L 11 R 1617/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 115/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1617/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18.12.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Höhe einer Altersrente. Die Beteiligten streiten, ob die Entgeltpunkte, die sich aus fremdrentenrechtlichen Zeiten ergeben, mit dem Faktor 0,6 multipliziert werden dürfen.

Die Klägerin ist als Witwe die Sonderrechtsnachfolgerin des am 1944 geborenen und am 2011 verstorbenen Versicherten J. D. (- im Folgenden Versicherter -). Dieser siedelte am 1990 aus R. in die B. D. über. Er war Inhaber eines Vertriebenenausweises A. Der Versicherte legte vom 01.09.1959 bis 30.06.1961 sowie vom 01.11.1966 bis 30.06.1968 Fachschulzeiten und vom 03.11.1961 bis 19.07.1990 Beschäftigungszeiten in R. zurück. Anschließend sind Vertreibungszeiten und Pflichtbeitragszeiten bis 27.11.2004 im Versicherungskonto gespeichert.

Der Versicherte bezog aufgrund eines Antrags vom 20.09.2004 ab 1.12.2004 eine Altersrente von der Beklagten bzw zuvor von der LVA B.-W ... Die Altersrente wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 07.10.2004 bewilligt. Bei der Berechnung dieser Rente wurden die Entgeltpunkte für FRG-Zeiten um 40% (Multiplikation mit dem Faktor 0,6) gekürzt.

Mit Schreiben vom 23.06.2006 beantragte der Versicherte die Neufeststellung der Rente hinsichtlich der Kürzung um den Faktor 0,6. Das Antragsverfahren wurde zunächst ruhend gestellt. Mit Schreiben vom 19.06.2008 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Versicherten mit, dass der Gesetzgeber mit Art 6 § 4c Abs 2 FANG eine Vertrauensschutzvorschrift bezüglich der Anwendung der Kürzungsregelung in § 22 Abs 4 FRG geschaffen habe. Aufgrund eines noch anhängigen Revisionsverfahrens beim BSG sei jedoch noch nicht geklärt, ob diese Vertrauensschutzvorschrift verfassungsgemäß sei. Deshalb könne über den Antrag auf Neufeststellung vorerst nicht entschieden werden. Der Klägerbevollmächtigte widersprach einem weiteren Ruhen des Verfahrens.

Daraufhin lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 23.07.2008 ab. Den hiergegen mit Schreiben vom 27.08.2008 eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2009 zurück. Sie verwies auf die Vertrauensschutzvorschrift des Art 6 § 4c Abs 2 FANG, wonach nur für Rentenbezugszeiten vor dem 30.06.2000 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten gezahlt werde. Zudem sei der Überprüfungsantrag nicht bis 31.12.2004 gestellt worden.

Hiergegen hat der Versicherte am 10.08.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 16 R 4030/09). Das SG hat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 30.12.2010 beantragte die Beklagte die Wiederaufnahme. Mit Urteil vom 18.12.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte gemäß § 22 Abs 4 FRG mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen seien. Der Versicherte profitiere von der Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG nicht, da die Rente erst ab dem 01.12.2004 bewilligt worden sei. Verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich der Kürzung der Entgeltpunkte und der Übergangsvorschrift bestünden nicht.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 24.03.2015 zugestellte Urteil hat dieser am 17.04.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Er ist der Ansicht, dass die Rente als Gesamtposition unter den Schutzbereich des Art 14 GG falle. Deshalb verstoße eine Kürzung durch den Faktor 0,6 gegen das Grundgesetz. Ab dem Zeitpunkt der Wohnsitznahme in D.würden ausländische Pflichtbeitragszeiten gemäß § 15 FRG zu Inlandspflichtbeitragszeiten. Einmal berechnete Entgeltpunkte dürften nicht mit der Begründung gekürzt werden, der Antragsteller sei erst zu einem gewissen Zeitpunkt in Rente gegangen. Dies gelte insbesondere für Fälle, in denen die Versicherungsbiografie nicht ausschließlich im Vertreibungsland und während des Vertreibungszustandes zurückgelegt worden sei. Nach dem Beitritt R. zur Europäischen Union seien zudem die Zeiten nach dem FRG als Versicherungszeiten anzusehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18.12.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2009 zu verpflichten, die Rente des Versicherten unter Berücksichtigung aller versicherungsrelevanter Zeiten ohne Kürzung um den Faktor 0,6 anzuerkennen und diese neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16.06.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Verfahrensweise aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt ist. Die Beteiligten haben nicht Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 23.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2009, mit dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Neuberechnung der Rente ohne Kürzung der Entgeltpunkte für FRG-Zeiten um 40% abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat die Altersrente des Versicherten zutreffend berechnet und dabei zu Recht die Entgeltpunkte, die sie für Beitragszeiten gemäß § 22 Abs 1 und 3 FRG ermittelt hat, mit dem Faktor 0,6 multipliziert. Deshalb hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Neuberechnung der Rente gem § 44 SGB X.

Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG). Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Gemäß § 22 Abs 4 FRG in der ab dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. Die Bestimmung in dieser Fassung ist auch auf den Versicherten anzuwenden, da für den Kläger kein Rentenanspruch vor dem 1. Januar 1990 (Art 6 § 4 Abs 2 FANG) bzw. 1. Oktober 1996 (Art 6 § 4c Abs 1 FANG) besteht und er auch keinen Rentenanspruch auf der Grundlage eines Sozialversicherungsabkommens hat (Art 6 § 4 Abs 5 FANG).

Auf den Kläger ist das FRG ohne Zweifel anwendbar. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1 FRG. Danach gilt das FRG auch für Vertriebene.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten gemäß Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG, denn seine Rente beginnt nach dem 1.7.2000. Ein solcher wurde vom Klägerbevollmächtigten auch nie geltend gemacht.

Bzgl der Kürzung der Entgeltpunkte (§ 22 Abs 4 FRG) bestehen unter Einschluss der Übergangsregelung nach Art 6 § 4c Abs 2 FANG keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits eindeutig festgestellt (siehe dazu u.a. BVerfG 13.6.2006, 1 BvL 9/00; BVerfG 15.07.2010, 1 BvR 1201/10). Der Senat weist darauf hin, dass der Sachverhalt des Verfahrens 1 BvR 1201/10 beim BVerfG nahezu identisch mit dem vorliegenden Sachverhalt ist. Deshalb führen auch die Argumente des Klägerbevollmächtigten bzgl Art 14 GG und zum Beitritt R. zur Europäischen Union zu keinem anderen Ergebnis.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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