Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2130/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1656/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. April 2015 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab seiner Entlassung aus dem Krankenhaus längstens bis 30. Juni 2015 Lebensmittelgutscheine in notwendigem Umfang zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwältin B. beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und zum großen Teil begründet. Der Antragsteller hat im Wege der einstweiligen Anordnung nur Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners, ihm nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus Lebensmittelgutscheine bis 30. Juni 2015 zu gewähren.
Der Antragsteller hat nicht -wie vom Sozialgericht Stuttgart (SG) zugesprochen- Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vom 20. April 2015 bis 31. Oktober 2015. Er dürfte nach summarischer Prüfung zwar hilfebedürftig sein und auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Aber es sind nicht alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt.
Der Antragsteller ist aufgrund seines Unfalles am 11. August 2014 von der Hüfte an abwärts querschnittsgelähmt und kann sich noch nicht selbst versorgen, weshalb er nicht erwerbsfähig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II ist. Materiell hat der Kläger daher nur Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem SGB XII (vgl. § 41 ff. SGB XII) gegen die Beigeladene. Da aber nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, Juris) nicht nur dann von der Erwerbsfähigkeit auszugehen ist, wenn ein Streit zwischen den Trägern besteht, sondern auch im Vorfeld bis zur Klärung, kommen hier nur Ansprüche nach dem SGB II gegen den Antragsgegner in Betracht. Es ist aus formalen Gründen -damit der Versicherte nicht zwischen zwei Stühlen sitzt- so zu tun, als ob der Antragsteller erwerbsfähig wäre.
Der Antragsteller ist aber gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Wege des Erst-Recht-Schlusses vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Hiernach sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies gilt erst recht für Ausländer, die sich -wie der Antragsteller- ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten.
Der Antragsteller ist Kroate und hält sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland auf. Er hat nach eigenem Vortrag eine Beschäftigung auf dem Bau verrichtet. Unabhängig davon, dass eine solche abhängige Beschäftigung ohne die grundsätzlich erforderliche Arbeitsgenehmigung erfolgte, dauerte sie allenfalls nur vom 1. April 2014 (als zum Schein die Eintragung ins Gewerberegister erfolgte) bis zum Unfall (11. August 2014), so dass ein eventueller Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU nicht mehr fortwirkt. Die Erwerbsminderung besteht auch nicht infolge Unfalls nur vorübergehend (Nr. 1). Da die 6-Monatsfrist des § 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU nach dem langen Krankenhaus- bzw. Rehabilitationsaufenthalt bis 20. April 2015 bereits abgelaufen ist, ist der Kläger auch dann nicht mehr freizügigkeitsberechtigt, wenn er tatsächlich nur scheinselbständig tätig war. Aber auch wenn er tatsächlich in der Zeit zulässigerweise selbständig tätig war, hat er kein Freizügigkeitsrecht, da er kein ganzes Jahr tätig war (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU). Die Voraussetzungen des § 4 des Freizügigkeitsgesetz/EU sind auch nicht erfüllt, da der Antragsteller nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt. Der Antragsteller war und ist auch nicht als Arbeitssuchender freizügigkeitsberechtigt. Er war bis zum Unfall tätig, danach kann er aufgrund seines Unfalles nicht mehr Arbeit suchen. Zudem besteht auch keine Aussicht, eingestellt zu werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU). Substantielles Vorbringen zu einem doch bestehenden Freizügigkeitsrecht hat der durch die Rechtsanwältin und Betreuerin vertretene Antragsteller nicht vorgetragen.
Der Senat ist der Auffassung, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelte Ausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, auch gilt, wenn nicht einmal dieses vorliegt (so auch Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Februar 2015, L 2 AS 14/15 B ER, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2014, L 29 AS 2052/14 B, Urteil vom 19. Juli 2012, L 5 AS 511/11, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Juli 2014, L 15 AS 202/14 B ER, 15. November 2013, L 15 AS 365/13 B ER, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, L 2 AS 1623/14 B ER, Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2014, , L 7 AS 528/14 B ER; a.A. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 5. Mai 2014, L 19 AS 430/13, und 10. Oktober 2013, L 19 AS 129/13 m.w.N., alle Juris). Dies ergibt sich daraus, dass ansonsten ein unauflösbarer Wertungswiderspruch entstünde, der durch systematische Auslegung zu vermeiden ist. Der Gesetzgeber wollte Ausländer von Leistungen ausschließen, die ohne einen anderen anerkannten Aufenthaltsgrund nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU zu haben, nur zur Arbeitssuche einreisen. Damit wird deutlich, dass nicht einmal dieses Aufenthaltsrecht Innehabende von vorneherein ausgeschlossen sein sollten.
Der Leistungsausschluss für nicht Arbeitssuchende ist auch mit Europarecht konform. Nach der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014, C 333/13, (Dano), sind keine berechtigte Zweifel mehr erkennbar. Denn hiernach können Unionsbürger, die kein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmestaat nach der Richtlinie 2004/38 geltend machen können, sich schon nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie berufen (vgl. auch Thym, Die Rückkehr des Marktbürgers - Zum Ausschluss nichterwerbsfähiger EU-Bürger von Hartz IV-Leistungen, NJW 2015, 130).
Der Senat hält es für erforderlich, ein unabdingbares Existenzminimum in Form von Lebensmittelgutscheinen (vgl. § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II) zuzusprechen. Dies gilt jedoch erst ab der -noch nicht bekannt gewordenen- Entlassung aus dem neuerlichen Krankenhausaufenthalt. Bis zum 30. Juni 2015 ist der Antragsteller noch krankenversichert, wie der Antragsgegner versichert hat. Derzeitige Kosten der Unterkunft können schon deshalb nicht existenzsichernd zuerkannt werden, weil der Antragsteller keine tatsächlichen Kosten glaubhaft gemacht hat. Er hat das Männerwohnheim verlassen und ist wieder im Krankenhaus.
Da der Antragsgegner Beschwerde erhoben hat und der Antragsteller bedürftig ist, war diesem Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG analog).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwältin B. beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und zum großen Teil begründet. Der Antragsteller hat im Wege der einstweiligen Anordnung nur Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners, ihm nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus Lebensmittelgutscheine bis 30. Juni 2015 zu gewähren.
Der Antragsteller hat nicht -wie vom Sozialgericht Stuttgart (SG) zugesprochen- Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vom 20. April 2015 bis 31. Oktober 2015. Er dürfte nach summarischer Prüfung zwar hilfebedürftig sein und auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Aber es sind nicht alle Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt.
Der Antragsteller ist aufgrund seines Unfalles am 11. August 2014 von der Hüfte an abwärts querschnittsgelähmt und kann sich noch nicht selbst versorgen, weshalb er nicht erwerbsfähig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II ist. Materiell hat der Kläger daher nur Ansprüche auf Sozialhilfe nach dem SGB XII (vgl. § 41 ff. SGB XII) gegen die Beigeladene. Da aber nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, Juris) nicht nur dann von der Erwerbsfähigkeit auszugehen ist, wenn ein Streit zwischen den Trägern besteht, sondern auch im Vorfeld bis zur Klärung, kommen hier nur Ansprüche nach dem SGB II gegen den Antragsgegner in Betracht. Es ist aus formalen Gründen -damit der Versicherte nicht zwischen zwei Stühlen sitzt- so zu tun, als ob der Antragsteller erwerbsfähig wäre.
Der Antragsteller ist aber gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Wege des Erst-Recht-Schlusses vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Hiernach sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies gilt erst recht für Ausländer, die sich -wie der Antragsteller- ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten.
Der Antragsteller ist Kroate und hält sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland auf. Er hat nach eigenem Vortrag eine Beschäftigung auf dem Bau verrichtet. Unabhängig davon, dass eine solche abhängige Beschäftigung ohne die grundsätzlich erforderliche Arbeitsgenehmigung erfolgte, dauerte sie allenfalls nur vom 1. April 2014 (als zum Schein die Eintragung ins Gewerberegister erfolgte) bis zum Unfall (11. August 2014), so dass ein eventueller Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU nicht mehr fortwirkt. Die Erwerbsminderung besteht auch nicht infolge Unfalls nur vorübergehend (Nr. 1). Da die 6-Monatsfrist des § 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU nach dem langen Krankenhaus- bzw. Rehabilitationsaufenthalt bis 20. April 2015 bereits abgelaufen ist, ist der Kläger auch dann nicht mehr freizügigkeitsberechtigt, wenn er tatsächlich nur scheinselbständig tätig war. Aber auch wenn er tatsächlich in der Zeit zulässigerweise selbständig tätig war, hat er kein Freizügigkeitsrecht, da er kein ganzes Jahr tätig war (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU). Die Voraussetzungen des § 4 des Freizügigkeitsgesetz/EU sind auch nicht erfüllt, da der Antragsteller nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt. Der Antragsteller war und ist auch nicht als Arbeitssuchender freizügigkeitsberechtigt. Er war bis zum Unfall tätig, danach kann er aufgrund seines Unfalles nicht mehr Arbeit suchen. Zudem besteht auch keine Aussicht, eingestellt zu werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU). Substantielles Vorbringen zu einem doch bestehenden Freizügigkeitsrecht hat der durch die Rechtsanwältin und Betreuerin vertretene Antragsteller nicht vorgetragen.
Der Senat ist der Auffassung, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelte Ausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, auch gilt, wenn nicht einmal dieses vorliegt (so auch Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Februar 2015, L 2 AS 14/15 B ER, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2014, L 29 AS 2052/14 B, Urteil vom 19. Juli 2012, L 5 AS 511/11, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Juli 2014, L 15 AS 202/14 B ER, 15. November 2013, L 15 AS 365/13 B ER, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, L 2 AS 1623/14 B ER, Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2014, , L 7 AS 528/14 B ER; a.A. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 5. Mai 2014, L 19 AS 430/13, und 10. Oktober 2013, L 19 AS 129/13 m.w.N., alle Juris). Dies ergibt sich daraus, dass ansonsten ein unauflösbarer Wertungswiderspruch entstünde, der durch systematische Auslegung zu vermeiden ist. Der Gesetzgeber wollte Ausländer von Leistungen ausschließen, die ohne einen anderen anerkannten Aufenthaltsgrund nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU zu haben, nur zur Arbeitssuche einreisen. Damit wird deutlich, dass nicht einmal dieses Aufenthaltsrecht Innehabende von vorneherein ausgeschlossen sein sollten.
Der Leistungsausschluss für nicht Arbeitssuchende ist auch mit Europarecht konform. Nach der Entscheidung des EuGH vom 11. November 2014, C 333/13, (Dano), sind keine berechtigte Zweifel mehr erkennbar. Denn hiernach können Unionsbürger, die kein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmestaat nach der Richtlinie 2004/38 geltend machen können, sich schon nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie berufen (vgl. auch Thym, Die Rückkehr des Marktbürgers - Zum Ausschluss nichterwerbsfähiger EU-Bürger von Hartz IV-Leistungen, NJW 2015, 130).
Der Senat hält es für erforderlich, ein unabdingbares Existenzminimum in Form von Lebensmittelgutscheinen (vgl. § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II) zuzusprechen. Dies gilt jedoch erst ab der -noch nicht bekannt gewordenen- Entlassung aus dem neuerlichen Krankenhausaufenthalt. Bis zum 30. Juni 2015 ist der Antragsteller noch krankenversichert, wie der Antragsgegner versichert hat. Derzeitige Kosten der Unterkunft können schon deshalb nicht existenzsichernd zuerkannt werden, weil der Antragsteller keine tatsächlichen Kosten glaubhaft gemacht hat. Er hat das Männerwohnheim verlassen und ist wieder im Krankenhaus.
Da der Antragsgegner Beschwerde erhoben hat und der Antragsteller bedürftig ist, war diesem Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG analog).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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