L 2 U 39/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 241/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 39/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gesetzliche Unfallversicherung - Berufungseinlegung - elektronischer Rechtsverkehr - Streitigkeit am Arbeitsplatz

1. Die Einlegung der Berufung durch elektronische Übermittlung eines im Original unterschriebenen eingescannten Schriftsatzes, der qualifiziert elektronisch signiert ist, ist auch dann formwirksam, wenn der Inhaber der qualifizierten elektronischen Signatur nicht mit dem Urheber des eingescannten Schriftsatzes übereinstimmt.
2. Eine handgreifliche Auseinandersetzung am Arbeitsplatz, deren Auslöser Streit um die vom Arbeitgeber geduldete Ausgestaltung eines Gemeinschaftsbüros mit privaten Bildern ist, unterfällt nichtdem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 2. Januar 2012 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die 1964 geborene Klägerin war bei der Technischen Universität D als Medizinisch-technische Radiologieassistentin beschäftigt und im Neuroimaging Center tätig. Zu ihren arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörten u.a. die eigenständige Durchführung der MRT und fMRT-Messungen an Patienten und Probanden, Mitwirkung bei pharmakologischen Challenge-Untersuchungen oder Gabe von Kontrastmitteln durch ärztliche Mitarbeiter, Blutabnahme und Laboruntersuchungen unter ärztlicher Supervision, Anleitung und Ausbildung der Studenten, Diplomanden, Doktoranden und wissenschaftlichen Mitarbeiter in Technik, Sicherheit und Bedienung des MRT, Messungen, Mitwirkung bei Versuchsdurchführungen, Organisation und Betreuung des gesamten logistischen Betriebes, insbesondere der Probanden und Patienten sowie Übernahme von administrativen und allgemeinen organisatorischen Aufgaben des Zentrums (vgl. Arbeitsvertrag vom 06.03.2007). Sie teilte sich ein Büro mit dem Technischen Leiter des Zentrums (Prof. Dr. H ) sowie einer Sekretärin. Anlässlich des Bezugs des Büros war nach Angaben der Klägerin zwischen ihnen verabredet, dass "das Anbringen von persönlichen Bildern und die einzelnen Standorte der Bilder gemeinsam abgestimmt" werden sollten. Prof. Dr. H brachte "seine persönlichen Bilder direkt hinter (dem) Arbeitsplatz" der Klägerin an, die diese entfernte, als Prof. Dr. H nicht zugegen war. Es handelte sich um laminierte Vergrößerungen von privaten Landschaftsaufnahmen, die mit Pin-Nadeln befestigt waren. Ausweislich der Unfallanzeige der Klägerin war Prof. Dr. H hierüber so wütend, dass er die Klägerin am 17.06.2009, als sie mit ihm hierüber sprechen wollte, am Arm packte, an die Wand zerrte und ihr ins Gesicht schlug. Gegenüber der Reha-Beraterin der Beklagten schilderte die Klägerin am 16.12.2009, dass sie Prof. Dr. H , als dieser die Fotos erneut anbrachte, zur Rede gestellt habe. Er habe sie dabei mit der Schulter abgedrängt und sich furchtbar aufgeregt. Er sei um die drei Schreibtische herumgelaufen, habe sie beschimpft und einen Urlaubskalender von der Türwand abgerissen. Als sie zurückgeschrien habe, habe er sie ins Gesicht geschlagen.

Bei einer Konsultation der Klägerin in der Praxis der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. M wurden am 18.06.2009 Hämatome im Bereich des linken unteren Auges, des linken Oberarmes sowie am Übergang der Schläfe zur Stirn festgestellt. Am 18.06.2009 erstattete die Klägerin Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Prof. Dr. H. Das Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 153a Abs. 1 Strafprozessordnung nach Zahlung von 1.500,00 EUR durch Prof. Dr. H zugunsten des Weißer Ring e.V. eingestellt.

Mit Bescheid vom 19.01.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.06.2009 als Arbeitsunfall ab. Zum Unfallzeitpunkt sei die Klägerin keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen. Sie sei nicht vom Arbeitgeber mit der Gestaltung des Arbeitsraumes betraut gewesen. Durch das Abnehmen der Bilder habe sie den Streit mitverursacht. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchbescheid vom 15.07.2010). Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet habe, nicht der versicherten Tätigkeit der Klägerin als Medizinisch-technische Radiologieassistentin zuzurechnen sei. Zwar könnten auch tätliche Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz unter Versicherungsschutz stehen. Aus den Verwaltungsunterlagen ergebe sich jedoch mit hinreichender Gewissheit, dass die Auseinandersetzung privaten Ursprungs gewesen sei.

Am 18.08.2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 02.01.2012 den Bescheid der Beklagten vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Unfall der Klägerin am 17.06.2009 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Zwar sei die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens nicht mit ihrer eigentlichen Tätigkeit als Medizinisch-technische Radiologieassistentin beschäftigt gewesen. Aber auch Streit und Tätlichkeiten am Arbeitsplatz stünden dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie unmittelbar aus der Arbeit erwüchsen, ohne dass es darauf ankomme, wer den Streit begonnen habe. Nicht ausreichend sei zwar, dass sich der Streit oder die Tätlichkeit lediglich während der Arbeit oder an der Arbeitsstätte ereignet hätten. Es ließen sich jedoch betriebsbezogene Ursachen als zumindest annähernd gleichwertige Bedingungen für den Streit feststellen. Auch wenn die Klägerin nicht vom Arbeitgeber mit der Ausgestaltung des Arbeitszimmers beauftragt gewesen sei, sei davon auszugehen, dass das Aufhängen von privaten Bildern im Arbeitszimmer vom Arbeitgeber zwecks gesteigerter Arbeitsmotivation durch soziale Arbeitsplatzgestaltung gebilligt werde und deshalb einen konkreten Bezug zur geschuldeten Arbeitsleistung gehabt habe. Etwaige private Beziehungen der Klägerin zu Prof. Dr. H wären jedenfalls nicht alleinige Ursache der Streitigkeit gewesen. Vielmehr sei die zum Zeitpunkt der Tätlichkeit vorgenommene Arbeitsplatzgestaltung zumindest rechtlich wesentliche Mitursache gewesen.

Gegen den ihr am 26.01.20112 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15.02.2012 einen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Berufungsschriftsatz vom 15.02.2012 an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) gesandt. Der Schriftsatz vom 15.02.2012 ist im Original von Frau N unterschrieben. Inhaberin der qualifizierten elektronischen Signatur war die Mitarbeiterin der Poststelle der Beklagten J S , der Frau N den Schriftsatz nach Unterschrift zur Weiterleitung mittels EGVP übergeben hatte. Der Schriftsatz wurde am 15.02.2012 vom Gericht ausgedruckt und an diesem Tag zur Verfahrensakte genommen.

In der Sache geht die Beklagte davon aus, dass die Klägerin keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Weder das Aufhängen noch das Abhängen der privaten Bilder im gemeinschaftlich genutzten Büro noch der sich daran anschließende Streit mit der daraus folgenden Handgreiflichkeit und Körperschädigung der Klägerin habe dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterlegen. Das Aufhängen privater Bilder sei eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, die nicht der versicherten Tätigkeit im Sinne gesteigerter Arbeitsmotivation durch soziale Arbeitsplatzgestaltung zuzurechnen sei. Bei der Tätigkeit der Klägerin habe es sich auch um keine derart belastende Arbeitssituation gehandelt, die eigenwirtschaftliche Gegenmaßnahmen in Form des Aufhängens von privaten Bildern erforderlich gemacht hätte. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit und eine auf die Belange des Betriebes gerichtete Handlungstendenz würden fehlen. Vielmehr sei der Handgreiflichkeit eine schon länger zwischen den Beteiligten schwelende Unstimmigkeit, deren Ursprung im Privatbereich zu liegen scheine, vorausgegangen. Diese privaten Unstimmigkeiten hätten die Klägerin schließlich zu dem Abhängen der Bilder veranlasst. Dienstliche Gründe seien weder bekannt noch sonst nachvollziehbar.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 02.01.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für richtig. Es habe sich um ein gemeinsames Büro gehandelt. Ein persönliches Verhältnis zu Prof. Dr. H habe vor der Handgreiflichkeit nicht bestanden. Zudem sei es nicht nur um Bilder und Postkarten, sondern einen Wandkalender gegangen, der von allen drei Personen gemeinsam genutzt werden sollte, um Urlaubstermine einzutragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig (unter I.) und begründet (unter II.), denn das SG hat der Kläger zu Unrecht stattgegeben.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden.

Nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Mit dem Schriftformerfordernis soll gewährleistet werden, dass die abzugebende Erklärung dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen und zudem festgestellt werden kann, dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.11.2000 – B 13 RJ 3/99 R – juris). Neben der (herkömmlichen) schriftlichen Form eröffnet § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG zudem die Möglichkeit, elektronische Dokumente an das Gericht zu übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Die "elektronische Form" (d.h. die elektronische Übermittlung von Erklärungen an das Gericht in Gestalt eines elektronischen Dokuments) stellt dabei weder einen Unterfall noch eine Sonderform der Schriftform dar. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber "als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form" eingeführt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R –, juris RdNr. 18 unter Hinweis auf BT-Drucks 15/4067 S. 27 f. sowie den Wortlaut des § 158 SGG). Nach § 65a Abs. 1 Satz 3 SGG ist dabei für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz vorzusehen.

Der Freistaat Sachsen hat von dieser in § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG eröffneten Befugnis Gebrauch gemacht und gemäß § 1 i. V. m. Nr. 5 der Anlage der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechtsverkehr in Sachsen vom 06.07.2010 (SächsGVBl. S. 190), in der Fassung der Verordnung vom 11.03.2011 (SächsGVBl. S. 59) mit Wirkung vom 01.04.2011 die Einreichung elektronischer Dokumente beim Sächsischen LSG zugelassen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der vorgenannten Verordnung sind, sofern für Einreichungen die Schriftform oder die elektronische Form vorgeschrieben sind, die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 Signaturgesetz zu versehen.

Diese Formerfordernisse sind erfüllt. Der elektronische Eingang vom 15.02.2010 enthielt den Berufungsschriftsatz der Beklagten vom 15.02.2010 und war mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen. Unschädlich ist dabei, dass die Inhaberin der Signatur (J S ) nicht mit der inhaltlich für die Abgabe der Berufungseinlegung als Prozesserklärung verantwortlichen Frau N übereinstimmte. Eine solche Übereinstimmung ist dann notwendig, sofern für den einzureichenden Schriftsatz die Schriftform vorgeschrieben ist und der Schriftsatz rein elektronisch erstellt – also nicht im Original eigenhändig unterschrieben – ist. Denn die Signatur erfüllt beim elektronischen Dokument diejenigen Funktionen, die bei einem herkömmlichen Dokument durch die schriftliche Abfassung und die Unterschrift gewährleistet werden. Die eigenhändige Unterschrift, die die Willenserklärung als abgeschlossen kennzeichnet (Abschlussfunktion) wird durch den Hashwert, der mit dem privaten Signaturschlüssel signiert wird, der erst nach Texterstellung gebildet werden kann, ersetzt. Die Perpetuierungsfunktion wird dadurch gewährleistet, dass das auf einem Datenträger verfügbare Dokument jederzeit aufgerufen und an einem Bildschirm gelesen oder ausgedruckt werden kann. Die Identitätsfunktion der eigenhändigen Unterschrift ersetzt ein einmaliges Signaturschlüsselpaar. Die Verbindung von Text und Signatur gewährleistet zudem die Echtheitsfunktion, die ansonsten die körperliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument erzeugt. Das Signaturverfahren erfüllt ferner die Verifikations- und Beweisfunktion und erfüllt auch eine gewisse Warnfunktion, um dem Absender die Verbindlichkeit vor Augen zu führen. Aus diesen Funktionen wird deutlich, dass Signaturinhaber und Ersteller des Dokuments grundsätzlich nicht auseinanderfallen dürfen.

Hier liegt es aber anders. Denn die Signatur diente vorliegend nicht vornehmlich als Unterschriftsersatz. Vielmehr hat die Beklagte den vom Gesetz- und Verordnungsgeber eröffneten (weiteren) Zugangsweg des elektronischen Rechtsverkehrs – und zwar einschließlich der qualifizierten elektronischen Signatur – genutzt und damit den im Original unterschriebenen Berufungsschriftsatz in gescannter Form fristgerecht beim Sächsischen LSG eingereicht. Mit der Signatur durch die für die Übermittlung verantwortliche Mitarbeiterin der Beklagten, die den Anforderungen des Signaturgesetzes entsprach, wurde zudem gewährleistet, dass der Schriftsatz mit Wissen und Wollen des Urhebers an das LSG versandt worden ist.

Nicht vergleichbar ist der Fall deshalb mit dem Eingang eines gescannten Originalschriftsatzes, der lediglich einer "einfachen", nicht signierten, E-Mail als Anhang beigefügt ist. Auf die in diesem Zusammenhang streitige Frage, ob ein solcher Schriftsatz die Schriftform dann wahrt, sofern er als Ausdruck zur Akte gelangt (so Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2015 – XII ZB 424/14 – juris RdNr. 10; Beschluss vom 04.12.2008 – IX ZB 41/08 – juris RdNr. 10; Beschluss vom 15.07.2008 – X ZB 8/08 – juris RdNr. 8; ebenso Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.07.2013 – 2 AZB 6/13 –, juris RdNr. 12; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16.08.2012 – L 3 R 801/11 – juris RdNr. 39; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.01.2011 – L 5 AS 433/10 B – juris), oder keine formwirksame Erklärung vorliegt (so LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.2013 – L 6 AS 194/13 B – juris RdNr. 13; Bayerisches LSG, Beschluss vom 24.02.2012 – L 8 SO 9/12 B ER – juris RdNr. 11; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 65a RdNr. 8c; ders., jurisPR-SozR 21/2013 Anm. 6; Jung in: Roos/Wahrendorf, SGG, § 65a RdNr. 18; Sommer, in: Roos/Wahrendorf a.a.o., § 151 RdNr. 24), kommt es daher nicht an. Denn der Ausdruck des Scans ist hier gerade nicht Voraussetzung, um die Schriftform im Sinne des § 151 SGG zu wahren, weil ein formgerechter elektronischer Eingang vorliegt. Hiervon abgesehen bestünde das von der Gegenauffassung vorrangig befürchtete Rechtssicherheitsdefizit in Konstellationen der vorliegenden Art aber auch deshalb nicht, weil es nicht im Belieben des Gerichts steht, Schriftsätze, die signiert im EGVP eingehen, auszudrucken oder nicht. Denn die Verfahrensakte ist – unbeschadet der eröffneten elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten – derzeit zwingend in Papierform zu führen. Ein Rechtssicherheitsdefizit kann daher allenfalls bei "einfachen" E-Mail-Eingängen, nicht jedoch bei qualifiziert elektronisch signierten Eingängen bestehen (vgl. zu einem unsignierten Eingang über das EGVP OLG Brandenburg, Urteil vom 27.11.2008 – 5 U 179/07 mit Anm. Skrobotz. jurisPR-ITR 6/2009 Anm. 3).

Der Schriftsatz ist auch fristgerecht – nämlich am 15.02.2012 – eingegangen.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht festgestellt, dass das Ereignis vom 17.06.2009 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung war. Die erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Feststellung, dass ein Ereignis oder ein Unfall ein Arbeitsunfall ist, war zwar zulässig (vgl. BSGE 102, 111, 113 – st. Rspr.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 55 RdNr. 13b), jedoch nicht begründet.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden versicherten Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder dem Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Die nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit der Klägerin als Medizinisch-technische Radiologieassistentin stand mit dem Ereignis vom 17.06.2009 nicht in einem rechtlichen Zurechnungszusammenhang. Ob das schädigende Ereignis überhaupt einen Gesundheits(erst)schaden verursacht hat, kann daher – obschon auch das SG in seinem stattgebenden Urteil hierzu keinerlei Feststellungen getroffen hat – dahinstehen.

Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung wird nach der durch § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorgenommenen Eingrenzung nur für Unfälle infolge einer der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit gewährt. Welche Tätigkeit versichert ist, wird durch die §§ 2, 3 und 6 SGB VII allerdings nur indirekt bestimmt, weil diese Vorschriften mit den kraft Gesetzes (§ 2 SGB VII), den kraft Satzung (§ 3 SGB VII) und den freiwillig (§ 6 SGB VII) Versicherten lediglich versicherte Personengruppen nennen und die versicherten Tätigkeiten hierdurch nur mittelbar angesprochen werden. Hier gehört die geschädigte Klägerin zwar zum Kreis der nach § 2 SGB VII versicherten Personen. Es ist allerdings weiter zu prüfen, ob das angeschuldigte Ereignis, das zum Unfall führte, auch dem versicherten Tätigkeitsbereich zugerechnet werden kann, d.h. ob die ausgeübte Verrichtung hierzu in einem inneren (oder sachlichen) Zusammenhang stand. Denn Unfallversicherungsschutz kann nur in Betracht kommen, sofern sich die Verrichtung innerhalb der – ggf. im Wege der Normauslegung festzulegenden – Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz reicht (vgl. BSGE 94, 262; BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 16/11 R – juris; Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R – juris – st. Rspr.; vgl. zum Ganzen ausführlich Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 8 28 ff.). Anknüpfungspunkt der Prüfung ist hierbei nach allgemeiner Auffassung die sog. "finale Handlungstendenz" des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses.

Für die Frage, ob insbesondere Streit und Raufhändel als Schaden stiftende Verrichtung im notwendigen sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit stehen, wird dabei gemeinhin nach der Art des versicherten Risikos und dem Alter der versicherten Person differenziert. Bei erwachsenen Betriebsangehörigen ist regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen. Ist weder beim "Täter" oder dem "Opfer" einer handgreiflichen Streitigkeit eine Handlungstendenz festzustellen, die auf die Ausübung einer betriebsdienlichen Tätigkeit gerichtet ist, ist der Streit für beide eine privatnützige Tätigkeit, die folglich in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versichert ist (vgl. Wagner, a.a.O. RdNr. 74). Nur, wenn sich der Anlass des Streits aus der betrieblichen Tätigkeit ergibt, der "Streit also unmittelbar aus der Betriebsarbeit erwachsen" ist (BSG, Urteil vom 31.01.1961 – 2 RU 251/58 – juris RdNr. 16). ist der innere Zusammenhang zur versicherten betrieblichen Tätigkeit gegeben (st. Rspr. – vgl. BSG, Urteil vom 30.07.1968 – 2 RU 91/67 –, juris RdNr. 23; Urteil vom 23.04.1975 – 2 RU 257/74 –, juris RdNr. 24; Urteil vom 19.06.1975 – 8 RU 70/74 –, juris RdNr. 15; Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 8 RdNr. 74; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 8 RdNr. 90; Ziegler in;: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 3. Aufl., § 8 RdNr. 124 ff.).

Nach diesen Maßstäben fehlt es vorliegend am erforderlichen inneren Zusammenhang der Streitigkeit um die Ausgestaltung des Büros mit der eigentlichen, arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit der Klägerin. Hierbei kann offen bleiben, ob – unabhängig von dem Streit um das Aufhängen privater Bilder im gemeinschaftlich genutzten Büro – rechtlich alleinige wesentliche Ursache des handgreiflichen Streits Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und Prof. Dr. H waren, die allein im privaten Bereich wurzelten. Denn auch sofern man allein auf den unmittelbaren Anlass der handgreiflichen Streitigkeit abstellt, kann dieser zur Überzeugung des Senats bei wertender Betrachtung nicht der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Auslöser des Streits war letztlich, dass Prof. Dr. H an der Wand hinter dem Schreibtisch der Klägerin Landschaftsaufnahmen, die auf privaten Reisen entstanden waren, aufgehängt hatte, die die Klägerin wieder abgenommen hatte. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der funktionalen und unmittelbar arbeitsbezogenen Ausstattung des Büros bestand daher nicht. Dass Prof. Dr. H im Verlauf des Streits einen Kalender von der Wand abgerissen hat, der dem Eintragen von Urlaubsterminen diente, ändert an dem ursprünglichen auslösenden Ereignis – dem Aufhängen und Abnehmen der privaten Urlaubsaufnahmen – nichts. Nach den Ermittlungen des Senats bestand auch weder eine ausdrückliche betriebliche Weisung zur Ausgestaltung des Büros mit (z. B. privaten) Bildern noch war Prof. Dr. H , der zwar arbeitsrechtlich Vorgesetzter der Klägerin war, im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Büros weisungsbefugt.

Die – hier vom Hausrechtsinhaber jedenfalls geduldete – schmückende Ausgestaltung der Wände eines Büros mit privaten Bildern (oder Pflanzen o. Ä.) liegt zur Überzeugung des Senats auch nicht derart wesentlich im betrieblichen Interesse, dass der unfallversicherungsrechtliche Zusammenhang zu bejahen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.05.1995 – 2 RU 8/94 – juris RdNr. 18). Zwar können den betrieblichen Interessen mittelbar auch eigenwirtschaftliche Maßnahmen dienen, die – jenseits der arbeitsvertraglich geregelten Verrichtungen – soziale Angelegenheiten des Betriebs betreffen, wenn sie einen konkreten sachlichen Bezug zur geschuldeten Arbeitsleistung haben. Dass die Ausgestaltung eines Büros mit privaten Bildern oder – wie hier – die Abwehr der Ausgestaltung in nennenswerten Umfang objektivierbar dazu beigetragen hat, die Arbeit besser oder leichter zu erbringen, liegt in Anbetracht der von der Klägerin geschuldeten arbeitsvertraglichen Verrichtungen, die als übliche Tätigkeiten einer Medizinisch-technischen Radiologieassistentin jedenfalls nicht besonders belastend waren (vgl. hierzu BSG, a.a.O.), fern. Der Senat verschließt sich dabei nicht davor, dass eine private Ausgestaltung des Büros in gewisser Weise zu einer "atmosphärisch" besseren Grundstimmung beitragen kann. Dies ist aber weder quantifizierbar noch – da in hohem Maße subjektiv – verallgemeinerungsfähig. Auch zeigt der Fall anschaulich, dass die Meinungen darüber, was der "Verschönerung" eines Büros dient oder nicht, leicht auseinander gehen können. Folgerichtig bestehen im Übrigen auch arbeitsrechtlich keine Ansprüche auf eine persönlichkeitsbezogene eigenständige Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und dessen Umgebung durch den Arbeitnehmer (teilweise weitergehend Wiese in: Festschrift für Horst Konzen, 2006, S. 977 ff.). Der Arbeitnehmer ist lediglich berechtigt, Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplatzes (und des Arbeitsablaufs) zu machen (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz), wobei auch hierbei der Schwerpunkt auf der funktionalen, arbeitsbezogenen Gestaltung und nicht der Ausstattung mit privaten Gegenständen liegt.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht zuzulassen, da hierfür keine Gründe (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) vorliegen.

Schmidt Korneli Salomo
Rechtskraft
Aus
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