L 13 AS 3745/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1263/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3745/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1981 geborene Kläger, der langjährig vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bezieht, befand sich u.a. am 28. Oktober 2013 zu einem Termin bei dem Beklagten. Im Rahmen eines dortigen Gesprächs wurde dem Kläger der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II angeboten, was dieser - zwischen den Beteiligten unstreitig - ablehnte. Der Beklagte erließ daraufhin am 29. November 2013 einen die beabsichtigte Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II mit Gültigkeitszeitraum 29. November 2013 bis 24. April 2014.

Der Kläger erhob hiergegen am 5. Dezember 2013 Widerspruch, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2014 unter Hinweis auf die Gesetzeslage als unbegründet zurückwies. Da eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Kläger nicht zustande gekommen sei, sei deren inhaltliche Ersetzung durch einen Verwaltungsakt vorzunehmen gewesen.

Am 14. März 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgerichts Freiburg (SG) erhoben. Der Kläger hat die grundsätzliche Befugnis des Beklagten, den Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung einseitig durch Verwaltungsakt festzusetzen, auch unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Maßgaben bezweifelt. Der Beklagte ist dem unter Hinweis auf die Rechtsfehlerfreiheit der angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Mit Urteil vom 16. Juli 2014 hat das SG unter näherer Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen die Klage abgewiesen. Die als Anfechtungsklage erhobene, sodann als Fortsetzungs-Feststellungsklage statthafte Klage habe keinen Erfolg. Zwar sei diese statthaft und zulässig, auch wenn weder mögliche Folgeansprüche noch eine Grundrechtsrelevanz konkretisiert worden seien. Allerdings bestehe eine Wiederholungsgefahr, da der Kläger sich weiterhin im Leistungsbezug nach dem SGB II befinde und es daher nicht unwahrscheinlich sei, dass der Beklagte weiterhin versuchen werde, zur Eingliederung des Klägers in Arbeit mit diesem Eingliederungsvereinbarungen abzuschließen und diese ggf. durch Verwaltungsakt zu ersetzen. Der Kläger habe daher ein Interesse an zumindest einer einmaligen Klärung, ob der Beklagte grundsätzlich berechtigt sei, nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt zu ersetzen. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eröffne dem Beklagten die Möglichkeit, den Inhalt einer beabsichtigten Eingliederungsvereinbarung in Form eines Verwaltungsaktes zu regeln, soweit die Eingliederungsvereinbarung nicht zustande komme. Die Ausführungen des Klägers im Widerspruchs- und Klageverfahren seien nicht geeignet, dies zu widerlegen. Insbesondere teile das SG die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken an der besagten Regelung nicht. Der Beklagte sei also grundsätzlich berechtigt gewesen, den Bescheid vom 29. November 2013 zu erlassen. Inhaltliche Einwendungen gegen die darin enthaltenen Regelungen habe der Kläger nicht erhoben. Auch dem SG seien keine ersichtlich.

Gegen das am 9. August 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. September 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er die von ihm erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juli 2014 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Beklagten vom 29. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. März 2014 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und die erlassenen Bescheide für rechtmäßig. Der Beklagte hat im Berufungsverfahren zwei weitere, eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakte vom 14. Mai 2014 und 10. November 2014 vorgelegt und der Sache nach bestätigt, dass der Erlass weiterer, die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakte möglich sei, da sich der Kläger auf Basis beigefügten Schriftverkehrs dauerhaft geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.

Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist das Begehren des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts vom 29. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2014. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger erhobene Klage dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung von der Rechtswidrigkeit des genannten Bescheids hat. Nach dem sich der Kläger grundsätzlich weigert, Eingliederungsvereinbarungen zu schließen und der Beklagte deshalb weitere Eingliederungsverwaltungsakte ankündigt, kann hier wegen der bestehenden "Wiederholungsgefahr" zwar ein berechtigtes Interesse und damit die Zulässigkeit der Feststellungsklage angenommen werden; die Klage ist jedoch nicht begründet (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 131 RdNr. 10b).

Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG insgesamt nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist festzustellen, dass zumindest in einer Situation wie der vorliegenden verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorgehensweise nicht bestehen. Hierzu wird auf die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug genommen. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergeben sich keine anderweitigen Anhaltspunkte.

Die vom Kläger offenbar angedeutete Rechtsprechung betrifft in Teilen nicht die Frage der Ersetzungsbefugnis der Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt, sondern die Minderung des Regelbedarfs durch Sanktionen. Dies ist vorliegend - in Einklang mit dem SG - jedoch kein Streitgegenstand, da keine entsprechenden Feststellungen getroffen sind. Soweit das SG Dortmund (Entscheidung vom 18. September 2007, Az.: S 28 AS 361/07 ER, juris) im Zwang zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung einen Eingriff in die - durch den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG geschützte - Vertragsfreiheit angenommen hat, der den verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch der Verhältnismäßigkeit verletzt, entspricht dies nicht der vorherrschenden Linie in der obergerichtlichen Rechtsprechung und verkennt die zugrunde gelegte Entscheidung des LSG Niedersachsen vom 31. Juli 2007, Az. L 8 AS 605/06 ER, weshalb dem nicht zu folgen war. Denn dort wird nur ein auf der Eingliederungsvereinbarung basierender Verwaltungsakt mit bereits getroffener Sanktionsregelung beanstandet. Zumindest in dem Fall, in welchem wie vorliegend eine getroffene Sanktion selbst gerade nicht Streitgegenstand ist, ergibt sich hierfür jedoch selbst auf dieser - abweichenden - Rechtsprechung keine Grundlage für das Begehren des Klägers.

Soweit vom Kläger unter Bezugnahme auf SG Gotha (Entscheidung vom 26. Mai 2015, Az. S 15 AS 5157/14, juris) eine Verfassungswidrigkeit der rechtlichen Grundlagen des § 15 Abs. 2 SGB II geltend macht werden soll, ist dem aus den zuvor genannten Gründen nicht zu folgen. Auch die bisherige fachgerichtliche wie auch die verfassungsrechtliche Rechtsprechung stehen dem entgegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 22. Januar 2007, Az. L 13 AS 4160/06 ER-B).

Im Übrigen ist weder eine Eingliederungsvereinbarung noch ein Verwaltungsakt ein Vertrag im Sinne des BGB. Eine unreflektierte Übernahme von zivilrechtlichen Erwägungen in das öffentliche Recht ist nicht einschlägig. Auf weitere, vom Kläger angeführten Umstände kommt es angesichts dessen nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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