Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 3415/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3511/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für drei Liposuktionsbehandlungen im Bereich der Beine und der Oberarme.
Die 1971 geborene, bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin beantragte am 25.04.2014 bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für drei Liposuktionsbehandlungen in Tumeszenz-Lokalanästhesie (ambulante Operation mit Übernachtung) an den Beinen und den Oberarmen. Sie legte ein ärztliches Attest des Facharztes für Dermatologie und Phlebologie Dr. F., R. D., vom 14.04.2014 sowie drei Kostenvoranschläge der R. vom gleichen Tag über die jeweils geplanten Operationen vor (Abrechnung auf der Basis der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ): 1. OP: 5.603,10 EUR, 2. OP: 5.303,10 EUR, 3. OP: 5.534,84 EUR).
Mit Bescheid vom 13.06.2014 lehnte die Antragsgegnerin nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) (Dr. Z. vom 10.06.2014) den Antrag ab. Die begehrte Behandlung sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, ihr diagnostischer bzw. therapeutischer Nutzen sei nicht nachgewiesen.
Den dagegen von der Antragstellerin am 01.07.2014 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach erneuter Anhörung des MDK (Gutachten Dr. D. vom 15.10.2014) mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück. Bei der ambulanten Liposuktion handele es sich um eine "unkonventionelle" Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung abgegeben habe. Kosten dafür könnten daher nicht übernommen werden, zumal eine medizinische Indikation ausweislich der eingeholten MDK-Gutachten nicht bestehe.
Dagegen erhob die Antragstellerin am 22.04.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), die unter dem Aktenzeichen S 19 KR 2352/15 anhängig ist.
Am 19.06.2015 beantragte die Antragstellerin die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Sie machte geltend, aufgrund des ausgeprägten, progredienten Lipo-Lymphödems der Beine und der Oberarme nicht mehr normal gehen und keine Treppen steigen zu können. Sie leide dauerhaft unter massiven Schmerzen. Eine Arbeitstätigkeit sei nicht mehr möglich. Sie sei seit Mai 2013 arbeitsunfähig und beziehe nach Ausschöpfen des Krankengeldes seit Dezember 2014 Arbeitslosengeld I. Wöchentlich 2-malig durchgeführte Lymphdrainage habe keine Besserung gebracht, sie leide zunehmend auch psychisch unter der Erkrankung. Die Kostenübernahme für Liposuktionen durch die gesetzlichen Krankenkassen sei zwar äußerst umstritten, der GBA habe aber jedenfalls noch keine negative Stellungnahme hierzu abgegeben. Deswegen sei im vorliegenden Fall zur Abwehr unzumutbarer, nicht anders abwendbarer Nachteile, die der Antragstellerin drohen würden, wenn die Operationen jetzt nicht stattfänden, auch die Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt. Die Antragstellerin legte eine "Gutachterliche Stellungnahme" des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 20.01.2015 vor, der über rezidivierende depressive Episoden mit Chronifizierungstendenz berichtete. Die Tendenz zur Chronifizierung werde insbesondere durch ein massives, therapieresistentes Lymphödem unterhalten, weshalb ein chirurgisches Vorgehen medizinisch indiziert sei.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen und verwies auf die Ausführungen in ihren Entscheidungen, die sie für zutreffend hält. Ergänzend wies sie darauf hin, dass nach der aktuellen Rechtsprechung die Methode der Liposuktion eine noch nicht evidenzbasierte Therapieoption zur Behandlung des Lipödems darstelle. Im Übrigen sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragstellerin sei zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Abgesehen von Möglichkeiten einer Vorfinanzierung spreche der zeitliche Ablauf im bisherigen Verfahren gegen eine Eilbedürftigkeit. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass in gesundheitlicher Hinsicht schwere, nicht zu behebende Gesundheitsschäden drohten oder akute Lebensgefahr bestehe.
Das SG lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 10.07.2015 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin leide an einem Lipödem Grad II im Bereich beider Beine, einem Lipödem Grad I im Bereich beider Arme sowie an einer mittelgradigen depressiven Episode mit Angststörung. Die psychische Erkrankung stehe im Vordergrund der Leiden. Dies ergebe sich aus den MDK-Gutachten von Dr. Z. und Dr. D. sowie aus der Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. L ... Allerdings sei nicht ersichtlich, warum zur Linderung der psychischen Erkrankung gerade die Liposuktionen dringend erforderlich sein sollten. Vielmehr sei die Weiterbehandlung der depressiven Episode angezeigt, wobei die psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft seien. Auch eine Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht gerechtfertigt. Bei der Lipödem-Erkrankung handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Eine notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Eine Dringlichkeit der Behandlung, die die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigen würde, sei nicht zu erkennen, zumal der Leistungsantrag bereits im April 2014 gestellt worden sei. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin eine Vorfinanzierung der begehrten Liposuktionsbehandlungen nicht möglich sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 20.01.2015 - L 11 KR 4405/04 - n.v.) gehöre die streitgegenständliche Liposuktion weder als ambulante noch als stationäre Behandlung zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen. Die ambulante Liposuktion gehöre zu den neuen Behandlungsmethoden, für die eine positive Empfehlung des GBA nicht vorliege. Auch für den Fall der Durchführung dieser Behandlung im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung werde nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2013 - B 11 KR 70/12 R -, in Juris) eine positive Empfehlung des GBA gefordert. Die Liposuktion als eine nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode könne im Krankenhaus auch dann nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn der GBA kein negatives Votum dazu abgegeben habe. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels oder auf der Grundlage § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung sehe sich das Gericht nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 15.07.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am Montag, den 17.08.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung lässt sie vortragen, nach dem seit dem 23.07.2015 geltenden § 137c Abs. 3 SGB V dürften Behandlungsmethoden, zu denen der GBA noch keine Entscheidung getroffen habe, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative böten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig seien. Da nach der geplanten Behandlung dringend eine Übernachtung stattfinden müsse, handele es sich um einen Fall des § 137c SGB V. Die Antragstellerin sei auch nicht dazu in der Lage, die Operationen vorzufinanzieren.
Die Antragstellerin hat ein ärztliches Attest der Fachärztin für Dermatologie Dr. B., R., vom 04.08.2015 vorgelegt, wonach die sofortige Durchführung einer Liposuktion geboten sei, da sonst zeitnah eine weitere Verschlechterung der Beweglichkeit auftreten werde. Aufgrund der Progredienz der Erkrankung sei die Durchführung einer Liposuktion nicht mehr lange möglich, da die Gefahr einer Einlagerung von Eiweiß bestehe, was zu nicht bakteriellen Entzündungen und zu perilymphvaskuärer Fibrose und Lymphangiosklerose führe. Es drohe Pflegebedürftigkeit, wenn die Operation nicht stattfinde. Aus einer weiteren, ebenfalls von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 12.08.2015 geht hervor, dass neben der Gefahr der Eiweißeinlagerung auch die bösartige Entartung der Erkrankung in Form eines Liposarkoms bestehe. Hierbei handele es sich um ein meist letal endendes Krankheitsgeschehen. Dr. L. führt weiter aus, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die psychische Erkrankung im Vordergrund der Leiden der Antragstellerin stehe. Die Annahme, die Depression beeinflusse das organische Leiden bis zur jetzigen Unerträglichkeit, sei medizinisch nicht haltbar und entbehre jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Die Fettstoffwechselstörung und die sich daraus ergebenden massiven Beschwerden bestünden unabhängig von der psychiatrischen Grunderkrankung. Es sei irrig anzunehmen, die Fettstoffwechselstörung mit den sich daraus ergebenden Schmerzen und die mittlerweile schwere Gehbehinderung ließen sich über eine Behandlung der Depression günstig beeinflussen. Ein rascher Behandlungsbeginn müsse ermöglicht werden, um hierdurch eine Verschlechterung und letztlich eine Unheilbarkeit der Krankheit wegen zu später Behandlung zu verhindern. Weiter vorgelegt hat die Antragstellerin Bankunterlagen, worin eine Kreditanfrage über 17.000 EUR zur Deckung der Kosten einer Liposuktion abgelehnt wird.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.07.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für drei Liposuktionsbehandlungen im Bereich der Beine und der Oberarme zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Die von der Antragstellerin genannte Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V greife hier nicht, da nach den eingereichten Unterlagen eine ambulante Behandlung mit Übernachtung geplant sei. Zudem sei Dr. F. kein Vertragsarzt und die R. kein zugelassenes Krankenhaus nach § 108 SGB V. Der Antrag laufe damit auf die Zusage der Antragsgegnerin auf Kostenerstattung von Rechnungen eines nicht zugelassenen Leistungserbringers hinaus. Deshalb werde unter keinen Umständen ein Anordnungsanspruch gesehen.
Am 29.07.2015 hat sich die Antragstellerin der ersten Liposuktionsbehandlung unterzogen. Sie hat die hierfür von der R. erstellte Rechnung vom 29.07.2015 über einen Betrag von 5.603,10 EUR vorgelegt und hierzu ausgeführt, ihre Eltern hätten sich bereit erklärt, die Kosten für diese Operation vorzufinanzieren. Bei dieser Behandlung seien nur die Innenseiten der Beine abgesaugt worden, die Behandlung der Beine sei damit nicht abgeschlossen, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis weiterhin gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie auf die Akten des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige An-ordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiliger Anordnung allerdings möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung; auch etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - n.v.).
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass weder der erforderliche Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind, und nimmt auf die Ausführungen in dem Beschluss des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Im Hinblick auf den Vortrag im Beschwerdeverfahren ist noch Folgendes auszuführen:
Nach der Durchführung der ersten Liposuktionsbehandlung am 29.07.2015 fehlt es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Das im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angestrebte Ziel einer vorläufigen Kostenübernahme der Liposuktionsbehandlungen durch die Antragsgegnerin hat sich hinsichtlich dieser ersten Operation erledigt, nachdem die Eltern der Antragstellerin diese Kosten übernommen haben. Die Antragstellerin hat insoweit lediglich die Möglichkeit, einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen.
Soweit der Antrag sich weiterhin auf die vorläufige Kostenübernahme der beiden weiteren Liposuktionsbehandlungen in der R. gemäß den vorgelegten Kostenvoranschlägen bezieht, fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Die Liposuktionsbehandlung zählt als neue Behandlungsmethode nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Es fehlt an einem wissenschaftlichen Nachweis der Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V. Dies hat der Senat wiederholt entschieden (zuletzt Urteil vom 27.08.2014 - L 5 KR 2401/13 - n.v.) und sieht sich damit im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 29.01.2015 - L 8 KR 339/11 -, Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 20.04.2015 - L 6 KR 1935/12 B -, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 08.04.2015 - L 5 KR 81/14 -, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2015 - L 5 KR 199/14 -, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.12.2014 - L 1 KR 328/13 - Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 - L 1 KR 160/13 -, alle in juris) und des BSG, das auch für stationäre Behandlungen eine positive Empfehlung des GBA verlangt (Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - in juris).
Auch der Hinweis der Antragstellerin auf den seit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen § 137c Abs. 3 SGB V, der die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung auch ohne Entscheidung des GBA zulässt, wenn diese das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist, führt nicht weiter. Zum einen sollen die geplanten Liposuktionen - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat - lediglich als ambulante Operationen durchgeführt werden, wie sich aus den vorgelegten Kostenvoranschlägen ergibt. Die gesondert ausgewiesene Übernachtung in der Klinik wurde zwar aus medizinischen Gründen für sinnvoll bzw. notwendig erachtet. Dies entspricht aber nicht einer Einweisung in eine stationäre Krankenhausbehandlung. Zum anderen handelt es sich bei der R. nicht um ein zugelassenes Krankenhaus nach § 108 SGB V, worauf die Antragsgegnerin ebenfalls hingewiesen hat. § 137c Abs. 3 SGB V regelt die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden jedoch nur im Rahmen der Krankenhausbehandlung in zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Krankenhäusern, zu denen die R. nicht gehört. Ein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 27 Abs. 1 SGB V scheidet deshalb aus.
Im Übrigen fehlt es auch an dem erforderlichen Anordnungsgrund. Auch der Senat hält es - wie bereits das SG - der Antragstellerin für zumutbar, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, und eine besondere Eilbedürftigkeit nicht für gegeben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Begehren der Antragstellerin um eine Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Denn in Anbetracht der Darlegung ihrer finanziellen Verhältnisse, die sie im Beschwerdeverfahren durch die Vorlage von Bankunterlagen belegt hat, käme eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur "vorläufigen" Kostenübernahme einer endgültigen Kostentragung gleich, da die Antragstellerin eben gerade nicht über genügend eigene finanzielle Mittel verfügt, um die geplanten Behandlungen zu finanzieren. Aufgrund des grundsätzlich bestehenden Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz ist deshalb bei der Prüfung der Eilbedürftigkeit ein strenger Maßstab anzulegen.
Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist der Antragstellerin hier aber zumutbar, weil es sich bei den vorgetragenen Gesundheitsbeschwerden, zu deren Behandlung die Liposuktionen durchgeführt werden sollen, nicht um eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung handelt, so dass die Notwendigkeit einer sofortigen Durchführung der angestrebten operativen Behandlungen nicht glaubhaft gemacht ist. Die Antragstellerin macht im Wesentlichen eine eingeschränkte Beweglichkeit beim Gehen und beim Treppensteigen sowie massive Schmerzen geltend. Dabei handelt es sich zwar um nicht unerhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität, die aber nicht einer lebensbedrohlichen notstandsähnlichen Situation gleichkommen. Auch den Eintritt irreversibler Schäden bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung vor Durchführung der Behandlungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Solche ergeben sich insbesondere nicht in nachvollziehbarer Weise aus dem vorgelegten ärztlichen Attest der Dermatologin Dr. B. von der R. vom 04.08.2015. Sie weist zwar auf die zeitnahe Gefahr der Verschlechterung der Beweglichkeit hin, weshalb eine sofortige Liposuktion geboten sei. Der progrediente Verlauf der Erkrankung ist indes seit der Antragstellung nicht dokumentiert. Die Gefahr von Eiweißeinlagerungen, die die Durchführung einer Liposuktion in zeitlicher Hinsicht nach Angaben von Dr. B. limitiere, war in dem ärztlichen Attest von Dr. F. vom 14.04.2014, welches mit dem Leistungsantrag vorgelegt worden war, als eine mögliche Spätfolge beschrieben worden, was die Notwendigkeit einer sofortigen Behandlung nicht zu begründen vermag. Zudem beschreibt Dr. B. keinen wesentlich anderen objektiven Befund als Dr. F., sondern gibt lediglich die subjektiven Angaben der Antragstellerin über ihre Beeinträchtigungen bei der Beweglichkeit wieder. Der Prognose von Dr. B., ohne die Operationen drohe Pflegebedürftigkeit, fehlt es ebenfalls an einer fassbaren und objektivierbaren Grundlage.
Auch Dr. L. hat in seiner erneuten "gutachterlichen Stellungnahme" vom 12.08.2015 lediglich auf die abstrakt bestehende Gefahr der bösartigen Entartung des Lipödems zu einem Liposarkoms hingewiesen, ohne aber Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass diese Gefahr auch für die Antragstellerin konkret besteht. Soweit er erneut darauf verweist, dass die Lipödem-Erkrankung geeignet sei, die Depression der Antragstellerin weiter zu verschlechtern, begründet auch dies nicht die Notwendigkeit einer sofortigen Durchführung der Liposuktion. Denn zum einen bestehen die von Dr. D. in seinem Gutachten vom 15.10.2014 aufgeführten Behandlungsmöglichkeiten des Lipödems im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und zum anderen hat die Behandlung der Depressionserkrankung nicht über eine Liposuktion, sondern durch psychotherapeutische Maßnahmen zu erfolgen, so dass auch aus dieser Argumentation keine Unzumutbarkeit des Abwartens der Hauptsacheentscheidung herzuleiten ist.
Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für drei Liposuktionsbehandlungen im Bereich der Beine und der Oberarme.
Die 1971 geborene, bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin beantragte am 25.04.2014 bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für drei Liposuktionsbehandlungen in Tumeszenz-Lokalanästhesie (ambulante Operation mit Übernachtung) an den Beinen und den Oberarmen. Sie legte ein ärztliches Attest des Facharztes für Dermatologie und Phlebologie Dr. F., R. D., vom 14.04.2014 sowie drei Kostenvoranschläge der R. vom gleichen Tag über die jeweils geplanten Operationen vor (Abrechnung auf der Basis der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ): 1. OP: 5.603,10 EUR, 2. OP: 5.303,10 EUR, 3. OP: 5.534,84 EUR).
Mit Bescheid vom 13.06.2014 lehnte die Antragsgegnerin nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) (Dr. Z. vom 10.06.2014) den Antrag ab. Die begehrte Behandlung sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, ihr diagnostischer bzw. therapeutischer Nutzen sei nicht nachgewiesen.
Den dagegen von der Antragstellerin am 01.07.2014 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach erneuter Anhörung des MDK (Gutachten Dr. D. vom 15.10.2014) mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2015 zurück. Bei der ambulanten Liposuktion handele es sich um eine "unkonventionelle" Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung abgegeben habe. Kosten dafür könnten daher nicht übernommen werden, zumal eine medizinische Indikation ausweislich der eingeholten MDK-Gutachten nicht bestehe.
Dagegen erhob die Antragstellerin am 22.04.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), die unter dem Aktenzeichen S 19 KR 2352/15 anhängig ist.
Am 19.06.2015 beantragte die Antragstellerin die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Sie machte geltend, aufgrund des ausgeprägten, progredienten Lipo-Lymphödems der Beine und der Oberarme nicht mehr normal gehen und keine Treppen steigen zu können. Sie leide dauerhaft unter massiven Schmerzen. Eine Arbeitstätigkeit sei nicht mehr möglich. Sie sei seit Mai 2013 arbeitsunfähig und beziehe nach Ausschöpfen des Krankengeldes seit Dezember 2014 Arbeitslosengeld I. Wöchentlich 2-malig durchgeführte Lymphdrainage habe keine Besserung gebracht, sie leide zunehmend auch psychisch unter der Erkrankung. Die Kostenübernahme für Liposuktionen durch die gesetzlichen Krankenkassen sei zwar äußerst umstritten, der GBA habe aber jedenfalls noch keine negative Stellungnahme hierzu abgegeben. Deswegen sei im vorliegenden Fall zur Abwehr unzumutbarer, nicht anders abwendbarer Nachteile, die der Antragstellerin drohen würden, wenn die Operationen jetzt nicht stattfänden, auch die Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt. Die Antragstellerin legte eine "Gutachterliche Stellungnahme" des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 20.01.2015 vor, der über rezidivierende depressive Episoden mit Chronifizierungstendenz berichtete. Die Tendenz zur Chronifizierung werde insbesondere durch ein massives, therapieresistentes Lymphödem unterhalten, weshalb ein chirurgisches Vorgehen medizinisch indiziert sei.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen und verwies auf die Ausführungen in ihren Entscheidungen, die sie für zutreffend hält. Ergänzend wies sie darauf hin, dass nach der aktuellen Rechtsprechung die Methode der Liposuktion eine noch nicht evidenzbasierte Therapieoption zur Behandlung des Lipödems darstelle. Im Übrigen sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragstellerin sei zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Abgesehen von Möglichkeiten einer Vorfinanzierung spreche der zeitliche Ablauf im bisherigen Verfahren gegen eine Eilbedürftigkeit. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass in gesundheitlicher Hinsicht schwere, nicht zu behebende Gesundheitsschäden drohten oder akute Lebensgefahr bestehe.
Das SG lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 10.07.2015 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin leide an einem Lipödem Grad II im Bereich beider Beine, einem Lipödem Grad I im Bereich beider Arme sowie an einer mittelgradigen depressiven Episode mit Angststörung. Die psychische Erkrankung stehe im Vordergrund der Leiden. Dies ergebe sich aus den MDK-Gutachten von Dr. Z. und Dr. D. sowie aus der Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. L ... Allerdings sei nicht ersichtlich, warum zur Linderung der psychischen Erkrankung gerade die Liposuktionen dringend erforderlich sein sollten. Vielmehr sei die Weiterbehandlung der depressiven Episode angezeigt, wobei die psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft seien. Auch eine Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht gerechtfertigt. Bei der Lipödem-Erkrankung handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Eine notstandsähnliche Situation liege nicht vor. Eine Dringlichkeit der Behandlung, die die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertigen würde, sei nicht zu erkennen, zumal der Leistungsantrag bereits im April 2014 gestellt worden sei. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin eine Vorfinanzierung der begehrten Liposuktionsbehandlungen nicht möglich sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 20.01.2015 - L 11 KR 4405/04 - n.v.) gehöre die streitgegenständliche Liposuktion weder als ambulante noch als stationäre Behandlung zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen. Die ambulante Liposuktion gehöre zu den neuen Behandlungsmethoden, für die eine positive Empfehlung des GBA nicht vorliege. Auch für den Fall der Durchführung dieser Behandlung im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung werde nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2013 - B 11 KR 70/12 R -, in Juris) eine positive Empfehlung des GBA gefordert. Die Liposuktion als eine nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode könne im Krankenhaus auch dann nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn der GBA kein negatives Votum dazu abgegeben habe. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels oder auf der Grundlage § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Auch unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung sehe sich das Gericht nicht zu einer anderen Entscheidung veranlasst.
Gegen den ihren Bevollmächtigten am 15.07.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am Montag, den 17.08.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung lässt sie vortragen, nach dem seit dem 23.07.2015 geltenden § 137c Abs. 3 SGB V dürften Behandlungsmethoden, zu denen der GBA noch keine Entscheidung getroffen habe, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative böten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig seien. Da nach der geplanten Behandlung dringend eine Übernachtung stattfinden müsse, handele es sich um einen Fall des § 137c SGB V. Die Antragstellerin sei auch nicht dazu in der Lage, die Operationen vorzufinanzieren.
Die Antragstellerin hat ein ärztliches Attest der Fachärztin für Dermatologie Dr. B., R., vom 04.08.2015 vorgelegt, wonach die sofortige Durchführung einer Liposuktion geboten sei, da sonst zeitnah eine weitere Verschlechterung der Beweglichkeit auftreten werde. Aufgrund der Progredienz der Erkrankung sei die Durchführung einer Liposuktion nicht mehr lange möglich, da die Gefahr einer Einlagerung von Eiweiß bestehe, was zu nicht bakteriellen Entzündungen und zu perilymphvaskuärer Fibrose und Lymphangiosklerose führe. Es drohe Pflegebedürftigkeit, wenn die Operation nicht stattfinde. Aus einer weiteren, ebenfalls von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 12.08.2015 geht hervor, dass neben der Gefahr der Eiweißeinlagerung auch die bösartige Entartung der Erkrankung in Form eines Liposarkoms bestehe. Hierbei handele es sich um ein meist letal endendes Krankheitsgeschehen. Dr. L. führt weiter aus, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die psychische Erkrankung im Vordergrund der Leiden der Antragstellerin stehe. Die Annahme, die Depression beeinflusse das organische Leiden bis zur jetzigen Unerträglichkeit, sei medizinisch nicht haltbar und entbehre jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Die Fettstoffwechselstörung und die sich daraus ergebenden massiven Beschwerden bestünden unabhängig von der psychiatrischen Grunderkrankung. Es sei irrig anzunehmen, die Fettstoffwechselstörung mit den sich daraus ergebenden Schmerzen und die mittlerweile schwere Gehbehinderung ließen sich über eine Behandlung der Depression günstig beeinflussen. Ein rascher Behandlungsbeginn müsse ermöglicht werden, um hierdurch eine Verschlechterung und letztlich eine Unheilbarkeit der Krankheit wegen zu später Behandlung zu verhindern. Weiter vorgelegt hat die Antragstellerin Bankunterlagen, worin eine Kreditanfrage über 17.000 EUR zur Deckung der Kosten einer Liposuktion abgelehnt wird.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.07.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für drei Liposuktionsbehandlungen im Bereich der Beine und der Oberarme zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Die von der Antragstellerin genannte Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V greife hier nicht, da nach den eingereichten Unterlagen eine ambulante Behandlung mit Übernachtung geplant sei. Zudem sei Dr. F. kein Vertragsarzt und die R. kein zugelassenes Krankenhaus nach § 108 SGB V. Der Antrag laufe damit auf die Zusage der Antragsgegnerin auf Kostenerstattung von Rechnungen eines nicht zugelassenen Leistungserbringers hinaus. Deshalb werde unter keinen Umständen ein Anordnungsanspruch gesehen.
Am 29.07.2015 hat sich die Antragstellerin der ersten Liposuktionsbehandlung unterzogen. Sie hat die hierfür von der R. erstellte Rechnung vom 29.07.2015 über einen Betrag von 5.603,10 EUR vorgelegt und hierzu ausgeführt, ihre Eltern hätten sich bereit erklärt, die Kosten für diese Operation vorzufinanzieren. Bei dieser Behandlung seien nur die Innenseiten der Beine abgesaugt worden, die Behandlung der Beine sei damit nicht abgeschlossen, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis weiterhin gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie auf die Akten des Beschwerdeverfahrens Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige An-ordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.
Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiliger Anordnung allerdings möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung; auch etwa Senatsbeschluss vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B - n.v.).
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass weder der erforderliche Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind, und nimmt auf die Ausführungen in dem Beschluss des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Im Hinblick auf den Vortrag im Beschwerdeverfahren ist noch Folgendes auszuführen:
Nach der Durchführung der ersten Liposuktionsbehandlung am 29.07.2015 fehlt es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Das im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angestrebte Ziel einer vorläufigen Kostenübernahme der Liposuktionsbehandlungen durch die Antragsgegnerin hat sich hinsichtlich dieser ersten Operation erledigt, nachdem die Eltern der Antragstellerin diese Kosten übernommen haben. Die Antragstellerin hat insoweit lediglich die Möglichkeit, einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen.
Soweit der Antrag sich weiterhin auf die vorläufige Kostenübernahme der beiden weiteren Liposuktionsbehandlungen in der R. gemäß den vorgelegten Kostenvoranschlägen bezieht, fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Die Liposuktionsbehandlung zählt als neue Behandlungsmethode nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Es fehlt an einem wissenschaftlichen Nachweis der Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V. Dies hat der Senat wiederholt entschieden (zuletzt Urteil vom 27.08.2014 - L 5 KR 2401/13 - n.v.) und sieht sich damit im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 29.01.2015 - L 8 KR 339/11 -, Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 20.04.2015 - L 6 KR 1935/12 B -, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 08.04.2015 - L 5 KR 81/14 -, Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2015 - L 5 KR 199/14 -, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.12.2014 - L 1 KR 328/13 - Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 - L 1 KR 160/13 -, alle in juris) und des BSG, das auch für stationäre Behandlungen eine positive Empfehlung des GBA verlangt (Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - in juris).
Auch der Hinweis der Antragstellerin auf den seit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen § 137c Abs. 3 SGB V, der die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung auch ohne Entscheidung des GBA zulässt, wenn diese das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist, führt nicht weiter. Zum einen sollen die geplanten Liposuktionen - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat - lediglich als ambulante Operationen durchgeführt werden, wie sich aus den vorgelegten Kostenvoranschlägen ergibt. Die gesondert ausgewiesene Übernachtung in der Klinik wurde zwar aus medizinischen Gründen für sinnvoll bzw. notwendig erachtet. Dies entspricht aber nicht einer Einweisung in eine stationäre Krankenhausbehandlung. Zum anderen handelt es sich bei der R. nicht um ein zugelassenes Krankenhaus nach § 108 SGB V, worauf die Antragsgegnerin ebenfalls hingewiesen hat. § 137c Abs. 3 SGB V regelt die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden jedoch nur im Rahmen der Krankenhausbehandlung in zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Krankenhäusern, zu denen die R. nicht gehört. Ein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 27 Abs. 1 SGB V scheidet deshalb aus.
Im Übrigen fehlt es auch an dem erforderlichen Anordnungsgrund. Auch der Senat hält es - wie bereits das SG - der Antragstellerin für zumutbar, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, und eine besondere Eilbedürftigkeit nicht für gegeben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Begehren der Antragstellerin um eine Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Denn in Anbetracht der Darlegung ihrer finanziellen Verhältnisse, die sie im Beschwerdeverfahren durch die Vorlage von Bankunterlagen belegt hat, käme eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur "vorläufigen" Kostenübernahme einer endgültigen Kostentragung gleich, da die Antragstellerin eben gerade nicht über genügend eigene finanzielle Mittel verfügt, um die geplanten Behandlungen zu finanzieren. Aufgrund des grundsätzlich bestehenden Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz ist deshalb bei der Prüfung der Eilbedürftigkeit ein strenger Maßstab anzulegen.
Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist der Antragstellerin hier aber zumutbar, weil es sich bei den vorgetragenen Gesundheitsbeschwerden, zu deren Behandlung die Liposuktionen durchgeführt werden sollen, nicht um eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung handelt, so dass die Notwendigkeit einer sofortigen Durchführung der angestrebten operativen Behandlungen nicht glaubhaft gemacht ist. Die Antragstellerin macht im Wesentlichen eine eingeschränkte Beweglichkeit beim Gehen und beim Treppensteigen sowie massive Schmerzen geltend. Dabei handelt es sich zwar um nicht unerhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität, die aber nicht einer lebensbedrohlichen notstandsähnlichen Situation gleichkommen. Auch den Eintritt irreversibler Schäden bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung vor Durchführung der Behandlungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Solche ergeben sich insbesondere nicht in nachvollziehbarer Weise aus dem vorgelegten ärztlichen Attest der Dermatologin Dr. B. von der R. vom 04.08.2015. Sie weist zwar auf die zeitnahe Gefahr der Verschlechterung der Beweglichkeit hin, weshalb eine sofortige Liposuktion geboten sei. Der progrediente Verlauf der Erkrankung ist indes seit der Antragstellung nicht dokumentiert. Die Gefahr von Eiweißeinlagerungen, die die Durchführung einer Liposuktion in zeitlicher Hinsicht nach Angaben von Dr. B. limitiere, war in dem ärztlichen Attest von Dr. F. vom 14.04.2014, welches mit dem Leistungsantrag vorgelegt worden war, als eine mögliche Spätfolge beschrieben worden, was die Notwendigkeit einer sofortigen Behandlung nicht zu begründen vermag. Zudem beschreibt Dr. B. keinen wesentlich anderen objektiven Befund als Dr. F., sondern gibt lediglich die subjektiven Angaben der Antragstellerin über ihre Beeinträchtigungen bei der Beweglichkeit wieder. Der Prognose von Dr. B., ohne die Operationen drohe Pflegebedürftigkeit, fehlt es ebenfalls an einer fassbaren und objektivierbaren Grundlage.
Auch Dr. L. hat in seiner erneuten "gutachterlichen Stellungnahme" vom 12.08.2015 lediglich auf die abstrakt bestehende Gefahr der bösartigen Entartung des Lipödems zu einem Liposarkoms hingewiesen, ohne aber Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass diese Gefahr auch für die Antragstellerin konkret besteht. Soweit er erneut darauf verweist, dass die Lipödem-Erkrankung geeignet sei, die Depression der Antragstellerin weiter zu verschlechtern, begründet auch dies nicht die Notwendigkeit einer sofortigen Durchführung der Liposuktion. Denn zum einen bestehen die von Dr. D. in seinem Gutachten vom 15.10.2014 aufgeführten Behandlungsmöglichkeiten des Lipödems im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und zum anderen hat die Behandlung der Depressionserkrankung nicht über eine Liposuktion, sondern durch psychotherapeutische Maßnahmen zu erfolgen, so dass auch aus dieser Argumentation keine Unzumutbarkeit des Abwartens der Hauptsacheentscheidung herzuleiten ist.
Die Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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