übergangsregelung. Das Auskratzen, Abschmirgeln und Wiederauftragen dieser Leuchtfarben ohne adäquate Strahlenschutzvorkehrungen sind vorgekommen und ist bis Mitte der 1970er Jahre praktiziert worden. Im Einzelfall kann eine Inkorporation während solcher Arbeiten im Gegensatz zu externer Exposition und Berühren nicht abgedeckter mit radiumhaltiger Leuchtfarbe versehenen Schalter zu hohen Belastungen führen (BdR S. IV, 33ff).
Zunächst ist festzuhalten, dass eine WDB aufgrund der Inkorporation von Leuchtfarben ausgeschlossen werden kann, denn der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass er vor 1980 durch Auskratzen, Abschmirgeln oder Wiederauftragen gegenüber den Leuchtfarben exponiert (vgl. BdR S. 137) war. Darüber hinaus waren am Waffensystem "NIKE" nach dem Teilbericht (S. 15) die mit Leuchtfarbe gekennzeichneten Bedienelemente berührungssicher abgedeckt, so dass eine Ingestion durch Abrieb durch Berühren der Schalter (BdR S. 138) im Falle des Klägers ausgeschlossen werden kann.
Hinsichtlich der externen Exposition sind nach den Empfehlungen des BdR (S. 138) die in den jeweiligen Teilberichten dokumentierten Aktivitäten und Ortsdosisleistungen zu Grund zu legen; der Teilbericht "NIKE" weist insoweit eine typische Ortsdosisleistung in der Umgebung der Instrumententypen von etwa 0,5 µSv/h in 30 cm Entfernung auf. Nach den Berechnungen der Schwerpunktgruppe Radar der Beigeladenen in ihrer Stellungnahme vom 10. Juni 2011 ergibt sich bei Annahme einer durchschnittlichen Dienstzeit von täglich vier Stunden an der Konsole (entspr. 800 Stunden/Jahr) eine Ortsdosisleistung von 0,4 mSv pro Jahr. Unter Berücksichtigung der gesamten Wehrdienstzeit des Klägers ist nach den Berechnungen der Schwerpunktgruppe Radar der Beigeladenen von einer Organdosis – ohne Berücksichtigung des tatsächlich größeren Abstands zum Unterleib – allenfalls von 0,5 mSv auszugehen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger als Wehrdienstleistender lediglich von 1. April 1975 bis 31. März 1976 am Waffensystem NIKE eingesetzt war, kann er auch nur in dieser Zeit einer Strahlenexposition durch Leuchtfarben ausgesetzt gewesen sein. Bei zwölf Monaten, nicht 15 wovon die Schwerpunktgruppe ausgegangen ist, kann danach höchstens eine Organdosis von 0,4 mSv unterstellt werden.
Diese Organdosis kann unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Darlegungen in der Stellungnahme der Schwerpunktgruppe Radar hinsichtlich der sich aus der Strahlenschutzverordnung ergebenden Jahreshöchstgrenze von 20 mSv für das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt einen Zusammenhang zwischen der Krebserkrankung des Klägers und seinem Wehrdienst nicht wahrscheinlich machen. Von einem gesteigerten Erkrankungsrisiko ist nicht auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
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