L 2 AS 3103/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2042/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 3103/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von mehr als 5.000,00 EUR.

Der 1959 geborene Kläger bezieht seit 6. April 2009 mit Unterbrechung im März und April 2012 (Arbeitsaufnahme) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom beklagten Jobcenter Zollernalbkreis (seit 1. Januar 2011 Rechtsnachfolger der ARGE Z. gem. § 76 Abs. 3 SGB II). Bei der Auszahlung der Leistungen an den Kläger kam es neben Überweisungen auch zu mehrfachen Barauszahlungen, zur Aufrechnung aufgrund von zwei Mietkautionen, zu einer Sanktion in Höhe von 30% des Regelbedarfs (monatlich 112,00 EUR) vom 1. Februar bis 30. April 2012, einer weiteren Sanktion vom 1. Juni bis 31.August 2012 in Höhe von 60% des Regelbedarfs (monatlich 224,40 EUR) und einer Erstattungsforderung für die Zeit vom 24. Februar bis 31. März 2011 in Höhe von 530,75 EUR nach einer Inhaftierung des Klägers. Die Kosten der Unterkunft werden seit Jahren direkt an den Vermieter geleistet. Sämtliche Bescheide sind bestandskräftig.

Mit E-Mail vom 11. Mai 2013 (Bl. 693 Verwaltungsakte -VA -) und dann mit Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2013 machte der Kläger für die Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2012 eine Nachzahlung in Höhe eines Betrages von 2.861,49 EUR geltend. Er trug u.a. vor, im September 2011 und im März 2013 seien keine Zahlungen des Amtes eingegangen.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2013 (Bl. 703 VA) teilte der Beklagte mit, es sei bereits mehrere Male mündlich und schriftlich dargestellt worden, dass es mit allen Zahlungen seine Richtigkeit habe; es werde kein Handlungsbedarf gesehen.

Am 2. August 2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zunächst die Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.861,49 EUR nebst Zinsen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2013 begehrt. Mit Schriftsatz vom 4. August 2014 hat er die Klage erweitert und die Zahlung weiterer 475,00 EUR nebst Zinsen mit fünf Prozentpunkten seit dem 1. August 2014 verlangt, weil er meine, dass der Beklagte in den Monaten Januar bis Juli 2013 und Mai bis August 2014 diesen Betrag zu wenig geleistet habe. Mit Schreiben vom 15.Januar 2015 hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die aktuelle Forderung sich zum 1. Januar 2015 auf exakt 4.888,49 EUR belaufe. Dazu kämen jeden weiteren Monat 35,00 EUR, die ihm abgezogen würden (Bl. 34 ff. SG-Akte). Mit Schreiben vom 13. April 2015 hat der Kläger darauf verwiesen, dass im Zeitraum April 2014 bis März 2015 weitere 455,00 EUR zu wenig ausgezahlt worden seien. Der Kläger hat diverse Unterlagen, insbesondere seine Kontoauszüge von Januar 2010 bis Dezember 2014 vorgelegt (Bl. 34 ff. SG-Akte). Er hat den Standpunkt eingenommen, dass die "Firma Job-Center" ihn als Leistungsberechtigten um die ihm gesetzlich zustehenden Leistungen betrogen habe. Betreffend Barauszahlungen spiele es keine Rolle wieviel, denn wenn er diese dazu zähle, erhöhe sich der Differenzbetrag um weitere Hunderte Euro. Der Sachbearbeiter ziehe jeden Monat 35,00 EUR seit April 2014 von seinen gesetzlich zustehenden Leistungen ab. Kosten für Einschreiben und sonstigen Schriftverkehr werde trotz Nachweise einfach ignoriert bzw. es verschwänden diese Unterlagen nicht auf wundersame Weise, sondern wie beschrieben und bewiesen. Schließlich hat er betont, dass er die sogenannte Eingliederungsvereinbarung nach § 50 EGBGB schon seit Jahren abgelehnt habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Er hat auf die Bestandkraft der ergangenen Bescheide verwiesen und dies auch insbesondere mit Blick auf die ergangenen Widerspruchsbescheide bekräftigt. Wegen eines völlig unsubstantiierten Vortrages könne keine Überprüfung erfolgen. Die Geltendmachung eines Betrages von 2.861,49 EUR aus einem Zeitraum von Januar 2010 bis Dezember 2012 sei weder dem Grunde nach der Höhe nach irgendwie nachvollziehbar. Es könne nicht in eine Überprüfung eingetreten werden, wenn völlig unsubstantiiert und ohne Nachweise irgendetwas beantragt und lediglich behauptet werde. Unabhängig davon sei beispielhaft für den Zeitraum Januar bis Juni 2010 nachgewiesen, dass insbesondere die Regelleistungen jeweils monatlich korrekt ausbezahlt worden seien (beigefügte Anlage zu den ausgezahlten Buchungen im gesamten Zeitraum). Dem Kläger müsse bewusst sein, dass Barzahlungen gerade nicht auf den Kontoauszügen erschienen. Es sei das gesamte Jahr 2014 beleuchtet worden. Danach sei festzustellen, dass alle Überweisungen 2014 auf dem Konto des Klägers angekommen seien und dass die Auszahlungen des Job-Centers mit den Leistungsbescheiden vollständig in voller Höhe übereinstimmten (vorgelegte Übersicht über die ausgezahlten Buchungen). Anders als der Kläger behaupte, finde bezüglich des Leistungsbescheides vom 7. April 2015 (Leistungszeitraum vom 1. April bis 30. September 2015) kein Einbehalt statt. Die Gesamtkosten der Unterkunft inklusive Garage, die nicht bei den Kosten der Unterkunft berücksichtigt werde, gingen an den Vermieter; dies seien mit der Garage monatlich 400,00 EUR.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als echte Leistungsklage zulässig, denn der Kläger mache geltend, dass ihm auf der Grundlage des Rechtsverhältnisses zum Beklagten und auf der Grundlage der vom Beklagten erteilten Bescheide ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Eine Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Untätigkeitsklage habe er weder konkludent noch ausdrücklich erhoben. Ausgangspunkt für die Überprüfung der Höhe der dem Kläger zustehenden Ansprüche könnten allein die vom Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum erteilten Bescheide sein. Ob diese Bescheide rechtmäßig oder rechtswidrig seien, sei einer gerichtlichen Prüfung entzogen, denn diese Bescheide seien sämtlich bestandskräftig geworden mit Ausnahme des Bescheides vom 7. April 2015. Aus der Bestandskraft der Bescheide folge eine für die Beteiligten bindende Regelung der Höhe der dem Kläger zustehenden Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II. Unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Unterlagen sei nicht festzustellen, dass die in den bindenden Bescheiden zum Ausdruck kommenden Ansprüche des Klägers nicht in voller Höhe ausbezahlt worden seien, mithin dem Kläger noch ein Nachzahlungsanspruch zustehen könne. Vielmehr habe der Beklagte mit den vorgelegten Auszahlungs- bzw. Buchungsbelegen deutlich gemacht, dass die dem Kläger mit den Bescheiden zugesprochenen Leistungen jeweils ausgezahlt worden seien. Der Kläger vernachlässige bei seiner Berechnung diverse Positionen, die neben den Überweisungen auf sein Konto bei der Überprüfung der Zahlungen relevant seien. So sei es mehrfach zu Barauszahlungen (z.B. November 2010, April, Mai und September 2011) gekommen, die in der Aufstellung des Klägers fehlten. Zudem seien vom Kläger die aufgrund der verhängten Sanktionen geminderten Leistungen in den genannten Zeiträumen außer Acht gelassen worden. Aufgrund der Bestandskraft der entsprechenden Bescheide sei eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Sanktionen nicht mehr möglich. Daran ändere nichts der Umstand, dass das Sozialgericht Gotha mit Beschluss vom 26. Mai 2015 die den Sanktionen nach dem SGB II zugrunde liegenden Rechtsvorschriften dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungskonformität vorgelegt habe. Selbst im Falle einer Verfassungswidrigkeit dieser Normen würde sich an der Bestandskraft der seinerzeit gegen den Kläger verhängten Sanktionen nichts ändern. Dies beruhe darauf, dass der Kläger die Bescheide seinerzeit letztlich akzeptiert und nicht gerichtlich angefochten habe. Ferner übersehe der Kläger, dass in den streitgegenständlichen Zeiträumen die ausgezahlten Leistungen auch davon beeinflusst seien, dass es zu Aufrechnungen wegen zweier Mietkautionen gekommen sei. Unzutreffend sei das Vorbringen des Klägers, dass ihm aktuell jeden Monat 35,00 EUR von den Leistungen (mit Bescheid vom 7. April 2015) abgezogen würden. Soweit trotz des zustehenden Regelbedarfs in Höhe von 399,00 EUR monatlich nur eine Auszahlung von 364,00 EUR an ihn erfolge, beruhe dies darauf, dass der Beklagte den gesamten aus dem Mietvertrag geschuldeten Betrag von 400,00 EUR monatlich direkt an den Vermieter des Klägers überweise, dem Kläger aber nur Ansprüche auf Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 365,00 EUR zuerkannt seien, weil die Garage nicht bei den Kosten der Unterkunft berücksichtigt werde. Diese Direktzahlung an den Vermieter erfolge angesichts der jahrelangen Praxis offenkundig mit dem Einverständnis des Klägers, welcher sich die Zahlungen an den Vermieter grundsätzlich als Erfüllung seines Anspruchs gegen den SGB II-Träger zurechnen lassen müsse. Da der Kläger keine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 7. April 2015 erhoben habe, sondern auf dem Standpunkt stehe, es stehe ihm bereits aus diesem Bescheid heraus eine höhere Leistung als ausgezahlt zu und deshalb eine Leistungsklage erhoben habe, sei es dem Gericht verwehrt, die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides inhaltlich, nämlich mit Blick auf die Höhe der zuerkannten Leistungen zu überprüfen. Es werde aber darauf hingewiesen, dass die vom Kläger mit Schriftsatz vom 13. April 2015 erhobenen Einwände gegen den Bescheid vom 7. April 2015 als Widerspruch auszulegen sein dürften mit der Folge, dass der Beklagte gehalten sei, einen entsprechenden Widerspruchsbescheid zu erlassen. Wenn der Kläger mit seinen Ausführungen möglicherweise zum Ausdruck bringen wolle, dass der Regelbedarf bereits von Gesetzes wegen zu niedrig sei, werde auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, u.a.) verwiesen, wonach die ab 2011 geltenden Regelungen zur Ermittlung des Regelbedarfs als verfassungsmäßig zu erachten seien. Unabhängig davon lägen auch insoweit bestandskräftige Bescheide des Beklagten vor.

Gegen den dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 25. Juni 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 21. Juli 2015 schriftlich beim Sozialgericht Reutlingen Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, in dem vom Richter nicht unterschriebenen Gerichtsbescheid werde in keiner Weise das Grundgesetz berücksichtigt und es würden Urteile von höheren Instanzen ignoriert. Das SG habe sich nicht die Mühe gemacht, die Kontoauszüge genau zu prüfen; danach sei ersichtlich, welche Beträge vom Beklagten gezahlt worden seien und welche nicht. Dies ergäbe den Differenzbetrag. Warum würden immer mehr Gerichte entscheiden, dass Sanktionen rechtswidrig seien und warum würden Job-Center soviel Geld für absurde Fortbildungsmaßnahmen rauswerfen. Nach der aktuellen Aufstellung ergäbe sich ein Gesamtbetrag von 5.758,59 EUR, der ihm zu zahlen sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Juni 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.758,59 EUR (Stand Juni 2015) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Das SG hat zutreffend unter Darstellung der hier maßgeblichen gesetzlichen Normen und vollständiger Prüfung der Sach- und Rechtslage in nicht zu beanstandender Weise den geltend gemachten Zahlungsanspruch des Klägers verneint. Hierauf nimmt der Senat Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger noch rügt, dass der Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2015 vom Richter nicht unterschrieben sei, ist darauf zu verweisen, dass ihm dieser Gerichtsbescheid in der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Form zugestellt wurde. Die Urschrift des Gerichtsbescheids mit der Unterschrift des Richters nach § 134 Abs. 1 SGG befindet sich in der Originalakte des Gerichts. Die Beteiligten erhalten eine Ausfertigung des Gerichtsbescheids, die gem. § 137 Satz 1 SGG vom Urkundsbeamten unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel versehen ist.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gegen den Kläger waren daneben gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldens-bzw. Missbrauchskosten in Höhe von 225 EUR (§ 192 Abs. 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG) zu verhängen, nachdem ihm in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung dieses Rechtsstreites hingewiesen worden war.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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