L 6 R 1007/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 43 R 2060/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1007/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt dreiviertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) teilweise aufgehoben und einen Erstattungsanspruch in Höhe von zuletzt 1.715,00 EUR geltend gemacht hat.

Der 1941 geborene Kläger bezog seit dem 1. November 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die von der Beklagten mit Ausgangsbescheid vom 1. Februar 1996 festgesetzt wurde.

Mit Schreiben vom 6. November 2000 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, sein monatliches Einkommen bei der W.I.S. S. & S. GmbH & Co. KG in J. schwanke zwischen 200 DM und 630 DM (= ca. 100 - 315 EUR). Das vom Arbeitgeber ausgefüllte Formblatt hierzu übersandte der Kläger der Beklagten ohne Unterschrift. Es enthielt im letzten Absatz die Erklärung, "dass ich künftig die Beantragung, den Bezug, die Veränderung sowie den Hinzutritt einer der oben genannten Hinzuverdienstarten unverzüglich mitteilen werde. Mir ist bekannt, dass ich ggf. überzahlte Rentenbeträge zu erstatten habe". Zudem enthielten auch die an den Kläger gerichteten Rentenanpassungsbescheide stets Hinweise zu den jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen sowie auf die gesetzliche Verpflichtung, der Beklagten die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen.

Am 24. April 2006 erfuhr die Beklagte im Rahmen eines Datenabgleichs, dass der Kläger seiner Beschäftigung in höherem Umfang als bislang angegeben nachging und bat dessen Arbeitgeber mit Schreiben vom 11. Mai 2006 um Übermittlung der monatlichen Verdienste. Dieser übersandte im Juli 2006 die im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis April 2006 mit der Angabe, der Kläger erziele aktuell seit April 2006 ein monatliches Einkommen von 400,00 EUR. Daraus ergab sich auch, dass der Kläger erstmalig im März 2001 die Hinzuverdienstgrenze überschritt.

Mit Schreiben vom 8. August 2006 wurde der Kläger bezüglich der beabsichtigten Aufhebung der Rentenbewilligung wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen und Erstattung der Überzahlung ab dem 1. Juni 2003 angehört. Anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten am 14. August 2006 gab er an, er sei davon ausgegangen, dass er für die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze die zweimalige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze auf das gesamte Jahr aufteilen könne. Im Gesamtverdienst für das Jahr seien die Hinzuverdienstgrenzen eingehalten. Darauf habe er geachtet. Die Rückzahlung würde ihn wirtschaftlich in den Ruin treiben. Auch im August 2006 betrage sein Lohn 400,00 EUR. In einer weiteren Vorsprache am 6. September 2006 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Modalitäten der Rückzahlungen flexibel gestaltet werden könnten, wenn er dies nach Bescheiderlass beantrage und seine wirtschaftlichen Verhältnisse dies rechtfertigten. Der Kläger gab dabei an, von der Mitarbeiterin der Beklagten B. dahingehend beraten worden zu sein, dass er die Möglichkeit habe, den Hinzuverdienst gleichmäßig auf das Jahr aufteilen zu können und dies dann den jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen pro Monat zusammengerechnet plus der zweimalig möglichen Überschreitung gegenüber zu stellen. Ausweislich des Gesprächsvermerks wurde diese zu dem Gespräch hinzugeholt und "widerlegte" die Aussage des Klägers "glaubhaft" anhand der Aktenvermerke über Vorsprachen 2003 und 2005. Sie habe damals korrekte Auskünfte erteilt.

Am 14. September 2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, ab August 2006 betrage sein monatliches Einkommen 350,00 EUR. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 15. September 2006 die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 31. August 2006 nach § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf und forderte einen Betrag von insgesamt 8.064,98 EUR zurück. Mit Widerspruch vom 9. Oktober 2006 trug der Kläger vor, die Einkünfte seien nach § 96a Abs. l Satz l SGB VI zusammenzurechnen und dem insgesamt 14 Monate entsprechenden Hinzuverdienst gegenüber zu stellen. Mit Bescheid vom 9. November 2006 half die Beklage dem Widerspruch insoweit teilweise ab, als der Kläger wegen der Möglichkeit des zweimonatigen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze und bezüglich der Korrektur der Aufhebung und Erstattung für August 2006 lediglich 6.758,64 EUR zurückzuzahlen habe. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2007 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Juli 2007 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben und die Ansicht vertreten, die Einkünfte dürften nach § 96 SGB VI auf das Jahr zusammengerechnet werden. Überdies gelte § 313 Abs. 7 SGB VI zu seinen Gunsten, so dass sein Arbeitsentgelt wegen seines Rentenbezuges seit 1996 nicht als Hinzuverdienst zu werten sei. Auch liege ein atypischer Fall vor, nach dem von den Regelungen des § 48 Abs. l Satz 2 SGB X abgewichen werden dürfe. Dies gelte dann, wenn er durch die Rückforderung in Bedrängnis gerate, was die Beklagte aber nicht geprüft habe. Außerdem habe er aufgrund einer Falschberatung nicht erkennen können, dass er mit seinem Einkommen die Hinzuverdienstgrenzen überschreite. Es sei bei der Berechnung auch unberücksichtigt geblieben, dass er im Jahr zweimalig die Hinzuverdienstgrenze überschreiten könne und eine Aufhebung und Erstattung nur in der Höhe möglich sei, soweit die Hinzuverdienstgrenze überschritten worden sei. Auch habe er aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht gemerkt, dass in einzelnen Monaten das von ihm selbst angegebene Einkommen überschritten worden sei. Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat die Ansicht geäußert, § 313 Abs. 7 SGB VI sei nicht anwendbar, da er sich nur auf dem Arbeitsentgelt vergleichbares Einkommen beziehe. Eine wirtschaftliche Bedrängnis des Klägers sei erst im Rahmen der Einziehung der Forderung zu prüfen. Die weitergehende Prüfung eines atypischen Falles sei im Widerspruchsbescheid erfolgt, jedoch zu verneinen gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. April 2011 abgewiesen und zur Begründung im We-sentlichen ausgeführt, dass der Kläger nach der Rentenbewilligung im Jahr 1996 Einkommen erzielt habe, das zum teilweisen Wegfall seines Rentenanspruchs aufgrund einer Änderung der Einkommensverhältnisse führe, da er ab März 2001 Einkommen erzielt habe, das teilweise über den maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen gelegen habe. § 313 Abs. 7 SGB VI schließe dies nicht aus, da schon vom Wortlaut her das Arbeitseinkommen des Klägers nicht gemeint sei, sondern lediglich dem Arbeitseinkommen vergleichbares Einkommen wie z.B. weitere Renten. Entgegen dessen Ansicht seien die monatlichen Einkünfte nicht auf das Jahr zusammenzurechnen und im Vergleich zur 14-maligen Hinzuverdienstgrenze zu setzen. Die festgestellten Veränderungen in den Verhältnissen und die damit eingetretenen Veränderungen des Rentenanspruchs hätten zu einer rückwirkenden Aufhebung des Rentenanspruches im festgestellten Umfang schon nach § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 2 SGB X führen dürfen, denn der Kläger habe zumindest grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt, wonach er verpflichtet gewesen sei, wesentliche Änderungen im Einkommen der Beklagten zu melden. Soweit dieser angegeben hat, er habe gedacht, er müsse das Einkommen nicht angeben, weil er nach seiner Auffassung und der angeblichen Erklärung von Frau B. auf das Jahr gerechnet die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten habe, lasse dieser Irrtum die grobe Fahrlässigkeit nicht entfallen. Zwar entschuldige ein Irrtum, wenn er selbst nicht grobfahrlässig sei. Vorliegend sei er zum einen nicht nachvollziehbar, denn das Einkommen habe in einzelnen Monaten auch schon seit 1999 die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überstiegen und er hätte dies spätestens im November 2000 mit angeben müssen und können, als direkt danach gefragt worden sei, zum anderen hätten sich nach Auskunft der Beklagten in den Vermerken zu den Vorsprachen im Jahr 2003 und 2005 keine diesbezüglichen Hinweise gefunden. Selbst wenn der Kläger im Jahr 2003 falsch beraten worden wäre, erkläre dies nicht, warum er schon im Jahr 2000 nicht die tatsächlichen Schwankungen angegeben habe, als er direkt danach gefragt worden sei. Bei der Anwendung des § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 2 SGB X sei Ermessen nicht auszuüben. Zudem sei keine Atypik des Falles ersichtlich. Eine solche läge beispielsweise dann vor, wenn der Kläger rückwirkend für die Zeit der Aufhebung einen Anspruch auf andere Sozialleistungen gehabt hätte, z.B. wegen des Absinkens der Rente unter das Sozialhilfeniveau. Dass der Kläger den Erstattungsbetrag nicht zahlen könne, spiele bei der Entscheidung über die Erstattung keine Rolle. Wirtschaftliche Gesichtspunkte und damit die Berücksichtigung von Härten seien nicht schon im Rahmen von § 50 SGB X zu prüfen, sondern erst im Rahmen des Einziehungsverfahrens, sofern von dem Betroffenen eine Härte geltend gemacht werde und beispielsweise Ratenzahlung, Stundung oder Erlass beantragt würden.

Mit seiner am 14. Juni 2011 eingelegten Berufung gegen das seinen Bevollmächtigten am 20. Mai 2011 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht geltend, nach § 313 Abs. 7 SGB VI sei das von ihm erzielte Arbeitseinkommen entgegen der Auffassung des SG bis zum 21. Dezember 2007 nicht als Hinzuverdienst anzurechnen. Auch sei es unerheblich, ob die Beklagte den Bescheid bereits nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X habe aufheben können, da sie dies tatsächlich ausschließlich auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X getan habe. Nach dieser Vorschrift aber dürfe nur in Höhe des Mehrverdienstes aufgehoben werden. Zudem habe er die Leistungen gutgläubig verbraucht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. September 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 9. November 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2007 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 24. März 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren und ist der Auffassung, dass der Kläger kein vergleichbares Einkommen im Sinne des § 313 Abs. 7 SGB VI bezogen habe, so dass diese Regelung auf ihn nicht anwendbar sei. Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 1. Juli 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt; insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. März 2015 die Rückforderung auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X beschränkt und den Rückforderungsbetrag auf 1.715,00 Euro reduziert. Bereits zuvor hat sie mit Schriftsatz vom 19. März 2015 mitgeteilt, dass sich der Rückforderungsbetrag unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und damit ausgehend vom Mehrverdienst auf 1.715,00 Euro belaufe. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit sie nach dem Teilabhilfebescheid der Beklagten vom 24. März 2015 noch Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung war, unbegründet, denn die zulässige Klage des Klägers ist insoweit unbegründet. Ein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide besteht insoweit nicht.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 9. November 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2007 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 24. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 31. August 2006 ist, wie im Bescheid vom 15. September 2006 angegeben, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt, vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Abrechnungszeitraums (Satz 3).

Die Verwaltungsakte über die Zahlung der Erwerbsminderungsrente vom 1. Februar 1996, 6. Juni 1996 und 3. März 1999 sind nachträglich rechtswidrig geworden. Die Rente wegen Er-werbsminderung für den Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 31. August 2006 ist jeweils auf dem Konto des Klägers eingegangen. Im gleichen Zeitraum ging auch das monatliche Arbeitsentgelt der GKN S. M. GmbH auf seinem Konto ein. Durch die Zahlung des Arbeitsentgelts ist, soweit es im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juni 2003 bis 31. August 2006 die maß-geblichen Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 SGB VI im Umfange von 1.715,00 Euro überstieg, eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, weil dies nachträglich zum teilweisen Wegfall des Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente führte.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung war das von ihm erzielte Arbeitsentgelt als Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 2 SGB VI auch auf seine Erwerbsminderungsrente anzurechnen, weil § 313 Abs. 7 SGB VI, der im Sinne eine Besitzschutzregelung am 31. De-zember 2012 vorhandenes "vergleichbares Einkommen" für fünf Jahre von der Anrechnung ausnimmt, nicht auf sein in diesem Zeitraum erzieltes Arbeitsentgelt anwendbar ist. Bereits dem Wortlaut nach handelt es sich bei diesem "vergleichbaren Einkommen" um Einkommen, das dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen vergleichbar ist. Arbeitsentgelt oder Ar-beitseinkommen, wie es der Kläger erzielte, sind daher gerade kein "vergleichbares Einkommen" in diesem Sinne, sondern lediglich der Vergleichsmaßstab.

Allerdings entfällt der Anspruch des Klägers auf die Erwerbsminderungsrente für die Zeiten des Bezugs von die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überschreitendem Arbeitsentgelt nicht, wie von der Beklagten ursprünglich vorgenommen, in Höhe des Hinzuverdienstes, sondern lediglich in Höhe des die Hinzuverdienstgrenzen überschreitenden Teils des Hinzuverdienstes (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 23. März 1995 - Az.: 13 RJ 39/94 und vom 12. Dezember 1995 - Az.: 10 RKg 9/95, jeweils nach juris). Dies war nach den nachträglichen Berechnungen der Beklagten im Berufungsverfahren, denen der Kläger der Höhe nach nicht widersprochen hat, im Umfange von insgesamt 1.715,00 Euro der Fall.

Da nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leis-tungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit bereits durch das bloße Zusammentreffen einer Sozialleistung, hier der Erwerbsminderungsrente, mit anderweitigem Einkommen erfüllt werden, kommt es im Gegensatz zu den Tatbeständen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X gerade nicht auf eine irgendwie geartete Unlauterkeit oder Bösgläubigkeit des Klägers an. Es kann daher hier dahinstehen, ob er damals nicht mehr in der Lage war, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Überzahlung zu verhindern.

Somit durfte die Beklagte die entsprechenden Rentenbewilligungsbescheide teilweise aufheben, da keine Anhaltspunkte für einen atypischen Fall ersichtlich sind. Deshalb hatte sie bei einer auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützten Aufhebung der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente kein Ermessen auszuüben. Nach der Rechtsprechung des BSG bedeutet "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Leistungsträger den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufhebt, dass er jedoch in atypischen Fällen hiervon absehen darf. Die Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens eines atypischen Falles ist gerichtlich voll überprüfbar. Er wird angenommen, wenn Merkmale vorliegen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abweichen, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts ebenfalls durch nachträgliche Veränderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Ein solcher Fall ist hier nicht ersichtlich. Der Kläger erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitsentgelt und eine Sozialleistung als Lohnersatzleistungen. Dies entspricht dem Normalfall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Der Senat geht nicht davon aus, dass der Kläger durch die mit der Rücknahme verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät, da die Aufhebung der Rentenbewilligung nur in Höhe des die Hinzuverdienstgrenzen überschreitenden Teils des Hinzuverdienstes, also des Mehrverdienstes im Umfange von 1.715,00 Euro erfolgen durfte. Auch ein atypischer Fall infolge gutgläubigen Verbrauchs des Mehrverdienstes scheidet schließlich aus, da der Kläger das erzielte Einkommen nicht z.B. im Vertrauen auf die Richtigkeit einer von den Bediensteten der dafür zuständigen Behörde ihm gegebenen Information verbraucht haben kann. Der bloße Verbrauch ohne Hinzutreten besonderer Umstände reicht hierfür nicht (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1994 - Az.: 13 RJ 29/93, nach juris).

Die Beklagte teilte dem Kläger durch Schreiben vom 8. August 2006 vor Erlass des Bescheides vom 15. September 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 9. November 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2007 jedenfalls die für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X entscheidungserheblichen Tatsachen mit und räumte ihm Gelegenheit zur Äußerung ein, so dass die Aufhebung der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente nicht an einer fehlenden Anhörung vor Erlass des Verwaltungsaktes scheitert (§ 24 Abs. 1 SGB X). Sie hat letztlich auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Hiernach muss die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Jahresfrist beginnt mit Kenntnis der Behörde, es muss insoweit eine hinreichende Sicherheit für den Erlass eines Aufhebungsbescheids bestehen (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 45 SGB X Rn. 29). Der Senat kann offen lassen, ob es auf die Kenntnis des für die Vorbereitung der Aufhebung zuständigen Sachbearbeiters (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 1996 - Az.: 13 RJ 35/94, nach juris Rn. 28) oder auf die Kenntnis der für die Aufhebung nach der Geschäftsverteilung des Leistungsträgers zuständigen Behörde nach § 1 Abs. 2 SGB X ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1988 - Az.: 4 RA 9/88, nach juris Rn. 20). In beiden Fällen lag frühestens im April 2006 eine entsprechende Kenntnis und damit der Beginn der Jahresfrist vor, so dass durch die Bescheiderteilung am 15. September 2006 die Jahresfrist gewahrt wurde. Auch die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ist eingehalten, denn bei Bescheiderteilung waren seit der wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Jahr 2003 noch keine zehn Jahre vergangen (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Oktober 2012, § 48 SGB X Rdn. 77).

Die Beklagte durfte die entsprechenden Rentenbewilligungsbescheide im Umfang des jeweiligen Mehrverdienstes teilweise aufheben. Der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 15. September 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 9. November 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2007 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 24. März 2015 war insoweit rechtmäßig und damit die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen.

Nach § 50 Abs. 1 SGB X hat der Kläger die bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 1.715,00 Euro zu erstatten. Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Forderung hat er nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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