Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 229/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 64/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung im Quartal IV/2004. Rechtlicher Kern der Streitigkeit ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Abschaffung der zuvor geltenden Abstaffelungsregelung für die Leistungen von Radiologen und Nuklearmedizinern.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter im Bezirk der Beklagten als Fachärzte für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren.
Die Vergütung der Leistungen von Radiologen und Nuklearmediziner bestimmte sich im Bezirk der Beklagten vom Quartal III/2003 bis einschließlich dem Quartal II/2004 nach einem Regelwerk, das feste Punktwertgrenzen und bei deren Überschreitung eine Abstaffelungsregelung vorsah. § 13 Abs. 3 Satz 4 Buchstabe a des Honorarverteilungsmaßstabes vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 12. Juni 2003 in Verbindung mit Anlage J zu besagtem Honorarverteilungsmaßstab bestimmte, dass das Honorarkontingent Radiologen und Nuklearmediziner in ein Kontingent für computer- und kernspintomografische Leistungen (üblicherweise als Großgeräteleistungen oder auch als Schnittbildverfahren bezeichnet) sowie ein Kontingent für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner unterteilt wurde und Leistungen aus diesen Teilkontingenten bis zu einer bestimmten Punktgrenze mit einem festen Punktwert vergütet wurden. Darüber hinausgehende Punktzahlmengen wurden abgestaffelt vergütet. Welche Punktgrenzen einschlägig waren, war gemäß Anlage J Buchstaben a und b von der Zugehörigkeit der Leistung zu einem Teilkontingente abhängig und innerhalb des Teilkontingents der übrigen Leistungen auch davon, ob die betreffende Praxis auch Großgeräteleistungen erbrachte oder ausschließlich die übrigen Leistungen.
Diese Regelung – die auch der Honorarverteilungsmaßstab in der Fassung vom 25. September 2003 fortgeführt hatte – wurde mit Wirkung ab dem Quartal III/2004 zugunsten einer Regelung abgeschafft, die sich allein am Umfang des Honorarkontingents und der Zahl der abgerechneten Punkte orientierte. Zwar erklärte § 2 Satz 1 des mit Wirkung zum 1. Juli 2004 vereinbarten Honorarverteilungsmaßstabs in der Fassung vom 30. April 2004 u.a. § 13 der Vorgängerregelung für weiter anwendbar, allerdings änderte Nr. 4 der Vorschrift die Anlage J dahingehend ab, dass sie folgenden Wortlaut erhielt:
"Zur Honorarverteilung werden die Anteile der Radiologen und Nuklearmediziner an den kassengruppenbezogenen Gesamtvergütungen zusammengefasst.
Die computer- und kernspintomographischen Leistungen werden aus dem entsprechenden Teilkontingent nach § 13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt.
Gleichermaßen werden die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner aus dem entsprechenden Teilkontingent nach § 13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt."
Die Regelung wurde kraft § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal IV/2004 vom 27. Juli 2004 sowie kraft § 2 Abs. 1 Satz 1 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal I/2005 fortgeführt.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2004 ein Honorar von 389.220,22 Euro fest. Der Umsatz sei gegenüber dem Vorjahresquartal um 20,3 Prozent gesunken, der Fallwert um 20,0 Prozent, der durchschnittliche arztindividuelle Punktwert um 22,1 Prozent.
Die Klägerin legte hiergegen am 20. Juni 2005 Widerspruch ein. Die Vergütung für Radiologen und Nuklearmediziner unterläge nach der Abschaffung der Regelleistungsvolumina zum Quartal III/2004 keinen abgestaffelten Punktwerten mehr, sondern einem frei floatenden Punktwert. Diese Abschaffung der Regelleistungsvolumina entbinde die Beklagte aber nicht davon, Vorkehrungen gegen eine unerwünschte Leistungsausweitung zu treffen, und dürfe den Punktwert nicht ins Bodenlose rutschen lassen. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt. Die Beklagte wies den Widerspruch zusammen mit den Widersprüchen gegen die Bescheide hinsichtlich des vorangehenden und des Folgequartals mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 zurück und führte zur Begründung aus, sie sei an die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabes gebunden. Hinsichtlich der Höhe des Punktwerts verwies sie auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 (Az. B 6 KA 26/03 R), hinsichtlich der übrigen Gesichtspunkte auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 2004 (Az. B 6 KA 44/03 R).
Am 18. Mai 2009 hat die Klägerin wegen der Quartale III/2004 bis einschließlich II/2005 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klagen wegen der Quartale IV/2004 bis einschließlich II/2005 mit Beschluss vom 6. August 2009 von der unter dem Aktenzeichen S 27 KA 153/09 geführten Klage abgetrennt (IV/2004: S 27 KA 229/09; I/2005: S 27 KA 230/09; II/2005: S 27 KA 231/09; hinsichtlich der Quartale II/2005 und III/2005 hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. März 2013 im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R, Anerkenntnisse abgegeben).
Die Klägerin hat ausgeführt, die Abschaffung der mengensteuernden Regelungen in der Anlage J zum Honorarverteilungsmaßstab sei völlig unabhängig von den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 13. Mai 2004 und 29. Oktober 2004 nicht von der gesetzlichen Regelung gedeckt gewesen, die in § 85 Abs. 4 Satz 1 und 6 SGB V (in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz [GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I 2190, gültig ab dem 1. Januar 2004) Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorgeschrieben habe. Nur durch diese Abschaffung seien die Punktwerte der Gruppe der Radiologen und Nuklearmediziner gegenüber dem durchschnittlichen Vergleichspunktwert auf weit unter 15 Prozent abgesunken. Auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts 17. März 2010 (Az. B 6 KA 43/08 R) und vom 14. Dezember 2011 (Az. B 6 KA 3/11 R, B 6 KA 4/11 R, 5/11 R und 6/11 R) seien die Honorarbescheide mangels jeglicher Steuerungsinstrumente rechtswidrig gewesen. Resultat seien frei floatende und abstürzende Punktwerte gewesen, weil mehrere radiologische Praxen im Bezirk der Beklagten offensichtlich anders als die Klägerin, die sich auf die bis dahin vorhandenen mengensteuernden Regelungen und ihre der gesetzlichen Anordnung entsprechenden Beibehaltung verlassen habe und deren Fallzahl und deren Leistungsbedarf praktisch annähernd gleich geblieben sei, massive Anstiege in der Punktzahlanforderung zu verzeichnen gehabt hätten. Die Abschaffung der mengensteuernden Regelung sei nicht von der gesetzlichen Regelung gedeckt gewesen und damit auch nicht unter dem Aspekt eines Erprobungsspielraums legitimiert.
Die Beklagte hat ausgeführt, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 (Az. B 6 KA 26/03 R) gelte nicht mehr, dass die Kassenärztliche Vereinigung zu Stützungsmaßnahmen verpflichtet sei, wenn es zu einem Punktwertverfall für überweisungsgebundene vertragsärztliche Leistungen unter 15 Prozent des durchschnittlichen Punktwerts für die übrigen Leistungen komme. Aus dem Gesichtspunkt der angemessenen Vergütung komme erst dann ein höheres Honorar für die Kläger in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder in Teilbereichen gefährdet sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn es sei kein Fall von Insolvenz einer der ca. 40 radiologischen Praxen im Bereich der Beklagten in den letzten Jahren bekannt. Im Übrigen sei bei der Klägerin auch kein dauerhaft anhaltender Punktwertverfall eingetreten. Eine Gesamtübersicht über die Quartale I/2002 bis IV/2006 zeige, dass sich die individuellen Punktwerte ab dem zweiten Quartal 2005 deutlich stabilisiert hätten. Ab dem vierten Quartal 2005 seien auch die Umsätze der Kläger trotz überwiegend geringerer Fallzahlen wieder deutlich gestiegen. Auch lasse die Gesamtübersicht erkennen, dass die Fallwerte in den Quartalen III/2004 bis I/2005 deswegen stark gesunken seien, weil ihnen in den jeweiligen Vorjahresquartalen besonders günstige Fallwerte gegenüber gestanden hätten. Ein dauerhafter Punktwertverfall sei nicht zu erkennen. Die angefochtene Honorarverteilung sei rechtmäßig und habe in der Gesamtbetrachtung zu keinen unverhältnismäßigen Ergebnissen geführt. Die eingeräumten Gestaltungsspielräume seien nicht überschritten.
Das Sozialgericht hat – nachdem die Beteiligten ihr entsprechendes Einverständnis am 20. März 2013 erteilt hatten – die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 21. August 2013 abgewiesen: Der angefochtene Honorarbescheid sei rechtmäßig. Er entspreche der anzuwendenden Honorarverteilungsvereinbarung, die wiederum in Einklang mit höherrangigem Recht gestanden habe. Insbesondere habe das Landessozialgericht Hamburg in seinem Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) bereits entschieden, dass die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten in den Quartalen III/2004 bis einschließlich I/2005 rechtmäßig gewesen seien. Auch das Bundessozialgericht habe entschieden (Hinweis auf Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 43/08 R), dass es für eine Übergangszeit gestattet gewesen sei, von arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina abzusehen.
Die Beklagte sei auch nicht zu Stützungsmaßnahmen verpflichtet gewesen. Das vertragsärztliche Versorgungssystem sei nicht als Ganzes oder in Teilbereichen gefährdet gewesen. Auf die Ertragssituation einer einzelnen Praxis sei nicht abzustellen, da diese von einer Vielzahl anderer Faktoren beeinflusst werde, die der Verantwortungssphäre des einzelnen Vertragsarztes zuzurechnen seien. Maßgeblich sei die generelle Situation einer Arztgruppe, die über einen längeren Zeitraum von mindestens vier zusammenhängenden Quartalen zu betrachten sei, zumal das dritte Quartal eines Jahres aufgrund der Ferienzeiten typischerweise nicht aussagekräftig sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R). Auch sei der durchschnittliche Punktwert der Klägerin bereits im Quartal IV/2004 wieder angestiegen (von 2,17 Euro-Cent im Quartal III/2004 auf 2,75 Euro-Cent im Quartal IV/2004). Im Quartal I/2005 habe der Punktwert bei 2,30 Euro-Cent gelegen, im Quartal II/2005 bei 2,96 Euro-Cent und im Quartal III/2005 bei 2,99 Euro-Cent. Aufschluss über eine dauerhafte Veränderung der Gesamtsituation der Arztgruppe gäben diese Werte nicht, zumal sich aus einer von der Klägerin vorgelegten Übersicht über die Punktwerte im Quartal III/2004 ergebe, dass der Punktwert für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner höher gelegen hätten als die individuellen Punktwerte der Klägerin. Ein Anspruch auf ein höheres Honorar ergebe sich auch nicht unter dem Aspekt, dass die Unterschiede zu anderen Punktwerten zu groß geworden seien. Dies komme nur bei einem dauerhaften Abfall der Punktwerte in Betracht (Verweis auf BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 6 KA 30/03 R), woran es jedoch fehle.
Am 26. September 2013 hat die Klägerin gegen das ihr am 29. August 2013 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie führt aus, Hauptursache des eklatanten Rückgangs der Vergütung trotz gleichbleibender Fallzahlen und Leistungsbedarfe sei die Abschaffung der Abstaffelungsregelung für radiologische Leistungen gewesen. Bereits in den Quartalen I/2003 und II/2003 sei es zu einem deutlichen Punktwerteverfall gegenüber dem Vorjahr gekommen, nachdem eine vorher geltende Stützungsregelung für radiologische Großgeräteleistungen abgeschafft und für die übrigen radiologischen Leistungen begrenzt worden sei. Zum Quartal III/2003 sei dann der Honorarverteilungsmaßstab um die in Anlage J enthaltene Abstaffelungsregelung ergänzt worden, der bei kontinuierlich arbeitenden und nicht überproportional großen Praxen zu einer relativen Stabilität geführt habe. Diese – in Umsetzung ihrer Beobachtungs- und Reaktionspflicht eingeführte – Regelung habe die Beklagte indes entgegen § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V in der Fassung des GMG mit Wirkung zum Quartal III/2004 ersatzlos gestrichen. Auch aus den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 13. Mai 2004 und vom 29. Oktober 2004 ergebe sich nicht, dass die Honorarverteilung ab dem 1. Juli 2004 auf jegliche Elemente der Mengensteuerung zur Vermeidung eines frei floatenden Punktwertes habe verzichten dürfen. Nachdem bereits die zuvor geltende Fassung von § 85 Abs. 4 SGB V (hier in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000] vom 22. Dezember 1999, BGBl. I, 2626) eine (in das Auswahlermessens des Satzungsgebers gestellte) Abstaffelungsregelung für den Fall der Überschreitung des Regelleistungsvolumens vorgesehen habe, habe die Beklagte es in Ausübung ihres Ermessens für erforderlich gehalten, eine solche Regelung in Gestalt der Anlage J zum Honorarverteilungsmaßstabes vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 12. Juni 2003 mit Wirkung zum 1. Juli 2003 einzuführen. Die Neufassung von § 85 Abs. 4 SGB V durch das GMG habe diese Vorgaben sogar noch verstärkt (Verweis auf BSG, Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R), indem es aus einer Soll- eine Muss-Vorschrift gemacht habe. Die Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V in der Fassung des GMG hätten – völlig unabhängig von der Frage, ob der Bewertungsausschuss die Gestaltungsfreiheit gehabt habe, die Einführung von festen Punktwerten und arztgruppenbezogenen Vergütungsregelungen hinauszuschieben – zur Folge gehabt, dass aus dem Satzungsrecht überführte Honorarverteilungsmaßstäbe Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit eines Vertragsarztes vorzusehen gehabt hätten und dass Regelleistungsvolumina und Grenzwerte für den Fall der Überschreitung mit Abstaffelungen festzulegen gewesen seien. Somit habe eine Abschaffung der bereits eingeführten Abstaffelungsregelung aber auch nicht mehr im Ermessen der Beklagten gestanden, sondern sei zwingend verboten gewesen.
Auch aus dem vom Sozialgericht zitierten Urteil des ersten Senats des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) und dem von ihm zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. März 2010 (Az. B 6 KR 43/08 R) ergebe sich nichts Anderes. Beide Entscheidungen hätten sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es rechtens sei, eine Abstaffelungsregelung genau zu dem Zeitpunkt abzuschaffen, an dem der Gesetzgeber ihre Einführung vorgeschrieben habe.
Somit lasse sich die Abschaffung der Abstaffelungsregelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Erprobung und Beobachtung rechtfertigen. Daher komme es auch nicht auf die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wonach eine Beobachtung von mindestens vier zusammenhängenden Quartalen notwendig sei. Allerdings sei diese Begründung auch ansonsten falsch, denn wenn die Einführung der Abstaffelungsregelung zum 1. Juli 2003 gerade Konsequenz des vorher zu verzeichnenden freien Falls der Punktwerte gewesen sei, habe die Beklagten ihren Beobachtungs- und Reaktionsspielraum bereits verbraucht gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - hinsichtlich ihres Honoraranspruchs für das Quartal IV/2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der erste Senat des Landessozialgerichts Hamburg habe in seinem Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) die Übergangsregelung in § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung insgesamt als rechtmäßige Umsetzung der Empfehlungen des Bewertungsausschusses qualifiziert. Eine solche Bewertung lasse sich auch nur einheitlich vornehmen. Im Übrigen seien die einschlägigen Regelungen der Honorarverteilungsvereinbarung vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung zu verstehen: Die ab dem Quartal III/2003 geltende Regelung habe Anlass zu zahlreichen sozialgerichtlichen Eilverfahren geboten, in denen das Sozialgericht insbesondere das Fehlen einer Härtefallregelung (für Praxen mit überdurchschnittlich vielen Fällen in nur einem der beiden Teilleistungsbereiche) moniert habe. Die vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleiche, in denen eine Vergütung unter Außerachtlassung der Abstaffelungsregelung vereinbart worden sei, hätten dann im Ergebnis zu einem frei floatenden Punktwert in den Bereichen Großgeräteleistungen und konventionelle Leistungen geführt. Entsprechend habe die Beklagte sodann die Honorarverteilung für die Zeit ab dem Quartal III/2004 geändert, um den bestehenden Praxisstrukturen mit deutlich unterschiedlichen Schwerpunkten in der Leistungserbringung gleichmäßig gerecht zu werden. Da sämtliche Leistungen des Honorarkontingents für Radiologen und Nuklearmediziner zu den überweisungsgebundenen Leistungen und damit zu den in der Regel leistungsmengenstabilen Bereichen gehörten, die üblicherweise keiner weiteren Begrenzungsregelungen dürften, sei nicht zu befürchten gewesen, dass es aufgrund der neuen Honorarverteilungsregelungen ab dem Quartal III/2004 erneut zu starken Honorareinbußen und möglicherweise unverhältnismäßigen Benachteiligungen von Ärzten dieses Honorarkontingents hätte kommen können.
Der Senat hat am 19. August 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Prozessakten mit den Aktenzeichen S 27 KA 231/09, S 27 KA 158/09 und L 2 B 214/05 ER KA verwiesen, weiterhin auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie frist- und formgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honorarabrechnungen zu.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf das am heutigen Tage verkündete Urteil im Berufungsverfahren L 5 KA 63/13, das zwischen denselben Beteiligten hinsichtlich des vorangehenden Quartals ergangen ist. Die dort enthaltenen rechtlichen Darlegungen beanspruchen auch für das im vorliegenden Verfahren streitige Quartal Gültigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung im Quartal IV/2004. Rechtlicher Kern der Streitigkeit ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Abschaffung der zuvor geltenden Abstaffelungsregelung für die Leistungen von Radiologen und Nuklearmedizinern.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter im Bezirk der Beklagten als Fachärzte für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren.
Die Vergütung der Leistungen von Radiologen und Nuklearmediziner bestimmte sich im Bezirk der Beklagten vom Quartal III/2003 bis einschließlich dem Quartal II/2004 nach einem Regelwerk, das feste Punktwertgrenzen und bei deren Überschreitung eine Abstaffelungsregelung vorsah. § 13 Abs. 3 Satz 4 Buchstabe a des Honorarverteilungsmaßstabes vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 12. Juni 2003 in Verbindung mit Anlage J zu besagtem Honorarverteilungsmaßstab bestimmte, dass das Honorarkontingent Radiologen und Nuklearmediziner in ein Kontingent für computer- und kernspintomografische Leistungen (üblicherweise als Großgeräteleistungen oder auch als Schnittbildverfahren bezeichnet) sowie ein Kontingent für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner unterteilt wurde und Leistungen aus diesen Teilkontingenten bis zu einer bestimmten Punktgrenze mit einem festen Punktwert vergütet wurden. Darüber hinausgehende Punktzahlmengen wurden abgestaffelt vergütet. Welche Punktgrenzen einschlägig waren, war gemäß Anlage J Buchstaben a und b von der Zugehörigkeit der Leistung zu einem Teilkontingente abhängig und innerhalb des Teilkontingents der übrigen Leistungen auch davon, ob die betreffende Praxis auch Großgeräteleistungen erbrachte oder ausschließlich die übrigen Leistungen.
Diese Regelung – die auch der Honorarverteilungsmaßstab in der Fassung vom 25. September 2003 fortgeführt hatte – wurde mit Wirkung ab dem Quartal III/2004 zugunsten einer Regelung abgeschafft, die sich allein am Umfang des Honorarkontingents und der Zahl der abgerechneten Punkte orientierte. Zwar erklärte § 2 Satz 1 des mit Wirkung zum 1. Juli 2004 vereinbarten Honorarverteilungsmaßstabs in der Fassung vom 30. April 2004 u.a. § 13 der Vorgängerregelung für weiter anwendbar, allerdings änderte Nr. 4 der Vorschrift die Anlage J dahingehend ab, dass sie folgenden Wortlaut erhielt:
"Zur Honorarverteilung werden die Anteile der Radiologen und Nuklearmediziner an den kassengruppenbezogenen Gesamtvergütungen zusammengefasst.
Die computer- und kernspintomographischen Leistungen werden aus dem entsprechenden Teilkontingent nach § 13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt.
Gleichermaßen werden die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner aus dem entsprechenden Teilkontingent nach § 13 Abs. 3 Buchstabe a) mit dem Punktwert bewertet, der sich aus der Division des für diese Leistungen gebildeten Honorarkontingentes durch die Summe der abgerechneten und nach sachlich-rechnerischer Prüfung festgestellten Punktzahlen ergibt."
Die Regelung wurde kraft § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal IV/2004 vom 27. Juli 2004 sowie kraft § 2 Abs. 1 Satz 1 der Honorarverteilungsvereinbarung für das Quartal I/2005 fortgeführt.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2005 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2004 ein Honorar von 389.220,22 Euro fest. Der Umsatz sei gegenüber dem Vorjahresquartal um 20,3 Prozent gesunken, der Fallwert um 20,0 Prozent, der durchschnittliche arztindividuelle Punktwert um 22,1 Prozent.
Die Klägerin legte hiergegen am 20. Juni 2005 Widerspruch ein. Die Vergütung für Radiologen und Nuklearmediziner unterläge nach der Abschaffung der Regelleistungsvolumina zum Quartal III/2004 keinen abgestaffelten Punktwerten mehr, sondern einem frei floatenden Punktwert. Diese Abschaffung der Regelleistungsvolumina entbinde die Beklagte aber nicht davon, Vorkehrungen gegen eine unerwünschte Leistungsausweitung zu treffen, und dürfe den Punktwert nicht ins Bodenlose rutschen lassen. Das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit sei verletzt. Die Beklagte wies den Widerspruch zusammen mit den Widersprüchen gegen die Bescheide hinsichtlich des vorangehenden und des Folgequartals mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 zurück und führte zur Begründung aus, sie sei an die Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabes gebunden. Hinsichtlich der Höhe des Punktwerts verwies sie auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 (Az. B 6 KA 26/03 R), hinsichtlich der übrigen Gesichtspunkte auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 2004 (Az. B 6 KA 44/03 R).
Am 18. Mai 2009 hat die Klägerin wegen der Quartale III/2004 bis einschließlich II/2005 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Klagen wegen der Quartale IV/2004 bis einschließlich II/2005 mit Beschluss vom 6. August 2009 von der unter dem Aktenzeichen S 27 KA 153/09 geführten Klage abgetrennt (IV/2004: S 27 KA 229/09; I/2005: S 27 KA 230/09; II/2005: S 27 KA 231/09; hinsichtlich der Quartale II/2005 und III/2005 hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 20. März 2013 im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R, Anerkenntnisse abgegeben).
Die Klägerin hat ausgeführt, die Abschaffung der mengensteuernden Regelungen in der Anlage J zum Honorarverteilungsmaßstab sei völlig unabhängig von den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 13. Mai 2004 und 29. Oktober 2004 nicht von der gesetzlichen Regelung gedeckt gewesen, die in § 85 Abs. 4 Satz 1 und 6 SGB V (in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz [GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I 2190, gültig ab dem 1. Januar 2004) Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorgeschrieben habe. Nur durch diese Abschaffung seien die Punktwerte der Gruppe der Radiologen und Nuklearmediziner gegenüber dem durchschnittlichen Vergleichspunktwert auf weit unter 15 Prozent abgesunken. Auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts 17. März 2010 (Az. B 6 KA 43/08 R) und vom 14. Dezember 2011 (Az. B 6 KA 3/11 R, B 6 KA 4/11 R, 5/11 R und 6/11 R) seien die Honorarbescheide mangels jeglicher Steuerungsinstrumente rechtswidrig gewesen. Resultat seien frei floatende und abstürzende Punktwerte gewesen, weil mehrere radiologische Praxen im Bezirk der Beklagten offensichtlich anders als die Klägerin, die sich auf die bis dahin vorhandenen mengensteuernden Regelungen und ihre der gesetzlichen Anordnung entsprechenden Beibehaltung verlassen habe und deren Fallzahl und deren Leistungsbedarf praktisch annähernd gleich geblieben sei, massive Anstiege in der Punktzahlanforderung zu verzeichnen gehabt hätten. Die Abschaffung der mengensteuernden Regelung sei nicht von der gesetzlichen Regelung gedeckt gewesen und damit auch nicht unter dem Aspekt eines Erprobungsspielraums legitimiert.
Die Beklagte hat ausgeführt, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 (Az. B 6 KA 26/03 R) gelte nicht mehr, dass die Kassenärztliche Vereinigung zu Stützungsmaßnahmen verpflichtet sei, wenn es zu einem Punktwertverfall für überweisungsgebundene vertragsärztliche Leistungen unter 15 Prozent des durchschnittlichen Punktwerts für die übrigen Leistungen komme. Aus dem Gesichtspunkt der angemessenen Vergütung komme erst dann ein höheres Honorar für die Kläger in Betracht, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder in Teilbereichen gefährdet sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn es sei kein Fall von Insolvenz einer der ca. 40 radiologischen Praxen im Bereich der Beklagten in den letzten Jahren bekannt. Im Übrigen sei bei der Klägerin auch kein dauerhaft anhaltender Punktwertverfall eingetreten. Eine Gesamtübersicht über die Quartale I/2002 bis IV/2006 zeige, dass sich die individuellen Punktwerte ab dem zweiten Quartal 2005 deutlich stabilisiert hätten. Ab dem vierten Quartal 2005 seien auch die Umsätze der Kläger trotz überwiegend geringerer Fallzahlen wieder deutlich gestiegen. Auch lasse die Gesamtübersicht erkennen, dass die Fallwerte in den Quartalen III/2004 bis I/2005 deswegen stark gesunken seien, weil ihnen in den jeweiligen Vorjahresquartalen besonders günstige Fallwerte gegenüber gestanden hätten. Ein dauerhafter Punktwertverfall sei nicht zu erkennen. Die angefochtene Honorarverteilung sei rechtmäßig und habe in der Gesamtbetrachtung zu keinen unverhältnismäßigen Ergebnissen geführt. Die eingeräumten Gestaltungsspielräume seien nicht überschritten.
Das Sozialgericht hat – nachdem die Beteiligten ihr entsprechendes Einverständnis am 20. März 2013 erteilt hatten – die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 21. August 2013 abgewiesen: Der angefochtene Honorarbescheid sei rechtmäßig. Er entspreche der anzuwendenden Honorarverteilungsvereinbarung, die wiederum in Einklang mit höherrangigem Recht gestanden habe. Insbesondere habe das Landessozialgericht Hamburg in seinem Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) bereits entschieden, dass die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten in den Quartalen III/2004 bis einschließlich I/2005 rechtmäßig gewesen seien. Auch das Bundessozialgericht habe entschieden (Hinweis auf Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 43/08 R), dass es für eine Übergangszeit gestattet gewesen sei, von arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina abzusehen.
Die Beklagte sei auch nicht zu Stützungsmaßnahmen verpflichtet gewesen. Das vertragsärztliche Versorgungssystem sei nicht als Ganzes oder in Teilbereichen gefährdet gewesen. Auf die Ertragssituation einer einzelnen Praxis sei nicht abzustellen, da diese von einer Vielzahl anderer Faktoren beeinflusst werde, die der Verantwortungssphäre des einzelnen Vertragsarztes zuzurechnen seien. Maßgeblich sei die generelle Situation einer Arztgruppe, die über einen längeren Zeitraum von mindestens vier zusammenhängenden Quartalen zu betrachten sei, zumal das dritte Quartal eines Jahres aufgrund der Ferienzeiten typischerweise nicht aussagekräftig sei (Verweis auf BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R). Auch sei der durchschnittliche Punktwert der Klägerin bereits im Quartal IV/2004 wieder angestiegen (von 2,17 Euro-Cent im Quartal III/2004 auf 2,75 Euro-Cent im Quartal IV/2004). Im Quartal I/2005 habe der Punktwert bei 2,30 Euro-Cent gelegen, im Quartal II/2005 bei 2,96 Euro-Cent und im Quartal III/2005 bei 2,99 Euro-Cent. Aufschluss über eine dauerhafte Veränderung der Gesamtsituation der Arztgruppe gäben diese Werte nicht, zumal sich aus einer von der Klägerin vorgelegten Übersicht über die Punktwerte im Quartal III/2004 ergebe, dass der Punktwert für die übrigen Leistungen der Radiologen und Nuklearmediziner höher gelegen hätten als die individuellen Punktwerte der Klägerin. Ein Anspruch auf ein höheres Honorar ergebe sich auch nicht unter dem Aspekt, dass die Unterschiede zu anderen Punktwerten zu groß geworden seien. Dies komme nur bei einem dauerhaften Abfall der Punktwerte in Betracht (Verweis auf BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004 – B 6 KA 30/03 R), woran es jedoch fehle.
Am 26. September 2013 hat die Klägerin gegen das ihr am 29. August 2013 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie führt aus, Hauptursache des eklatanten Rückgangs der Vergütung trotz gleichbleibender Fallzahlen und Leistungsbedarfe sei die Abschaffung der Abstaffelungsregelung für radiologische Leistungen gewesen. Bereits in den Quartalen I/2003 und II/2003 sei es zu einem deutlichen Punktwerteverfall gegenüber dem Vorjahr gekommen, nachdem eine vorher geltende Stützungsregelung für radiologische Großgeräteleistungen abgeschafft und für die übrigen radiologischen Leistungen begrenzt worden sei. Zum Quartal III/2003 sei dann der Honorarverteilungsmaßstab um die in Anlage J enthaltene Abstaffelungsregelung ergänzt worden, der bei kontinuierlich arbeitenden und nicht überproportional großen Praxen zu einer relativen Stabilität geführt habe. Diese – in Umsetzung ihrer Beobachtungs- und Reaktionspflicht eingeführte – Regelung habe die Beklagte indes entgegen § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V in der Fassung des GMG mit Wirkung zum Quartal III/2004 ersatzlos gestrichen. Auch aus den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 13. Mai 2004 und vom 29. Oktober 2004 ergebe sich nicht, dass die Honorarverteilung ab dem 1. Juli 2004 auf jegliche Elemente der Mengensteuerung zur Vermeidung eines frei floatenden Punktwertes habe verzichten dürfen. Nachdem bereits die zuvor geltende Fassung von § 85 Abs. 4 SGB V (hier in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 [GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000] vom 22. Dezember 1999, BGBl. I, 2626) eine (in das Auswahlermessens des Satzungsgebers gestellte) Abstaffelungsregelung für den Fall der Überschreitung des Regelleistungsvolumens vorgesehen habe, habe die Beklagte es in Ausübung ihres Ermessens für erforderlich gehalten, eine solche Regelung in Gestalt der Anlage J zum Honorarverteilungsmaßstabes vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 12. Juni 2003 mit Wirkung zum 1. Juli 2003 einzuführen. Die Neufassung von § 85 Abs. 4 SGB V durch das GMG habe diese Vorgaben sogar noch verstärkt (Verweis auf BSG, Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R), indem es aus einer Soll- eine Muss-Vorschrift gemacht habe. Die Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V in der Fassung des GMG hätten – völlig unabhängig von der Frage, ob der Bewertungsausschuss die Gestaltungsfreiheit gehabt habe, die Einführung von festen Punktwerten und arztgruppenbezogenen Vergütungsregelungen hinauszuschieben – zur Folge gehabt, dass aus dem Satzungsrecht überführte Honorarverteilungsmaßstäbe Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit eines Vertragsarztes vorzusehen gehabt hätten und dass Regelleistungsvolumina und Grenzwerte für den Fall der Überschreitung mit Abstaffelungen festzulegen gewesen seien. Somit habe eine Abschaffung der bereits eingeführten Abstaffelungsregelung aber auch nicht mehr im Ermessen der Beklagten gestanden, sondern sei zwingend verboten gewesen.
Auch aus dem vom Sozialgericht zitierten Urteil des ersten Senats des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) und dem von ihm zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. März 2010 (Az. B 6 KR 43/08 R) ergebe sich nichts Anderes. Beide Entscheidungen hätten sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob es rechtens sei, eine Abstaffelungsregelung genau zu dem Zeitpunkt abzuschaffen, an dem der Gesetzgeber ihre Einführung vorgeschrieben habe.
Somit lasse sich die Abschaffung der Abstaffelungsregelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Erprobung und Beobachtung rechtfertigen. Daher komme es auch nicht auf die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, wonach eine Beobachtung von mindestens vier zusammenhängenden Quartalen notwendig sei. Allerdings sei diese Begründung auch ansonsten falsch, denn wenn die Einführung der Abstaffelungsregelung zum 1. Juli 2003 gerade Konsequenz des vorher zu verzeichnenden freien Falls der Punktwerte gewesen sei, habe die Beklagten ihren Beobachtungs- und Reaktionsspielraum bereits verbraucht gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie - die Klägerin - hinsichtlich ihres Honoraranspruchs für das Quartal IV/2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der erste Senat des Landessozialgerichts Hamburg habe in seinem Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. L 1 KA 22/09) die Übergangsregelung in § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung insgesamt als rechtmäßige Umsetzung der Empfehlungen des Bewertungsausschusses qualifiziert. Eine solche Bewertung lasse sich auch nur einheitlich vornehmen. Im Übrigen seien die einschlägigen Regelungen der Honorarverteilungsvereinbarung vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung zu verstehen: Die ab dem Quartal III/2003 geltende Regelung habe Anlass zu zahlreichen sozialgerichtlichen Eilverfahren geboten, in denen das Sozialgericht insbesondere das Fehlen einer Härtefallregelung (für Praxen mit überdurchschnittlich vielen Fällen in nur einem der beiden Teilleistungsbereiche) moniert habe. Die vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleiche, in denen eine Vergütung unter Außerachtlassung der Abstaffelungsregelung vereinbart worden sei, hätten dann im Ergebnis zu einem frei floatenden Punktwert in den Bereichen Großgeräteleistungen und konventionelle Leistungen geführt. Entsprechend habe die Beklagte sodann die Honorarverteilung für die Zeit ab dem Quartal III/2004 geändert, um den bestehenden Praxisstrukturen mit deutlich unterschiedlichen Schwerpunkten in der Leistungserbringung gleichmäßig gerecht zu werden. Da sämtliche Leistungen des Honorarkontingents für Radiologen und Nuklearmediziner zu den überweisungsgebundenen Leistungen und damit zu den in der Regel leistungsmengenstabilen Bereichen gehörten, die üblicherweise keiner weiteren Begrenzungsregelungen dürften, sei nicht zu befürchten gewesen, dass es aufgrund der neuen Honorarverteilungsregelungen ab dem Quartal III/2004 erneut zu starken Honorareinbußen und möglicherweise unverhältnismäßigen Benachteiligungen von Ärzten dieses Honorarkontingents hätte kommen können.
Der Senat hat am 19. August 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Prozessakten mit den Aktenzeichen S 27 KA 231/09, S 27 KA 158/09 und L 2 B 214/05 ER KA verwiesen, weiterhin auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie frist- und formgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG und der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honorarabrechnungen zu.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf das am heutigen Tage verkündete Urteil im Berufungsverfahren L 5 KA 63/13, das zwischen denselben Beteiligten hinsichtlich des vorangehenden Quartals ergangen ist. Die dort enthaltenen rechtlichen Darlegungen beanspruchen auch für das im vorliegenden Verfahren streitige Quartal Gültigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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