L 10 R 5346/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1025/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5346/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.11.2013 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte Beschäftigungszeiten des Klägers in der ehemaligen U. zutreffend der Qualifikationsgruppe 5, statt der vom Kläger begehrten Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet hat.

Der am 1950 geborene, als Vertriebener anerkannte Kläger siedelte im April 1989 in die Bundesrepublik Deutschland über.

Mit Vormerkungsbescheid vom 23.10.1997 stellte die Beklagte die vom Kläger zurückgelegten Versicherungszeiten bis 31.12.1990 fest, u.a. im Zeitraum vom 06.09.1966 bis 20.01.1989 Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), die sie jeweils der Qualifikationsgruppe 5 zuordnete. Im Vormerkungsbescheid vom 17.05.2004 (Feststellung von Zeiten bis 31.12.1997, soweit nicht bereits früher festgestellt) übernahm sie die im Bescheid vom 23.10.1997 getroffenen Feststellungen in den Versicherungsverlauf.

Im April 2011 beantragte der Kläger die Überprüfung der Versicherungszeiten gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und machte geltend, in seiner Tätigkeit als Elektromonteur/Elektriker sei er spätestens nach sechs Jahren der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen.

Mit Bescheid vom 07.12.2011 nahm die Beklagte die Bescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 bezüglich der Zeiträume vom 01.07.1975 bis 21.07.1976 und vom 26.07.1976 bis 20.10.1976 zurück und ordnete diese Beschäftigungszeiten der Qualifikationsgruppe 4 zu. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 auch für die weiteren Zeiten (28.10.1976 bis 18.07.1979, 17.08.1979 bis 23.08.1983, 22.10.1983 bis 20.01.1989) geltend. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.02.2013).

Am 19.03.2013 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 30.08.2013 hat die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.11.2013 bewilligt (vgl. Bl. 26ff LSG-Akte).

Nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2013 hat das SG mit Urteil vom selben Tag die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 23.10.1997, 17.05.2004 und 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013 und des Bescheids vom 30.08.2013 antragsgemäß verurteilt, die Tätigkeit des Klägers vom 17.08.1979 bis 23.08.1983 und vom 22.10.1983 bis 20.01.1989 in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI einzustufen. Soweit der Kläger eine entsprechende Einstufung auch für die Tätigkeit im Zeitraums vom 28.10.1976 bis 18.07.1979 beantragt hatte, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 13.12.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine Zuordnung der Tätigkeit des Klägers zur Qualifikationsgruppe 4 im Zeitraum vom 17.08.1979 bis 23.08.1983 und 22.10.1983 bis 20.01.1989 seien nicht erfüllt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.11.2013 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte zur Gewährung höherer Rentenleistungen unter Zuordnung der Zeiten vom 17.08.1979 bis 23.08.1983 und 22.10.1983 bis 20.01.1989 zur Qualifikationsgruppe 4 zu verurteilen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143,144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis auch begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013, mit dem die Beklagte es der Sache nach abgelehnt hat, insbesondere den Vormerkungsbescheid vom 23.10.1997 hinsichtlich der im Tatbestand näher aufgeführten Zeiträume von Oktober 1976 bis Juli 1989, August 1979 bis August 1983 und Oktober 1983 bis Januar 1989 abzuändern und die entsprechenden Beschäftigungszeiten anstelle der Qualifikationsgruppe 5 der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Für dieses Begehren ist zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig gewesen.

Soweit das SG in der mündlichen Verhandlung - sowohl im angeregten Antrag als auch im Urteil - die Vormerkungsbescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 unmittelbar einbezogen und im Urteil abgeändert hat, ist dies unzutreffend. Denn diese Bescheide waren bestandskräftig (§ 77 SGG), eine Klage hiergegen ist daher unzulässig. Entsprechend hat der Kläger sein Begehren auch im Wege des § 44 SGB X verfolgt, der im Falle eines bestehenden Anspruchs auf Rücknahme nur eine Verurteilung der Beklagten zu einer solchen Rücknahme im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erlaubt. Darüber hinaus hat das SG (wie die Beklagte) den Vormerkungsbescheid vom 17.05.2004 zu Unrecht in die Prüfung nach § 44 SGB X einbezogen. Denn die streitigen Zeiten wurden allein im Vormerkungsbescheid vom 23.10.1997 geregelt, der Bescheid vom 17.05.2004 enthält zu diesen Zeiten ausdrücklich ("soweit nicht bereits früher festgestellt") keine Feststellung.

Allerdings ist die ursprünglich zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 07.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2013 mit dem Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur teilweisen Rücknahme des Vormerkungsbescheides vom 23.10.1997 unzulässig geworden. Denn nach Eintritt des Leistungsfalls ist auch dann, wenn ein bindend gewordener (ablehnender) Vormerkungsbescheid erlassen wurde, ein Begehren in Bezug auf streitbefangene Zeiten nicht mehr im Wege eines gesonderten Verfahrens zur Korrektur des Vormerkungsbescheides zu verfolgen, sondern vielmehr im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Erlass des Rentenbescheides bzw. nachfolgend zu dessen Überprüfung. Denn im Rentenbescheid sind sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen. Stehen einer solchen Entscheidung Feststellungen eines Vormerkungsbescheids entgegen, sind diese "im Rentenbescheid" aufzuheben (§ 149 Abs. 5 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, so BSG Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 118/08 R, juris; weitergehend, BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R, juris: frühere Vormerkungsbescheide erledigen sich "in sonstiger Weise" nach § 39 Abs. 2 SGB X) und zwar entweder nach § 44 Abs. 2 SGB X (bei rechtswidrig nicht begünstigenden Feststellungen) oder nach § 45 SGB X (bei rechtswidrig begünstigenden Feststellungen). Nach Erlass eines Rentenbescheids besteht für ein gesondertes Rechtsbehelfsverfahren nur in Bezug auf die Feststellungen im Vormerkungsbescheid kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Ein solches Verfahren ist nach Erlass des Rentenbescheids unzulässig (BSG, a.a.O.).

Entsprechend ist die Klage, mit der sich der Kläger gegen die mit Bescheid vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013 erfolgte Ablehnung der Abänderung des bestandkräftig gewordenen Vormerkungsbescheides von 23.10.1997 gewandt hat, wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig geworden. Das SG hätte die Klage gegen diese, die Abänderung der Vormerkungsbescheide ablehnenden Bescheide daher als unzulässig abweisen müssen. Entsprechend ist das Urteil des SG insoweit abzuändern, als es die Beklagte verurteilt hat, für die Zeiträume von August 1979 bis August 1983 und von Oktober 1983 bis Januar 1989 hat, die Tätigkeit des Klägers der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil daher insoweit aufzuheben und die Klage, weil unzulässig, abzuweisen.

Bei dieser prozessualen Situation ist kein Raum für die vom Kläger begehrte Sachentscheidung, mit der er im Berufungsverfahren nunmehr - erstmals - die Gewährung höherer Altersrente beantragt hat. Denn Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie oben ausgeführt - der Bescheid vom 01.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013, nicht aber der Bescheid vom 30.08.2013 mit dem die Beklagte dem Kläger Altersrente gewährt hat. Insbesondere ist dieser Bescheid auch nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden. Denn gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der Bescheid vom 30.08.2013, mit dem die Beklagte dem Kläger Altersrente bewilligt hat, hat den Bescheid über die Ablehnung der Abänderung der bestandkräftig gewordenen Vormerkungsbescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 jedoch nicht abgeändert und den Bescheid vom 07.12.2011 auch nicht ersetzt. Im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG hat der Bescheid vom 30.08.2013 zwar die bestandskräftig gewordenen Vormerkungsbescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 (in der Fassung der mit Bescheid vom 07.12.2011 erfolgten Teilabänderung) ersetzt, jedoch sind diese Bescheide gerade nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens, sondern - wie ausgeführt - allein der Bescheid vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013. Gerade wegen der Bestandskraft der Vormerkungsbescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 hat der Kläger im Hinblick auf deren Durchbrechung die Klage gegen den Bescheid vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013 geführt.

Sein Begehren auf höhere Altersrente unter Zuordnung zu einer für ihn günstigeren Qualifikationsgruppe kann der Kläger mithin nicht in dem anhängigen Verfahren, sondern nur in einem gesonderten Verfahren, das sich gegen den Bescheid vom 30.08.2013 richtet, weiterverfolgen.

Soweit der Kläger sich in der von ihm vertretenen Rechtsauffassung durch das vorgelegte Urteil des 9. Senats des LSG (L 9 R 4225/11) und der dort in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 14.12.2011 (a.a.O.) bestätigt sieht, verkennt er, dass der jenen Verfahren des LSG und des BSG zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem in dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar ist. Denn Streitgegenstand in jenen Verfahren war - anders als vorliegend - ein Vormerkungsbescheid, der mit Erlass des Altersrentenbescheids während des laufenden Klageverfahrens durch diesen Rentenbescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG ersetzt wurde (vgl. zur näheren Begründung BSG, a.a.O.). In diesem Sinne hat auch vorliegend der Altersrentenbescheid vom 30.08.2013 die Vormerkungsbescheide vom 23.10.1997 und 17.05.2004 ersetzt. Allerdings sind diese - auf Grund ihrer bereits eingetretenen Bestandskraft - nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens gewesen. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 07.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2013 gewesen.

Nach alledem ist das Urteil des SG im Rahmen des Berufungsantrags der Beklagten abzuändern und die Klage hinsichtlich der Zeiten von August 1979 bis August 1983 sowie Oktober 1983 bis Januar 1989 abzuweisen. Soweit das SG die Klage im Hinblick auf den Zeitraum von Oktober 1976 bis Juli 1979 abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Denn insoweit hat weder der Kläger noch (mangels Beschwer) die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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