L 15 SF 238/15 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 238/15 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Befangenheitsantrag im Verfahren der Hauptsache ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn das Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits abgeschlossen ist.
2. Ein Befangenheitsantrag im Rahmen einer Anhörungsrüge ist jedenfalls dann wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn ein Befangenheitsantrag in einem Verfahren der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem ein Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, gestellt wird, wenn das Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits abgeschlossen ist.
Die vom Kläger im Schriftsatz vom 20.11.2014 ausgesprochene Ablehnung des Richters am Bayer. LSG Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

In der Hauptsache hat der Kläger vom Beklagten als Träger der Versorgungsverwaltung die Kostenerstattung für das nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel Cardiavis N, die Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten für das Arzneimittel Voltaren 100 und die Übernahme der Kosten für eine Zahnerhaltungsmaßnahme gemäß Heil- und Kostenplan vom 22.11.2006 begehrt.

Mit Urteil vom 15.07.2009 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen.

In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) hat der Kläger mit Schreiben vom 20.09.2014 den Vorsitzenden Richter am LSG Dr. V. und den Berichterstatter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Senat hat das Ablehnungsgesuch in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2014 durch Beschluss abgelehnt und anschließend mit Urteil vom selben Tag in der Hauptsache entschieden. Beschluss und Urteil vom 25.09.2014 sind dem Kläger am 25.10.2014 zugestellt worden.

Anschließend hat sich der Kläger mit an das Bundessozialgericht (BSG) gerichtetem Schreiben vom 20.11.2014, beim BSG eingegangen am 24.11.2014, gegen den Beschluss des Senats vom 25.09.2014 gewandt und u.a. mit einer Anhörungsrüge die Ablehnung der von ihm gestellten Befangenheitsanträge beanstandet. Weiter hat er im Schreiben vom 20.11.2014 seine im Berufungsverfahren gestellten Befangenheitsanträge "auf den Richter Dr. B. erweitert".

Das Schreiben des Klägers vom 20.11.2014 ist dem Senat auf Anfrage beim BSG hin mit dortigem Schreiben vom 14.08.2015 zur Verfügung gestellt worden.

Das Verfahren der Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 25.09.2014 ist beim Bayer. LSG unter dem Aktenzeichen L 15 VK 6/15 RG eingetragen.

II.

Der mit Schreiben vom 20.11.2014 gestellte Befangenheitsantrag ist umfassend als unzulässig zu verwerfen.

Das Bayer. LSG entscheidet über die Ablehnung durch Beschluss (§ 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 46 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Zuständig für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Klägers ist der 15. Senat ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO).

1. Auslegung des Befangenheitsantrags des Klägers

Der Senat legt den im Schreiben des Klägers vom 20.11.2014 enthaltenen Befangenheitsantrag gegen den Richter am Bayer. LSG Dr. B. im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz verbürgten Grundrechts auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03) aus. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich der Befangenheitsantrag nicht nur auf das bereits abgeschlossene Berufungsverfahren bezieht, in dem der abgelehnte Richter bei der Entscheidung beteiligt war, sondern auch auf das Verfahren der im Schreiben des Klägers vom 20.11.2014 erhobenen Anhörungsrüge.

2. Befangenheitsantrag im Berufungsverfahren, Az.: L 15 VK 6/12

Der Befangenheitsantrag ist unzulässig, da das Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits abgeschlossen ist.

Nach Abschluss der Instanz ist ein Befangenheitsantrag, unabhängig davon, wann der potentielle Befangenheitsgrund bekannt geworden ist, unzulässig. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da die in der Hauptsache ergangene Entscheidung unabhängig davon, ob ein Befangenheitsgrund vorgelegen hat oder nicht, nicht mehr durch das angegangene Gericht abänderbar ist und das Ablehnungsgesuch daher prozessual überholt ist (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.01.1993, Az.: 6 RKa 2/91, und Beschluss vom 06.06.2007, Az.: B 8 KN 8/07 B; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.10.1969, Az.: VIII CB 129, 130.67, VIII CB 129.67, VIII CB 130.67; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 17.08.1989, Az.: VII B 70/89; Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 08.02.2001, Az.: III ZR 45/00, und Beschluss vom 11.07.2007, Az.: IV ZB 38/06).

Abgeschlossen ist die Instanz dann, wenn die die Instanz beendende Entscheidung verkündet (vgl. BGH, Beschluss vom 11.07.2007, Az.: IV ZB 38/06) worden oder zumindest die Urteilsfällung (§ 309 ZPO) einschließlich der Unterzeichnung (§ 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2001, Az.: III ZR 45/00).

Im vorliegenden Verfahren ist das zugrunde liegende Urteil des Senats am 25.09.2014 verkündet und am 24.10.2014 zugestellt worden. Der Befangenheitsantrag ist erst mit Schreiben vom 20.11.2014 und damit zweifellos nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache in der Instanz gestellt worden.

3. Befangenheitsantrag im Verfahren der Anhörungsrüge, Az.: L 15 VK 6/15 RG

Der Befangenheitsantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil das Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits abgeschlossen und zudem der abgelehnte Richter nicht für die Entscheidung über die Anhörungsrüge berufen ist.

3.1. Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits abgeschlossen

Der Befangenheitsantrag im Verfahren der Anhörungsrüge ist unzulässig, weil das Berufungsverfahren, das Verfahren in der Hauptsache, bereits abgeschlossen ist.

Ob ein Befangenheitsantrag im Rahmen einer Anhörungsrüge, die der Selbstkorrektur des Gerichts dienen soll, von vornherein und generell unzulässig ist (offengelassen vgl. BSG, Beschluss vom 19.01.2010, Az.: B 11 AL 13/09 C), kann dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Befangenheitsantrag in einem Verfahren der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem ein Befangenheitsantrag abgelehnt worden ist, zu einem Zeitpunkt gestellt wird, in dem das Verfahren in der Hauptsache, das Berufungsverfahren, bereits abgeschlossen ist, ist ein Befangenheitsantrag unzulässig. Denn es fehlt aus den gleichen Gründen, wie sie bereits oben (vgl. Ziff. 2.) zum Befangenheitsantrag im Berufungsverfahren erläutert worden sind, das Rechtsschutzbedürfnis für den Befangenheitsantrag im Verfahren der Anhörungsrüge. Auch hier bewirkt die prozessuale Überholung der Anhörungsrüge durch die Entscheidung des Senats in der Hauptsache (Urteil vom 25.09.2014) den Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses für die Anhörungsrüge und damit auch den im Verfahren der Anhörungsrüge gestellten Befangenheitsantrag.

Der am 25.09.2014 ergangene Beschluss zum Befangenheitsantrag kann von dem Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, also dem Senat, nicht mehr abgeändert werden, weil die Entscheidung in der Hauptsache bereits am 25.09.2014 ergangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.07.2007, Az.: IV ZB 38/06 - m.w.N). Damit fehlt der Anhörungsrüge gegen den Befangenheitsbeschluss das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Verfahren in der Hauptsache in der Instanz bereits entschieden ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.08.2014, Az.: L 20 SF 650/14 AB RG). Ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis im Verfahren der Anhörungsrüge schließt ein Rechtsschutzbedürfnis in dem der Anhörungsrüge vorgelagerten Verfahren des Befangenheitsantrags aus.

3.2. Kein Tätigwerden des abgelehnten Richters bei der Anhörungsrüge mehr

Der Befangenheitsantrag ist auch deshalb unzulässig, weil der abgelehnte Richter im Verfahren der Anhörungsrüge nicht mehr tätig sein wird.

Ein Befangenheitsantrag ist bzw. wird dann unzulässig, wenn der betroffene Richter im konkreten Verfahren nicht mehr tätig sein kann, weil er dafür nicht mehr zuständig ist (vgl. BFH, Beschluss vom 12.09.2013, Az.: X S 30, 31/13, X S 30/13, X S 31/13; Beschlüsse des Senats vom 25.09.2014, Az.: L 15 VK 6/12, L 15 VK 3/1, L 15 VK 5/13, L 15 VK 6/13, L 15 VK 7/13; Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./ Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 60, Rdnr. 10b). Denn damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Ablehnungsgesuch. Dies begründet sich dadurch, dass das einzige Ziel eines Befangenheitsantrags gemäß § 60 SGG i.V.m. §§ 42 ff. ZPO sein kann, den abgelehnten Richter an einer weiteren Tätigkeit in dem betreffenden Verfahren zu hindern (vgl. BFH, Beschluss vom 17.08.1989, Az.: VII B 70/89). Ein Befangenheitsantrag kommt daher nicht mehr in Betracht, wenn - wie vorliegend - der abgelehnte Richter im Verfahren der Anhörungsrüge wegen des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Geschäftsverteilungsplans des 15. Senats des Bayer. LSG bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht mehr tätig sein wird.

Da das Ablehnungsgesuch vollumfassend als unzulässig zu verwerfen ist und es daher bei der Entscheidung auf die dienstliche Äußerung nicht ankommen kann, hat es einer Anhörung des abgelehnten Richter nicht bedurft (vgl. Keller, a.a.O., § 60, Rdnr. 11c).

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Lediglich ergänzend weist der Senat den Kläger informationshalber darauf hin, dass eine Vorbefassung im Sinn des § 41 Nr. 6 ZPO und damit ein Grund für eine Ausschließung eines Richters nur dann vorliegt, wenn ein Richter in der vorhergehenden - nicht der gleichen! - Instanz an der Entscheidung im Rechtsstreit des Klägers beteiligt gewesen ist. Dies ist beim Richter am Bayer. LSG Dr. B. nicht der Fall.
Rechtskraft
Aus
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